Fredi Bobic: Der neue starke Mann an der Spree

Fredi Bobic: Der neue starke Mann an der Spree

Rund zwei Wochen ist es nun her, dass eine Meldung offiziell verkündet wurde, die auf der einen Seite erwartbar und auf der anderen Seite gleichzeitig doch komplett überraschend kam. Fredi Bobic wird ab der kommenden Saison Geschäftsführer Sport bei Hertha BSC. Dass diese Nachricht die Fußballwelt nicht in ihren Grundfesten erschüttert hat, liegt daran, dass sie, seitdem Bobic Anfang März bekanntgab, Eintracht Frankfurt, wo er noch bis zum 31. Mai als Vorstand Sport angestellt ist, verlassen zu wollen, allerseits längst prognostiziert wurde. Zu eng waren die Verbindungen zu dem Verein, bei dem er seit 2005 Mitglied ist, zu spannend die Herausforderung und zu verlockend die Möglichkeit, endlich wieder bei der in Berlin wohnhaften Familie zu sein. Der Überraschungsfaktor rührt daher, dass der einstige deutsche Nationalspieler auf den ersten Blick mindestens einen Schritt zurück geht. Von einem Champions League-Aspiranten hin zu einem Verein, dessen Ligazugehörigkeit Stand jetzt noch nicht einmal geklärt ist. Doch die Tinte ist trocken, unabhängig von Ober-oder Unterhaus, wie Bobic selbst bestätigte.

Und somit ist es höchste Zeit, einen Blick auf den baldigen Nachfolger von Michael Preetz zu werfen und zu beleuchten, worauf sich Hertha-Fans einerseits freuen dürfen, wo aber gegebenenfalls auch Reibungspotenziale bestehen.

Um Bobics bisherige Karriere als Sportfunktionär unter die Lupe zu nehmen, haben wir im Vorfeld mit Experten von Bobics zwei Manager-Stationen in Deutschland – Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart – gesprochen. Für den VfB hat uns Martin, unter anderem bekannt durch den Podcast BrustringTalk Rede und Antwort gestanden. Auf Frankfurter Seite haben wir mit Marvin vom HR und Fußball 2000 gesprochen.

Kapitel 1: Die ersten Schritte in der Ferne

Dass Fredi Bobic heute zu einem der angesagtesten Fußballmanager des Landes zählt, war zu Beginn seiner Funktionärskarriere nicht unbedingt zu erwarten. Seine Reise begann im März 2009 im bulgarischen Burgas. Dort sollte er als Geschäftsführer in den Bereichen Sport und Marketing den von seinem ehemaligen Sturmpartner Krassimir Balakov – Stichwort magisches Dreieck – trainierten Klub unter der Mithilfe eines investitionsfreudigen Präsidenten zu höheren Sphären führen und dem Verein vor allem Strukturen geben. Der sportliche Erfolg bewegte sich im Rahmen. Nachdem man die Saison 08/09 auf Platz sechs beendete, stand im Folgejahr – dem ersten unter Bobics kompletter Verantwortung – Rang fünf zu Buche.

Fredi Bobic während seines ersten Managerjobs in Bulgarien. (Imago images via Getty Images)

Doch insbesondere neben dem Platz gelang es Bobic, den Verein zu verändern. So wurden die Strukturen in der Kommunikations- und Merchandising-Abteilung auf professionelle Beine gestellt. Zudem initiierte er den Bau eines neuen Trainingszentrums inklusive Campus und trug die Vision des schwerreichen Eigentümers Mitko Sabev mit, aus dem Stadion – überspitzt gesagt – eine Einkaufshalle mit Fußballplatz zu machen.

So äußerte sich Bobic im Juni 2010 bei Spox zu dem Projekt: „Ein unheimlich faszinierendes Projekt, weil sie solche gigantischen Ausmaße hat. Unser jetziges Stadion mit Business-Bereich und anderen in Bulgarien ungewöhnlichen Annehmlichkeiten ist zwar bereits das modernste des Landes, aber die neue Arena soll in dem geplanten Mega-Komplex mit einer Sporthalle, Einkaufs-Mall und Bürogebäuden das absolute Highlight sein.“ Mit Fußballromantik hat diese Idee von Stadionerlebnis freilich wenig zu tun. Ein Aspekt, der sich auch durch spätere Äußerungen und Entscheidungen von Bobic durchziehen soll. Aber dazu später mehr.

Kapitel 2: Der Wurf ins kalte Wasser

Obwohl er laut eigener Aussage geplant hatte, den Verein erst zu verlassen, bis man ihn wie geplant zur Saison 2013/14 hin in der nationalen Spitze etabliert hatte, nahm er im Sommer 2010, weniger als eineinhalb Jahre nach Vertragsantritt in Bulgarien, das Angebot aus Stuttgart an. Hier, wo Bobic seine erfolgreichste Zeit als Spieler feierte, trat er das Erbe von Horst Heldt als Spotdirektor an. Der geringen Berufserfahrung zum Trotz setzten die Schwaben vor allem auf dessen Identifikation und die hohe Beliebtheit beim eigenen Anhang, wie Martin ausführt: „Mit Horst Heldt hatte den VfB der “Meistermanager” verlassen, daher sollte die Position natürlich entsprechend klangvoll besetzt werden, mit Sicherheit auch ein bisschen, um die Fans zu besänftigen. […] Dazu genoss Bobic zu dem Zeitpunkt fast Legendenstatus bei den VfB Fans, als Bestandteil des magischen Dreiecks und Pokalsieger zusammen mit Balakov und Elber unvergessen. […] Wir alle kennen Fußballfans, das ist dann ein Bonus und Vertrauensvorschuss, welchen dann auch Bobic eben erhielt – trotz seiner nur im geringen Maße vorhandenen Erfahrung.“

Aus seiner Zeit beim VfB bleiben vor allem unglückliche Trainerentscheidungen in Erinnerung. (Imago images via Getty Images)

Ebenjener Vertrauensvorschuss wurde dann allerdings schnell auf eine harte Probe gestellt. Bereits am siebten Spieltag der Saison 2010/11 sah Fredi Bobic sich gezwungen, mit der Freistellung von Christian Gross seinen ersten Trainerwechsel vorzunehmen. Es folgte eine schier endlose Fehde an zweifelhaften Personalentscheidungen. In seinen etwas mehr als vier Jahren bei den Schwaben sah Bobic sechs Trainer kommen und gehen.

Kaum eine Entscheidung zeugte dabei von einem übergeordneten Plan, wie man Fußball spielen wolle oder welche Qualitäten ein Trainer mitbringen müsse. Es war eine Zeit, in der sich gefühlt jeder übliche Verdächtige vom Bundesliga-Trainerkarussel mal beim VfB ausprobieren durfte. „Eigentlich kann man sagen, dass es bei der Trainerauswahl nur einen Treffer gab – Bruno Labbadia. Aber auch hier muss man Fredi ein bisschen in Schutz nehmen, das Geld war knapp und Lösungen aus dem Verein, wie Keller oder Schneider natürlich bestimmt in den Gremien beim VfB ganz gerne gesehen.“, fasst Martin zusammen.

An diesem Punkt und auch bei weiteren Fehleinschätzungen während seiner Zeit in Stuttgart kann man bereits ablesen, wie wichtig ein funktionierendes Umfeld für Fredi Bobics Wirken ist. Beim VfB fand er dieses, anders als heute, nicht vor. So standen die Schwaben finanziell auf sehr wackeligen Beinen, wie Martin erklärt: “Heldt hatte viele gut ausgestattete Verträge hinterlassen und es musste gespart werden. So gab es einen Transfersommer mit einer Leihe von Tim Hoogland und der Verpflichtung von Tunay Torun. Als Einordnung, mit wie viel Geld Bobic arbeiten konnte.“

Bobic beim VfB: Zu viele Fehler

Gerade aufgrund dieser finanziellen Engpässe wäre es wichtig gewesen, die so hochtalentierten Spieler der VfB-Jugend verstärkt zu fördern. Doch auch hier bewies Bobic kein glückliches Händchen: „Das Scouting war nicht sonderlich gut ausgeprägt beim VfB und so war viel auf die Einschätzung von Fredi angewiesen – dazu gehörte auch die Leihe von Leno zu Leverkusen, den er besser als Sven Ullreich einschätze oder die Leihe von Joshua Kimmich zu Leipzig. Unverzeihlich bis heute. Die nicht ganz erfolglose VfB-Jugend wurde auch umgebaut. Leider so, dass wir die sehr erfolgreichen und langjährigen Verantwortlichen nach Leipzig verloren. Dazu gab es generell wenig Wertschätzung für die Eigengewächse und der VfB benötigte viele Jahre, hier die Schäden von Bobic wieder zu korrigieren.“ Auch an dieser Stelle fehlte es also wieder an einem Sparringpartner und weiterer sportlicher Kompetenz neben Fredi Bobic. Welche langfristigen Schäden dann entstehen können, wenn die gesamte sportliche Verantwortung in die Hände eines Einzelnen gelegt wird, wissen Hertha-Fans nur zu gut.

Doch kann man Fredi Bobic auch hier nicht von aller Schuld freisprechen. So war er zu Beginn seiner Managerkarriere nicht gerade der geborene Teamplayer. „Sein Temperament, welches viele noch vom Fußballfeld kennen, war wohl auch vereinsintern vorhanden, Widerworte, so sagt man, habe er ungern ertragen. Vor allem gegenüber von Leuten, die nicht selbst auf seinem Level Fußball spielten. Wenn jemand nach seiner Einschätzung also keine Ahnung hatte, dann war ein konstruktiver Austausch nicht wirklich möglich. Dazu kam eine fehlende Streitkultur oder allein Widerworte gab
es selten, da viele Stellen durch alte Weggefährten von Bobic besetzt waren. Auch hier, Jochen Schneider war kein guter sportlicher Partner auf Augenhöhe und ließ Bobic walten“, sagt Martin.

Nach vier Jahren und zahlreichen Fehlern musste Bobic in Stuttgart seinen Hut nehmen. (Imago images via Getty Images)

So kam die Trennung im September 2019 letzten Endes wenig überraschend. Zu zahlreich waren seine Fehler, denn auch im Bereich der Spielerverpflichtungen ließ er fernab des Transfers von Vedad Ibisevic sämtliches Geschick vermissen („Abdellaoue, Haggui und Rausch in einer Saison von Hannover 96 zu verpflichten, fasst seine Transfertätigkeit beim VfB eigentlich ganz gut zusammen“).

Während man ihm bei seiner Station in Bulgarien immerhin noch zugutehalten konnte, strukturell einiges vorangebracht zu haben, entfällt dieser Punkt in Bezug auf Stuttgart komplett. Im Gegenteil hat er, wie Martin erzählte, gerade im Bereich der Jugendarbeit durch seine Veränderungen gar nachhaltig Schaden angerichtet. Der eine rote Faden, der sich dabei durch Bobics vier Jahre im Ländle zieht, ist die fehlende Zusammenarbeit im Team. Zum einen selbstverschuldet, da Bobic anfangs oft zu beratungsresistent agierte. Zum anderen aber auch, weil die Strukturen ihm keinen meinungsstarken und durchsetzungsfähigen Akteur an die Seite stellten. Das sollte sich bei seiner nächsten Station ändern.

Kapitel 3: Der sukzessive Aufstieg

Etwas mehr als eineinhalb Jahre dauerte es, bis Fredi Bobic nach seiner Entlassung in Stuttgart wieder auf der Bildfläche auftauchte. Als Nachfolger des schier ewigen Heribert Bruchhagen unterschrieb Bobic zum 1. Juni 2016 einen Vertrag als Vorstand Sport bei Eintracht Frankfurt, nachdem diese einige Wochen zuvor erst haarscharf in der Relegation dem Gang in die zweite Liga entgangen waren. Eintracht-Experte Marvin fasst die verhaltene Begeisterung auf die Bekanntgabe folgendermaßen zusammen: „Die Reaktionen damals waren bestenfalls „gemischt“, aber im Grunde waren die meisten Fans gegen Bobic. Von ihnen wurde die Arbeit von Bobic in Stuttgart negativ bewertet. Zudem hatte Bobic zuvor keinerlei Berührungspunkte mit der Eintracht, was in dieser Kombination vielen nicht zusagte.“ Anders als beim VfB flogen ihm in der Mainmetropole also von Tag eins an keine Herzen entgegen, ganz im Gegenteil. Auch, als es insbesondere in der Hinrunde von Bobics erster Saison sehr gut lief (die Eintracht stand nach 17 Spieltagen auf Rang Sechs), blieb die Skepsis bestehen, inwieweit man diese Erfolge Bobic zuschreiben konnte.

Unter seiner Ägide entwickelte sich Frankfurt vom Abstiegskandidaten zum Champions League-Anwärter. (Imago images via Getty Images)

Doch mit zunehmender Zeit wurde deutlich, dass Bobic aus den vergangenen Fehlern die richtigen Schlüsse gezogen hat. Ebenso wie in Stuttgart musste er auch in Frankfurt zunächst mit geringem Budget hantieren. Doch dieses Mal gelang es ihm, die begrenzten Mittel klug einzusetzen. So verstärkte er den Kader vor allem durch Leihen und scheute dabei auch nicht, Verhandlungen mit den ganz Großen der Branche aufzunehmen.

So kamen von Real Madrid Jesús Vallejo, der eine überragende Saison spielte und Omar Mascarell, den man für die bescheidene Summe von einer Million Euro sogar fest verpflichten konnte. Ebenso wurde Marius Wolf von Hannover 96 ausgeliehen, später fest verpflichtet und sollte in den zwei Jahren am Main in einer Verfassung aufspielen, von der man als Hertha-Fan einige Jahre später nur träumen konnte. Und ganz nebenbei war dann auch noch ein gewisser Ante Rebic unter der Riege derer, die man zunächst auf Leihbasis holte. Dessen Rolle bei der Eintracht in den Folgejahren dürfte bekannt sein.

Bobics erfolgreicher Kampf gegen Widerstände

Auch in den darauffolgenden Saisons ließ Bobics Händchen für kluge Entscheidungen nicht nach. In den nunmehr fünf Jahren am Main lotste er unter anderem Spieler wie Kevin-Prince Boateng, Sebastien Haller, Luka Jovic, Kevin Trapp, Filip Kostic und André Silva zur SGE. Immer wieder profitierte er hierbei von seinem starken Netzwerk. So sagt Marvin: „Bobic verfügt über herausragende Kontakte, hat ein großes Telefonbuch.“ Dazu zählt neben den guten Verbindungen zu Top-Klubs wie Real Madrid oder AC Mailand, mit denen er mehrere Deals abschloss auch ein gutes Auge für den kroatischen und serbischen Markt, wo Bobic einige Geschäfte, unter anderem die Verpflichtung von Luka Jovic, über die Agentur LIAN Sports Group abschloss, wie Marvin erläutert. Dass Bobic aufgrund der Wurzeln seiner Eltern serbokroatisch spricht, dürfte hierbei auch nicht von Nachteil gewesen sein.

Durch solche Verpflichtungen gelang es Bobic, die Eintracht auf ein neues Niveau zu heben. War man zu Beginn seiner Amtszeit noch auf Leihgeschäfte und Transfers im niedrigen einstelligen Bereich angewiesen, schaffte es Bobic aufgrund hoher Summen durch Weiterverkäufe (allein für Luka Jovic kassierte man rund 70 Millionen Euro), den Verein auf finanziell sehr gesunde Beine zu stellen und somit auch auf dem Transfermarkt in ganz anderen Sphären fischen zu können. Dabei bewies er immer wieder, dass er sich auch von wideren Umständen nicht aus der Ruhe bringen lässt. Nach dem Pokalsieg 2018 sahen viele Expert:innen die SGE als einen der heißesten Anwärter auf den Abstieg in der Folgesaison.

Bobics bislang größter Erfolg: Der DFB-Pokalsieg 2018 in Berlin. (Imago images via Getty Images)

Nicht nur Trainer Niko Kovac verließ den Verein. Auch entscheidende Leistungsträger wie Boateng, Wolf und Mascarell kehrten Frankfurt den Rücken. Doch Bobic behielt die Ruhe, holte mit Adi Hütter genau den richtigen Trainer und schaffte es unter anderem, Kevin Trapp, Martin Hinteregger, Filip Kostic und Ante Rebic (war zuvor ausgeliehen) unter Vertrag zu nehmen. Was folgte, war eine Spielzeit, in der die SGE bis zum Schluss um die Champions League-Plätze mitspielte und sagenhaft bis ins Halbfinale der Europa League einzog.

Dabei begann die Saison alles andere als verheißungsvoll. Nach einer 0:5-Klatsche im Super-Cup gegen Bayern folgte das Pokalaus in der ersten Runde beim SSV Ulm. Der im Kontrast zu Niko Kovac ohnehin nicht allzu nahbare Adi Hütter drohte schnell, schon bevor die Saison richtig begonnen hatte, zu scheitern. Doch in dieser Phase zeigte sich eine weitere Qualität Bobics. „Er bleibt auch in schwierigeren Situationen ruhig“, wie Marvin erklärt. Anders als in Stuttgart, wo er gleich in der ersten schwierigen Phase Christian Gross „überstürzt“ entlassen hat, wie es Martin sagt, ließ er sich hier nicht zu vorschnellen Handlungen treiben. Der Erfolg gab ihm Recht.

Der Professionalisierer

Die aufgezeigten Leistungen machen deutlich, wieso man in Frankfurt, trotz des anfänglichen Fremdelns, alles andere als glücklich über den Abgang Bobics ist. Grund, deswegen in Panik zu verfallen, gibt es allerdings keineswegs. Dafür hat Bobic selbst gesorgt. Denn neben den Erfolgen der Mannschaft hat sich Bobic von Beginn an auch neben dem Platz vieles vorgenommen, das er vorantreiben wollte. Anders als beim VfB ist ihm dies in Frankfurt auf ganzer Linie gelungen: „Der Sprung unter seiner Regentschaft ist immens gewesen, auch weil er den Support des restlichen Vorstands hatte und die Aufgaben mit Hellmann, Frankenbach und auch Steubing gut verteilte. Immense Professionalisierung erfuhr die Eintracht insbesondere im Scouting, aber auch im mannschaftsnahen Staff, sei es Athletiktrainer, Videoanalysten etc. Man kann völlig berechtigt behaupten, dass er die Eintracht auf Jahre hin auf wesentlich stabilere Beine gestellt hat – und sie zudem gut durch die enorm schwierige Corona-Phase manövrierte“, fasst Marvin zusammen.

Im Verbund mit u.a. Bruno Hübner hat Bobic Eintracht Frankfurt in diversen Bereichen weiterentwickelt. (Getty Images)

Neben der Lernfähigkeit von Bobic selbst hat das auch ganz stark mit dem Umfeld zu tun, das er in Frankfurt vorfand. Mit Bruno Hübner hatte er jemanden an seiner Seite, der seit inzwischen zehn Jahren als Sportdirektor im Verein ist. Auch die weiteren Mitglieder des Vorstands sind um klare Worte und zielführende, konstruktive Diskussionen nicht verlegen. Gleichzeitig scheute sich Bobic aber auch in dieser Konstellation nicht, unbequeme Entscheidungen zu treffen.

So installierte er den bei den Fans äußerst unbeliebten Andreas Möller als Chef des Nachwuchsleistungszentrums. Unabhängig von dieser einen Personalie gelang es ihm in dem Bereich ebenso, die Eintracht im Wesentlichen voranzubringen. Die letzten fünf Jahre zeigen also: Selbst unter schwierigen Umständen, die er in Frankfurt nach dem Fast-Abstieg 2016 zunächst hatte, ist Bobic mit dem richtigen Umfeld zweifelsohne in der Lage, einen Verein nicht nur eine Stufe und nicht nur in einem Bereich nach oben zu hieven.

Kapitel 4: Frankfurt reloaded?

Stellt sich nun also die Frage, worauf man sich als Hertha-Fan freuen kann. Was den rein sportlichen Bereich, sprich die Kaderplanung angeht, steht außer Frage, dass Fredi Bobic zu den wohl am besten vernetzten Managern der Bundesliga gehört. Die klangvollen Namen wie Jovic, Silva und Haller beweisen das eindrucksvoll. Allein dafür dürfte sich die Verpflichtung schon bezahlt machen. Zudem braucht es nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Bobic auch fernab des Platzes keinen Stein auf dem anderen lassen wird. Das Projekt Goldelse, mit dem Geschäftsführer Carsten Schmidt die neue Strategie vorstellen und Verbesserungspotenziale identifizieren will, dürfte Bobic genau in die Karten spielen. Was dies im Einzelnen für die Personalien im sportlichen Bereich (Arne Friedrich und Pal Dardai u.a.) bedeutet, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Nur so viel: Wenn sich Bobic entscheidet, mit Dardai und Friedrich weiterzuarbeiten, dann mit Sicherheit nicht, weil er dies für die populäre Entscheidung hält, sondern weil er davon überzeugt ist. Dass er auch unpopuläre Maßnahmen ergreift, wenn er davon überzeugt ist, hat der gerade geschilderte Fall Möller bewiesen.

Ob man dieses Bild in Zukunft öfter sieht, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. (Imago images via Getty Images)

Bislang ist lediglich bekannt, dass Bobic aus Frankfurt wohl seinen Chefanalysten Sebastian Zelichowski mitnehmen will. Mit ihm hatte er auch vor der gemeinsamen Zeit in Frankfurt schon beim VfB zusammengearbeitet. Bei den Hessen stellte dieser den kompletten Bereich des Scoutings und der Spielvorbereitung inklusive Gegner-Analyse auf digitale Beine und hat damit einen entscheidenden Anteil daran, dass die Eintracht hier inzwischen als Vorreiter gilt. Ben Manga, den Chef der Scouting-Abteilung Frankfurts, der ebenfalls auch schon in Stuttgart mit Bobic gearbeitet hat, wird es nicht nach Berlin ziehen. Dieser wird anstelle des ausscheidenden Bruno Hübner neuer Sportdirektor bei den Adlerträgern.

Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Verein in der sportlichen Führungsriege neben Fredi Bobic aufstellen will. Ob Arne Friedrich bei Hertha der starke Mann sein kann, der Bobic notfalls auch mal Contra gibt – genau so jemand hat ihm in Stuttgart gefehlt – wird auch von Friedrichs Vorstellungen in Bezug auf seine Zukunft abhängen. Als Bindeglied, um die Interessen der Fans mit denen des Vereins zu verbinden, könnte er definitiv von Nutzen sein. Denn bei all dem gerechtfertigten Lob für Bobic darf eines nicht unter den Teppich gekehrt werden: Als Freund der 50+1-Regel ist Bobic nicht bekannt. Auch seine Zeit in Bulgarien, in der er unter einem milliardenschweren Oligarchen gearbeitet hat, deuten darauf hin, dass er tendenziell eher dem Windhorst-Weg als der „alten Schule“ à la Dardai zugewandt ist. Wie sich das im tatsächlichen Geschäft auswirkt, wird die Zeit zeigen.

Was Stand jetzt festgehalten werden kann, ist, dass die Voraussetzungen unter der Prämisse, dass Hertha die Klasse hält, um ein Vielfaches besser sind als bei Frankfurt im Jahr 2016. Der Kader bietet trotz der nicht wegzudiskutierenden Unausgewogenheit einige Potenziale, finanziell ist Hertha bekanntermaßen potent und Bobic kann dank des langen Vorlaufs bereits jetzt im Hintergrund die ersten Planungen vorantreiben. Wie schnell sich der Erfolg einstellt, wird einmal mehr von Bobics Lernfähigkeit abhängen. Denn trotz seiner beinah endlosen Liste an erfolgreichen Transfers gibt Marvin zu bedenken: „Die Frage ist nun: Wie gut kann er mit einem vollen Geldbeutel umgehen? Nach den Verkäufen von Haller und Jovic war es da bei der Eintracht schwierig, es folgten einige Fehltransfers.“ Doch angesichts dessen, dass Bobic, vergleicht man seine Amtszeiten beim VfB und der Eintracht, keinen Fehler zweimal zu begehen scheint, muss man als Hertha-Fan auch in diesem Gesichtspunkt keine schlaflosen Nächte haben. In der aktuellen Konstellation könnte Bobic für Hertha tatsächlich das lang ersehnte ganz große Los werden.

Titelbild: Imago images via Getty Images

Podcast #142 Spielplan, Spielplan an der Wand…

Podcast #142 Spielplan, Spielplan an der Wand…

In dieser außerordentlichen Folge unseres Podcasts besprechen wir den neu angesetzten und sehr knackigen Spielplan von Hertha BSC. Außerdem gucken wir auch auf das Restprogramm der Konkurrenz und geben euch ein Update über alle weiteren Themen rund um unsere alte Dame.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

Photo: IMAGO

Podcast #141 Corona Cast

Podcast #141 Corona Cast

Wow. Damit hätten wohl die Wenigsten von euch gerechnet. Nach nun fünf Coronainfektionen innerhalb weniger Tage muss die komplette Mannschaft für 14 Tage in Quarantäne. Damit fallen auch die Spiele gegen Mainz, Freiburg und Schalke aus. Wir sprechen über die Folgen dieser Entwicklungen und reden natürlich auch wieder über Fredi Bobic. Außerdem gehen wir ausführlich auf euer Feedback zur letzten Sendung ein. Viel Spaß!

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

Photo: IMAGO

Podcast #140 Atomare Biene

Podcast #140 Atomare Biene

Ein Unentschieden hätte wohl jeder vor der Partie gegen Gladbach unterschrieben. Nach diesem Spielverlauf muss man leider sagen, dass das zu wenig war. Wir dröseln in dieser Folge das Spiel für euch auf und versuchen zu erklären, was die Knackpunkte waren. Außerdem reden wir noch einmal ausführlich über die Freistellung von Petry und was sonst noch so wichtig war in der Woche von Hertha BSC.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

Photo: IMAGO

#hahohe #podcast #herthabsc #bundesliga #herthabase


Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach

Man wird aus dieser Mannschaft einfach nicht schlau. Während im Union-Spiel die Offensive nicht existierte, leistete sich im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach einmal mehr die Defensive mehrere Patzer. Hinzu kommt, dass weiterhin die Arbeitseinstellung einiger Spieler nicht zum Ernst der Tabellenlage passt. Herthas Südamerika-Fraktion ist es zu verdanken, dass das Gladbach-Spiel trotz 75-minütiger Überzahl nicht verloren ging. Die Herthaner im Fokus.

Santiago Ascacibar – Ein neuer Faktor in Herthas Offensive

Keine Ahnung, ob es gewollt war oder nicht. Aber dass Santiago Ascacibar am Samstag im zentralen Mittelfeld vor Matteo Guendouzi spielte, hat gewirkt. Herthas Trainer Pal Dardai hatte schon vor dem Spiel gesagt, dass Ascacibar ein Spieler für Balleroberungen ist.

Und genau das tat der Argentinier auch mehrfach. Dadurch, dass diese Eroberungen nicht vor dem eigenen sondern vor dem gegnerischen Strafraum stattfanden, war Ascacibar ein neuer, unerwarteter Faktor in Herthas Offensive. Gleich in der 9. Minute holte er sich den Ball am linken Gladbacher Strafraumeck und legte Matheus Cunha so eine gute Chance vor. Durch seine vorgezogene Position kam auch Ascacibar selbst einige Male zu Abschlüssen – wie etwa in der 23. Spielminute, als er den Ball kurz nach der roten Karte gegen Gladbachs Torhüter Yann Sommer zum 1:0 ins Tor lenkte. Vor diesem Hintergrund war Dardais Entscheidung Ascacibar in der 57. Minute gegen Sami Khedira auszutauschen, zunächst nicht ganz nachvollziehbar. Dardai erklärte den Wechsel im Nachhinein damit, mehr Kopfballstärke auf dem Feld haben zu wollen.

Hertha Mönchengladbach
Foto: IMAGO

Weltmeister Khedira übernahm Guendouzis Position vor der Abwehr, während der Franzose auf „Santis“ Position vorrückte. Beide spielten nicht schlecht, erreichten aber bei Weitem nicht Ascacibars Effizienz. Ein Hinweis darauf sind die Zweikampfquoten der drei zentralen Mittelfeldspieler: Während Khedira und Guendouzi nur jeden zweiten Zweikampf für sich entschieden, war „Santi“ in knapp 70 Prozent aller Duelle der Sieger. Sollte seine Reaktion auf die Auswechslung kein Nachspiel haben, hätte er sich mit drei Schüssen, vier Tacklings und zwei abgefangenen Bällen eine weitere Startelfnominierung also durchaus verdient.

Maxi Mittelstädt – Weder nach hinten noch nach vorne gut

Leider ist es nicht das erste Mal in dieser Saison, dass Maxi Mittelstädt ein Unsicherheitsfaktor in Herthas Defensive ist. Auch am Samstag hat Herthas Eigengewächs auf seiner linken Abwehrseite zu viele Lücken offengelassen, in welche die Gladbacher immer wieder hineinstachen. Beim ersten Gegentor merkte er nicht, dass Alassane Pléa auf seiner Seite durchstartete und konnte das Tor dann nicht mehr verhindern. Auch nach vorne kamen keine Impulse von Mittelstädt, seine Auswechslung zur Halbzeit erfolgte zurecht. Marvin Plattenhardt tat sich etwas leichter und gab wenigstens ein paar Flanken in den Strafraum.

Hertha Mönchengladbach
Foto: IMAGO

Dardais Defensiv-Plan ist kein Hexenwerk, weil es in den meisten Profimannschaften heutzutage genauso gelebt wird: In Offensiv-Situationen und im Spielaufbau bildet sich eine Dreierkette, die in Defensiv-Momenten durch die beiden Außen (heute Mittelstädt und Zeefuik) zu einer Fünferkette ergänzt wird. Die Außenspieler müssen also im besten Fall für Gefahr über die Flügel sorgen, gleichzeitig aber keine Angriffe und Lücken auf ihrer Seite zulassen. Leider hat Hertha derzeit auf der linken Seite keinen Spieler, der diesen Anforderungen gerecht wird.

Dodi Lukébakio – Rückfall in alte Verhaltensmuster

Nach extrem schwachen Leistungen in der Hinrunde war Dodi Lukébakio zuletzt wieder sehr wichtig für Hertha. Seine beiden Elfmeter gegen Augsburg und Union sowie das starke Spiel gegen Leverkusen sicherten Punkte für die Blau-Weißen. Umso erstaunlicher ist es, dass der Belgier im Gladbach-Spiel wieder eine fast provokativ schlechte Leistung zeigte.

Hertha Mönchengladbach
Foto: Andreas Gora/IMAGO

Ohne großen Antrieb trabte er zumeist im Sturmzentrum herum, lief den Gegner kaum an und hatte mit 40 Prozent auch eine schlechte Zweikampfquote. Dardai zählte den Belgier mehrfach lautstark an, bemängelte insbesondere, dass Lukébakio nicht – wie vorgegeben – die linke Offensiv-Seite hielt. Nach einem schwachen Abschluss von Dodi (in aussichtsreicher Position kurz vor der Strafraumlinie) konnte man an den Gesichtern des Trainerteams schon erkennen, dass die Auswechslung Lukébakios schon in der Halbzeit kommen würde.

Und dann waren da noch…

Jhon Cordoba: Der Kolumbianer war einmal mehr ungemein wichtig für Hertha. Natürlich hat Cordoba die rote Karte von Sommer nicht durch eine Schwalbe provoziert. Aber er hat die Situation – Dardais genialen, eröffnenden Pass und den herauseilenden Sommer – eben gut erkannt und wusste: Wenn ich mir den Ball vorbeilegen kann, kann er mich eigentlich nur noch umhauen. Und beim Ausgleichstreffer ist es einfach toll zu sehen, mit welcher körperlichen Wucht der Kolumbianer im Sturmzentrum wirkt.

Hertha Mönchengladbach
Foto: IMAGO

Die Ecken: Alleine im Gladbach-Spiel hatte Hertha elf Ecken. Aus keiner einzigen dieser Eckstöße hat Hertha einen Hauch von Torgefahr entwickeln können. Noch viel schlimmer: In der gesamten laufenden Saison ist dem Team noch kein einziger Ecken-Treffer gelungen. Das ist eine erschreckende Bilanz, denn gerade in den kommenden Abstiegsspielen könnte es dazu kommen, dass man keine spielerische Lösung zum Sieg findet. Spätestens dann sollte Hertha damit anfangen die Ecken in das Offensiv-Sortiment mit aufzunehmen.

Fazit: Niederlagentschieden

Aus blau-weißer Sicht tut der Blick in die Statistiken des Gladbach-Spiels einfach nur weh. In keiner einzigen Kategorie waren die „Fohlen“ unserer Hertha überlegen. 23:7 Torschüsse, 7 Kilometer mehr Laufleistung, 86 Prozent Passquote, etc. Natürlich hätten wir wohl vor dem Spiel einen Punkt gegen Gladbacher gerne angenommen – schließlich hatte das Team von Marco Rose in den vergangenen Wochen wieder zurück in die Erfolgsspur gefunden.

Mit Blick auf die 75-minütige Überzahl und die deutliche Überlegenheit in der zweiten Hälfte wirkt das Unentschieden aber eher wie eine Niederlage. Nach wie vor fehlt es dem Team an Ausgewogenheit, Abstimmung und Erfahrung. Denn nach einer frühen roten Karte für den Gegner und der anschließenden Führung darf es schlichtweg niemals passieren, dass man innerhalb weniger Minuten den Sieg aus der Hand gibt.

[Titelbild: IMAGO]