Konkurrenzcheck: Die Abstiegskandidaten im Vergleich

Konkurrenzcheck: Die Abstiegskandidaten im Vergleich

Die letzte Länderspielpause der Saison ist vorbei, ab jetzt geht es ohne Zwischenstopp auf die Zielgerade. Sieben Spieltage bleiben Hertha noch, um das rettende Ufer zu erreichen. Nach dem Sieg gegen Hoffenheim wurden die Karten im Tabellenkeller wieder neu gemischt. Anlass genug, um einen Blick auf die Konkurrenz im Kampf um den Klassenerhalt zu blicken und eine Prognose zu wagen, für wen es am Saisonende eng werden könnte.

11. Platz: Borussia Mönchengladbach

In einem Artikel über Abstiegskandidaten Borussia Mönchengladbach zu erwähnen, zeigt allein schon, wie viel in dieser Spielzeit am Niederrhein schiefläuft. Nachdem schon die Rückrunde der vergangenen Saison unter Marco Rose alles andere als glatt über die Bühne ging, setzte sich dieser Trend unter Nachfolger Adi Hütter nahtlos fort. So waren es zum Hinrundenabschluss gar mickrige zwei Punkte Abstand auf Platz 16. Dazu gab es immer wieder Spiele, in denen sich die Borussia regelrecht abschießen ließ: 1:4 im Derby gegen Köln, 0:6 gegen Freiburg und Dortmund, 0:4 gegen Leverkusen. In froher Regelmäßigkeit werden die „Fohlen“ in dieser Saison deklassiert. Das Spiel gegen Hertha vor drei Wochen wurde dann fast schon zwangsläufig zum Endspiel für den Cheftrainer ausgerufen. Bekannterweise hat Hertha in seiner Rolle als Aufbaugegner nicht enttäuscht.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Formkurve:

Die Partie gegen Hertha könnte sowas wie der (zu) späte Wendepunkt in der Gladbacher Saison gewesen sein. Gleichwohl die Borussia auch hier defensiv alles andere als gefestigt wirkte und ein schwaches Team von Tayfun Korkut auch bei 2:0-Führung noch zu Torchancen kommen ließ, stimmte immerhin vorn die Durchschlagskraft. Ein fast identisches Spiel legte Gladbach gegen den VfL Bochum hin. Auch hier zeigte man sich kaltschnäuzig vor dem gegnerischen Kasten, konnte jedoch gleichzeitig froh sein, dass ein gut aufgelegter Yann Sommer Schlimmeres zu verhindern wusste. So stehen sechs Punkte aus den letzten beiden Spiele zu Buche, was in Anbetracht der Tatsache, dass auch die Konkurrenz derzeit fleißig punktet, Gold wert ist. Übrigens wurden beide Siege ohne Adi Hütter eingefahren, der aufgrund einer Corona-Infektion durch seinen Assistenten Christian Peintinger vertreten wurde.

Restprogramm:

Vermutlich können die nächsten beiden Spiele schon darüber entscheiden, ob Gladbach in dieser Saison nochmal in Abstiegsnöte gerät. Holt man gegen Mainz und Augsburg mindestens vier Punkte, sollte die Mannschaft aus der Verlosung um den Gang in die Zweite Liga herausfallen. Lässt man hier jedoch Zähler liegen, kann es nochmal spannend werden. Am 30. Spieltag empfängt man den 1. FC Köln zum Derby bevor es gegen Freiburg, Leipzig, Frankfurt und Hoffenheim geht. Zwar kann sich Gladbach immer darauf berufen, dass man den mit weitem Abstand stärksten Kader aller Teams im Tabellenkeller hat und eigentlich in der Lage sein sollte, auch gegen die genannten Teams mindestens einfach zu punkten – wie eingangs gezeigt, hat dies allerdings auch nicht davor geschützt, unter anderem gegen Freiburg ein halbes Dutzend zu kassieren.

Prognose:

Trotz der starken Gegner, die man zum Saisonabschluss bespielen muss, reicht es für die Borussia dank der Punkte, die man gegen schon vorher gegen Mainz und Fürth holen wird, um am Ende (komfortabel) über dem Strich zu stehen.

12. Platz: VfL Bochum

Nur einen Punkt hinter den Gladbachern rangiert der VfL Bochum. Der Aufsteiger, dem nicht wenige den direkten Gang zurück in Liga Zwei voraussagten, geht bislang überraschend sorgenlos durch die Spielzeit. Lediglich an den Spieltagen 6 und 7 fand sich das Team von Trainer Thomas Reis auf einem Abstiegsrang wieder. Derzeit sind es sechs Zähler bis zum Relegationsplatz 16. Ausschlaggebend hierfür war vor allem die starke Frühjahresform der Bochumer. Aus den ersten fünf Partien im neuen Kalenderjahr holte der VfL beachtliche neun Punkte – darunter der fulminante 4:2-Sieg gegen Bayern.

Formkurve:

Wie man es in den vergangenen Jahren schon zuhauf erlebt hat, muss ein Sieg gegen den Branchenprimus nicht immer beflügelnd wirken. Auch den Bochumern gelang es nicht, an den Erfolg anzuknüpfen. Konnte man im darauffolgenden Spiel in Stuttgart äußerst glücklich durch einen Foulelfmeter in der Nachspielzeit noch den Ausgleich erzielen, setzte es seitdem drei Niederlagen aus vier Spielen. Lediglich gegen Schlusslicht Fürth gelang in diesem Zeitraum ein Sieg. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass sich der VfL hierbei trotzdem teuer verkauft. Im zurückliegenden Spiel gegen Gladbach verzeichnete die Mannschaft doppelt so viele Torschüsse wie der Gegner. Grund zur Panik besteht daher aktuell noch nicht.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Restprogramm:

Mit Blick auf das Restprogramm könnte sich an dieser Einschätzung jedoch schnell etwas ändern. Die kommenden drei Spiele bestreitet man gegen Hoffenheim, Leverkusen und Freiburg. Übersetzt sind das die Plätze 6, 3 und 5 der Bundesliga – Mannschaften, die also allesamt die Möglichkeit haben, sich für die Champions League zu qualifizieren. Zwar hat Bochum bereits bewiesen, dass man für Überraschungen gut ist, aber geht man aus diesen Spielen ohne Zählbares heraus, kann es in der Endphase nochmal eng werden. Zumal man am 30. Spieltag gegen den FCA und am 32. Spieltag gegen Arminia Bielefeld – beides unmittelbare Konkurrenten um den Klassenerhalt – spielt. Dazwischen muss der VfL nach Dortmund und zum Abschluss nach Köpenick in die Alte Försterei.

Prognose:

Sechs Punkte Vorsprung mögen aktuell komfortabel erscheinen. Der Blick auf die Formkurve in Kombination mit dem anspruchsvollen Restprogramm wird den Bochumern aber nochmal zum Verhängnis werden und für ein Zittern bis zum letzten Spieltag sorgen.

13. Platz: VfL Wolfsburg

Der Club aus der Autostadt spielt eine Saison gänzlich hinter den Erwartungen. Als Champions-League-Teilnehmer steckte der VfL im Sommer 52,5 Millionen Euro in neue Spieler und verpflichtete Mark van Bommel als Trainer, der auf den nach Frankfurt abgewanderten Oliver Glasner folgte. Schon der Saisonstart machte deutlich: van Bommel und Wolfsburg – das ist keine Liebesbeziehung. Zwar gewannen die Niedersachsen unter dem Niederländer die ersten vier Ligaspiele, alle denkbar knapp, doch im Pokal schied man aufgrund eines Wechselfehlers am grünen Tisch aus. Es folgten sechs sieglose Spiele, dann die Entlassung. Nachfolger Florian Kohfeldt startete ebenfalls mit Siegen, zwei in der Liga und einem in der Champions League, doch die Realität holte die Wölfe schnell ein. Elf sieglose Pflichtspiele am Stück verdeutlichten die Sorgen. Im Winter investierte man weitere 23,6 Millionen, allen voran in Königstransfer Max Kruse und Angreifer Jonas Wind. Auf ein kurzzeitiges Hoch folgte zuletzt wieder nur ein Sieg aus fünf Spielen.

Abstiegskampf
(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Formkurve:

Den angesprochene einzige Sieg der letzten fünf Spiele gab es ausgerechnet im vermeintlich schwächsten Spiel der Wolfsburger. Gegen den 1. FC Union siegte man mit 1:0 durch ein Eigentor. Doch die 19 zu 8 Torschüsse zugunsten der Köpenicker unterstrichen, dass der Sieg eher von der glücklichen Sorte war. Deutlich verbessert zeigte sich das Team von Trainer Kohfeldt zuletzt im Heimspiel gegen Bayer Leverkusen, verlor jedoch mit 0:2. Die Gegentore fing man sich in den letzten fünf Minuten, erspielte sich vorher eigene Top-Chancen. Schafft es Wolfsburg, an diese Leistung anzuknüpfen und die Chancen effizienter zu nutzen, werden die fünf Punkte Abstand, die Hertha zum VfL aktuell hat, nur schwer einzuholen.

Restprogramm:

Wolfsburg blickt noch auf schwierige Aufgaben, muss zu Borussia Dortmund und empfängt den FC Bayern. Doch letztlich haben sie den Klassenerhalt in der eigenen Hand. Die nächsten beiden Spiele sind gegen den FC Augsburg und Arminia Bielefeld. Gewinnt man diese Duelle gegen direkte Konkurrenten, ist dem Tabellenvierten der Vorsaison der Klassenerhalt wohl nicht zu nehmen. Im Saisonendspurt trifft Wolfsburg zudem noch daheim auf Mainz 05 und auswärts auf den VfB Stuttgart und den 1. FC Köln. Ein machbares Restprogramm, doch in der Hinrunde holte der VfL aus den sieben Spielen nur vier Punkte.

Prognose:

Egal wie die Saison ausgeht, Wolfsburg hängt klar hinter den Erwartungen. Auf die Doppelbelastung können sie es nicht schieben, da man nicht nur im Pokal in der ersten Runde ausschied, sondern auch die Champions League trotz einer dankbaren Gruppe mit Lille, Salzburg und Sevilla auf dem letzten Rang beendete. Dennoch spricht die individuelle Klasse im Kader neben dem Restprogramm dafür, dass sie wohl mit einem blauen Auge davon kommen werden.

14. Platz: VfB Stuttgart

Lange sah es düster aus im Schwabenland. Verletzungspech und Last-Minute-Gegentore ließen ein Abstiegsszenario immer wahrscheinlicher aussehen. Nach 24 Spieltagen stand der VfB auf Abstiegsplatz 17, vier Punkte hinter Hertha und Augsburg, sechs Punkte hinter Arminia Bielefeld. Doch die Ruhe, die Trainer Pellegrino Matarazzo stets ausstrahlte, nicht zuletzt, weil er wusste, dass die verletzten Spieler zurückkommen werden, zahlte sich aus. Wurde öffentlich darüber diskutiert, ob dem mit vielen jungen und hochtalentierten Spielern gespickte Kader die Erfahrung fehlt, um die Klasse zu halten, vertraute Matarazzo ebenjenen Spielern.

Abstiegskampf
(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Formkurve:

Sein Team zahlte Matarazzo das Vertrauen zurück. Zuletzt holte Stuttgart sieben Punkte aus drei Spielen. Bemerkenswert war nicht nur die Ausbeute, sondern die Art und Weise. In allen drei Spielen lag der VfB zurück. Dass dabei nicht alles immer schön anzusehen sein muss, zeigten die Schwaben in Berlin beim 1. FC Union, wo man bis tief in die zweite Halbzeit keine echte Torchance hatte, doch in der Nachspielzeit den Ausgleich erzielte. Dass man jedoch auch tollen Fußball spielen kann, zeigte Stuttgart zuletzt im Heimspiel gegen den FC Augsburg. 24 Torschüsse standen hinterher auf dem Papier. Größtes Manko: „Nur“ drei erzielte Tore, trotz zahlreicher Großchancen. Punktetechnisch ist der VfB gerade in seiner besten Saisonphase, erst einmal holte er vorher sieben Punkte in drei Spielen, ließ dann allerdings neun sieglose Spiele folgen.

Restprogramm:

Stuttgart muss den positiven Trend fortsetzen, um sich endgültig aus dem Keller zu arbeiten. Schon am Sonnabend steht ein absolutes Schlüsselduell an, wenn man auf Arminia Bielefeld trifft. Es ist das erste von drei Spielen gegen direkte Konkurrenten, Ende des Monats muss der VfB ins Olympiastadion und empfängt in der Woche darauf den VfL Wolfsburg. Für Stuttgart sind es drei ganz wichtige Spiele, denn neben Mainz und Köln warten mit dem BVB und dem FC Bayern noch harte Brocken auf den aktuellen Tabellenvierzehnten. Gegen Mainz, Hertha und Wolfsburg gab es in der Hinrunde die angesprochenen sieben Punkte.

Prognose:

Stuttgart wird bis zum Ende unten drin stehen. Den Beweis, dass sie die zuletzt gezeigten guten Leistung in dieser Saison über eine längere Zeit aufrecht erhalten können, sind sie noch schuldig. Doch die Qualität im Kader ist hoch und der Glauben an den Klassenerhalt definitiv zurück. Das Spiel gegen Bielefeld wird richtungsweisend. Ein Sieg würde sie vermutlich derart beflügeln, dass sie den Klassenerhalt erreichen. Im Falle einer Niederlage wären jedoch viele zuletzt verloren geglaubte Sorgen zurück.

15. Platz: Augsburg

Der größte Konkurrent um den direkten Nicht-Abstiegsplatz ist Stand jetzt der FCA auf Rang 15. Allerdings hat das Team von Markus Weinzierl hierbei noch ein Nachholspiel gegen Mainz in der Rückhand. Dass der FCA derzeit über dem Strich steht, war zu Saisonbeginn nicht unbedingt zu erwarten. Aus den ersten neun Partien gelangen lediglich sechs Zähler. Erst am 31. Oktober konnte die Mannschaft den zweiten Saisonsieg einfahren. Das 4:1 war dann der Auftakt für einen – für Augsburger Verhältnisse – goldenen Spätherbst. 12 Punkte aus acht Spielen sollten es bis zum Jahresende noch werden, darunter ein 2:1-Sieg gegen die Bayern.

Abstiegskampf
(Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Formkurve:

Mit dem Jahreswechsel hat dieses zwischenzeitliche Hoch dann allerdings schon wieder ein jähes Ende gefunden. In der gesamten Rückrunde sammelte der FCA nur acht Punkte. Lediglich Hertha – wer auch sonst – ist in dieser Statistik noch schlechter. Im letzten Spiel gegen den VfB setzte es zudem einen späten Nackenschlag gegen den Konkurrenten aus Stuttgart. Trotz 2:1-Führung bis zur 79. Minute gingen die Augsburger am Ende mit leeren Händen nach Hause. Durch diese späte Niederlage wurde man, abzüglich des noch ausstehenden Nachholspiels, vom VfB überholt und ist dank des Siegs von Hertha nun punktgleich mit Rang 16.

Restprogramm:

Die Wochen der Wahrheit stehen für den FCA im April an. Hier spielt man erst zu Hause gegen Hertha und eine Woche später beim VfL Bochum. Davor stehen Spiele bei Wolfsburg, gegen Mainz sowie in München an, in denen nicht zwingend mit der Maximalausbeute zu rechnen ist – ebenso wenig wie gegen Köln und Leipzig. Ein Vorteil kann derweil darin bestehen, dass zum Saisonabschluss die zu diesem Zeitpunkt mutmaßlich bereits abgestiegene Spielvereinigung aus Fürth in der Fuggerstadt gastiert.

Prognose:

Verglichen mit beispielsweise Bochum hat der FCA das auf dem Papier dankbarere Restprogramm und wird aus den direkten Duellen mit Hertha und Bochum sowie am letzten Spieltag gegen Fürth genug Punkte einfahren, um mindestens in die Relegation einzuziehen.

Platz 17: Arminia Bielefeld

Das verfluchte zweite Jahr. Als Aufsteiger hielt Bielefeld vergangene Saison nach dem Trainerwechsel von Uwe Neuhaus auf Frank Kramer noch spektakulär die Klasse. Dass das zweite Jahr nochmal schwerer ist als das erste, scheint sich in Ostwestfalen gerade wieder zu bewahrheiten. Die Saison ging für die Arminia bereits ernüchternd los. Nach zehn Spielen hatte Arminia noch keinen Sieg auf dem Konto. Dann gab es den Premierensieg und ein klares Aufbäumen war zu erkennen. In danach elf Spielen setzte es nur zwei Niederlagen, bei den Bayern und bei Hertha.

Abstiegskampf
(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Formkurve:

Doch die Formkurve zeigt steil nach unten. Zuletzt blieb Bielfeld viermal in Serie punkt- und torlos. Mit Dortmund und Leverkusen waren sicherlich auch Top-Teams unter den Gegnern, doch gerade die Niederlagen gegen den FC Augsburg und Mainz 05 waren ernüchternd. Gegen Augsburg mangelte es den Bielefeldern an beinahe allem, was es in der Bundesliga braucht. Im heimischen Stadion erzeugten sie keine Torgefahr, verloren im „Sechs-Punkte-Spiel“ mit 0:1. Gegen Mainz gab es zuletzt ein weiteres desolates Spiel. Sogar die Abwehr, mit erst 38 Gegentoren eigentlich Bielefelds großer Trumpf im Abstiegskampf, zeigte sich stümperhaft. Gleich drei Foulelfmeter verursachte sie in weniger als fünfzehn Minuten.

Restprogramm:

Für Bielefeld stehen intensive Heimspiele an, die man dringend besser absolvieren muss als das letzte gegen Augsburg. Mit Stuttgart und Hertha kommen noch zwei direkte Konkurrenten im Abstiegskampf in die SchücoArena. Mit den Bayern und Leipzig empfängt Bielefeld zwei von ganz oben. Hinzu kommen Auswärtsspiele bei Wolfsburg, Köln und Bochum. Hoffnung kann Bielefeld aus den Hinrunden-Ergebnissen schöpfen, als Stuttgart, Bochum und Leipzig geschlagen wurden. Doch gerade Letztere sind derzeit besser drauf und könnten am letzten Spieltag gegen Bielefeld noch wichtige Punkte im Kampf um die Königsklasse benötigen.

Prognose:

Es spricht derzeit nicht viel für die Arminia. Tritt die Mannschaft weiter so auf wie zuletzt, wird sie den Gang in die zweite Liga antreten. Am Sonnabend gegen Stuttgart wird sich zeigen, ob die Länderspielpause genutzt wurde, um im Training neues Selbstvertrauen zu tanken. Sollte es schief gehen, bliebe mit einem Trainerwechsel noch eine letzte Möglichkeit, um für frischen Wind zu sorgen.

Ein Artikel von Alexander Jung und Bruno Sellschopp.

[Titelbild: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images]

Update: Wie schlagen sich Herthas Leihspieler?

Update: Wie schlagen sich Herthas Leihspieler?

Im ersten Teil unseres Leihspielerupdates geht es um einen der ersten Transfers der Windhorst-Ära sowie zwei Hertha-Eigengewächse. Neben dem bisherigen Verlauf der Leihgeschäfte rücken wir auch die Chancen auf eine Hertha-Rückkehr der Spieler in den Fokus. Zudem befassen wir uns mit vier Spielern, die wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr im Trikot der Hertha sehen werden.

Daishawn Redan: Spieler und Verein im Aufschwung

Daishawn Redan wurde im vergangenen Sommer erst in letzter Minute von Hertha in die Niederlande nach Zwolle verliehen. Zur Stammelf von Zwolle zählte Redan sofort nach seiner Ankunft – trotzdem lief es im ersten halben Jahr der Leihe alles andere als rund. In der Hinrunde konnte Zwolle nur ein einziges Spiel gewinnen, in 17 Spielen erzielte die Mannschaft gerade einmal neun Tore. Wenig überraschend tat sich Redan als Offensivspieler in dieser Phase eher schwer.

Unter Trainer Art Langeler spielte Zwolle zumeist in einem 4-3-3. Zu Beginn der Saison wurde Redan einige Male auf den Flügeln eingesetzt, bevor der Trainer die Hertha-Leihgabe darauffolgend häufig als alleinigen Mittelstürmer aufbot. Immerhin zwei Tore konnte Redan bis Anfang November erzielen.

Nach einer 1:2-Niederlage gegen den vermeintlichen Mitabstiegskandidaten SC Cambuur tauschte Zwolle dann den Trainer: Für Art Langeler übernahm Dick Schreuder, von den verbleibenden sechs Spielen bis zur Winterpause verpasste Redan allerdings fünf verletzungsbedingt.

Mit dem Jahreswechsel starteten Zwolle und auch Redan richtig durch: In den sieben Eredivisie-Spielen in 2022 erzielte die Mannschaft mehr Tore als in der gesamten Hinrunde, holte vierzehn Punkte und reduzierte somit den Abstand auf das rettende Ufer auf nun mehr zwei Punkte. Genau wie Hertha BSC steht Zwolle in der Eredivisie aktuell auf dem Relegationsplatz.

Anteil daran hat auch Daishawn Redan, der in den letzten fünf Spielen zwei Tore erzielen und drei weitere auflegen konnte. Dabei profitiert der niederländische U21-Nationalspieler insbesondere von der mit dem Trainerwechsel einhergegangen Systemumstellung, statt im 4-3-3 spielt Zwolle mittlerweile in einem 3-5-2. Durch die Hinzunahme eines zweiten Mittelstürmers hat Redan so in Zwolles insgesamt immer noch defensiven Grundausrichtung immer eine direkte Anspielmöglichkeit.

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(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Gerade das Festmachen von langen Bällen gehört, bei einer Körpergröße von 1,76 wenig verwunderlich, nicht zu Redans Paradedisziplinen. Durch die Umstellung auf zwei Sturmspitzen kann Zwolle sich im Abstiegskampf mittlerweile aber trotzdem auf das Stil-Mittel „langer Hafer“ verlassen.

Im Winter wurde mit dem Algerier Oussama Darfalou aber der ideale Spieler dafür geholt. Redan und er ergänzen sich zu einem für Zwolle sehr wertvollen Doppelsturm – passend dazu konnte Redan Darfalou bereits zwei Tore auflegen, und auch anders herum konnte der Hertha-Leihgabe bereits einmal assistiert werden.

Ebenjener Darfalou musste in Zwolles vorletztem Spiel gegen Feyenoord allerdings verletzt ausgewechselt werden, auch das darauffolgende Spiel verpasste er. In beiden Spielen gelang es Zwolle nicht zu punkten, somit rutschte man wieder auf den letzten Tabellenplatz ab.

Zuletzt wurde Redan zum Johan-Cruyff-Talent des Monats in der Eredivisie gekürt und in die Elf des Monats berufen – trotzdem ist es zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, dass es für Redan im Sommer bei Hertha weitergeht. Laut Kicker-Informationen soll Hertha an einem Verkauf des jungen Niederländers interessiert sein, Zwolle besitzt allerdings keine Kaufoption.

Jordan Torunarigha: Stammspieler und Pokalfinalist

Nachdem sich die Konkurrenzsituation in der Winterpause durch die Verpflichtung von Marc Oliver Kempf weiter verschärft hatte, wechselte Jordan Torunarigha kurz vor Schluss des Transferfensters leihweise für ein halbes Jahr zur KAA Gent nach Belgien.

Seit Torunarighas Debüt im Ligaspiel gegen Club Brügge Anfang Februar hat Gent in den nationalen Wettbewerben acht Pflichtspiele in Folge gewonnen. Mit sieben Siegen in Serie konnte in der Liga der ein Top-Vier-Platz erobert werden. Zudem machte die Mannschaft von Trainer Hein van Haezebrouck im Rückspiel des Pokalhalbfinales (ebenfalls gegen Club Brügge) ein 0:1 aus dem Hinspiel wieder wett und zog ins Pokalfinale ein, wo Torunarighas Team Mitte April auf den RSC Anderlecht trifft. Etwas bitter lief für Gent dagegen das Achtelfinale in der Europa-Conference-League gegen PAOK: Beide Spiele verloren die Belgier knapp und schieden demzufolge aus.

Torunarigha stand in acht der letzten zehn Pflichtspiele in der Startelf, einmal wurde er zudem in der Halbzeit eingewechselt. In Gents 3-4-1-2 spielt er in der Regel als linker Halbverteidiger in der Dreierkette. Die Defensive der KAA hat tatsächlich auch großen Anteil am aktuellen Erfolg: In den letzten zehn Spielen kassierte die Mannschaft nur fünf Gegentore, über die gesamte Saison betrachtet sind es bisher dagegen im Schnitt 0,93 Gegentore pro Spiel (in der Liga).

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(Photo by BRUNO FAHY/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Im Ligaspiel gegen Zulte Waregem wurde Torunarigha jüngst sogar zum „Man of the match“ gekürt – obwohl er vor dem gegnerischen Tor freistehend per Kopfball vergab, wusste er mit einer abgeklärten Defensivleistung sowie seinen Dribblings überzeugen. Besonders wichtig für Torunarigha wird in den kommenden Wochen mit Sicherheit sein, verletzungsfrei zu bleiben und weitere Spielpraxis zu sammeln.

Wenn Torunarigha verletzungsfrei bleibt und seine ordentlichen Leistungen aus den ersten Spielen für die KAA Gent bestätigen kann, wird er im Sommer mit Sicherheit erstmal zu Hertha BSC zurückkehren. Wie es dann für ihn in Berlin weitergeht, hängt aber auch von Herthas taktischen Planungen ab. Sollte Hertha für die Saison 2022/2023 eher mit einem Spielsystem mit einer Dreierkette planen, wäre Torunarigha mit Sicherheit gut zu gebrauchen und in der Lage, im Kampf um einen Stammplatz mitzumischen.

Sollte man dagegen mit einer Viererkette planen, wäre man in der linken Innenverteidigung mit Kempf, Dárdai und Torunarigha eigentlich überbesetzt. Selbstverständlich könnte Torunarigha aber auch in diesem Szenario aufgrund seiner Anlagen zu ausreichend Spielpraxis kommen. Aktuell schafft er sich jedenfalls eine sehr gute Ausgangslage.

Jessic Ngankam: Endlich wieder auf dem Platz zu finden

Ein weiterer derzeit ausgeliehener Spieler, der am Saisonende voraussichtlich zu Hertha BSC zurückkehren wird, ist Jessic Ngankam. Zu Saisonbeginn nach Fürth verliehen, riss sich das Hertha-Eigengewächs dort bitterer Weise nach nur wenigen Tagen im Training das Kreuzband. Aus der Phase, in der Ngankam eigentlich zum ersten Mal in seiner Karriere regelmäßige Bundesliga-Einsätze sammeln wollte, wurde so eine Phase der Reha.

Einen großen Teil des Weges zurück hat Ngankam mittlerweile hinter sich – seit Mitte Februar steht er bei Fürth wieder im Mannschaftstraining, in den Spieltagskader hat er es bisher allerdings noch nicht geschafft. In Fürths 4-Raute-2 würde Ngankam wohl auf einer der beiden Stürmer-Positionen eingesetzt werden – in den vergangenen Wochen spielten dort stets Branimir Hrgota und Jamie Leweling, insbesondere Hrgota wusste mit vier Toren in den letzten sechs Spielen zu überzeugen.

In der aktuellen Bundesliga-Saison verbleiben nunmehr nur noch acht Spiele. Jessic Ngankam wäre es definitiv zu wünschen, dass er nach seiner langwierigen Verletzung zumindest noch ein paar dieser Spiele bestreiten kann. Den Anfang machte er in dieser Länderspielpause, im Testspiel gegen Regensburg konnte er immerhin in der Schlussviertelstunde mitwirken.

(Photo Friedemann Vogel – Pool/Getty Images)

Wie es für ihn ab kommendem Sommer weitergeht, steht aktuell in den Sternen. Fürth besitzt eine Kaufoption für Ngankam. Ob diese gezogen wird, darf aber durchaus angezweifelt werden, nachdem er den Großteil der Saison verletzt verpasst hat.

Desweiteren berichtet der Kicker, dass Ngankam ähnlich wie bereits im letzten Sommer Interesse aus Belgien auf sich gezogen haben soll. Als möglicher Abnehmer wird der Erstligist KV Kortrijk genannt.

Krzystof Piatek: In Italien wieder zu alter Stärke gefunden

Der Pole spielt seit dem Wintertransferfenster wieder in Italien, wo er seine bisher erfolgreichste Zeit hatte.

Ein kleiner Rückblick: Im Transferwinter 2020 kam Krzystof Piatek für ca. 24 Millionen Euro vom AC Mailand. Dort kam er in 41 Spielen auf 16 Tore und zwei Assists, was schon eine deutlich schwächere Statistik darstellte, als bei seinem Engagement zuvor in Genua. Die damaligen handelnden Personen, allen voran Michael Preetz und Jürgen Klinsmann statteten den Stürmer mit einem lukrativen Vertrag in Berlin aus und setzten voll auf die Leistungen des neuen Starstürmers in der Hauptstadt.

Zwei Jahre nach dem Transfer muss man konstatieren, dass das Investment eher in die Hose gegangen ist. Zwar konnte Piatek immer wieder seine Klasse aufblitzen lassen, allerdings nie nennenswert Konstanz zeigen. In den zwei Jahren kam er insgesamt auf 58 Spiele für die „Alte Dame“, traf dabei 13 Mal ins Schwarze und konnte vier Assists beisteuern. Etwa alle 3,5 Spiel hatte der damit eine Torbeteiligung. Okay für einen Stürmer bei Hertha, allerdings zu wenig für das, was man sich von einem Spieler seiner Klasse vorgestellt hatte. In den letzten Wochen seiner Zeit in Berlin war er hinter Ishak Belfodil, Stevan Jovetic und Davie Selke lediglich Stürmer Nummer vier.

Sein Wechsel nach Florenz lässt sich bisher sehen. Für die Fiorentina kam er elf Mal zum Einsatz und konnte bereits sechs Tore beitragen. Gerade bei seinem Debüt im Pokal wusste er zu überzeugen. Mittlerweile ist es ihm gelungen, sich in die Startelf zu spielen und dort festzubeißen. Er kann an seine alten Leistungen aus früheren Zeiten in Italien anknüpfen. In Florenz ist er seit dem Abgang von Dusan Vlahovic zu Juventus Turin Stürmer Nummer eins. Er passt zusätzlich noch wunderbar ins System, wo er von seinen kreativen Mitspielern mit Bällen und Vorlagen gefüttert wird.

(Photo by Emilio Andreoli/Getty Images)

Bleibt er von dem Verletzungspech verschont, welches ihn zwischenzeitlich in Berlin heimsuchte, stehen die Chancen gut, dass er seine Statistik noch deutlich ausbauen wird. Aktuell scheint nichts gegen eine feste Verpflichtung zu sprechen. Die Kaufoption von 15 Millionen Euro ist auch in Anbetracht der hohen Ablöse, die die Italiener für Vlahovic einnehmen konnten, finanzierbar.

Omar Alderete: Bestens integriert und mit guten Leistungen in Valencia

Für vier Millionen Euro kam Omar Alderete am letzten Tag der Transferperiode im Sommer 2020 vom FC Basel. Als Ersatz für Karim Rekik sollte er schnell die Lücke in der Innenverteidigung stopfen. Der Paraguayer schien aber nie richtig in Berlin anzukommen. Es wirkte auch alles wie ein Nottransfer, der nicht großartig durchgeplant zu sein schien.

Insgesamt kam er auf 17 Einsätze, 13 davon über die volle Distanz. Dabei kassierte er zwei gelbe Karten und konnte keinen Beitrag in der Offensive leisten. Meistens wirkte er übermotiviert und überfordert und nicht wie ein Teil der Mannschaft. Auch sprachlich schien es Barrieren zu geben.

Seine Leihe zum FC Valencia zahlte sich bisher extrem aus. 23 Spiele absolvierte er in La Liga, er gehört zu den Leistungsträgern und konnte 14 Spiele über 90 Minuten absolvieren. Dabei gelangen ihm sogar zwei Tore. Elf gelbe Karten zeigen, dass er auch in Spanien eher rustikal zu Werke geht. Mit dem FC Valencia feierte er nach einen Sieg gegen Bilbao den Einzug ins Pokalfinale.

(Photo by MIGUEL RIOPA/AFP via Getty Images)

In der Copa-Del Rey kam er in vier von sechs Spielen zu Einsatz und steht jetzt vor einem Titel. Kleinere Verletzungen und mittlerweile zwei Corona-Infektionen sorgten zwischenzeitlich für Ausfälle, die ihm aber nicht nachhaltig schadeten.

Auch hier kann man davon ausgehen, dass der FC Valencia die Kaufoption von acht Millionen Euro schon bald ziehen wird.

Eduard Löwen: Überall glücklich, nur nicht bei Hertha

Möglicherweise handelt es sich bei Eduard Löwen einfach um einen Menschen, der mit dem hauptstädtischen Flair in Berlin nicht warm wird. Zwei Anläufe startete er, beide endeten unglücklich. Im Sommer 2019 kam er als Wunschtransfer von Ante Covic aus Nürnberg für sieben Millionen Euro. Der zentrale Mittelfeldspieler kam damals mit einer Empfehlung von drei Toren und drei Assists aus 22 Spielen. Eine gute Quote für einen Spieler, der mit seinem Team sang- und klanglos im jenen Jahr abgestiegen ist.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Doch für Hertha konnte er in seinem ersten halben Jahr nur sieben Mal sein Können zeigen, ganze zwei Spiele davon nur über 90 Minuten. Sein Wechsel zum FC Augsburg, wo er immerhin 16 Mal zum Einsatz kam und sogar zwei Tore erzielte, war ein Hoffnungsschimmer seiner stagnierenden Karriere. Die Rückkehr zu Hertha unter Bruno Labbadia verlief ähnlich enttäuschend, wie seine erste Zeit in Berlin.

Seit Beginn der Saison 2021/2022 ist er gesetzter Stammspieler in Bochum, kam wettbewerbsübergreifend auf 22 Einsätze und war an sechs Treffern beteiligt. Zusätzlich ist er ein gefährlicher Freistoß- und Standardschütze. Der VfL Bochum würde ihn gerne halten und die Leihe um ein Jahr verlängern. Da sollte vermutlich auch aus Berliner Sicht nichts dagegen sprechen.

Arne Maier: Das ewige Talent wird außerhalb Berlins zum gestandenen Profi

Gerade bei Arne Maier wäre es schön gewesen, ihn noch eine Weile in Berlin zu sehen. Doch seit dem Wintertransferfenster 2020 kokettierte er mit einem Wechsel. Wäre Maier nicht so oft wegen langer Verletzungspausen ausgefallen, wären sicherlich noch deutlich mehr Spiele für Hertha drin gewesen. Wettbewerbsübergreifend kam er von der Saison 2016/2017 bis zum Sommer 2020 auf 66 Einsätze für Hertha. Doch das vielbesprochene Talent konnte nie den gewünschten Mehrwert erspielen. Doch sein Talent ist weiterhin unumstritten.

Aufgrund persönlicher Geschichten war es ihm wichtig für eine Weile Berlin zu verlassen. Eine erste Station war Arminia Bielefeld 2020/2021, wo er vor allem unter Trainer Frank Kramer zum Leistungsträger avancierte. Damals kam er in elf der zwölf Spiele zum Ende der Saison zum Einsatz. Am Ende stand der erfolgreiche Klassenerhalt der Bielefelder und für Teile der Saisonvorbereitung kam er zurück nach Berlin. Als U21-Europameister wollte er zu den olympischen Spielen nach Tokio, was ihm vom zähneknirschenden Pal Dardai damals genehmigt wurde. Auch da hatte er sich vermutlich schon wieder von Hertha BSC distanziert.

(Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Es kam zu einer weiteren Leihe, dieses Mal nach Augsburg, wo er sich als Stammspieler festspielen konnte. Bei den Schwaben kommt er auf 22 Einsätze, einer davon im DFB-Pokal. Der zentrale Mittelfeldspieler, der meistens mit seinem Kumpel und Kollegen aus U-Nationalmannschafts-Tagen, Niklas Dorsch, zusammenspielt, konnte in dieser Zeit sechs Assists beitragen.

Am 20. Spieltag konnte er nach langer Wartezeit bei der deutlichen 1:5-Niederlage in Leverkusen immerhin sein erstes Karrieretor im Profibereich feiern. Noch steht der FC Augsburg im Abstiegskampf. Sollte die Mannschaft sich am Ende der Saison retten können, ist die feste Verpflichtung für fünf Millionen Euro wohl nur noch Formsache.

Ein Artikel von Simon und Johannes Boldt.

[Titelbild: Gabriele Maltinti/Getty Images]

Das Problem mit Profiverträgen für Jugendspieler

Das Problem mit Profiverträgen für Jugendspieler

In der vergangenen Woche unterzeichnete Youngster Linus Gechter seinen ersten Profivertrag bei Hertha BSC. Der 18-jährige Innenverteidiger ist wahrscheinlich DIE Entdeckung bei der „Alten Dame“ in diesem Jahr. Nachdem mit Lazar Samardzic (2020 zu RaBa Leipzig) und Luca Netz (2021 zu Mönchengladbach) die letzten beiden Eigengewächse sehr früh wechselten, war die Befürchtung groß, dass auch der nächste Nachwuchsstar den Verein für eine vergleichsweise kleine Ablöse verlässt. Doch warum musste Hertha Spieler wie Samardzic und Netz eigentlich trotz bestehendem Vertrag so einfach ziehen lassen, obwohl man sie gerne behalten hätte?

Disclaimer: Wir haben keinen Einblick in die Interna oder Verträge der Spieler. Es kann natürlich sein, dass die genaue Rechts- und Vertragslage anders aussah, als wir sie hier beschreiben. Dieser Artikel stützt sich auf die allgemeinen (verbands-)gesetzlichen Regelungen zum Thema von Verträgen bei Jugendspielern.

Toptalente bei Hertha – der Sprung zu den Profis klappt oftmals nicht

Hertha BSC bildet schon seit Jahren regelmäßig gute und sehr gute Jugendspieler aus. Vor allem die „Goldene Generation“ des Jahrgangs 1999, die im Jahr 2018 den ersten deutschen Meistertitel der A-Junioren für Hertha gewonnen hat, sorgte für viel Aufsehen. In der Bundesliga oder einer anderen Top-Liga konnte sich von ihnen jedoch keiner von ihnen nachhaltig durchsetzen. Der bis heute prominenteste Spieler ist wahrscheinlich Arne Maier, der in diesem Jahr nach Augsburg verliehen ist und noch immer auf den wirklich großen Durchbruch wartet. Auch Jessic Ngankam (momentan an Fürth verliehen) und Dennis Schmarsch (spielt beim FC St. Pauli) konnten bisher nur bedingt Spuren hinterlassen. Andere gepriesene Talente wie Muhammed Kiprit und Palko Dardai spielen im Ausland oder unterklassigen Ligen.

jugendspieler
(Photo by Lukas Schulze/Getty Images)

Groß war daher die Freude bei den Fans, als man mit Lazar Samardzic (Fritz-Walter-Medaille in Bronze 2019) und Luca Netz (Fritz-Walter-Medaille in Bronze 2020) in den Folgejahren erneut einige der Toptalente Deutschlands im eigenen Verein hatte. Vielleicht würde es ja diesmal anders laufen als mit der „Goldenen Generation“ und der Sprung der Youngster zu den Profis endlich mal klappen. Doch die Chance dazu sollte sich nicht einmal ergeben: Beide wechselten in zwei aufeinanderfolgenden Sommern zu größeren Vereinen, bevor sie versuchten sich bei Hertha endgültig durchzusetzen.

Trotz bestehender Verträge bei den Blau-Weißen lag es nicht in der Macht der Verantwortlichen, Netz und Samardzic zu halten und man musste beide für vergleichsweise geringe Ablösesummen ziehen lassen. Dass man es in diesem Jahr geschafft hat, Rohdiamant Gechter langfristig zu binden, dürfte die Fans von Hertha BSC daher sehr glücklich stimmen.

Die Gesetzeslage in Deutschland bezüglich der Verträge Minderjähriger

Doch warum genau konnten Netz und Samardzic so einfach wechseln? Durften sie als minderjährige Nachwuchsspieler keine langfristigen Profiverträge unterschreiben, die Hertha im Falle eines Wechselwunsches eine stärkere Position gegeben hätten? Gemäß §106 des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist ein Minderjähriger ab dem 7. Geburtstag sogenannt „beschränkt geschäftsfähig“. Er darf daher mit Hilfe von Sonderregeln Geschäfte tätigen und dementsprechend auch Verträge abschließen.

Eine dieser Sonderregeln findet sich in §107 BGB: So bedarf es für den Abschluss eines Vertrages grundsätzlich der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Dies sind im Normalfall die Eltern des Minderjährigen. Sobald diese einem Vertragsschluss zustimmen bzw. genehmigen, steht der Wirksamkeit dieses Vertrages quasi nichts im Weg. Die Art des Vertrages und der wirtschaftliche Umfang spielen dabei keine Rolle. Eine minderjährige Person dürfte mit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters theoretisch ein Haus kaufen, eine Megajacht mieten oder ein Arbeitsverhältnis abschließen.

Und da Profiverträge zwischen Spielern und Vereinen im Grunde genommen auch nur Arbeitsverträge darstellen, dürfte auch ein minderjähriger Spieler ein langfristiges Arbeitspapier bei einem Fußballklub abschließen, solange die Eltern oder ein entsprechender anderer gesetzlicher Vertreter dem Ganzen zustimmt. Die Gesetzeslage ließe ein solches Vorgehen in Deutschland also zu.

Verbandsregeln von DFB und FIFA im Verhältnis zu den staatlichen Gesetzen

Das genaue Verhältnis vom Verbandsrecht des DFB und der FIFA zum allgemeinen vom Staat gesetzten Recht und dem Europarecht ist äußerst komplex. Im Rahmen dieses Beitrags wird daher nur auf die folgenden, stark vereinfachten Grundsätze eingegangen: Die vom Gesetzgeber erlassen Regelungen stellen meist nur den „äußersten Rahmen“ der Regeln unseres Zusammenlebens dar. Private Akteure (egal ob natürliche oder juristische Personen) sind vielfach in der Lage, strengere Normen als die vom Gesetz geforderten aufzustellen.

So ist beispielsweise der Verkauf von starkem Alkohol grundlegend erst an volljährige Personen (sprich ab dem 18. Geburtstag) gestattet. Ein Kioskbesitzer könnte theoretisch dennoch beschließen, dass er seine alkoholischen Produkte erst an Personen ab dem 21. Lebensjahr verkauft. Ob dies auf seinen Umsatz bezogen eine gute Idee von ihm ist, mag dahinstehen und ist schlussendlich seine Entscheidung. Er kann allerdings von niemandem gezwungen werden, seine alkoholischen Produkte an einen 19-jährigen zu veräußern. Daher kann der DFB als Verein strengere Vorschriften als die allgemeinen Regeln des BGB aufstellen.

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Des Weiteren ist der DFB aufgrund des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 des Grundgesetztes im Rahmen der sog. „Verbandsautonomie“ berechtigt, innerhalb des Verbands Sonderregeln aufzustellen. Die DFL (und damit Hertha BSC) wiederum hat sich im Rahmen diverser Vereinbarungen, unter anderem des „Grundlagenvertrag zwischen DFB und DEL e.V.“ den Regelungen des DFB unterworfen.

Aufgrund dieser Verbandsautonomie ist es dem DFB beispielsweise gestattet, die Teilnahme an seinen Wettbewerben an gewissen Regeln wie dem Lizensierungsverfahren der Profiklubs zu knüpfen. Er kann seine Mitglieder zu bestimmten Verhaltensweisen, wie zum Beispiel einem sportlichen Verhalten auf dem Spielfeld, anweisen und das Nichtbefolgen unter Strafen stellen. Gleichzeitig muss der DFB sich als Mitglied der FIFA den Regeln ebenjener unterordnen. Aus diesem Grund müssen die Mitgliedsvereine der DFL Regeln wie die Abstellungspflicht für Länderspiele akzeptieren und dürfen Nationalspieler die Reise zu den entsprechenden Spielen nicht verwehren.

Das „3+2“-Modell der Profivereine

Einige mögen sich jetzt fragen, was die ganze Thematik denn mit Profiverträgen für Jugendspieler zu tun hat. Die Antwort ist sehr simpel: Der DFB hat in §22 Nr. 7.1 seiner Spielordnung (der sich die Vereine wie oben bereits beschrieben unterordnen müssen) geregelt, dass mit minderjährigen Spielern lediglich Förderverträge abgeschlossen werden dürfen. Aufgrund von §22 Nr. 1 der Spielordnung ist die Laufzeit eines Vertrags mit einem Spieler unter 18 Jahren zusätzlich auf maximal drei Jahre beschränkt. Für alle volljährigen Spieler beträgt die maximale Laufzeit hingegen fünf Jahre.

jugendspieler
Herthas frischester Profi: U19-Kapitän Mesut Kesik, der im Sommer zu den Profis stoßen wird. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Die gängige Praxis der deutschen Profivereine ist daher, das sogenannte „3+2“-Modell zu nutzen. Dies bedeutet, dass mit dem Spieler ein dreijähriger Fördervertrag mit der Option auf einen zweijährigen Anschlussvertrag ab Eintritt in die Volljährigkeit geschlossen wird. Mit Blick auf die Regeln des BGB zum Minderjährigenschutz (siehe oben) ist dieses Vorgehen wie bereits auch dargestellt auch zulässig, solange der gesetzliche Vertreter diesem Vertrag zustimmt.Es ist stark zu vermuten, dass sich Hertha BSC ebenfalls dieses Modelles bedient. Mit den Spielern der Akademie wird also mit Eintritt in die U15 bzw. U16 ein solcher Fördervertrag inkl. Anschlussvertrag unterschrieben, der sie im Regelfall bis zum Saisonende der Saison, in der sie 20 Jahre alt werden an den Verein bindet.

Damit wäre jedoch noch immer nicht geklärt, warum Hertha Spieler wie Netz und Samardzic bereits kurz nach ihrem 18. Geburtstag ziehen lassen musste. Bei zwei Jahren verbleibender Vertragszeit haben Verein üblicherweise die Karten in der eigenen Hand und können eine deutlich höhere Ablösesumme verlangen, als dies bei einer einjährigen Restlaufzeit der Fall wäre.

Der Bruch des DFB mit den FIFA-Regeln

Hier kommt jedoch das Reglement der FIFA ins Spiel, welches im Falle einer Kollision mit den Verbandsregeln des DFB den Vorzug erhalten würde. Das bedeutet konkret: Die FIFA stellt in Artikel 18.2 ihres Regelwerkes eindeutig klar: „Für Spieler unter 18 Jahren beträgt die maximale Laufzeit eines Vertrags drei Jahre. Klauseln mit längerer Laufzeit werden nicht anerkannt.“

Dies hat zur Folge, dass das „3+2“-Modell streng genommen einen Rechtsbruch gegenüber den Regeln der FIFA darstellt, da der zweijährige Anschlussvertrag als eine “Klausel mit längerer Laufzeit“ zu interpretieren ist. Dies ist dem DFB, der DFL und den Vereinen natürlich bewusst. Die Nachwuchskicker haben demzufolge ein starkes Instrument an der Hand, um einen Wechsel kurz nach Eintritt in die Volljährigkeit zu forcieren.

Sollte ein Verein auf Erfüllung des zweijährigen Anschlussvertrages bestehen, könnte ein Jugendspieler diesen vermutlich mit großer Erfolgsaussicht im Rahmen eines Rechtsstreits beseitigen können. Um ein solches Szenario und die Erschaffung eines Präzedenzfalls zu vermeiden, nehmen die Vereine in diesem Fall lieber Abstand von diesem fragwürdigen Vertragskonstrukt und lassen die Spieler für eine vergleichsweise geringe Ablöse ziehen.

Perspektive bieten statt angreifbare Verträge abschließen

Der Grund für Erzwingung der Wechsel von Spieler wie Samardzic und Netz findet sich also recht klar im Reglement des Fußballweltverbandes. Die Vereine haben dadurch rechtlich eher wenig Macht über den Verbleib ihrer ausgebildeten Talente. Im Sinne des Schutzes der minderjährigen und von allen Seiten leicht beeinflussbaren Jugendspieler vermutlich eine sinnvolle Regelung, um einer Übervorteilung durch die Vereine entgegen zu wirken. Dass dadurch andere Vereine oder von finanziellen Interessen getriebene Eltern und Berater in eine starke Verhandlungsposition rücken, ist leider die Kehrseite der Medaille.

Den Ausbildungsvereinen wie Hertha bleibt jedoch ein anderes Mittel, die Spieler zu halten: Durch das Aufzeigen einer klaren Perspektive und einer aktiven Einbindung in den Profikader. Sofern der Spieler die Aussicht auf eine sportlich zielführende Weiterbildung im Ausbildungsvereine sieht, gibt es für ihn deutlich weniger Gründe zu wechseln, als wenn er die Befürchtung hat nicht auf die Einsatzzeiten zu kommen, die gerade für einen jungen Spieler so eminent wichtig sind. Und nach den Entwicklungen der Talente rund um die „Goldene Generation“ kann es durchaus nachvollziehbar sein, dass Samardzic und Netz ungeachtet der finanziellen Gründe auch einen sportlichen Anreiz hatten, Hertha BSC zu verlassen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Es liegt damit in der Verantwortung der sportlichen Leitung, des Managements und auch der Trainer, Talente an den Verein zu binden und eine Perspektive aufzuzeigen. Bei Linus Gechter und auch Spielern wie Marton Dardai war dieses Vorgehen anscheinend mit Erfolg gekrönt. Es bleibt zu hoffen, dass der Staff rund um Fredi Bobic und Pablo Thiam (Leiter der Akademie) diesen Weg weiter ebnet und ausbaut. Denn nur in diesem Fall werden sich die kommenden Toptalente für ein langfristiges Engagement auch über den 18. Geburtstag hinaus bei Hertha BSC begeistern können.

Wer sich für viele weiteren Themen der rechtlichen Grundlagen rund um die Bundesliga bzw. Profifußball generell interessieret, dem kann ich übrigens diesen Beitrag auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung wärmstens empfehlen.

[Titelbild: Frederic Scheidemann/Getty Images]

Podcast #186 mit Fabian Drescher

Podcast #186 mit Fabian Drescher

Lukas hat das Coronavirus erwischt und trotzdem liefern wir euch natürlich die versprochene Folge mit Fabian Drescher, Präsidiumsmitglied bei Hertha BSC. Steven und Marc sprechen mit ihm über seine Arbeit im Gremium und wer eigentlich wo was zu sagen und zu tun hat. Die aktuelle öffentliche Auseinandersetzung wird dabei nur von uns und nicht von Fabian kommentiert. Es geht vor allem darum zu verstehen, welche Kompetenzen das Präsidium und welchen Einfluss es auf das sportliche Geschehen hat. 

Wir wünschen euch viel Spaß und freuen uns über eure Kommentare. 

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https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2021/10/fussball-bundesliga-hertha-bsc-lars-windhorst-story-teil-eins.htm/alt=amp.html

https://onefootball.com/de/news/hertha-fans-stellen-hilfsnetzwerk-fuer-kriegsfluechtlinge-auf-die-beine-34779420

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(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)