Berliner Übergangssaison Verein

Berliner Übergangssaison Verein

Diese Saison ist für Hertha BSC schon lange das, was die Fans spätestens seit dem verkorksten letzten Tag der Sommertransferperiode befürchteten – die nächste Übergangssaison. Nachdem Klublegende Pal Dárdai mangels Weiterentwicklung der Mannschaft und Einigkeit über den zu beschreitenden Weg im Herbst durch Tayfun Korkut ersetzt wurde, stabilisierte sich die Mannschaft zwar zunächst, spielt aber dennoch gegen den Abstieg.

Wie haben Korkuts Maßnahmen bisher gefruchtet? Wird die Herangehensweise durch die Winterneuzugänge noch einmal verändert? Und was bringt die Rückrunde?

Neuer Trainer, alte Probleme

Direkt nach seiner Installation etablierte Korkut sein favorisiertes 4-4-2 mit zwei Sechsern. Und schon im ersten Spiel seiner Amtszeit zeigte sich ein offensiver Spielfluss, der zuletzt unter Dárdai schmerzlich vermisst wurde. Und das lag in erster Linie am neuen „Traumduo“ am Hertha-Himmel – Stevan Jovetic und Ishak Belfodil, boulevardesk teils als „Jovedil“ betitelt, wirbelten clever umeinander herum, erspielten sich in teils sehenswerten Kombinationen Torchancen und zeigten jeweils, dass sie fußballerisch in einer anderen Liga als Herthas sonstige Offensivkräfte anzusiedeln sind.

Womit auch schon ein Problem der neuen Formation zutage tritt. Fehlt einer der beiden, zuletzt häufig Jovetic, verletzt, kann der Ersatz nicht mit dem gleichen Spielwitz und derselben Spielintelligenz aufwarten, sei es Myziane Maolida, Marco Richter oder Davie Selke.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Kommen aus dem Sturmduo heraus keine ernstzunehmenden Offensivimpulse, lahmt Herthas Offensivspiel sichtlich. Mangels Flügelspielern im Kader kommen über die Außen kaum einmal gefährliche Flankenläufe. Aus dem Mittelfeld kann nur eine Einzelleistung von Suat Serdar für Überraschung in der Defensivreihe des Gegners sorgen.

Und so sahen die letzten Wochen und Spiele leider wieder verdächtig nach Dárdai-Ball aus, die Offensivbemühungen waren zu ausrechenbar und ungefährlich und verliefen so im Sande. Und defensiv wurde die eigentlich vorhandene Grundstabilität von einzelnen individuellen und kollektiven Schnitzern konterkariert.

Neue Gesichter im Kader – neues System?

Als kleiner Lichtblick der vergangenen Hertha-Wochen kann das Debüt von Winterneuzugang Fredrik André Bjørkan gegen den FC Bayern herangezogen werden. Zwar hatte Maxi Mittelstädt seine Sache zuletzt ordentlich gemacht, etwas Druck in der Problemzone Linksverteidiger kann aber nicht schaden.

Bjørkan erzeugte bei seinen wenigen Spielminuten gegen Bayern mehr Offensivpower und belebte Herthas Angriffsbemühungen. Setzt Korkut in den nächsten Spielen vermehrt auf ihn, könnte Mittelstädt auch eine Position nach vorne rücken und als linker Mittelfeldspieler etwas mehr bewegen als die zurzeit aushelfenden Notnägel aus dem zentralen Mittelfeld wie Vladimir Darida oder Suat Serdar, der zentral dringender benötigt wird.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Auch abseits der Bjørkan-Verpflichtung war wieder viel Bewegung im Hertha-Kader. So kamen neben dem norwegischen Linksverteidiger noch Dongjun Lee, ein 24-jähriger Rechtsaußen, sowie der Innenverteidiger Marc Oliver Kempf aus Stuttgart. Quasi positionsgetreu verließen dafür Jordan Torunarigha auf Leihbasis sowie Dennis Jastrzembski den Verein. Dazu wurden auch Deyovaisio Zeefuik und Krzysztof Piątek mit Kaufoptionen verliehen. Dem Vernehmen nach möchte Hertha auf genau diesen Positionen im Winter nochmal nachlegen und hat noch einen Rechtsverteidiger sowie einen Mittelstürmer im Visier.

Angesichts dessen liegt es nahe, dass Korkut an seinem 4-4-2 festhalten wird, wenngleich eine Umstellung auf Dreierkette mit dem vorhandenen Personal ebenfalls möglich wäre. So schickte Korkut gegen Bayern eine defensiv eingestellte Mannschaft mit Fünferkette auf das Feld, die den Tabellenführer aber auch kaum aufhalten konnte. Das etwas biedere 4-4-2 sorgt für eine stabile Defensive, bringt aber nur begrenzt Offensivgefahr mit sich.

Mit den neuen Kräften kann etwas frischer Wind in Herthas Spiel kommen. Man darf allerdings auch nicht zu viel erwarten und muss gerade bei den Verpflichtungen aus dem Ausland mit Anpassungsschwierigkeiten rechnen.

Richtungsweisende Wochen für Hertha

Hertha aber muss sofort liefern. In den nächsten beiden Spielen geht es mit Bochum und Fürth gegen die direkten Konkurrenten im Tabellenkeller. Immerhin ist mit Stevan Jovetic Herthas Schlüsselspieler wieder fit.

Unabhängig der Punkteausbeute aus den beiden Partien müssen wir uns auf eine lange Saison einstellen. Mit dem Pokal-Aus ist auch die letzte Chance auf eine versöhnliche Spielzeit vertan. Es wird bis zum Ende um den Nichtabstieg gehen. Hoffnung machen da insbesondere die schlechten Leistungen der direkten Konkurrenten. Aber man darf sich nicht auf andere verlassen.

Es bleibt zu hoffen, dass aus der nächsten Übergangs- diesmal keine Untergangssaison wird.

[Titelbild: PATRIK STOLLARZ/AFP via Getty Images]

Pal Dardai: Für immer Herthaner

Pal Dardai: Für immer Herthaner

Pal Dardai ist seit dem 29. November 2021 nicht mehr Cheftrainer der Profimannschaft von Hertha BSC. An diesem Montagmorgen ist etwas zu Ende gegangen und auch zerbrochen. Doch noch besteht die Hoffnung, dass die Legende dieses Mannes so groß ist, dass der Bruch reparabel ist und man wie am Ende einer Liebesbeziehung versucht ein vernünftiges Miteinander zu ermöglichen und in romantischen Erinnerungen zu schwelgen.

Der verwirrte Blick aufs Handy

An jenem Morgen setzte ich mich gerade an meinen Rechner im Homeoffice, um der allwöchentlichen Germanistik-Vorlesung zu lauschen. Während ich den Worten meines Profs folgte, vibrierte mein Smartphone. Mein bester Freund schickte mir einen Screenshot von einem Artikel, der von der Homepage von Hertha BSC stammen sollte. Pal Dardai sei nicht mehr länger Trainer von Hertha BSC und Tayfun Korkut würde mit sofortiger Wirkung übernehmen war die Quintessenz dieses Textes. Ich schmunzelte ein wenig und beschloss später zu antworten.

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Als netten Spaß abstempelnd wollte ich mich wieder meiner Vorlesung widmen. Doch so richtig ließ mich das Thema nicht los. Ich griff direkt wieder zum Smartphone fragte nach der Quelle und ob das ein Spaß oder Fake oder etwas in der Art sei. Denn auch meine parallele Internetrecherche brachte noch keinen Treffer. Mein alter Freund aus Kindestagen war bekannt für Scherze dieser Art, doch leider bestätigte er mir die Echtheit dieses Artikels.

Wo warst du, als…?

Verwundert und mit einem Anflug von Panik startete ich eine zweite Recherche. Und diese sollte ein Volltreffer sein. Innerhalb weniger Minuten gingen sämtliche einschlägigen Medienhäuser mit dieser Meldung raus, manche zum Teil per Eilmeldung und Push-Benachrichtigungen auf mein Smartphone. Eins war klar, die Vorlesung war für den heutigen Tag durch.  

Am späten Abend noch desillusioniert sein, keine Worte für die Situation zu finden und einfach nur das warum und weshalb in Frage stellen – alles Reaktionen, die die Trainerentlassung hervorriefen. Es gibt diese „Wo warst du, als…“-Momente im Leben. Jener Montag am Ende des Novembers 2021 gehört freilich für jeden Fan von Hertha BSC dazu.

In den letzten Jahren hatte man als Herthaner leider einige dieser Momente. Ob es die Klinsmann-Tagebücher waren, das Kalou-Video oder der Moment, als klar war, dass sich die Mannschaft im Saisonendspurt 2020/2021 und im tiefen Abstiegskampf steckend in Quarantäne begeben musste. Immerhin hatte dieses Himmelfahrtskommando ein positives Ende. Entscheidender Akteur dabei: Pal Dardai.

Wie der Spieler, so der Trainer

Als Pal Dardai 1997 sein erstes Spiel für Hertha BSC bestritt, hätte niemand gedacht, dass der FC Augsburg mal so eine feste Größe in der Karriere des Ungarn werden würde. Doch am letzten Spieltag der Saison 2010/2011 wurde er nach 297 Pflichtspielen und damit als Rekordspieler der Hertha verabschiedet. Der FC Augsburg war im restlos ausverkauften Olympiastadion zu Gast.

Gemeinsam stiegen beide Vereine nach einem 2:1 Heimsieg der Hertha in die Bundesliga auf. Dardai erzählte einige Jahre später von seiner Ehrenrunde mit Sohn Bence auf den Schultern. Michael Preetz empfahl ihm damals seinen Sohn mitzunehmen, um zu verhindern, vor der riesigen Masse an Fans in Tränen auszubrechen.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Irgendwie beschreibt genau das Pal Dardai. Ein emotionaler Mann, dem vieles nahegeht, der motivieren kann, mit seinen Ausbrüchen auch gerne über die Stränge schlägt und in kleineren Runden, wie im Team und auf Pressekonferenzen, den witzigen und nahbaren Pal zeigt. Doch je größer die Versammlung, desto anonymer möchte er sein. Er ist nicht interessiert an dem großen Brimborium um seine Person. Er möchte nicht die Aufmerksamkeit durch Tränen bekommen.

Genau diese hätte man ihm nach seinem vorerst letzten Spiel als Trainer von Hertha BSC aber durchaus zugestanden. Wieder war es der FC Augsburg, der zu seinem letzten Spiel zu Gast war. Doch die Zeiten sind andere. Das Stadion war wegen der Corona-Pandemie nur spärlich gefüllt, Hertha steckt im Abstiegskampf und ist auf der Suche nach sich selbst.

Pal Dardai: Das Herzstück

In seiner Zeit bei Hertha ist Dardai mehr gewesen, als nur Spieler und Trainer. Er war das Herzstück in einem sich zunehmend verändernden Verein. Als Spieler war er hinter den Zauberern und Genies wie Marcelinho, Gilberto oder Pantelic nicht wegzudenken. Jemand musste schließlich als Malocher fungieren.

Foto: Michael Cooper /Allsport

Mit seinem Siegtreffer beim Spiel gegen die Bayern 2001 machte er sich unsterblich. In jenem Spiel traf mit Andreas „Zecke“ Neuendorf eine weitere Vereinsikone und Teil des entlassenen Trainerteams. Er machte in den vielen Jahren praktisch alles mit, was im Profifußball möglich war. Mit Hertha spielte er Champions League, im Uefa Cup, später in der Europa League; Er stieg ab und nach einem Jahr in der 2. Bundesliga zum Abschied seiner Karriere wieder auf.

2009 hatte er in der legendären Fast-Meistersaison am 33. Spieltag gegen den FC Schalke 04 den Siegtreffer auf dem Fuß. Nicht auszudenken, was möglich gewesen wäre, wenn ihm der Schuss und das Tor geglückt wären.

Ohne sich anzubiedern, sich selbst und Hertha treu geblieben

Als Spieler hatte er es nie nötig hochtrabende Sprüche über sich selbst zu liefern. Er war eher der Mitspieler, der mit Körpereinsatz Bälle und Gegner abräumte. Der arbeitete. Nach dem Spiel ging es nach Hause ins private, wo allerhöchstens noch eine Flasche Rotwein geöffnet wurde.

Wirklich launisch und pointiert wurde er erst als Trainer. Pressekonferenzen und Interviews entwickelten sich gerne mal zu Plauschs mit den Journalisten und es gab genügend markige Sprüche von ihm, die Schlagzeilen und Stoff für die Medienwelt bedeuteten. Von Milchreis-Anekdoten in Hoffenheim, über Alligatoren in der Kabine, bis hin zum Vergleich zwischen Dodi Lukebakio und dem australischen Riesenkänguru bot er zahlreiche witzige Momente.

Mit seiner offenen Art schien er im durchgescripteten Fußball-Business etwas aus der Zeit zu fallen, ebenso wie mit seinem Ballonseide-Trainingsanzug. Während immer mehr Trainer in der Bundesliga im feinen Zwirn an der Seitenlinie ihre Teams coachen, betonte er seine Funktion als arbeitender Trainer.

(Photo by Friedemann Vogel – Pool/Getty Images)

Aber auch nur als für Hertha arbeitender Trainer. Als er 2019 nach 4,5 Jahren als Cheftrainer der Alten Dame in ein Sabbatjahr ging, hielt er sein Wort, nach seiner Pause in die Jugendakademie der Berliner zurückzukehren. Und das trotz einiger Angebote aus der Bundesliga.


Auch in der aktuellen Podcast-Folge blicken wir noch einmal auf die Arbeit von Pal Dardai zurück. Außerdem analysieren wir das Korkut-Debüt in Stuttgart und sprechen über Neuzugang Bjørkan.


Die Balance zwischen Witz und Frust verloren

Pal Dardai blieb sich, seinem Charakter und Hertha BSC immer treu. Allerdings veränderte sich etwas. Es wirkte manchmal wie das Auseinanderleben in einer Beziehung. Hertha wollte mehr als den Malocher-Fußball, der zwar temporär erfolgreich war, aber nichts langfristiges bot. Der Abschied 2019 war ein sauberer Schnitt. Der zweite Abschied vom Profi-Fußball. Er war müde und ausgelaugt, musste dringend seinen Akku aufladen.

Das Verhältnis zum damaligen Manager Michael Preetz galt als schwer angeschlagen. Journalist:innen watschte er auf Pressekonferenzen ab, er verrannte sich zunehmend in wirren Aussagen, deren Wahrheitsgehalt praktisch gen null ging und warf mit Schuldzuweisungen wild um sich. Während das Team damals wieder einmal in der Rückrunde komplett einbrach, besaß Dardai nicht mehr die Kraft, das Ruder rumzureißen und es zu einem sportlich versöhnlichen Ende zu bringen.

Doch persönlich sollte er das bekommen. Am 34. Spieltag der Saison 2018/2019 kassierte Hertha – wie sollte es anders sein – zwar zum Saisonabschluss eine herbe 1:5-Klatsche gegen Bayer 04 Leverkusen, doch das Spiel war zweitrangig. Denn mit Fabian Lustenberger und Pal Dardai wurden zwei der größten Legenden des Vereins von den Fans mit schier endloser Liebe verabschiedet. Es war das einvernehmliche Ende einer langen Beziehung.

Ohne Dardai fehlte es an Bodenständigkeit und Nahbarkeit

Zwischen dem Abschied im Sommer 2019 und der Rückkehr ins Profigeschäft im Januar 2021 schien eine endlos lange Zeit vergangen zu sein. Die Hertha, die praktisch seit dem Abgang Dardais in einer Selbstfindungsphase war und endlich wieder zur Ruhe kommen wollte, hatte sich beim Versuch mehr als nur die graue Maus der Bundesliga zu sein, ordentlich verhoben.

Der Windhorst-Einstieg, Jürgen Klinsmann als Trainer, die Transferphase im Winter 2020 und ein nie dagewesenes Mediengewitter ließen dem Verein keine Zeit zum Durchatmen. Der Verein hatte sich in seiner Außendarstellung stark verändert und auch innen wurde vor allem mit Carsten Schmidt ein Mann installiert, der Hertha BSC von Grund auf umkrempeln wollte.

Doch Ende 2020 steckte man mit Bruno Labbadia an der Seitenlinie im Abstiegskampf, der nach einem 1:4 gegen Werder Bremen nach dem 18. Spieltag entlassen wurde. Auch mit Michael Preetz, dessen letzte Patrone verschossen war, musste ein Gesicht der Hertha nach 25 Jahre den Verein verlassen. Es war das Ende der Gemütlichkeit und der Akzeptanz im Mittelfeld zu versinken.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Am Ende benötigte man im Frühjahr also wieder die Hilfe des Ungarn, der in der Jugendakademie seine Berufung gefunden zu haben schien. Zusammen mit seinen Co-Trainern Admir Hamzagic und „Zecke“ Neuendorf kamen altbekannte Gesichter mit ihm zurück und verliehen Hertha wieder eine gewisse Bodenständigkeit und Retro-Look, der in den windigen Zeiten guttat.

Die Rückkehr wird zur Achterbahn der Gefühle

Pal Dardai wieder auf dem Trainingsplatz, auf Pressekonferenzen und auf der Trainerbank zu sehen, tat gut. Nicht unbedingt wegen des Fußballs auf dem Rasen, der nur in seltenen Momenten wirklich ansehnlich war. Vielmehr hatten die Fans wieder jemanden, mit denen man sich identifizieren konnte.

Endlich wurde nicht mehr von Big City Club, Low-Hanging Fruits und der Champions League gequatscht, sondern über das, was den Verein so viele Jahre ausgemacht hatte: Identifizierung, Arbeit und der Teamgedanke. Die Liebe war zurück. Es war, als würde man es nochmal miteinander probieren, nachdem sich jeder in der Beziehungspause ausgetobt hatte.

Die Mannschaft steckte bis zum Ende der Saison im tiefen Abstiegskampf. Pal Dardai und dem Trainerteam kann es nicht hoch genug angerechnet werden, wie sie aus einem Haufen von hochtalentierten Fußballern, aber etlichen Ich-AGs, den nötigen Teamgeist gekitzelt und den Klassenerhalt geschafft haben.

(Photo by Annegret Hilse – Pool/Getty Images)

Nach der Corona-bedingten Quarantäne musste das Team innerhalb von drei Wochen sieben Spiele absolvieren. Die Mannschaft nahm den Kampf an. Das Ende vom Lied war ein strahlender Pal Dardai, der mit Zigarre im Mund dem aktuellen Sportstudio ein Interview gab und damit Bilder für die Ewigkeit lieferte.

Heiße Liebe, die schnell abkühlte

Es folgte eine Sommerpause und Vorbereitung, in der Dardai bemüht war, seine alten Tugenden einfließen zu lassen. Er gab vielen Jugendspielern Chancen, führte sie an den Kader heran. Spielern, wie dem chronisch glücklosen Davie Selke, ermöglichte er etliche Einsätze, die er zumindest in der Vorbereitung auch dankend nutzte.

Doch ein unterirdischer Saisonstart zeigte altbekannte Probleme und Abnutzungserscheinungen zwischen Trainer und Verein. Durch den neuen Sportvorstand Fredi Bobic war die Leine für Dardai viel kürzer als noch vor zwei Jahren unter Michael Preetz. Die Leistungen des Teams und insbesondere sein Anteil wurden kritischer beäugt als zuvor. Seine Äußerungen wurden von nun an kommentiert und bewertet. Fredi Bobic sprach offen darüber, dass er Pal Dardai hätte entlassen müssen.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Dieser verfiel wieder in altbekannte Muster. Wie schon 2019 in den Wochen vor dem Ende seiner ersten Amtszeit äußerte sich Dardai auf Pressekonferenzen extrem Ruf-schädigend. Er bot mehrfach seinen Rücktritt an, sprach von sich selbst in der dritten Person und redete sich und seine Leistungen klein, sowie die angebliche Erwartungshaltung von außen unermesslich groß.

Der Eindruck, einfach so schnell es geht wieder aus der Schusslinie der Medien zu gelangen, festigte sich und machte ihn angreifbar. Hertha BSC und Pal Dardai hatten sich in gewisser Weise voneinander distanziert, die Gefühle füreinander waren schon lange abgekühlt.

Eine Rückkehr für Dardai muss möglich sein

Auch wenn die Entlassung nach dem Spiel gegen den FC Augsburg recht überraschend kam, ist sie durchaus vertretbar. Die Frage, wie Pal Dardai selbst das sieht, muss gestellt werden. Aber wahrscheinlich hat er es nicht nötig, die Antwort der Öffentlichkeit zu geben.

Es bleibt zu hoffen, dass das Verhältnis zu Fredi Bobic soweit intakt ist, dass beide Seiten bereit wären, es nochmal miteinander zu versuchen. Auf absehbare Zeit bestimmt nicht als Cheftrainer der Profimannschaft. Sicherlich wäre aber für Pal Dardai, dem Rekordspieler Hertha BSCs, einer lebenden Vereinslegende, beispielsweise ein Platz im Jugendbereich, seinem Wunschort, frei.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Doch bis es dazu wieder kommt muss Zeit vergehen. Man muss sich wieder vermissen lernen, um einen neuen Versuch miteinander zu starten. Zusätzlich muss sich Hertha BSC endlich komplett von Dardai unabhängig machen. Eine Situation, wie die im Früher 2021, in der er der einzige Ausweg zu sein schien, darf es nicht noch einmal geben. Um das zu realisieren muss aber an ganz anderen Punkten im Verein angegriffen werden.

Im Frühjahr sollen laut Fredi Bobic Verhandlungen über die Zukunft geführt werden. Pal Dardai ist Hertha und Hertha ist Pal Dardai, aber bitte nie wieder unter Zwang.

[Titelbild: Thomas Eisenhuth/Getty Images]

Porträt – Wer ist Tayfun Korkut?

Porträt – Wer ist Tayfun Korkut?

Mit Tayfun Korkut hat Hertha am Montag den sechsten Trainer in rund 2,5 Jahren vorgestellt. Der gebürtige Stuttgarter war als Spieler hauptsächlich in der Türkei und Spanien aktiv und als Trainer zuletzt drei Jahre arbeitslos. Seine bisherigen Bundesliga-Tätigkeiten zeigen, dass Korkut Teams recht schnell positiv beeinflussen kann. Sie zeigen aber auch, dass nach Diesen Hochphasen teils verheerende Abstürze folgten.

Korkut: Eng mit Joachim Löw verbunden

Tayfun Korkut wuchs als Sohn türkischer Gastarbeiter in einem Vorort von Stuttgart auf. Fußballerisch wurde er bei den Stuttgarter Kickers ausgebildet. Bei den „Kickers“ schaffte es Korkut mit 20 Jahren in die erste Mannschaft, die damals in der Regionalliga kickte. Zur damaligen Zeit traf er erstmals auf seinen neuen Chef: Fredi Bobic – drei Jahre älter als Korkut – spielte zwischen 1992 und 1994 in der Profimannschaft der Stuttgarter Kickers, bevor er zum Stadtrivalen VfB Stuttgart wechselte.

Korkuts Karriere nahm einen anderen Lauf. Schon sehr früh wechselte der damals 21-Jährige in die Türkei zu Fenerbahce Istanbul. Der Deutschtürke wurde im defensiv-zentralen und rechten Mittelfeld eingesetzt und zum Stammspieler in Istanbul. In 145 Spielen schoss er zwölf Tore für Fenerbahce. Ebenfalls 1995 bestritt er sein erstes Spiel für die Nationalmannschaft der Türkei. 41 weitere Einsätze im Trikot der Türkei sollten mit insgesamt zwei Treffern folgen, unter anderem bei der EM in England (1996) und der EM in Belgien/den Niederlanden wirkte er mit.

Foto: Mark Thompson /Allsport

In seiner Zeit in der Türkei machte Korkut die Bekanntschaft eines Trainers, zu dem er bis heute ein „sehr enges“ Verhältnis hat, wie er berichtet. Joachim Löw. Der spätere Weltmeistertrainer trainierte Fenerbahce in der Saison 1998/99. Gemeinsam gewannen Löw und Korkut den türkischen Pokal und schrammten nur knapp an der Meisterschaft vorbei.

Warum musste Pal Dardai gehen? Ist Tayfun Korkut die richtige Wahl? Wie ist die Arbeit von Fredi Bobic bislang zu bewerten? Jetzt unsere Analyse zum Trainerwechsel im Hertha BASE Podcast hören!

Korkuts Sprach-Kenntnisse könnten Hertha helfen

Im Jahr 2000 wechselte Korkut dann nach Spanien, wo er zunächst drei Jahre bei Real Sociedad San Sebastian und später für ein Jahr bei Espanyol Barcelona spielte. Aus Hertha-Sicht sind diese knapp vier Jahre in Spanien von großer Bedeutung: Wie in unser Sprach-Analyse bereits berichtet, sprechen viele Hertha-Spieler romanische Sprachen, wie beispielsweise Spanisch und Französisch.

Auf der heutigen PK betonte auch Bobic, dass Korkuts Sprachkenntnisse in der Kommunikation mit der Mannschaft von Vorteil sein könnten. Bis heute fühlt sich Korkut in Spanien zuhause, sagte er vor einigen Jahren in einem Interview. Nach einer weiteren Station bei Besiktas Istanbul beendete Korkut seine Spielerkarriere schließlich im Jahr 2006 bei Genclerbirligi Ankara.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Korkuts Trainerkarriere begann im Jugendbereich. Zunächst trainierte er die A-Jugend von San Sebastian, bevor er zurück nach Deutschland kehrte, um die B-Jugend der TSG Hoffenheim zu übernehmen. In Hoffenheim verbrachte Korkut zwar nur eine Saison, machte hier aber auch dort wichtige Bekanntschaften. Profi-Trainer war damals Ralf Rangnick, A-Jugend-Trainer war Markus Gisdol und in seiner Mannschaft spielten unter anderem Seat Kolasinac und Kenan Karaman. Korkut belegte den achten Bundesliga-Platz der Staffel Süd/Südwest mit seiner Mannschaft.

Erste Trainerstationen gemeinsam mit Bobic und Aracic

Nach dieser Saison kam es zum zweiten Aufeinandertreffen mit Bobic. Herthas heutiger Geschäftsführer war im Juli 2010 zum Sportdirektor des VfB Stuttgart berufen worden. Eine seiner ersten Tätigkeiten: Tayfun Korkut für die A-Jugend des VfB abwerben. Auch hier war Korkut wieder erfolgreich und wurde in seiner Bundesliga-Staffel Vierter.

Wie schon als Spieler wechselte Korkut im Januar 2012 dann aber auch als Trainer zunächst ins Ausland, um als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft seinen ersten Profi-Vertrag im Trainerbereich zu unterzeichnen. Die Türkei hatte wenige Wochen zuvor die Qualifikation für die EM 2012 verpasst. Gemeinsam mit Abdullah Avci sollte Korkut die Türkei zur WM 2014 führen – diese Mission missglückte allerdings. Weil das Team in der Qualifikation schon früh hinter den Erwartungen zurückblieb, wurden Avci und Korkut entlassen.

Nur wenige Wochen später, im Dezember 2013, sollte Korkut dann aber seinen bislang erfolgreichsten Trainerposten antreten – bei Hannover 96 in der Bundesliga. Dort lernte er auch Herthas heutigen Kaderplaner Dirk Dufner kennen. 96 stand mit 18 Punkten zum damaligen Zeitpunkt auf dem 13. Tabellenplatz. In der Rückrunde schaffte es der Deutschtürke dann allerdings, dem Team neues Leben einzuhauchen. 24 Punkte holte Hannover in der Rückrunde und wurde Zehnter. Die Hinrunde der darauffolgenden Saison verlief mit erneuten 24 Zählern ebenso erfreulich.

Dann allerdings begann eine Niederlagenserie: Am vorletzten Spieltag stand Korkuts Mannschaft mitten im Abstiegskampf und musste um den Ligaerhalt zittern. Nur drei Tage vor Saison beurlaubte der Verein Korkut. Nach einem Jahr ohne Anstellungen heuerte Korkut dann beim damaligen Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern an. Schon nach der Hinrunde ging man aber getrennte Wege: Der FCK befand sich damals nur wenige Punkte entfernt von den Abstiegsrängen.

Fan-Austritte nach Korkut-Verpflichtung in Stuttgart

Im März 2017 übernahm Korkut dann eine ähnliche Aufgabe wie nun bei Hertha. Bis zum Saisonende sollte er die Mannschaft von Bayer 04 in höhere Tabellenregionen führen. Bayer hatte kurz zuvor Roger Schmidt als Trainer entlassen, weil sich die Werkself rund um den 10. Tabellenplatz festgespielt hatte – zu wenig für Leverkusener Ansprüche. Mit Korkut wurde es allerdings noch schlechter: Am letzten Spieltag konnte man Hertha zwar mit 6:2 besiegen, landete aber schlussendlich auf Rang 12. Korkuts kurzer Vertrag wurde nicht verlängert.

Bei seiner nächsten Trainerstation in Stuttgart (ab Januar 2018) zeigte sich ein ähnliches Muster wie in Hannover. Korkut übernahm den VfB im unteren Tabellendrittel und führte das Team direkt zum Erfolg: Aus den verbleibenden 14 Spielen holte er damals 31 Punkte, darunter ein 4:1-Sieg in München. Stuttgart verpasste nur knapp die europäischen Ränge, Korkuts Vertrag wurde um zwei Jahre verlängert. Auch in diesem Fall folgte dann aber ein Absturz: In der Folgesaison sammelten Korkut und der VfB aus den ersten sieben Ligaspielen nur fünf Zähler, der VfB war Letzter, Korkut wurde entlassen. Insgesamt war Korkuts Tätigkeit für den VfB ein Wechselbad der Gefühle. Kurz nach seiner Einstellung kündigten zahlreiche Fans ihre Mitgliedschaft – auch weil sie nicht davon überzeugt waren, dass Korkut nach recht erfolglosen Stationen in Hannover und Leverkusen den Klassenerhalt schaffen würde.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

In den vergangenen drei Jahren war Korkut ohne Trainerjob. Auf der heutigen Hertha-Pressekonferenz erklärte er, dass er sich in dieser Zeit viel um seine drei Kinder gekümmert habe, aber auch „ohne Druck“ dem Ligageschehen gefolgt sei. Er starte den neuen Job nun „voller Energie“. „Es tut gut, hier zu sitzen“, so Korkut wörtlich. Welche fußballerischen Strategien der Deutschtürke bei Hertha einschlagen wird, wollte Korkut nicht verraten. Nur so viel: „Der Ansatz ist immer gleich: Spiele gewinnen!“ Bei seinen erfolgreichen Trainerstationen zeichnete sich Korkut allerdings dadurch aus, dass er jeweils brüchige Abwehrketten stabilisierte. Interessant ist auch, dass er insbesondere beim VfB des Öfteren zwei Strafraumstürmer aufstellte, was bei Hertha in der Regel nicht praktiziert wird.

Herthas personifizierter Derby-Albtraum wird Co-Trainer

Beachtenswert ist übrigens auch die Einstellung von Ilja Aracic, der ab sofort Co-Trainer bei Hertha ist. Aracic fügte Hertha im Jahr 1998 eine der empfindlichsten Derby-Niederlagen zu – im Trikot von Tennis Borussia. Im DFB-Pokal-Viertelfinale schoss er beim 4:2 für TeBe zwei Tore.

Kurze Zeit später wechselte er dann aber zu Hertha und spielte dort unter Jürgen Röber zwei sehr erfolgreiche Saisons, unter anderem in der Champions League. Korkut und Aracic lernten sich 2012 beim VfB Stuttgart kennen – Aracic übernahm nach Korkuts Abgang in die Türkei die A-Jugend des VfB.

Am kommenden Wochenende steht für Herthas neue Trainingsleiter somit gleich ein besonderes Spiel ins Haus: Denn nach wie vor wohnt ein Großteil seiner Familie in unmittelbarer Nähe zum Stuttgarter Stadion.

[Titelbild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images]

Von Dardai zu Korkut: Der nächste Versuch, ein normaler Bundesligist zu werden

Von Dardai zu Korkut: Der nächste Versuch, ein normaler Bundesligist zu werden

Am heutigen Morgen schlug das Thema ein wie eine Bombe. Pal Dardai ist nicht mehr länger Trainer von Hertha BSC. Mit einer Meldung auf der Homepage kamen die Berliner mit dieser Nachricht um die Ecke. Im selben Atemzug wird Tayfun Korkut als Nachfolger präsentiert. Ein Mann, der das letzte Mal 2018 einen Job im Fußball-Business hatte. Es stellen sich viele Fragen, ob Antworten gefunden werden, muss die Zukunft sagen.

Hertha BSC und der Berliner Winter: Zu viele Gemeinsamkeiten

Die Zeiten sind grau, kalt und es wirkt wie eine schier unendliche Periode, die nicht enden mag. Die Berliner Millionenstadt wird zunehmend stiller und ungemütlicher, am Wochenende gesellte sich zu den eisigen Temperaturen auch noch der erste Schneefall dazu.

Als jemand, der in Berlin lebt, hat man hier aktuell nicht viel zu lachen. Irgendwie wirkt alles etwas betäubter und dunkler als sonst. Als Fan von Hertha BSC prasseln diese Gefühle praktisch doppelt ein. Der Klub macht seit mittlerweile zwei Jahren einen nicht wirklich zielführenden Eindruck. Um den Verein herrscht eine dunkle Stimmung, die niemand so wirklich im Stande zu sein scheint, aufzuhellen.

(Photo by Thomas Eisenhuth/Getty Images)

Am heutigen Morgen erlangte all das ein neuen unrühmlichen Höhepunkt. Hertha BSC trennte sich mit sofortiger Wirkung von Trainer Pal Dardai und seinen Co-Trainern Andreas „Zecke“ Neuendorf und Admir Hamzagic. Haben der Alten Dame zuvor bereits Kopf und Gesicht gefehlt, wurde nun das Herz entfernt.

Fredi Bobic: Mehr Business als Feingefühl

Am frühen Morgen teilte Geschäftsführer Sport Fredi Bobic Pal Dardai und dem Trainerteam mit, dass sie mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben freigestellt sein würden. Die Nachfolge war schnell, dem Vernehmen nach schon vor der Entlassung, gefunden. Mit Tayfun Korkut und dem ehemaligen Herthaner Ilija Aracic (von 1999 – 2000 25 Bundesligaspiele für Hertha BSC) als Co-Trainer präsentierte Fredi Bobic ein Team, welches streitbar ist und zunächst mit immens kritischen Augen von der Fanbase und der Medienwelt gesehen wird.

Fredi Bobic zeigte auf der Vorstellungspressekonferenz ein gefasstes und überzeugtes Gesicht. Er bedankte sich beim scheidenden Trainerteam und sprühte vor Optimismus und war bemüht Tayfun Korkut als neuen starken Mann zu präsentieren.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Es zeigt, wie sehr sich der Wind in der Hauptstadt gedreht hat. Während noch vor einem Jahr Michael Preetz als emotionaler Mann die Geschicke leitete, sich zunehmend emotional in Pressekonferenzen gab und seine Liebe zur Hertha nicht leugnete, vermittelt sein Nachfolger einen Eindruck als fokussierter, aber eiskalter Manager.

Nach einer denkwürdigen Transferphase im Sommer ist es die nächste Situation, in der Fredi Bobic im Mittelpunkt steht und nicht gerade mit Sympathiepunkten überhäuft wird. Doch das scheint ihm egal zu sein. Seine Überzeugung steht über dem Bedürfnis, beliebt bei den Fans zu sein.

Jetzt unsere Podcast-Folge mit Hertha-Präsident Werner Gegenbauer hören, in der wir u.a. über die bislang mangelhafte Kommunikation zwischen Verein und Investor sprechen!

Tayfun Korkut: Ungewöhnliche Wahl, aber möglicherweise unterschätzt

Die unpopuläre Entscheidung, Tayfun Korkut zum neuen Cheftrainer zu machen, sorgt im kurzlebigen Fußballgeschäft zunächst für Häme und Spott. Doch das interessiert Fredi Bobic nicht, der seit mehreren Wochen seine Entscheidung Pal Dardai zu entlassen, getroffen zu haben scheint.

Und wie schon in der Transferphase sorgen seine Entscheidungen keinesfalls für Luftsprünge und Aufbruchsstimmung. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das überhaupt nötig ist. Auch laut Fredi Bobic sei die Mannschaft in Takt, brauche lediglich nur Orientierung. Entscheidend ist also, dass die neue Lösung viel mehr nach innen, als nach außen wirkt. Tayfun Korkut hat sich über die Jahre in Fußball-Deutschland einen Namen gemacht. Leider keinen guten. Stationen bei Hannover und Kaiserslautern waren praktisch zum Scheitern verurteilt, bei Leverkusen gelangen ihm in elf Bundesligaspielen lediglich zwei Siege.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Hoffnung bietet allerdings seine letzte Station in der Bundesliga. Nämlich beim VfB Stuttgart. 2018 übernahm Korkut den VfB nach 20 Spieltagen auf Platz 14 und im tiefen Abstiegskampf. Mit 31 Punkten aus 14 Spielen starteten er und die Mannschaft eine furiose Aufholjagd, die am Ende beinahe mit der Qualifikation zur Europa League endete. Wobei auch hier viele VfB-Fans einordnend behaupten, dass wenig Plan und viel Glück von großer Bedeutung waren.

Fazit: Eine Patrone, die ein Risiko birgt und sitzen muss

Fredi Bobic geht ein enormes Risiko. Die Mannschaft, die auch nach seinen eigenen Worten intakt ist, muss sich in einer brenzligen Situation auf etwas neues einstellen. Versteckte Energien könnten freigesetzt werden. Genauso besteht allerdings das Risiko, dass die Verkrampfung im Hertha-Spiel vertieft und eine Weiterentwicklung blockiert.

Außerdem stellt sich die Frage, ob die Zeit in Stuttgart nur eine Nebelkerze war oder sich Korkut in seiner Karriere weiterentwickelt hat und nun die Chance nutzen kann, endgültig aus der Schublade des chronisch erfolglosen Trainers zu steigen. Sollte das klappen, haben Hertha-Fans im Berliner Winter eine Sorge weniger.

Titelbild: [Christian Kaspar-Bartke/Getty Images]

“Hertha wärmt” – Einblicke in eine soziale Fan-Initiative

“Hertha wärmt” – Einblicke in eine soziale Fan-Initiative

Seit vielen Jahren und immer umfangreicher ist Hertha BSC sozial aktiv und wird damit seiner Verantwortung zumindest auf dieser Ebene zunehmend gerechter. Doch nicht nur der Verein selbst, auch oder vor allem viele Fans sind nicht untätig und engagieren sich ehrenamtlich. Ein Beispiel ist die Aktion „Hertha wärmt“, die auf eine Initiative der Harlekins Berlin ́98 zurückgeht und dieses Jahr bereits zum zehnten Mal und seit langer Zeit auch in Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtmission stattfindet.

Wir haben mit Cody von den Harlekins und mit Sabine und Veikko von der Berliner Stadtmission gesprochen, um Einblicke in die Aktion zu sammeln, Hintergründe zu erfahren und das Miteinander der beiden Partner kennenzulernen.

Harlekins Berlin ́98 – Herthas älteste Ultragruppe

Die seit mittlerweile 23 Jahren bestehende Ultra-Gruppe der Harlekins Berlin ́98 hat den Anspruch bei möglichst allen Spielen der „Alten Dame“ anwesend zu sein. Die aktuelle Corona-Situation mit eingeschränkter Stadionkapazität und den dazugehörigen Maßnahmen bildet gerade natürlich eine Ausnahme. Das ist jedoch noch einmal ein eigenständiges Thema und soll hier nicht behandelt werden.

Laut Cody versteht sie sich dabei als Motor der Kurve, ist laut, kreativ und manchmal auch unbequem. Die Mitglieder sind zu großen Teilen dafür verantwortlich, was in der Kurve passiert, engagieren sich federführend im Förderkreis Ostkurve und organisieren Auswärtsfahrten, Choreos und alles, was dazu gehört. All ihre Aktionen machen sie dabei nach dem eigenen Verständnis stets für den Verein und Traditionen sowie ihre Werte sind elementare Bestandteile.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Das soziale Engagement war dabei nicht von Beginn an Teil der eigenen Arbeit. Angefangen hat alles mit dem an Leukämie erkrankten und verstorbenen Mitglied Benny. Cody erzählt, dass sie zwar einen Freund verloren, aber im Rahmen der Blutspende- und allen sonstigen Aktionen gelernt hätten, was alles möglich sei und dass sie diese Energie irgendwie beibehalten wollten.

Aus einer kleinen Sammelaktion wird „Hertha wärmt“

Eine Form, wie dieses Vorhaben umgesetzt wurde, ist die Aktion „Hertha wärmt“. Sie ist ursprünglich als eine kleine Sammlung unter Freunden gestartet und mittlerweile ein „Selbstläufer“ geworden. Seit mehreren Jahren werden in Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtmission mehrere LKW mit den Spenden der Hertha-Fans gefüllt und an Obdachlose in der Stadt verteilt.

Vor dem Spiel gegen den FC Augsburg am 27.11.2021 wird auch dieses Jahr zwischen 12 und 15 Uhr auf dem Olympischen Platz am Osttor gesammelt. Nach Codys Meinung ist es auch gar nicht schwer, den Bedürftigen Menschen, die zum Teil nicht einmal die Möglichkeit haben die Nacht in einer warmen Unterkunft zu verbringen, unter die Arme zu greifen. Immerhin leben wir in einem absoluten Überfluss.

Lest jetzt unsere Drei Thesen zum Spiel gegen den FC Augsburg! Zeigt Hertha eine Reaktion aufs Derby? Und was, wenn nicht?

Ein verlässlicher Partner in der Berliner Stadtmission

Nachdem die Harlekins in den ersten beiden Jahren von „Hertha wärmt“ mit dem mob e.V. (bekannt für den „Straßenfeger“) zusammen arbeiten konnte, musste im Jahr 2014 ein neuer Partner gefunden werden. Aufgrund eines persönlichen Kontaktes wurde dies die Berliner Stadtmission, die seitdem verlässlich und durch viele positive Erfahrungen geprägt, mit den Harlekins zusammenarbeitet. Wer mehr über das Zustandekommen der Partnerschaft erfahren möchte, kann das Interview zwischen Cody und Hertha BSC lesen.

Die Berliner Stadtmission ist eine evangelische Organisation, die sich in den Bereichen Mission, Diakonie, Bildung und Begegnung in Berlin und darüber hinaus engagiert. Insbesondere die Arbeit mit Menschen, die oft übersehen sehen werden, ist dabei zentraler Bestandteil. Dies betrifft unter anderem Obdachlose, Geflüchtete und Straffällige, die auf dem Weg zurück in die Gesellschaft sind. Die wahrscheinlich bekanntesten Projekte der Stadtmission sind der Kältebus und die Bahnhofmission. Sabine und Veikko freuen sich vor allem, dass die Hertha-Fans genau das spenden, was gebraucht wird (warme, saisonale Männerkleidung und Schuhe der Größe 41-50). Sie betonen, dass sich mit Cody mittlerweile ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hat.

Durch die Arbeit der Stadtmission konnten im Jahr 2020 über 17.000 obdachlose Personen eingekleidet werden – und auch „Hertha wärmt“ trägt einen Teil dazu bei. Wer mehr über die Stadtmission sowie besonders dringend benötigte Kleidung und Sachspenden erfahren möchte, kann sich auf der Website unter dem Punkt „Sachspenden“ informieren.

Die soziale Verantwortung von Hertha BSC – und was der Verein mehr tun könnte

Sowohl Sabine und Veikko als auch Cody freuen sich selbstverständlich darüber, dass Hertha BSC sozial engagiert ist und Aktionen wie „Hertha wärmt“ unterstützt. Trotzdem wünschen sich beide, dass der Bundesligist noch stärker aktiv wird. Auch wenn Cody berechtigterweise einwirft, dass der Verein in erster Linie natürlich im Profifußball zu Hause und keine Hilfsorganisation ist. Fakt sei dennoch, dass die „Alte Dame“ seit fast 130 Jahren fest in der Stadt verankert sei und sich immer wieder der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst wird.

hertha wärmt
(Photo by Michael Sohn – Pool/Getty Images)

Alle drei meinen, schon die Reichweite der Aufmerksamkeit, die Hertha über die sozialen Netzwerke besitzt, helfe viel. Denn dadurch ließe sich so manche kleine Aktion zu einer „Riesensache“ machen. Hertha könnte daher noch aktiver soziale Projekte öffentlichkeitswirksam bewerben und mehr Menschen erreichen. Ganz persönlich wünscht sich Cody, dass gerade Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien stärker integriert und gefördert werden. Als Beispiele nennt er Freikarten für Heimspiele und Jugendclubs in sozialen Brennpunkten. Der Aufwand für diese Dinge dürfe nicht so groß sein und kaum etwas kosten, doch der darauf resultierende Effekt sei immens.

Und auch die Zusammenarbeit zwischen Hertha BSC und der Stadtmission soll ausgebaut werden. Der Kontakt bestehe bereits, so Sabine und Veikko. Zum Abschluss betont Cody, gemeinsam sei man bekanntlich stärker und gerade die Pandemie habe gezeigt, was für tolle Aktionen entstehen können.

[Titelbild: Photo by Soeren Stache – Pool/Getty Images]

Eine kleine Berliner Derbygeschichte: Die heißesten Duelle

Eine kleine Berliner Derbygeschichte: Die heißesten Duelle

Am kommenden Samstag steht in Köpenick das neunte Pflichtspiel-Derby zwischen Union und Hertha an. Doch Berliner Derbys haben eine viel längere Geschichte: Insbesondere in den 80er- und 90er-Jahren gab es in beiden Stadtteilen spannende Duelle. Wir haben uns ein paar Highlights aus den vergangenen 43 Jahren herausgesucht.

22. Mai 1968, Union Berlin vs. Vorwärts Berlin (2:1)

Den 1. FC Union gibt es in seiner jetzigen Form erst seit 1966. Zuvor hatte es in Oberschöneweide mehrere Fusionen, Zusammenschlüsse aber auch Trennungen von Vereinen gegeben, die heute als Vorgänger-Klubs von Union gelten. Leicht hatte es der Verein in der DDR nicht, denn das Regime unterstützte mit aller Kraft Vorwärts Berlin. Die meisten begabten Spieler endeten in der Kaderschmiede von Vorwärts. Ohnehin mischte sich der Staat regelmäßig in den Profifußball ein – so wurden die protegierten Klubs einige Male einfach in eine andere Stadt verlegt. Vorwärts startete beispielsweise in Leipzig, wurde dann nach Berlin verlegt und später nach Frankfurt (Oder). Der heutige BFC Dynamo geht aus einem Ableger von Dynamo Dresden hervor.

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Union hingegen galt in der DDR von vorn herein als Verein des Volkes, als Anti-Establishment. Allerdings etablierten sich die Köpenicker schnell in der DDR-Oberliga und nur zwei Jahre nach der Klubgründung kam es zu einem der größten Erfolge der Vereinsgeschichte – dem Gewinn des DDR-Pokalwettbewerbs (FDGB-Pokal). Im Finale besiegte man den amtierenden DDR-Meister Carl-Zeiss-Jena. Zu einem Berlin-Derby kam es aber schon im Halbfinale, als Union gegen den Staatsklub Vorwärts im Halbfinale 2:1 gewann. Bis heute feiern die Köpenicker ihre Pokalhelden.

In den folgenden Jahrzehnten kam es in der DDR-Oberliga zu zahlreichen Derbys zwischen Union, dem BFC Dynamo sowie Vorwärts. Die meisten der Spiele wurden jedoch von Dynamo dominiert. Insbesondere in den 1970er und 1980er-Jahren profitierte Dynamo von der Unterstützung des Regimes und wurde quasi zum Serien-Meister der DDR. Union gelang es dagegen nie, die DDR-Oberliga zu gewinnen.

16. November 1974, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (0:3)

Auf westberliner Seite wurde Hertha in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg zur stärksten Berliner Mannschaft. In 1970er-Jahren kam es dann allerdings zum einzigen Berliner Derby auf Bundesliga-Ebene bis zum Unioner Aufstieg vor ein paar Jahren. In der Saison 1973/1974 hatte Tennis Borussia damals noch über die zweitklassige Regionalliga den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Das erste Aufeinandertreffen der beiden Teams sollte zum Spektakel werden: Eigentlich hätte TeBe ein Heimspiel gehabt, doch das Interesse in der Bevölkerung an dem Match war riesig – und so wurde die Partie ins Olympiastadion verlegt und fand vor 75.000 Zuschauern statt.

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Gegen die in der Saison 1974/1975 extrem stark aufspielende Hertha hatte der Aufsteiger jedoch keine Chance – Hertha gewann 3:0, „Ete“ (Erich) Beer erzielte zwei der Treffer. Hertha hatte damals einen schlagkräftigen Kader zusammen: Neben Beer gehörten dem Team auch Spieler wie Wolfgang Sidka oder Uwe Kliemann an. Die Mannschaft wurde in dieser Saison sogar Zweiter hinter Borussia Mönchengladbach. TeBe stieg als Vorletzter ab. Allerdings verbrachte die Mannschaft nur ein Jahr in der damals neu gegründeten 2. Bundesliga: Die Saison 1975/76 schloss TeBe als Tabellenführer ab, und so kam es 1976 und 1977 zu zwei weiteren Bundesliga-Derbys zwischen Hertha und Tennis Borussia – eines davon (16. April 1977) konnte Tennis Borussia sogar für sich entscheiden. Aber auch nach dieser Saison reichte es für TeBe nicht für den Klassenerhalt.

18. Februar 1984, SC Charlottenburg vs. Hertha BSC (1:0)

Nach der Saison 1982/1983 stieg auch Hertha aus der Bundesliga ab. Die kommenden Zweitliga-Jahre wurden für Westberliner Fußball-Fans ein reines Derby-Festival. Denn nicht nur Hertha und Tennis Borussia trafen mehrfach aufeinander. Vielmehr sorgte in den 80er-Jahren auch Blau-Weiß 90 für Aufsehen. Und – wer hätte es gedacht? – auch der SC Charlottenburg verbrachte ein Jahr in der 2. Bundesliga.

Gegen die frisch abgestiegenen Herthaner kam es im August 1983 zum ersten Derby der beiden Charlottenburger Teams, das 1:1 unentschieden endete. Im ausverkauften Mommsenstadion gab es in der Rückrunde dann die riesige Überraschung: Der SCC besiegte Hertha mit 1:0. Übrigens: Im Tor des SCC stand damals ein gewisser Andreas Köpke, der nach dem direkten Abstieg der Charlottenburger zu Hertha wechselte.

16. März 1985, Blau-Weiß 90 vs. Hertha BSC (0:2)

In der Saison 1984/1985 deutete sich dann erstmals die zwischenzeitliche Wachablösung im westberliner Fußball an. Das Mariendorfer Team Blau-Weiß 90 war zuvor in die 2. Liga aufgestiegen. Hertha war im zweiten Zweitliga-Jahr immer noch eines der finanzstärksten Teams der Liga und hatte mit Spielern wie beispielsweise Andy Köpke und Horst Ehrmanntraut auch einen absolut bundesligatauglichen Kader zusammen. Doch die Charlottenburger setzten sich während der Saison im Tabellenmittelfeld fest.

In der Rückrunde kam es dann im schlecht besuchten Olympiastadion zu einem der letzten Siege der Herthaner dieser Saison, als Blau-Weiß mit 2:0 besiegt wurde. Für die Mariendorfer ging es anschließend bergauf, für Hertha bergab. Auf Platz 14 konnte man den Abstieg nur knapp vermeiden, Blau-Weiß wurde Siebter. In der darauffolgenden Saison sollte aber alles noch viel schlimmer kommen für Hertha.

8. Mai 1986, Blau-Weiß 90 vs. Tennis Borussia (1:2)

Drei Berliner Mannschaften in einer Profiliga – das hat es bislang nur in der Saison 1985/1986 gegeben. Tennis Borussia war zuvor gerade wieder aus der Regionalliga aufgestiegen, Hertha und Blau-Weiß 90 waren schon vorher in der 2. Liga. Blau-Weiß-90 war inzwischen aus der Mariendorfer „Rathausritze“ ins Olympiastadion gezogen, das man sich im 2-Wochen-Takt mit Hertha teilte. Tennis Borussia spielte im Mommsenstadion, wobei auch einige Derbys mit TeBe-Beteiligung ins Olympiastadion verlegt wurden.

Bildquelle: https://www.kicker.de/hertha-bsc/kader/2-bundesliga/1985-86#images

Was sich in der Vorsaison bereits angedeutet hatte, wurde in dieser Saison bitte Wahrheit. Hertha spielte eine schlechte Runde, obwohl man kein einziges Derby verlor. Blau-Weiß hingegen wurde im Saisonverlauf immer stärker und hatte am letzten Spieltag gegen Tennis Borussia die Chance, den direkten Aufstieg in die Bundesliga zu sichern. Das Spiel gegen das schon abgestiegene Team von TeBe verlor man zwar 1:2 – weil aber Fortuna Köln gegen den Karslruher SC nicht über ein Unentschieden hinauskam, stieg Blau-Weiß 90 direkt auf. Hertha hingegen kämpfte mit Freiburg im Fernduell um den Klassenerhalt. Da das eigene Spiel in Aachen allerdings mit 0:2 verloren ging, brachten alle Rechenbeispiele nichts mehr – Hertha war fortan drittklassig.

Allerdings: Auch für Blau-Weiß 90 sollte das Abenteuer Bundesliga schnell wieder zu einem bitteren Ende kommen. Mit einer miserablen Punktebilanz von 18:50 wurde man Letzter. Für viele Jahre musste die Bundesliga in der Folge wieder ohne Berliner Teams auskommen. Hertha jedenfalls blieb zwei Saisons lang drittklassig. Erst im Juni 1988 folgte der Wiederaufstieg in Liga 2, wo es erneut zu einigen Duellen mit Blau-Weiß 90 kam. Das folgende Youtube-Video gibt die Fußball-Stimmung im damaligen Westberlin ganz gut wieder:

27. Januar 1990, Hertha BSC vs. Union Berlin (2:1)

Eigentlich haben wir uns hier bislang nur Pflichtspielen gewidmet. Es gibt allerdings ein Derby, das sowohl aufgrund seiner Geschichtsträchtigkeit als auch wegen der aktuellen Rivalität zwischen Hertha und Union erwähnt werden muss. Ende Januar 1990, nur wenige Wochen nach dem Fall der Mauer, trafen sich Hertha und Union zu einem symbolischen Freundschaftsspiel im Olympiastadion vor rund 52.000 Zuschauern. Schon in den letzten Jahren vor der Wende hatte sich zwischen Hertha und Union über die Grenze hinweg eine tiefe Fan-Freundschaft entwickelt. Das Unioner Fanlager leibäugelte wohl nicht zuletzt wegen seiner Ablehnung gegenüber dem DDR-Regime mit dem West-Klub. Als Hertha Ende der 1970er-Jahre Europapokal-Spiele in Osteuropa bestritt, reisten teilweise sogar Unioner an, um die Blau-Weißen zu unterstützen.

Das Spiel am 27. Januar geriet somit zur Nebensache. Fans beider Lager lagen sich in den Armen und feierten die Zusammenführung Berlins.

8. Juni 1991, Union Berlin vs. FC Berlin (1:0)

Union hatte es schwer in den Jahren vor und nach der Wende. Aus der aufgelösten DDR-Oberliga gingen nur zwei Teams in die Bundesliga, die meisten Ost-Teams aus der Oberliga und der DDR-Liga (2. Liga) mussten in einer Qualifikationsrunde um insgesamt sechs Plätze in der 2. Bundesliga kämpfen. Union belegte in der letzten DDR-Liga-Saison den ersten Platz und sicherte sich somit die Beteiligung an der Relegation zur 2. Bundesliga. Im Juni 1991 folgten dann die Relegationsspiele, unter anderem trat Union gegen den FC Berlin an, die Nachfolger-Mannschaft des BFC Dynamo. Das erste Spiel gewann Union zwar knapp mit 1:0, im Rückspiel verloren die Köpenicker allerdings. Aufsteigen konnte keines der beiden Berliner Teams, vielmehr belegte Stahl Brandenburg Platz 1 der Relegationsgruppe.

Die restlichen 1990er-Jahre waren eine harte Zeit für den FCU – sportlich und auch wirtschaftlich. Mehrfach verpasste man den Aufstieg in die 2. Liga. Trotz einer drohenden Insolvenz konnte sich das Team aber stetig in der Regionalliga halten, wo es in den 1990er Jahren zu mehreren Berlin-Duellen mit dem BFC Dynamo kam, der dann auch wieder seinen alten Namen trug. Erst 2009 stiegen die Köpenicker dann in die 2. Liga auf.

28. Oktober 1998, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (4:2)

In Westberlin deutete sich Ende der 1990er-Jahre für kurze Zeit nochmals eine neue, spannende Stadtrivalität auf Augenhöhe an. Tennis Borussia war in der Saison 1997/1998 mit Trainer Hermann („Tiger“) Gerland in die 2. Bundesliga aufgestiegen und spielte dort eine starke Saison. Im Oktober 1998 belegte TeBe zwischenzeitlich Platz 1 der 2. Liga – und genau zu dieser Zeit kam es im Achtelfinale des DFB-Pokals zum Berlin-Derby. Hertha war zu dieser Zeit ebenfalls gut unterwegs in der Bundesliga, am Ende der Saison belegte das Team von Jürgen Röber sogar Platz 3 und qualifizierte sich direkt für die Champions League.

Doch an jenem 28. Oktober 1998 war TeBe schlichtweg zu gut für Hertha. Gerlands Mannschaft (u.a. mit Spielern wie Ilja Aracic und Francisco Copado) führte schon zur Halbzeit 2:1 und brachte den Sieg vor einer begeisterten Kulisse im Olympiastadion und nach einem Feuerwerk zu Beginn des Spiels sicher über die Ziellinie. Hertha musste allerdings nur ein Jahr warten, um sich zu revanchieren: Auch in der darauffolgenden DFB-Pokalsaison traf man auf Tennis Borussia, dieses Match entschied Hertha jedoch nach einer Nachspielzeit 3:2 für sich.

17. September 2010, Union vs. Hertha BSC (1:1)

Weil Hertha nach einer dramatisch schlechten Saison 2009/2010 abstieg, kam es im Herbst 2010 zum ersten Pflichtspiel zwischen Hertha und Union. Nach einer frühen Führung durch ein Kopfballtor von Peter Niemeyer entwickelte sich ein offenes, rassiges Spiel. Kurz vor Schluss erzielte Union dann per Fernschuss doch noch das 1:1. Das Rückspiel ging im Olympiastadion sogar 1:2 verloren. Bis heute kam es in Liga eins und zwei zu insgesamt sieben Derbys zwischen den Köpenickern und Hertha: drei Siege für Hertha, zwei für Union und zwei Unentschieden. Wie und woher sich die heute existierende tiefe Abneigung zwischen den beiden Fanlagern ergeben hat, kann wohl niemand vernünftig erklären.

Schon im ersten Spiel, im Herbst 2010, war von der tiefen Freundschaft, die noch während der Wende-Jahre existierte, keine Spur. Herthas Anhänger zündelten mit Feuerwerkskörpern und nach dem Rückspiel feierte sich Union als „Stadtmeister“, was angesichts der Tabellensituationen der beiden Klubs natürlich eine reine Provokation war. Denn: Hertha stieg direkt in die Bundesliga auf, die Köpenicker mussten noch einige Jahre in der 2. Liga verweilen, bis es dann am 2. November 2019 zum ersten erstklassigen Duell der beiden Vereine kam.

2. November 2019, Union vs. Hertha BSC (1:0)

Tabellenvierzehnter Hertha hatte nur einen Punkt mehr als Union und lag auf Platz elf. Die Stimmung in der Stadt vor diesem Derby war angespannter als bei den Zweitligaspielen. Erstmals hatten wir Herthaner das Gefühl, dass Union leistungsmäßig nicht mehr meilenweit von uns entfernt ist. Der über Jahrzehnte antrainierte Abstand zwischen Hertha und Union war auf einmal nicht mehr da – mit einem Sieg konnten die Köpenicker sogar an Hertha vorbeiziehen. Für miese Stimmung im Vorfeld der Saison hatte zudem auch Unions Präsident Dirk Zingler gesorgt. Nach Herthas Vorschlag, das Berlin-Derby am Tag der Einheit auszurichten, reagierte Zingler mit ablehnend aggressiven Worten – es gehe um „Klassenkampf“ und „Stadtrivalität“, deswegen wolle man das Derby nicht. Eine britische Internet-Dokumentation, die ein paar Monate nach diesem ersten Bundesligaspiel veröffentlicht wurde, beschreibt die Stimmung, die seit damals in der Stadt herrscht, sehr gut.

Das Spiel selbst ist schnell wiedergegeben. Beide Mannschaften leisteten sich ein sehr kampfbetontes, Highlight-armes Match, in dem die Köpenicker kurz vor Schluss einen schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen bekamen. Sebastian Polter verwandelte den Strafstoß, Union zog an Hertha vorbei. Die oben beschriebene, explosive Stimmung zeigte sich dann aber auch während des Spiels im Stadion. Erst schossen aus dem Hertha-Block Pyro-Raketen in Richtung Unioner Auswechselbank und später stürmten zahlreiche vermummte Köpenicker den Platz. Das Spiel musste mehrfach unterbrochen werden. Ein sportlich dünnes Derby, das für mehr Skandale als schöne Momente sorgte, endete mit 1:0 für die “Eisernen”.

4. Dezember 2020, Hertha BSC vs. Union (3:1)

Nach dieser ersten Niederlage hat Hertha in der Bundesliga nicht mehr gegen Union verloren. Im Rückspiel der Saison 2019/2020 gewann Hertha fulminant durch ein 4:0. Im Dezember 2020 stand dann ein Derby an, das wegen der Coronavirus-Pandemie im Olympiastadion leider ohne Zuschauer stattfinden musste. Die Clubführung hatte es sich zum Ziel gesetzt, das Derby näher heranzurücken an die Fans und startete wenige Tage vor dem Spiel eine Berlin-weite PR-Kampagne. Über Nacht wurden an fast allen Hauptverkehrsstraßen in Berlin blau-weiße Fahnen am Straßenrand aufgestellt. Außerdem wurde ein neuer Hertha-Somg veröffentlicht („Wo die Fahnen blau-weiß wehen“).

Das Spiel hatte es in sich. Union ging recht früh in Führung. Nur wenige Minuten später flog allerdings Robert Andrich vom Platz, weil er Lucas Tousart per Karatekick attackierte. Widerlich ist übrigens, dass sich die Union-Fans für diesen Kick und die rote Karte im Anschluss des Spiels feierten. Schön wiederum ist, dass Hertha die Überzahl nutzte. Insbesondere Krzysztof Piatek trumpfte auf und verwandelte zwei Vorlagen, sodass Hertha das Spiel mit 3:1 gewann. Für ein besondere Highlight hatte aber schon zuvor Petr Pekarik gesorgt, der mit seinem 1:0 quasi das Bundesliga-Logo nachstellte.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]