Umfrage zu Nachhaltigkeit im Fußball

Umfrage zu Nachhaltigkeit im Fußball

Eines der größten Themen unserer Zeit ist Nachhaltigkeit und, damit verbunden, nachhaltiges Verhalten innerhalb unserer Gesellschaft. Diese Gewissheit ist mittlerweile in fast allen Bereichen des Lebens angekommen und betrifft natürlich auch den Sport und seine Akteure.

Auch im Fußball ist es gewünscht und erwartet, dass sich Vereine und Verbände nachhaltig verhalten, sei es ökologisch oder bei sozialen Themen wie Diversität und Inklusion. Das gilt natürlich auf allen Ebenen, für den Bundesliga-Verein sowie für den Kreisliga-Trupp des Nachbardorfes. Es gibt eine Verantwortung, im Business-Sprech auch gerne CSR (Corporate Social Responsibility) genannt.

Gemeinsam mit euch will unser Partner, die Plattform FanQ in Zusammenarbeit mit Sports for Future und dem SID herausfinden, welche Erwartungen Fans an die verschiedenen Akteure im Sport haben, welche Verantwortungen erfüllt werden und welche erfüllt werden sollten. Wie zufrieden seid ihr mit dem bisherigen Engagement und welche Verbesserungen würdet ihr euch wünschen? Hierüber könnt ihr jetzt auch bei uns direkt abstimmen:

Im Anschluss an die groß angelegte Umfrage werden die Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet und über zahlreiche Medien gestreut werden, aber auch direkt Entscheidungsträgern in Politik und Sport vorgelegt. Gemeinsam soll ein so aussagekräftiges Bild entstehen, dass die Stimme der Fans bei dem wichtigen Thema Nachhaltigkeit von den richtigen Menschen gehört und ernstgenommen wird.

Hertha und Nachhaltigkeit: Im Oktober 2021 äußerte Ex-CEO Carsten Schmidt, dass Hertha eine Zertifizierung als nachhaltiger Verein anstrebe. Das berichtete die dpa. “Ich wäre nicht überrascht, wenn wir im nächsten Jahr einen Nachhaltigkeits-Beauftragten hätten”, sagte der 57-Jährige, “das wird auch ein Geschäftsleitungs-Thema bei Hertha.”

Auch wir schrieben bereits im Juli 2020 über das Thema Nachhaltigkeit – in diesem Fall bezüglich des Klimaschutzes. Diesem Thema hatte sich der Verein bereits damals offiziell verpflichtet.

(Photo by SOEREN STACHE/AFP via Getty Images)

Symptomatisch für den Fußball: Kritik zu “11 Leben – Die Welt von Uli Hoeneß”

Symptomatisch für den Fußball: Kritik zu “11 Leben – Die Welt von Uli Hoeneß”

Bei dem Namen Hoeneß werden bei vielen Hertha-Fans Erinnerungen wach. Gab es da nicht mal einen Manager, der so hieß? Es gab sogar zwei. In seinem Podcast „11 Leben – Die Welt von Uli Hoeneß“ taucht der Journalist Max-Jacob Ost tief in die Geschichte des erfolgreicheren Hoeneß-Bruders ein. Herausgekommen ist ein spannende Zeitreise, in der Hertha zwar nur am Rande vorkommt, die aber mit dem heutigen Zustand der alten Dame eine Menge zu tun hat.

Achtung. Dieser Text enthält Spoiler zum Podcast „11 Leben – Die Welt von Uli Hoeneß.“ Lesen auf eigene Gefahr.

11 Leben in 17 Folgen

Was ist der Fußball? Sport, Unterhaltung, Geschäft. Einer, der alle Facetten des Fußballs miterlebt hat und maßgeblich daran beteiligt war, ihn deutschlandweit vom schönen zum profitablen Spiel zu machen, ist Uli Hoeneß. Der ehemalige Bayern-Spieler, Manager und Präsident steht wie kein zweiter für die Entwicklung und Kommerzialisierung dieses Spiels.

Viel wurde über den spiritus rector des modernen FC Bayern geschrieben. Auch Hoeneß selbst hat oft durch polemische und scharfe Äußerungen von sich reden gemacht. Zuletzt wurde wieder viel über und schlussendlich auch mit ihm geredet. In 17 Folgen widmete sich „Rasenfunk“-Moderator und Sportjournalist Max-Jacob Ost der Welt von Uli Hoeneß. Sein Podcast „11 Leben” zählt zu den beeindruckendsten deutschen Podcast-Projekten der jüngsten Zeit. 

Akribisch und hartnäckig arbeitet sich Ost an Hoeneß ab, kommt ihm mal ganz nah, nur um dann wieder weggestoßen zu werden. Wie ein Getriebener verfolgt er diesen Mann, der einen langen Schatten von der Säbener Straße auf ganz Fußball-Deutschland wirft. „11 Leben“ ist gerade deshalb so unterhaltsam, weil man merkt, wie Ost sich in bester Berti Vogtscher Terrier-Manier in das Vorhaben verbeißt, dem Menschen Uli Hoeneß auf die Schliche zu kommen. Man könnte fast meinen, dass Ost versucht, Hoeneß zu entzaubern, die Mediengestalt einzureißen und dem Menschen Hoeneß ins Gesicht zu blicken.

Was hat der denn noch verbrochen?

Dieses Vorhaben gelingt Ost dort, wenn er auf persönliche Anekdoten seiner Interviewpartner zurückgreifen kann. Neben den Wortmeldungen einstiger Weggefährten und Sekundärquellen, bleiben aber oftmals nur die Aussagen, die von Hoeneß selbst getätigt wurden. Damit muss Ost die anspruchsvolle Aufgabe vollziehen, diese Aussagen des Medien-Hoeneß kritisch einzuordnen und von der privaten Person zu trennen. Dabei hilft die Entscheidung, nicht nur das Leben von Uli Hoeneß nachzuerzählen, sondern anhand dessen die Entwicklung des deutschen Fußballs nachzuzeichnen. So können einzelne Aussagen im jeweiligen zeitlichen Kontext verstanden werden.

Es ist wahrscheinlich zu hoch gegriffen, Hoeneß für alle wirtschaftlichen Entwicklungen in der Bundesliga und speziell beim FC Bayern direkt und alleinig verantwortlich zu machen. Sein Einfluss ist zwar enorm, allmächtig ist er jedoch nicht und auch Fortuna hatte sicher das ein oder andere Mal ihre Finger im Spiel. Dass der Halo des Hoeneß‘schen Lebenswerks hell strahlt, bekommt auch Ost zu spüren. Die Geschichte des Genies, das alle Fäden in der Hand hält und die Last des Erfolgs alleine auf seinen Schultern trägt, ist ein verlockendes Narrativ und auch Ost bedient es teilweise, verheddert sich aber so in seiner eigenen Dramaturgie. An diesen seltenen Stellen lässt sich Ost von der Medienfigur blenden und verliert den Anschluss zum Menschen Hoeneß.

Hört man „11 Leben“, bekommt man den Eindruck, dass im deutschen Fußball kein Weg an Hoeneß vorbeiführt – vorausgesetzt, man kreuzt seinen Weg. Es ist bezeichnend, dass Hertha in der Welt von Uli Hoeneß kaum vorzukommen scheint. Sicher, Dieter Hoeneß hat versucht, es seinem Bruder karrieretechnisch gleichzutun, scheiterte aber. Wichtig wird Hertha aber nur, wenn es um die Bestechungsskandale in den 70ern geht und über den etwas anrüchigen Transfer von Sebastian Deisler gesprochen wird. Sonst bleibt Hertha die bekannte graue Maus, unwürdig der Aufmerksamkeit eines Uli Hoeneß. Das Leben des augenscheinlichen Bayern-Allvaters liest sich, wie eine Aneinanderreihung von wichtigen und visionären Entscheidungen. In welche Richtung diese Korrelation wirkt, ob also Hoeneß für die Wichtigkeit verantwortlich ist oder ob er das Narrativ einfach nur geschickt für sich genutzt hat, bleibt offen. Der Medien-Hoeneß würde natürlich Ersteres behaupten.

Von Hoeneß und Hertha

Um den modernen deutschen Fußball zu verstehen, muss man ihn allerdings nicht durch die Augen des Menschen Uli Hoeneß, sondern anhand der Medienfigur Hoeneß analysieren. Die im Podcast vorgenommene Sezierung beider Gestalten erlaubt es, so eine direkte, wenn auch verworrene Verbindung zwischen Uli Hoeneß, dem FC Bayern und Hertha BSC herzustellen.

Die Figur Hoeneß symbolisiert eine Erfolgsgeschichte. Aus der Baden-Württembergischen  Provinz führte er einen einstigen Provinzclub an die Weltspitze, zoffte sich öffentlich mit den Fußballgrößen ihrer Zeit und schaffte es irgendwie sie zu überdauern und zu überleben. Hoeneß steht für die patriachische und anachronistische Seite des Sports – das analysiert Ost treffend. Das Spiel aber ist schneller geworden, Hoeneß hat maßgeblich dazu beigetragen und bereits bestehende Entwicklungen klug für den FC Bayern zu nutzen gewusst. Er hat an den richtigen Stellen sein Fähnchen in den Wind und den Verein so auf Kurs gehalten. Hoeneß hat vorgemacht, wie man nicht nur einen Verein, sondern auch sich selbst erfolgreich vermarkten kann.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Er stellte dabei eine Messlatte auf, die kein anderer Verein in Deutschland langfristig überwinden konnte. Zeigte, dass ein goldener Topf unter dem Regenbogen steht. Hoeneß versprühte nicht nur den Duft angeblich exzellenter Bratwürste, sondern auch des ganz großen Geldes. Es ist daher kein Wunder, dass Andere versuchen, es ihm gleichzutun und damit unbewusst dem Hoeneß’schen Nimbus entgegenhandeln. Hoeneß betonte immer wieder stolz, dass der FC Bayern stets ohne Mäzen oder Investor ausgekommen sei. Im Versuch, sich den Erfolg zu erkaufen und vom Streulicht des Bayerns zu profitieren, unterminieren Investoren in deutsche Vereine aber genau diesen essentiellen Baustein für den Bayrischen Mythos. Das Geld allein nicht glücklich macht und man auch eine starke Identifikationsfigur braucht um die alteingesessenen Fans nicht zu verprellen, kann man nicht nur in der Zusammensetzung der Münchner, sondern auch Berliner Vereinsebene sehen.

Dass der FC Bayern dabei aber das medientaktische Geschick von Hoeneß zur Verfügung hatte, kann man als außerordentliches Glück, aber keinesfalls Selbstverständlichkeit sehen. Genauso wie es zu einfach wäre, allein Hoeneß für den Erfolg der Bayern verantwortlich zu machen, wäre es kurzsichtig anzunehmen, dass es eine unbedingte Erfolgsgarantie der Münchener gäbe.

Der Mann, der Mensch, das Symptom

Erfolg im Fußball funktioniert über das Prinzip des Risikomanagments. Man kann den Sieg nicht erzwingen, nur das Verlieren weniger wahrscheinlich machen. Das gilt auch für das Prinzip Hoeneß und jedes Investment, dass es versucht zu kopieren. Trotzdem schadet aus finanzieller Sicht aber nicht, das Spiel als gigantischen Unterhaltungskomplex zu begreifen und sein Handeln strategisch anzupassen. Das hat Hoeneß verstanden und wie kein zweiter zu nutzen gewusst. Seine Art als „echter Typ“ lässt einen dabei vergessen, dass seine Medienfigur in ein komplexes Netzwerk an Beziehungen eingeflochten ist, die den modernen Event-Fußball ausmachen. Hoeneß fungiert damit als psychoanalytisches Symptom eben dieses Systems.

An dieser Stelle lohnt sich ein Exkurs, wie der Französische Psychoanalytiker Jacques Lacan auf das Symptom im generellen blickte. Extrem vereinfacht gesagt, tritt ein Symptom zunächst als unangenehme Erfahrung zu Tage. Sein Ursprung, lokalisiert im innerpsychischen Konflikt ergibt sich erst durch eine nachträgliche Analyse. Gleichzeitig braucht man das Symptom aber auch, man kann sich an ihm reiben und sich dadurch selbst behaupten. Uli Hoeneß wird entweder zum übermächtigen Vater oder zum Totengräber des Fußballs stilisiert. Beides kann nur im System des modernen Fußballs geschehen, in dem er entweder als Garant für totalen Erfolg oder als Begründer gesehen wird.  Die Auflösung des Symptoms kann nur in der Analyse geschehen. Nur so kann seine Bedeutung ergründet werden.

In diesem Sinne ist „11 – Leben“ die Podcast gewordene Psychoanalyse des Symptoms Uli Hoeneß, eines Phänomens, dessen Bedeutung sich erst im Nachhinein feststellen, das viele Menschen brauchen, um ihre Vorstellung des Fußballs aufrecht zu erhalten, aber auf ein grundlegendes und teilweise verdrängtes Problem verweist.

Seine Person und sein Auftreten ist sicher nicht für jeden erträglich und leitet sich direkt aus dem zeitgenössischen Horse-Race Sportjournalismus ab, es ist aber gleichzeitig unbedingt notwendig, damit die Illusion des „echten“ Fußballs aufrechterhalten wird. Ohne das Symptom, das das eigentliche System eigentlich unterminiert, kann das System aber nicht bestehen bleiben – es würde unerträglich werden und schließlich zusammenbrechen. Man stelle sich vor, dass statt seiner da ein glattgebügelter Managertyp, der Fußball nie gelebt hat, im Doppelpass sitzen würde. Für viele Fans ist es sicher nicht schön, dass Hoeneß da ist, seine Abwesenheit wäre aber viel schlimmer. Menschen wie Hoeneß aus dem System Fußball zu entfernen, würde bedeuten, dass dieses System endgültig in seiner ganzen Verkommenheit entblößt würde. Dieser Umstand wird nicht gerade dadurch einfacher, dass Hoeneß selbst dazu beigetragen hat, dass es soweit kommen konnte.

Der Mensch im Podcast

Uli Hoeneß ist so komplex, wie jeder andere Mensch auch. Teil dieser Komplexität ist eine recht unterkomplexe Medienfigur, die sich an vielen Stellen mit dem Menschen Hoeneß in die Quere kommt. Man sollte nicht den Fehler machen, zu denken, dass das eine ohne das Andere existieren, geschweige denn die gleichen heftigen Reaktionen hervorrufe könnte. Ost gelingt es in „11 – Leben“ die beiden Teile zu trennen, dann aber zu einem stimmigen Gesamtbild wieder zusammenzusetzen. Der Mensch Uli Hoeneß ist die Figur, die Figur ist der Mensch.

Schlussendlich wäre vieles im deutschen Fußball ohne Uli Hoeneß’ Zutun wohl anders verlaufen. Dennoch steht seine Person stellvertretend für einen Prozess, in dessen Verlauf auch die aktuellen Entwicklungen um Hertha BSC zu verorten sind. Das Hertha irgendwann aber zu einem zweiten FC Bayern wird, ist aber unrealistisch. Dafür fehlt der alten Dame ein Uli Hoeneß.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Kann Nouri nach dem Köln-Debakel noch bleiben?

Kann Nouri nach dem Köln-Debakel noch bleiben?

Herthas Ex-Trainer Pal Dardai sagte während seiner Amtszeit immer mal wieder, dass wenn nur drei bis vier Spieler in einer Partie Normalform erreichen, er das auf seine Kappe nehme – dann muss etwas in der Trainingssteuerung und/oder Spielvorbereitung falsch gelaufen sein. Am Samstagnachmittag gegen den 1. FC Köln erreichte wohl nicht ein einziger Hertha-Spieler so etwas wie “Normalform”. Nein, die 0:5-Heimniederlage war ein Kollektivversagen und kam einem Offenbarungseid gleich. So wäre es nicht zielführend, in diesem Artikel, der sich normalerweise mit den Spielerleistungen auseinandersetzt, auf einzelne Berliner Kicker zu blicken. Stattdessen richtet sich der Fokus auf Trainer Alexander Nouri.

“Heute sag’ ich besser nix”, gab sich Manager Michael Preetz bezüglich der Frage, ob es mit Alexander Nouri weitergehen wird, vor den Berliner Medien äußert wortkarg. Auch die Vereinsführung wird sich nun intensive Gedanken über die Zukunft des Berliner Trainerstuhls machen müssen. Das 0:5-Debakel gegen einen Konkurrenten im Abstiegskampf war der Super-GAU und fühlte sich wie das prototypische letzte Spiel eines Trainers an – ein Spiel, in dem sich die Mannschaft aufgab, absolut niemand auf dem Feld seine genaue Aufgabe kannte, einfachste Dinge nicht mehr funktionierten und auch kaum bis gar keine Impulse von der Trainerbank kamen. Genau für so einen Auftritt musste Ex-Trainer Ante Covic seinen Hut nehmen: das 0:4 gegen den FC Augsburg am 12. Spieltag. Auch am 24. November implodierte das Team und zerfiel in seine Einzelteile – nur sind diese mittlerweile fußballerisch so heruntergewirtschaftet und verunsichert, dass auch das nicht mehr reichen wird, um in einem Bundesliga-Spiel zu bestehen. Es gehen einem so allmählich die Antworten auf all die Probleme aus.

Nouris Ratlosigkeit gibt zu denken

Eben auch Alexander Nouri selbst, der das Auftreten seiner Mannschaft als “unerklärlich” bezeichnete und auf die in seinen Augen so exzellente Trainingswoche verwies. Ähnlich ratlos wirkte Pal Dardai zum Ende seiner Ära, wenn er Dinge sagte, wie “da müssen sie den lieben Gott fragen”. Es lässt einen fürchten, wenn der Cheftrainer (!) keine Erklärungsansätze für die miserable Vorstellung auf dem Platz aufzeigen kann. Wer, wenn nicht er?

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Auf der Pressekonferenz kritisierte Nouri die fehlenden Tugenden seiner Mannschaft: “Sei es sich zu helfen, Präsenz in den Zweikämpfen zu zeigen, Geschlossenheit, Teamspirit.” Und ja, das Team wirkte absolut leblos, nahm Zweikämpfe im Laufe des Spiels gar nicht mehr richtig an und hatte in jeder (!) läuferischen Disziplin das Nachsehen. Das Gebilde war so fragil, das es nach dem ersten frühen Gegentreffer bereits in sich zusammenfiel und nicht wieder aufgebaut werden konnte. Es stellt sich nun halt die Frage, weshalb das so ist. Weshalb die Mannschaft absolut keine Grundlage für ihr Spiel mehr hat und bei Rückschlägen kaum in der Lage ist, wieder aufzustehen. Und diese Frage richtet sich an das Trainerteam, das nun immerhin seit drei Monaten hier ist und eine komplette Winterpause zur Vorbereitung auf die Rückrunde hatte.

Zum Vergleich: Kölns Trainer Markus Gisdol trat sein Amt eine Woche vor Jürgen Klinsmann an. Seitdem hat der Übungsleiter seiner Mannschaft eine klare Spielphilosophie – mit und gegen den Ball – eingeimpft und vor allem die Basics wieder abrufen lassen. Das Ergebnis: 19 Punkte aus elf Partien – Punkteschnitt von 1,73. Ein Verein, der ebenfalls im Abstiegkampf seinen Trainer gewechselt hat, ist Fortuna Düsseldorf. Auch Neu-Coach Uwe Rösler hat seinem Team einen klaren Plan mit auf den Weg gegeben und auch hier schlägt sich das in positiven Ergebnissen um: in fünf Partien wurden acht Punkte geholt und zudem deutlich besserer Fußball als unter Friedhelm Funkel gespielt. Beide Beispiele zeigen, wie ein Trainereffekt auf dem Spielfeld aussehen kann.

Bereits unter Klinsmann ging es bergab

Nun sind solche Vergleiche natürlich immer schwierig, weil jeder Verein anders tickt, jede Mannschaft anders anzupacken ist und jeder Trainer einen anderen Ansatz hat, aber es ist schlicht auffällig, wie planlos Hertha erst unter Jürgen Klinsmann und nun unter Alexander Nouri agiert. Sicherlich war es ein absolut legitimer Ansatz, in den ersten Wochen, in denen das neue Trainerteam übernahm, vor allem die Defensive zu stabilisieren (diese war unter Ante Covic schließlich eines der größten Probleme). Als Beobachter nahm man diese sehr pragmatische Herangehensweise zunächst einmal hin, da sie anfangs für Punkte sorgte. So wurden in den fünf Hinrundenspielen unter Klinsmann/Nouri noch acht Punkte geholt.

Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images

Wie gesagt: die Fans akzeptierten den eingeschlagenen Weg, weil im Abstiegskampf nun einmal nichts wichtiger ist, als Punkte einzufahren. Werder Bremen beispielsweise hätte sicherlich gerne die Ausbeute von Hertha. Der Ansatz: hinten sicher stehen und vor hilft uns der liebe Gott. Für alle gab es jedoch die Prämisse, dass nach den ersten Wochen des gegenseitigen Beschnupperns und Pragmatismus’ in der Wintervorbereitung taktisch aufgestockt werden müsse. Es war klar ersichtlich, dass das reine Defensivkonzept sich nicht über die restliche Saison tragen würde und daher auch eine Idee mit dem Ball entwickeln werden muss. Nach sieben Pflichtspielen in 2020 ist mittlerweile sehr klar: es gibt diese Idee weiterhin nicht. Im Trainingslager wurde es komplett verpasst, den taktisch nächsten Schritt zu gehen und den Spielern irgendwelche spielerischen Lösungen an die Hand zu geben. Am offensichtlichsten war dies wohl gegen Mainz 05 (1:3), als man in der Rolle des Heimteams versagte, die damals schlechteste Defensive der Liga vor irgendwelche Probleme zu stellen. Gegen die Mainzer und zuvor im Pokalspiel gegen Schalke 04 (2:3) wurde jedoch auch ersichtlich, dass auch das Defensivkonzept mittlerweile massive Risse bekommen hatte und langsam auseinanderbröckelte. In den vergangenen vier Pflichtspielen hat Hertha zwölf Gegentreffer kassiert – in den fünf Ligaspielen vor der Winterpause waren es nur drei gewesen.

Nach rund zweieinhalb Monaten unter Klinsmann war die Mannschaft quasi wieder an ihren Ursprungspunkt vor dem Trainerwechsel angekommen. Der Trainereffekt war verpufft und nichts nachhaltig implementiert worden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Alexander Nouri unter Klinsmann bereits große taktische Verantwortung trug und große Teile des Trainings leitete. In den Spielen war deutlich die Handschrift des Ex-Bremen-Trainers zu erkennen: defensiv (oft in einer Dreierkette) sehr tief stehen, kaum hohes Anlaufen und offensiv möglichst auf chaotische Umschaltmomente und individuelle Klasse setzen. Doch was sich bei Werder nach einer Zeit aufbrauchte und bei Nouris nächster Station, dem FC Ingolstadt gar nicht erst funktionieren sollte, sollte auch bei Hertha allmählich keine (low hanging) Früchte mehr tragen.

Nouri wirkt überfordert

Da konnte auch der knappe 2:1-Sieg gegen SC Paderborn beim Nouri-Debüt als Herthas Cheftrainer kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Mannschaft in den letzten Wochen wieder massiv in Qualität eingebüßt hatte. Der Auswärtsdreier beim Tabellenletzten war nicht Ausdruck einer guten Leistung, vielmehr war man auch in dieser Partie die spielerisch verunsichertere Mannschaft und konnte sich bei einem Tor nach Eckstoß und der individuellen Klasse von Neuzugang Matheus Cunha bedanken, dass man als Sieger vom Platz ging. Gegen einen individuelle weitaus schlechter besetzten Gegner hat es halt irgendwie gereicht, aber auch die Partie gegen Paderborn war ein weiteres Beispiel für Herthas große Hilflosigkeit der letzten Wochen.

Die Krönung des ganzen war nun der Auftritt gegen den 1. FC Köln. Es wäre nicht einmal zielführend, jedes der fünf Gegentore isoliert zu analysieren. Alle Kölner Tore waren Ausdruck des Berliner Offenbarungseides. Es wurden immer wieder leichtfertig Bälle verloren, dieselben Räume offen gelassen, Zweikämpfe nicht geführt, Gegenspieler sträflich freigelassen – es war rundum ein Bundesliga-unwürdiger Auftritt der Blau-Weißen, der mit nichts anderem als solch einem Kantersieg zu bestrafen war. Sicherlich wird hierbei auch die schlechte Tagesform der Berliner eine Rolle gespielt haben, aber man erinnere sich an den Satz von Pal Dardai. Nouri hat in der Vorbereitung auf das Spiel und auch während der 90 Minuten massive Fehler begangen und wirkt somit überfordert, vielleicht schon gar nicht mehr tragbar.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Die Fehlerkette begann bereits mit der taktischen Herangehensweise und Startelfstellung. Nouri ließ erneut ein 3-5-2-System auflaufen, welches sich als völlig falsche Wahl herausstellen sollte. Herthas Außenspieler, Maxi Mittelstädt und Marius Wolf, ließen durchgängig zu große Räume in ihrem Rücken frei, in die Köln konsequent spielte und dadurch immer wieder zu gefährlichen Szenen wie auch letztendlich Toren kam. Zum einen ist es die Aufgabe eines Trainers, solch offensichtliche Defizite im Vorfeld des Spiels bereits durch Studieren des Gegners auszuschließen und sein Team nicht ins offene Messer rennen zu lassen. Nun war das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen und dann ist es zum anderen die Pflicht des Coaches, während des Spiel zu reagieren und umzustellen. Es ist unerklärlich, weshalb Nouri die Dreier/Fünferkette nicht im Spiel noch auflöste und auf die stabilere Viererkette umstellte – das verdient die Bezeichnung “fahrlässig”. Selbst unter Pal Dardai, dem oftmals fehlende taktische Flexibilität vorgeworfen wurde, gab es in dessen letzter Spielzeit situativ Anpassungen an das Spielgeschehen. Auch hier lässt erkennen, wie sämtliche Basics bei Trainer wie Mannschaft verloren gegangen sind.

Apropos Basics: es war erschreckend, wie sich Hertha von Köln den Schneid hat abkaufen lassen. In sämtlichen körperlichen Aspekten des Spiels waren die Berliner unterlegen, auch in Sachen Handlungsschnelligkeit und Entschlossenheit war es ein Klassenunterschied. Das machte sich auch im Herthaner Offensivspiel bemerkbar. Herthas Vorstöße ließen einmal mehr sämtliche Systematik und Dynamik vermissen. Es gab keinerlei Abläufe, keine zentrale Idee und offensichtlich wurde sich nicht damit auseinandergesetzt, was die Schwachstellen der Kölner Defensive sind, die gegen den FC Bayern noch vier und in den vorausgegangenen vier Rückrundenspielen insgesamt zehn Gegentore kassiert hatten. Wie schon gegen Mainz wirkte Herthas Offensive absolut hilflos darin, den eigenen Ballbesitz von knapp 60% produktiv zu nutzen. Offensichtlich wurde der Angriffsabteilung nicht mehr mitgegeben als “macht mal, zur Not regelt es schon die individuelle Klasse von Cunha und Piatek”. Anders lässt sich diese Konzeptlosigkeit nicht erklären. Das Ergebnis: ein einziger Torschuss in der gesamten Partie.

Nouris eigenartige Personalentscheidungen

Taktische Herangehensweise und In-Game-Coaching Nouris verdienen also schon einmal die Note “mangelhaft”, aber auch die Personalentscheidungen des Trainer wirkten aus der Luft gegriffen. Wenn Nouri offensichtlich ein Trainer ist, der seinen Offensivspielern möglichst wenig taktische Fesseln anlegen will und auf selbstständige Entscheidungsfindung setzt, ist es fast schon paradox, dass er mit Javairo Dilrosun (seit zwei Spielen nicht im Kader) und Dodi Lukebakio (gegen Paderborn Bankdrücker, gegen Köln 45 Minuten gespielt) die zwei stärksten Instinktfußballer des Kaders nahezu konsequent ignoriert und stattdessen Mittelstädt und Wolf die offensiven Außenbahnen bespielen lässt. Diese dann in einer Doppelrolle, mit der sie offensiv wie defensiv überfordert sind. Ein Salomon Kalou und Ondrej Duda würden übrigens sehr gut in ein Angriffsspiel passen, das auf Einzelaktionen setzt, aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema. Bei Dilrosun muss man im Verein sogar aufpassen, ob man ihn durch die aktuelle Personalpolitik im Sommer nicht sogar ganz verliert.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Ebenso mutete es mehr als irritierend an, dass Marko Grujic gegen Köln erneut eine Startelfchance erhielt. Der 23-jährige Serbe steht in der laufenden Saison komplett neben sich und zeigt seit längerer Zeit völlig inakzeptable Leistungen. Bei dessen Behäbigkeit und Phlegma ist es schon beinahe witzig, dass Nouri dessen Startelfnominierung damit begründete, gegen Köln mehr “Körperlichkeit” im Mittelfeld haben zu wollen. In diesem Unfall von Spiel auf einzelne Spielerleistungen ist natürlich nicht ganz fair, aber es lässt sich zweifellos festhalten, dass Grujic auch in dieser Begegnung keinen positiven Einfluss auf seine Mannschaft hatte und zwei Gegentreffer sogar selbst einleitete. Hier muss die Frage gestellt werden, warum Vladimir Darida, der nach seiner Einwechslung gegen Paderborn noch maßgeblich am Sieg beteiligt war, nicht von Anfang an spielte. Auch dass Karim Rekik seit zwei Spielen wieder zur Startelf gehört, lässt sich nicht erklären. Jordan Torunarigha hat sich ohne Zweifel in der Rückrunde als bester Innenverteidiger nach Dedryck Boyata herauskristallisiert und so muss man sich fragen, was er verbrochen hat, um nun wieder das Nachsehen gegen den in dieser Saison so schwachen Rekik hat. Auch gegen Köln sah Rekik in vielen Szenen unkonzentriert und fehlerbehaftet aus.

Vielleicht waren diese Personalentscheidungen Nouris nicht spielentscheidend, aber sie waren auch sicherlich nicht zuträglich. Indem der Trainer das Leistungsprinzip außer Kraft setzt, verlieren die Spieler den Halt. Immer wieder betont Nouri, dass alle Spieler herzlich willkommen seien, sich anzubieten und passiert das im Falle von Torunarigha und Darida, sitzen die beiden Spieler in der kommenden Partie dennoch auf der Bank. Das ergibt schlicht keinen Sinn und ist wie Gift für die Teamhierarchie. Die ständigen und zufällig anmutenden Personalwechsel lassen keine Ruhe in den Kader einkehren und lassen die Spieler sicherlich keine Vertrautheit mit dem Trainer aufbauen. Daran scheiterte bereits Ante Covic.

Sollte Nouri bleiben?

Kann man einen Trainer nach solch einem desaströsen Auftritt noch im Amt lassen? Eigentlich nicht. Nouri gehört zu den Architekten dieser katastrophalen Saison, da er bereits unter Klinsmann für die taktische Identität verantwortlich war und es in mittlerweile drei Monaten nicht geschafft hat, der Mannschaft eine Spielphilosophie zu vermitteln. Inzwischen hat die Mannschaft unter ihm sogar die Basics verlernt und so muss ernsthaft in Frage gestellt werden, ob eine Weiterbeschäftigung noch Sinn ergibt. Er scheint die Mannschaft offensichtlich nicht mehr zu erreichen, anders ist ein 0:5 gegen einen Abstiegskampfkonkurrenten nicht zu erklären. Das war kein Ausrutscher, sondern das letzte Loslassen nach den zuletzt so schwachen Vorwochen.

Die Antwort auf all das, also ein Trainerwechsel, würde sehr viel leichter fallen, wenn Nouri nicht bereits der dritte Cheftrainer Herthas der laufenden Spielzeit wäre. Sicherlich ist er nur die Light-Version eines Nachfolgers gewesen, da er bereits zum vorherigen Trainerteam gehörte und in diesem bereits große Kompetenzen hatte und es ist auch durchaus verständlich gewesen, zunächst einmal auf ihn zu setzen, anstatt sofort ein neues Gesicht zu präsentieren. Dieser Versuch hat sich mittlerweile als Fehlschlag herausgestellt. Nouri ist offensichtlich nicht in der Lage, der Mannschaft noch irgendetwas zu vermitteln. Offensiv war dies nie der Fall und mittlerweile ist auch die zunächst noch zusammengeflickte Abwehr davon betroffen. Vielleicht ist es eben doch kein Zufall, dass Nouri vor dem Paderborn-Spiel seine letzten 21 Pflichtspiele als Cheftrainer eines Vereins nicht mehr gewinnen konnte. Es fehlt schlicht die klare Idee und auf diesem Niveau lässt sich auf lange Sicht kein Erfolg mit diesem Weg erlangen.

Es war ein legitimer Ansatz, Nouri als Übergangslösung zu wählen, um im kommenden Sommer einen klaren Cut zu machen. Nun ist aber die Situation eine andere: die Mannschaften hinter Hertha haben wieder angefangen zu punkten, Tabellenplatz 16 ist mit sechs Punkten nicht so weit weg, wie viele vielleicht denken. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Mannschaft unter Nouri noch einmal aufbäumt und so wäre es fahrlässig, nicht noch einmal auf der Trainerbank zu reagieren – und ja, auch wenn es dann der vierte Übungsleiter dieser Saison ist. Hier müssen die Verantwortlichen ihren Stolz herunterschlucken und sich eingestehen, dass man nicht mit den sportlichen Zielen – dem Klassenerhalt – spielen sollte, nur um im Sommer die “große” Lösung zu präsentieren. Es sind noch elf Spiele in dieser Saison, genug Zeit, um noch einmal hinten reinzurutschen und dann wäre es offiziell zu spät, um noch einmal zu reagieren. Es muss sich eingestanden werden, dass Europa in der kommenden Saison eben doch noch nicht der Anspruch sein kann, weil man nicht den zweiten vor dem ersten Schritt gehen kann. Die Mannschaft muss erst einmal wieder das Laufen lernen – das können die Dardais und Labbadias dieser Welt. Vielleicht besser als jeder andere.

Herthas Talente – die Zukunft der Nationalmannschaft

Herthas Talente – die Zukunft der Nationalmannschaft

Am 15.03.2019 war es soweit: der nächste Herthaner wurde in Person von Niklas Stark für die deutsche Nationalmannschaft nominiert. Eine gute Nachricht für Hertha BSC, doch gemessen an der Entwicklung des 23-Jährigen keine unerwartete. Hinter Stark arbeiten noch weitere junge Berliner Talente daran, die zukünftigen Nationalspieler zu werden. Wir nutzen die Länderspielpause, um einen Blick auf diese Spieler zu werfen.

Ein Zufall ist die Nominierung Starks sicherlich nicht. Eher ein Ergebnis von einigen Jahren guter Jugendarbeit und Förderung von jungen Spielern. Sowohl in der Transferpolitik als auch im Spielbetrieb zeigt sich in Berlin der Wille auf die Jugend zu setzen. Viele andere Optionen gibt es ohnehin nicht. Finanzielle Mittel wie auch großer sportlicher Erfolg fehlen in der Hauptstadt, um mit den “Big Players” der Bundesliga mithalten zu können. Der Weg über die Jugend soll die Lösung sein, um langfristig im Oberhaus überleben zu können.

Pal Dardai – Der Jugendförderer

(Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images)

Dabei verkörpert kaum ein Trainer in der Bundesliga die Jugendförderung besser als Pal Dardai. Seitdem Herthas Rekordspieler im Amt ist, konnten bereits neun Spieler aus der eigenen Jugendakademie ihr Profidebüt feiern, wie zum Beispiel Arne Maier (20 Jahre), Maximilian Mittelstädt (22), Jordan Torunarigha (21), Dennis Jastrzembski (19) oder Florian Baak (20). Nicht aus der eigenen Jugendakadamie, aber ebenso Profi-Debütant unter Pal Dardai ist der im vergangenen Sommer aus England verpflichtete Javairo Dilrosun (20).

Des Weiteren wurden in den letzten Transferperioden unter Pal Dardai junge Spieler mit Perspektive geholt – Niklas Stark, Mitchell Weiser, Ondrej Duda, Valentino Lazaro oder Marko Grujic sind nur ein paar Beispiele dieser Transferpolitik. Die genannten Spieler waren zwar schon vor ihrem Wechsel an die Spree im Profi-Fußball angekommen, konnten sich in der Hauptstadt jedoch besonders gut entwickeln.

Aktuell stehen neun Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Profikader von Hertha BSC unter Vertrag. Im bevorstehenden Sommer kommt der 17-Jährige Julian Albrecht dazu, sowie die momentan ausgeliehenen Nils Körber, Sidney Friede, Maximlian Pronichev und Muhammed Kiprit.

Plattenhardt und Stark – Die Vorreiter

(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

So ist es kein Wunder, dass einige Hertha-Profis zuletzt in den Fokus der deutschen Nationalmannschaft geraten sind. Marvin Plattenhardt und Niklas Stark, beide nicht aus der Hertha-Jugendakademie, jedoch früh in ihrer Karriere zur „alten Dame“ geholt, konnten unter Pal Dardai den nächsten Schritt in ihrer Karriere gehen und sich als Stammspieler etablieren. Plattenhardt wurde somit der erste bei Hertha BSC unter Vertrag stehende deutsche Nationalspieler seit Arne Friedrich. Ob der 27-Jährige jedoch in Zukunft wieder in der deutschen Auswahl eine Rolle spielen wird, ist aktuell eher unwahrscheinlich.

Niklas Stark beginnt hingegen mit einer guten Ausgangslage seine Nationalspieler-Karriere. Die Konkurrenz auf der Innenverteidiger-Position hat sich, nach der Entscheidung von Joachim Löw sowohl Jerome Boateng als auch Mats Hummels nicht mehr zu nominieren, deutlich reduziert. Sollte der 23-Jährige einen guten Eindruck hinterlassen und sich langsam in die Mannschaft spielen, gibt es nicht sehr viele Spieler, die ihn momentan wieder verdrängen könnten.

Zur Nominierung von Niklas Stark und seine Chancen in der Nationalmannschaft haben wir uns in der letzten Hertha BASE Podcast-Episode unterhalten:

Allerdings wird Stark noch eine Weile auf sein erstes A-Länderspiel warten müssen. In den jüngsten Partien gegen Serbien und den Niederlanden wurde er von Bundestrainer Joachim Löw noch nicht eingesetzt. Er selber zeigte sich hinsichtlich seiner zukünftigen Einsatzchancen jedoch optimistisch: „Natürlich ist es schade, dass ich keine Minuten bekommen habe. Aber es kommen ja noch mehr Spiele, da will ich dann dabei sein.

Es scheint also nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Stark auch für Pal Dardai ein „echter Nationalspieler“ ist. Die Nominierungen von Plattenhardt und Stark könnten jedoch nur der Anfang sein. Ein Blick in den Jugendauswahlen der deutschen Nationalmannschaft bringt einige Erkenntnisse.

Hertha-Quartett in der deutschen U21-Nationalmannschaft

(Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Am vergangenen Donnerstag in Essen traf die U21-Auswahl Deutschlands auf die französische U21 – Endergebnis 2:2. In der Startelf der Deutschen standen mit Arne Maier, Maximilian Mittelstädt und Jordan Torunarigha gleich drei Hertha-Profis auf dem Platz. Ein vierter wurde mit Lukas Klünter (22) noch im Laufe des Spiels eingewechselt.

Dabei konnten alle Hertha-Profis überzeugen, Maxi Mittelstädt glänzte sogar als Torschütze zum zwischenzeitlichen 2:0. Auch am Dienstagabend gegen die englische U21 standen mit Maier und Mittelstädt zwei Herthaner in der Startformation der DFB-Auswahl. Jordan Torunarigha musste aufgrund einer Verletzung vorzeitig abreisen und wird die kommenden Wochen ausfallen. Ganze 59 Minuten standen die Berliner auf dem Platz, bevor die Mannschaft durchrotiert wurde. Lukas Klünter wurde erneut eingewechselt.

Zum gemeinsamen Einsatz in der U21 sagte Maximilian Mittelstädt: „Das stärkt zusätzlich den Zusammenhalt, wir verstehen uns alle sehr gut auch privat. Wir kennen uns schon seit langer Zeit, vor allem Arne, Jordan und ich spielen seit sehr langer Zeit zusammen, waren zusammen in der Schule und kennen uns schon seit klein auf, ich denke, dass wir da eine gute Achse bilden können“.

Trotz dieser engen Verbindung ist die Ausgangslage für die vier Profis sehr unterschiedlich. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Berliner Eigengewächse auf Positionen spielen, auf denen auch momentan in der A-Nationalmannschaft Bedarf ist. Gute Innen- und Außenverteidiger werden dringend gebraucht, Bundestrainer Joachim Löw probiert aktuell viele Varianten aus.

Arne Maier – Der jüngste und reifere im Quartett

Zudem kann ein Spieler wie Arne Maier, der variabel einsetzbar ist und schon im jungen Alter eine hohe Spielintelligenz hat, sehr wertvoll werden. Maier, der auf einer eher für ihn ungewohnten Libero-Position gegen die französische Auswahl eingesetzt wurde, zeigte sowohl gegen Frankreich, als auch gegen England ein gutes Spiel und wurde von Coach Stefan Kuntz gelobt. Gegen die U21 der „Three Lions“ konnte er in seinem dritten Spiel in der U21 sogar mit einer sehenswerten Vorlage zum zwischenzeitlichen 1:0 für Deutschland glänzen.

(Foto: Jörg Schüler/Getty Images for DFB)

Der gebürtige Ludwigsfelder selbst zeigte sich in Interviews für sein Alter auffällig abgeklärt und selbstkritisch. Er wurde bis auf die U20 (die er übersprang) in jeder Altersstufe der Jugend-Nationalmannschaft eingesetzt, spielte zuletzt neun Spiele in der U19 und erzielte dabei drei Treffer und steuerte zusätzlich vier Vorlagen bei. Zu den Einsätzen in den Jugendmannschaften des DFB sagte Maier: „Diese Erfahrungen sind immens wichtig. Nur durch die Vergleiche mit starken Spielern und Teams aus anderen Nationen entwickelt man sich fußballerisch weiter.“

Der 20–Jährige ist in seiner Spielweise und sein Auftreten der „reifere“ Spieler der eingesetzten Hertha-Talente. Diese Saison konnte er sich zum unumstrittenen Stammspieler in der Mannschaft von Pal Dardai etablieren. Obwohl er noch auf sein erstes Profi-Tor wartet, zeigte Maier immer wieder, dass er den Sprung von Jugendspieler zu Profi-Fußballer gemeistert hat. Nicht umsonst wird er von einigen größeren Vereinen beobachtet. Sollte ihn Hertha halten können, wird er auch in der nächsten Spielzeit eine wichtige Säule des Hauptstadtclubs sein, was seine Chancen auf einen Einsatz in der A-Nationalmannschaft sicher nicht senken würde.

Mittelstädt mit einer starken Saison

Positiv ist auch die Entwicklung von Maximilian Mittelstädt zu verzeichnen. Der 22-Jährige profitiert aktuell auch von der schwachen Form von Marvin Plattenhardt und wurde bisher in dieser Saison schon 22 Mal in Pflichtspielen eingesetzt, verbuchte dabei drei Tore und zwei Vorlagen. Auch er zeigt diese Saison große Fortschritte und hat ab der U18 jede Station in den Jugendauswahlen der deutschen Nationalmannschaft besucht.

(Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Der gebürtige Berliner wird beim U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz einen guten Eindruck hinterlassen haben. „Ich habe Maxi im Training gesagt, dass er offensiv zu ungefährlich ist. Das Tor war natürlich die beste Antwort, die er geben konnte.“, war von Kuntz nach dem Spiel gegen Enland zu hören. Auch auf Mittelstädts Position als linker Verteidiger ist in der A-Nationalmannschaft Bedarf, sodass sein Profil auch für Joachim Löw eines Tages interessant werden könnte.

Die nächste Saison könnte für den 22-Jährigen ausschlaggebend werden. Auch wenn ihm noch einiges fehlt, insbesondere im Offensiv-Spiel, ist Mittelstädt auf dem richtigen Weg, sich auf den Radar von Löw zu spielen.

Torunarigha und die Verletzungen

Auf den richtigen Weg schien auch Jordan Torunarigha zu sein. Der Innenverteidiger konnte bei der U21 im Spiel gegen die Franzosen überzeugen. Doch wie schon so oft in der laufenden Saison hieß es Anfang der Woche erneut, dass der gebürtige Chemnitzer sich verletzt hat. Diagnose: „Verletzung des Kapsel- und Bandapparates im linken Sprunggelenk sowie ein Knochenmarksödem“.

(Foto: Jörg Schüler/Getty Images for DFB)

Torunarigha musste in der laufenden Saison bereits mehrmals verletzt ausfallen. Diese Rückschläge warfen ihn jedoch nicht komplett zurück. Immer wieder kämpfte er sich in die Startelf zurück, überzeugte durch seinen Einsatz und seine Zweikampfwerte. Auch zwei Tore und zwei Vorlagen konnte er beitragen.

Trotzdem sind die vielen Verletzungen besorgniserregend. Auch Trainer Pal Dardai passt die Situation nicht: „ Als Innenverteidiger und Sechser spielst du im Idealfall die Saison durch. Es geht um Zuverlässigkeit. Dafür braucht einen ordentlichen Körper und Leistung. Da muss Jordan sich steigern.“ Sollte der 21-Jährige allerdings seine Fitness in den Griff kriegen und sein Körper der Belastung eines Profi-Sportlers standhalten, sieht auch seine Zukunft hervorragend aus.

Für den vierten im Bunde, Lukas Klünter, war der Einsatz in der U21 sicherlich auch eine Wohltat. Nach einer sehr komplizierten Hinrunde, in welcher er nur eine Minute Einsatzzeit bekam, konnte er in der Rückrunde immerhin zwei Spiele über 90 Minuten bestreiten. Auch er ist mit seinen 22 Jahren am Anfang seiner Karriere und wird noch die Möglichkeit bekommen, sein Talent über längere Strecken zu zeigen. Da ein Abgang von Valentino Lazaro im Sommer immer wahrscheinlicher wird, könnte für Klünter im Sommer der Kampf um einen Stammplatz neu beginnen.

Hertha-Profis auch in der U20 und U19 DFB-Jugendauswahl

Nicht nur in der U21 findet man Namen, die im Profikader von Hertha BSC auftauchen. Palko Dardai und Florian Baak wurden beide für die U20-Nationalmannschaft nominiert, mussten jedoch aufgrund von gesundheitlichen Problemen ihre Teilnahme an den Spielen wieder absagen.

(Foto: Tullio M. Puglia/Getty Images)

Doch ganz ohne Berliner Beteiligung musste die U20 nicht auskommen. Sidney Friede, der aktuell noch an den belgischen Erstligisten Royal Excel Mouscron ausgeliehen ist, wurde im Spiel der U20 gegen Polen eingesetzt und traf sogar zum 2:0. Friede scheint aktuell ohnehin einen Lauf zu haben: zwei Treffer und eine Vorlage konnte er in acht Spielen in der „Jupiler Pro League“ verzeichnen.

Die deutsche U19 hingegen verpasste in dieser Länderspielpause leider die EM-Endrunde – aufgrund einer 0:1-Niederlage gegen Norwegen, in der Dennis Jastrzembski durchspielte. Auch ein 3:0-Sieg gegen Ungarn konnte die Qualifikation nicht mehr retten (Jastrzembski wurde in der 77. Minute eingewechselt). Der 19-Jährige war nach einer guten Vorbereitung und Kurzeinsätzen zu Saisonbeginn bei der „alten Dame“ im weiteren Verlauf der Saison komplett abgetaucht, wurde immerhin zuletzt auswärts gegen den FC Bayern München und den SC Freiburg in der Schlussphase von Pal Dardai eingewechselt. Es scheint also wieder bergauf zu gehen.

Ebenso im Einsatz waren ein weiterer Dardai-Sohn und zwei große Berliner Talente: Marton Dardai (17),Lazar Samardzic (17) und Luca Netz (15) konnten mit Deutschlands U17 nach zwei Unentschieden und einem Sieg das EM-Ticket gerade noch lösen.

Die Zukunft gehört Berlin

(Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Ein Name, der im Moment in keiner Auswahl nominiert, allerdings für die A-Nationalmannschaft noch nicht abzuschreiben ist, ist Davie Selke. Auch er spielt nach seiner Verletzung zu Saisonbeginn eine immer größere Rolle bei den Blau-Weißen und steht aktuell bei drei Treffern und neun Vorlagen. Als Talent kann Selke mit seinen 24 Jahren wohl nicht mehr gelten, sein Name sollte aber beim DFB bekannt sein. In einigen DFB-Jugendauswahlen wurde er eingesetzt, zeigte sich dort auch sehr treffsicher. Mit der U21-Nationalmannschaft wurde Selke zusammen mit Lukas Klünter und Niklas Stark 2017 sogar Europameister.

Die deutsche Nationalmannschaft hat also sowohl für die erste Elf, als auch im Jugendbereich einige Hertha-Profis auf dem Zettel. Auf einigen Positionen könnten Spieler aus der Hauptstadt in Zukunft eine gute Alternative darstellen. „Die Zukunft gehört Berlin“, ist das Motto von Hertha BSC in der laufenden Saison. Vielleicht sollte es auch heißen: „die Zukunft der Nationalmannschaft ist in Berlin“.

Dardai ist in Herthas Scheinkrise nur ein kleiner Baustein

Dardai ist in Herthas Scheinkrise nur ein kleiner Baustein

Wer die Abenteuer von Jim Knopf aus der Augsburger Puppenkiste kennt, wird auch mit der Geschichte des Scheinriesen vertraut sein. Ein Mann namens Herr Tur Tur, der aus weiter Ferne wie ein angsteinflößender Riese aussieht, jedoch bei näherer Betrachtung immer kleiner und friedlicher wird. Ähnlich verhält es sich mit der aktuellen sportlichen Situation von Hertha BSC, die zunächst äußerst kritisch anmutet, aber bei genauerem Hinsehen sehr gut erklärbar ist. 

Die Definition des deutschen Dudens sagt zum Wort “Krise”: “schwierige Lage, Situation, Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt.” Wendet man diese Bedeutung auf Herthas Lage an, so scheint das Wort recht extrem. Weder ist die Entwicklung “gefährlich”, noch stellt sie einen Höhepunkt dar. Vielmehr scheint sie wie eine erste größere Durststrecke zu sein, die jeder Verein in seiner Entwicklung kennenlernt, davor waren auch Teams wie Borussia Dortmund oder Mönchengladbach in den vergangenen Jahren nicht gefeit.

Im modernen Fußball ist es zur Normalität geworden, erste negative Serien und Stolpersteine in einer Entwicklung sofort als “Krise” zu bezeichnen, ungeachtet der möglichen Gründe. Besonders in den letzten drei Spielen war zu sehen, dass die Mannschaft in Takt ist. Gegen Sorja Luhansk (2:0) sah man eine sehr runde Leistung, gefolgt von einem Arbeitssieg gegen den HSV (2:1) und dem glücklichen Punkt gegen den VfL Wolfsburg (3:3), der im zweiten Durchgang jedoch von einer kämpfenden und mutigen Mannschaft geholt wurde. Ohne die Partien genau unter die Lupe zu nehmen, lässt sich sagen, dass die Mannschaft weiterhin viele Probleme in ihrem Spiel hat, jedoch die Mentalität stimmt und sicherlich kein Bruch zwischen Spieler und Trainer zu spüren ist, den einige Fans bereits heraufbeschwören.

Eine Krise wäre es, wenn Herthas Spieler bereits völlig verunsichert auf das Feld kämen und zu keiner Sekunde wüssten, was sie zu tun haben. Eine Krise wäre es, wenn Spieler eher abwinken als weiterkämpfen würden. Eine Krise wäre es, wenn Mannschaft und Verantwortliche Ratlosigkeit und Wut ausstrahlen würden, anstatt ruhig weiterzuarbeiten.

All das ist nicht der Fall. Vielmehr zeigt das Team erste Unsicherheiten in einer großartigen Entwicklung der letzten Jahre, die normal sein sollten, jedoch von Fans und Medien in ein sehr negatives Licht gestellt werden. Vieles wird hinterfragt oder harsch kritisiert. Doch dazu ein Fakt: Gegen die gleichen Gegner der bisherigen Hinrunde holte Hertha letzte Saison genau gleich viele Punkte (14 aus elf Spielen), es wurde also nicht schlechter.

Gründe für Herthas Lage

Herthas Scheinkrise wird beim Analysieren ihrer Ursachen zu einem nachvollziehbaren Zusammenspiel von vielen Problemen, die letzte Spielzeit nicht in dieser Form vorherrschten.

Das Verletzungspech

Eine der Schwierigkeiten begann bereits in der Sommervorbereitung. Mit Davie Selke und Valentino Lazaro verpflichtete Hertha BSC zwei Spieler, die der Mannschaft sofort weiterhelfen sollten, es aber nicht konnten. Sowohl Selke, als auch Lazaro verpassten die gesamte Vorbereitung aufgrund von Verletzungen, wodurch Pal Dardai zwei eingeplante Kräfte fehlten. Selke fehlte Hertha drei Monate, Lazaro konnte rund zwei Monate lang nicht eingreifen. Aufgrund ihrer Verletzungspausen verpassten sie die elementare Saisonvorbereitung, die in Sachen Fitness und Taktik den Grundstein legt und mussten mit Trainingsrückstand in die bereits laufende Spielzeit einsteigen, weshalb sie nur zaghaft an die Mannschaft herangeführt werden konnten. In den letzten Wochen traf das Verletzungspech Vladimir Darida, Sebastian Langkamp und Mathew Leckie, allesamt Grundpfeiler (traf bereits auf Leckie zu) des Teams, die nicht ohne weiteres ersetzt werden konnten.

Formtiefs einiger Leistungsträger

Auch Niklas Stark musste eine längere Zeit aussetzen (nun erneut). Der Defensivspieler plagte sich nach der U21-EM mit einem Rippenbruch herum und meldete sich erst im laufenden Betrieb wieder fit, spielte erstmals am 2. Spieltag gegen Borussia Dortmund. Er und Mitchell Weiser gewannen im Sommer die U21-Europameisterschaft, mussten dafür aber einen Preis zahlen und fielen erstmals in ihrer Berliner Zeit in tiefes Formloch. Weiser wirkt längst nicht wie der spielentscheidende Spieler, der er vergangene Saison war, sein Zweikampfverhalten und Spielwitz lassen deutlich zu wünschen übrig. Auch Stark zeigt sich ungewohnt inkonstant. Als Sebastian Langkamp verletzt ausfiel, sollte dies die große Chance für den 22-Jährigen werden, sich endlich einmal festzuspielen. Stark aber scheiterte daran, Langkamps Rolle auszufüllen, Herthas Innenverteidigung war selten so unsicher wie zu Starks Arbeitszeiten.

Öffentlich weitaus öfter werden Salomon Kalou und Vedad Ibisevic an den Pranger gestellt. Die beiden Routiniers sollten die Mannschaft mit ihrer Erfahrung durch die ungewohnten Wochen der Doppelbelastung führen, haben aber viel mehr mit sich selbst zu tun. Ibisevic traf gegen den VfL Wolfsburg das erste Mal seit drei Monaten und lud seinen Frust während der Torflaute oftmals in Aktionen aus, die ihm zahlreiche Sperren einbrachten. Salomon Kalou hingegen zeigte eine noch akzeptable Quote vor dem Kasten, sein restliches Spiel erlahmte aber oftmals völlig, weshalb er nicht selten unsichtbar wurde und seinem Team kaum weiterhalf, offensiv wie defensiv. Es wird von Vorteil sein, dass beide (Ibisevic bereits offiziell) ihre Nationalmannschaftskarriere an den Nagel hängen werden und sie sich dadurch einzig auf Hertha konzentrieren können.

Die Mannschaft ist nicht in der Lage, solche massive Leistungseinbrüche von vier etablierten Stammkräften aufzufangen, besonders nicht, wenn sie sich aufgrund der englischen Wochen nicht einspielen kann.

Fehlende Automatismen

Die Mannschaft hat vor allem nicht die Möglichkeit, auf Verletzungspech und schwächelnde Leistungsträgern zu reagieren, wenn ihr die Automatismen fehlen.

“Unter einem Automatismus wird in Bezug auf den Fußball die Fähigkeit verstanden, bestimmte Lauf- und Passwege der Mitspieler situationsbedingt und intuitiv zu erahnen bzw. vorherzusehen. Im Defensivverhalten führen funktionierende Automatismen dazu, dass die Räume effektiver zugestellt und so ein Ballverlust des Gegners erzwungen wird.” – Fussballtraining.de

Automatismen – eine der wichtigsten Vokabeln in Pal Dardais Trainerwortschatz. Durch sie hat er es geschafft, den Verein einst vor dem Abstiegs zu bewahren und an dieser Formel schraubte er jedes Jahr. Hertha ist eine Mannschaft, die von festen Abläufen lebt, eben weil Dardais Fußball durch eine sehr kompakte Defensive und gewissen Offensivschemata funktioniert, sowohl mit als auch gegen den Ball.

Durch die neuartige Doppelbelastung kommt das Trainerteam nicht mehr dazu, diese Zahnräder der Mannschaft regelmäßig zu ölen. Ein typisches Szenario der vergangenen Wochen sah wie folgt aus: Hertha spielt am Donnerstag in der Europa League, fliegt am Freitag zurück und kann an dem Tag nur noch auslaufen. Die erste richtige Trainingseinheit ist das Abschlusstraining am Samstag für das Bundesliga-Spiel am Sonntag. Am Montag wird die erste lockere Einheit vollzogen, gefolgt von einem wirklichen Trainingstag am Dienstag, woraufhin am Mittwoch das Abschlusstraining für die Partie im europäischen Wettbewerb ansteht. Effekt bleibt dem Trainerteam also mit dem Dienstag eine einzige Trainingseinheit, in der Abläufe trainiert werden können, da in den Abschlusstrainings spielspezifische Dinge einstudiert werden.

Dadurch und durch die Belastungssteuerung bedingte Rotation in der Startelf kann die Mannschaft ihre Automatismen kaum noch trainieren – ein eklatantes Problem.

Seit der Begegnung in Östersund gab es keine einzige, in der Hertha nicht gut angefangen hatte. Sowohl in der Bundesliga (Schalke, Freiburg, HSV, Wolfsburg), im DFB-Pokal (Köln), als auch der Europa League (Östersund, 2x Luhansk) wusste Hertha ganz genau, was in den ersten 20 Minuten zu tun war. Oftmals belohnte sich die Mannschaft in diesen Phasen nicht mit der Führung, weshalb sie aufgrund der fehlenden Automatismen immer weiter verunsichert wurde und grobe Fehler im Spiel produzierte. Es handelt sich hierbei um einen Lernprozess – “Was mache ich, wenn Plan A nicht aufgeht?” Das gilt für die Spieler und das Trainerteam gleichermaßen.

Rolle des Trainers

Eben das darf nicht vergessen werden. Mit Pal Dardai hat Hertha BSC einen Trainer, der noch nicht viel Erfahrung in seinem Beruf hat. Der Ungar hat solch eine Doppelbelastung noch nie moderieren müssen, sprach oft genug an, dass er auch dazulernen muss. Dinge wie Belastungssteuerung, Rotation oder mangelnde Trainingseinheiten unterhalb der Woche sind Herausforderungen, die erst einmal bewältigt werden müssen.

Zudem wurde in diesem Artikel bereits aufgeführt, dass ein Trainer auch nicht für alles verantwortlich zu machen ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Verletzungspech und seine Folgen. Es wäre sicherlich auch in Dardais Interesse gewesen, die formschwachen Kalou und Ibisevic durch eben Selke und Lazaro auszutauschen, jedoch konnte er das lange Zeit nicht tun. Aufgrund der Verletzung von Mathew Leckie musste auch ein Mitchell Weiser durchspielen, auch wenn er deutliche Anzeichen einer Überspieltheit gezeigt hatte.

Des Weiteren kann Dardai es auch nicht jeder Fan-Meinung recht machen. Gegen Sorja Luhansk ließ er viele Talente oder auch Spieler wie Stocker auflaufen, was sehr zweigeteilte Reaktionen hervorbrachte. Die eine Hälfte der Berliner Anhänger lobt ihn für seinen Mut, auch “mal die Jugend ranzulassen”, während die andere ihn für das scheinbar Abschenken des Wettbewerbs tadelte.

Sowie das Herbeireden einer Krise zum modernen Fußballgeschäft gehört, ist es zum natürlichen Reflex geworden, negative Aspekte einer Saison allein am Trainer festzumachen. Und auch hier lassen sich viele Kritikpunkte durch einfache Ursachenforschung lösen.

Pal Dardai wiederholte es auf vielen Pressekonferenzen: “Ich spüre keine Krise!” Er muss es wissen, er übernahm diese Mannschaft einst in solch einer Situation.

Die letzten Spiele zeigen, dass der 41-Jährige in solchen Phasen aufblüht, er wird zum Auge eines Sturms der medialen Hysterie, in dem völlige Windstille herrscht. Er vertraut seinem Kader, das zeigt der vermehrte Einsatz von jungen Talenten wie Maier oder Lazaro und auch das Bauen auf formschwache Spieler wie Ibisevic oder Kalou. Dadurch spürt der Kader eine Form der Ruhe, die ihm sonst fehlt. Zudem weiß Dardai, wie er seine Mannschaft anzupacken hat. Nicht grundlos wurden die ersten Phasen der vorangegangenen Partien äußert motiviert und mit einem klaren Plan angegangen und nicht grundlos zeigte beispielsweise ein Mitchell Weiser nach einer grausigen ersten Hälfte gegen Wolfsburg, im zweiten Durchgang, was er kann. Auch die Schlussphasen zeigen, dass Dardai seinen Spielern den Glauben an sich selbst vermitteln kann, so kam Hertha gegen Wolfsburg und Freiburg noch einmal zurück, um sich den Punkt zu sichern. Kurzum: Die Mannschaft zeigt immer wieder Moral, was auch ein Verdienst des Trainerteams sein muss.

Ein versöhnliches Fazit

Der Artikel soll nicht in Abrede stellen, dass Hertha bisher keine berauschende Saison spielt. Es gibt einige Kritikpunkte, die absolute Berechtigung haben und die werden wir in unseren Einzelkritiken und anderen Artikeln weiter aufzeigen, dennoch zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass eben viele negative Aspekte der laufenden Spielzeit erklärbar und somit verständlich sind.

Durch Verletzungspech, einige Formtiefs, der Doppelbelastung und einem unerfahrenen Trainer ergibt sich ein Cocktail, der  bitter schmeckt, aber nicht das einzige Getränk der Saison sein sollte.

Das Fazit soll daher lauten: In der aktuellen Situation heißt es Ruhe bewahren und rationale Ursachenforschung betreiben, um viele Dinge nüchterner zu sein. Die vielen unansehnlichen Partien der vergangenen Wochen sind eine unglückliche Phase, aber eben nur eine Phase.