von Chris Robert | Jun 30, 2022 | Spieler
Es stimmt: Im modernen Fußball sind feste Positionen auf dem Spielfeld nicht mehr so wichtig wie früher. Alles verläuft „fließend“, Spieler verschieben je nach Spielsituation ohnehin ständig, vielseitige Spieler werden wichtiger. Trotzdem muss man bei Hertha BSC feststellen: die offensive Flügelspieler-Position ist eine Dauerbaustelle. Gefühlt eine Ewigkeit ist es her, dass die „alte Dame“ auf der linken und rechten Außenbahn keinerlei Probleme hatte. Wie die aktuelle Lage ist und welche Hoffnungen man sich für die nächste Saison machen kann, wollen wir uns genauer anschauen.
Altbekannte Problematik – kaum Lösungen
Doch wann hatte Hertha BSC zuletzt eine wirklich gut besetzte offensive Außenbahn? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten: die meisten würden Namen wie Salomon Kalou und Valentino Lazaro nennen. Andere würden sogar noch weiter zurück in die Vergangenheit blicken und Bart Goor und Sebastian Deisler nennen.
Worauf sich alle einigen können: die Problematik der offensiven Flügelspieler schleppt die „alte Dame“ bereits seit einigen Jahren mit sich. Insbesondere die Anzahl der gelernten offensiven Außenbahnspielern im Kader nahm mit den Spielzeiten zuletzt immer weiter ab. In der Saison 2019/2020 hatte Hertha u.a. mit Kalou, Dilrosun oder Lukebakio immerhin sechs solcher Spieler im Kader. 2020/2021 waren es zu Saisonende nur noch vier, in der Hinrunde 2021/2022 sogar nur noch drei (Maolida, Richter und Jastrzembski).
(Foto: Michael Sohn/POOL/AFP via Getty Images)
Die negativen Auswirkungen dieser komplizierten Kadersituation spürte man spätestens in der Saison 2020/21. „Notlösungen“ waren Alltag: Matheus Cunha, der eigentlich zentraler agiert, wurde immer wieder als Außenspieler eingesetzt. Auch der eigentlich bereits abgeschriebene Matthew Leckie bekam wieder Einsatzminuten, weil der eigentlich gesetzte Dodi Lukebakio zu oft unmotiviert über den Platz spazierte. Nemanja Radonjic kam als Leihspieler im Winter und konnte gegen Saisonende immerhin einige Scorerpunkte sammeln, wurde jedoch im Sommer nicht fest verpflichtet.
Hertha-Transfers in 21/22
So wurde die Saison 2021/2022 in Sachen Qualität auf den Außenbahnen zum neuen Tiefpunkt. Mit Radonjic, Leckie und Cunha verließen drei Optionen für die offensive Außenbahn den Verein. Fredi Bobic gab zusätzlich noch die enttäuschenden Javairo Dilrosun und Dodi Lukebakio ab, holte dafür lediglich Marco Richter und Myziane Maolida. Die Knappheit auf diesen Positionen verstärkte sich also nochmal.
Zudem konnten beide Neuzugänge nicht voll überzeugen. Marco Richter zeigte immerhin phasenweise starke Einsätze, mit Höhepunkten wie zum Beispiel sein Doppelpack im Heimsieg gegen Borussia Dortmund. Er erzielte fünf Tore, allerdings ausschließlich in der Hinrunde. In der Rückrunde hatte er deutlich größere Schwierigkeiten, litt sicherlich auch unter der allgemein sehr schwachen Mannschaftsperformance. In dieser Phase konnte er sich zu selten durchsetzen, verlor viele Bälle und war kein entscheidender Faktor mehr.
(Foto: Daniel Kopatsch/Getty Images)
Maolida hingegen hatte bis auf seinen Treffer im ersten Einsatz in Bochum kaum gute Momente und war nicht die erhoffte Verstärkung. Auch der im Winter hinzugeholte Dong-Jun Lee konnte nicht helfen. Der Südkoreaner wurde zwar von Cheftrainer Tayfun Korkut im allerersten Spiel noch reingeworfen, zeigte sich aber sichtlich überfordert mit dem Niveau in der Bundesliga, verletzte sich auch recht früh und spielte insgesamt nur 116 Minuten.
Keine Flexibilität – Herthas Taktik begrenzt
Dazu kamen Covid-19 Erkrankungen, Verletzungen und Sperren. So gab es einige Spiele, in denen Herthas Trainerteam auf den Außen besonders kreativ aufstellen musste. Im Heimsieg gegen den VfB Stuttgart am 31. Spieltag war lediglich der Jugendspieler Anton Kade, ansonsten kein einziger gelernter offensiver Außenbahnspieler im Kader.
Herthas Cheftrainer setzten immer wieder Spieler wie Serdar als Außenbahnspieler ein, stellten zentrale Mittelfeldspieler wie Vladimir Darida oder Lucas Tousart auf die rechte Außenbahn. Am Ende konnte jedoch keine Variante besonders überzeugen. Diese Schwäche konnte also im Laufe der Saison nie behoben werden. Dadurch war die „alte Dame“ in ihrer Taktik stark eingeschränkt. Sowohl im Spielsystem als auch in der Umsetzung des Spielplans war das Team kaum flexibel, weil die Außenbahnen nur suboptimal besetzt werden konnten.
Ob sich die Blau-Weißen für die nächste Saison nun besser aufstellen können, ist fraglich. Aktuell hat man mit den Leihrückkehrern und Kaderspielern für die offensive Außenbahn sechs Spieler. Auf Marco Richter kann Hertha sicherlich setzen. Er besitzt genug Qualität und Erfahrung für die Bundesliga, konnte sich vergangene Saison einspielen und da bereits einige Treffer erzielen.
Kann Hertha auf die Rückkehrer setzen?
Myziane Maolida hingegen wird sich wesentlich steigern müssen, um eine gute Option für die Startelf zu werden. Es bleibt die Hoffnung, dass er nach einer schwierigen ersten Saison, ähnlich wie sein Landsmann Lucas Tousart doch noch zu der erhofften Verstärkung wird. Ähnliches gilt bei Dong-Jun Lee, den man nicht zu früh abschreiben sollte.
(Foto: Romain Perrocheau/AFP via Getty Images)
Der nur 24-jährige Javairo Dilrosun erlebte eine schlimme Saison bei Absteiger Bordeaux, konnte aber in der Schlussphase der Saison nochmal aufdrehen. Ob er aber eine wirkliche Option für das Team von Sandro Schwarz wird, ist fraglich. Dodi Lukebakio hingegen wird höchstwahrscheinlich abgegeben werden: der Belgier hat nicht nur in seiner Leihe beim VfL Wolfsburg enttäuscht, sein Gehalt wird Hertha wohl nicht eine weitere Saison stemmen wollen, beziehungsweise können.
Kélian Nsona ist schließlich eine absolute Wundertüte. Der junge Mann hat bisher noch keine Spielminute für Hertha BSC bestritten und ist sportlich klar als Neuzugang zu bewerten. Er wird jedoch auch unabhängig von seiner Fitness Zeit brauchen, um auf Bundesliga-Niveau zu kommen. Auf seinen Schultern sollte man also nicht zu viele Hoffnungen legen.
Fazit:
Die Kadersituation (über die wir auch ausführlich in unserer letzten Podcast-Folge sprechen!) wird sich in den nächsten Wochen und Monaten noch signifikant verändern. Zwar hat Hertha aktuell auf dem Papier genug offensive Außenspieler. Diese bringen jedoch so viele Fragezeichen und Unsicherheiten mit, dass es erneut keine klare Lösung des Problems auf dieser Position darstellt. Auf dem Transfermarkt wird Hertha aber nur begrenzte Möglichkeiten haben. Die finanzielle Lage ist bekannt, man wird auf ablösefreie Spieler oder auf Leihgeschäfte hoffen müssen.
Eines ist klar: eine Saison wie die letzte, mit einer so großen Lücke im System, sollte sich Hertha nicht erlauben. Am Ende könnte aber wie auch bei anderen Baustellen im Kader die Antwort sein: man muss sie als Mannschaft lösen. Sollten Sandro Schwarz und sein Trainerteam es schaffen, aus diesen Spielern ein echtes Team zu bilden, wird die Außenbahnproblematik nicht mehr so schwer wiegen. Wenn dann sogar der eine oder andere Spieler zu seiner Form findet und über mehrere Spiele hinweg überzeugt, könnte sich das Blatt auch endlich wieder wenden. Es wäre nämlich auch langsam Zeit für neue Helden.
(Titelbild: Stuart Franklin/Getty Images)
von Johannes Boldt | Jun 22, 2022 | Hertha BSC, Um den Verein
Bei Hertha BSC ist wieder vieles neu. Die Mannschaft wird erneut kräftig umgebaut, der Wahlkampf um das Amt des Präsidenten läuft auf Hochtouren und mit Sandro Schwarz wurde vor kurzem auch der neue Trainer vorgestellt.
Wir schauen heute auf den bisherigen Weg des Trainers und gehen auf seine Stationen in Mainz und Moskau ein und wollen euch den neuen Übungsleiter etwas genauer vorstellen.
Drei Jahre Achterbahnfahrt
Die Ausgangslage von Hertha BSC ist allseits bekannt. Nach drei Jahren wilder Achterbahnfahrt, soll endlich Ruhe im Verein einkehren. Zur Saison 2022/2023 wird also der achte Trainer seit 2019 vorgestellt. Und es soll wieder neue Einflüsse und Ideen geben. Ideen und eine Philosophie, die es so in den letzten Jahren nicht gegeben hatte. Weg vom blinden Offensivfußball des jungen und im Profifußball unerfahrenen Ante Covic, weg vom Zerstörerfußball eines Pal Dardais, weg vom einfachen auf Standardsituationen ausgelegten Abstiegskampf-Fußball von Felix Magath.
Sandro Schwarz kommt mit einem Plan, der eine gewisse Form des Klopp’schen Gegenpressing-Fußballs verkörpert und bekanntlich in den letzten Jahren zu vielen Titeln führte. Dass Hertha BSC von nun an nicht um Titel mitspielt sollte klar sein, darum geht’s auch nicht. Aber um dem Stil ein Bild zu geben, passt der Vergleich ganz gut.
Die Verbindung zwischen Fredi Bobic und Sandro Schwarz besteht seit einer Weile. Gerüchten zu Folge wollte Bobic Schwarz bereits 2018 nach Frankfurt holen, doch dieser blieb seinen Mainzern zum damaligen Zeitpunkt treu. Schwarz löste ein Jahr zuvor Martin Schmidt in Mainz ab und hatte ein schweres Jahr hinter sich. Seine Mannschaft rettete sich erst spät vor dem Abstieg. Da stellt sich natürlich schnell die Frage, weshalb der Sportdirektor des amtierenden DFB-Pokal-Siegers und in der kommenden Saison in der Europa League teilnehmenden Eintracht Frankfurts Interesse an einen Trainer hatte, dessen Team mit Ach und Krach den 14. Platz belegte?
Ganz einfach, Sandro Schwarz hatte in Mainz an alte Zeiten angeknüpft und Tugenden von Jürgen Klopp wieder aufleben lassen. Also Gegenpressing, unbändiger Wille, Kampf und Leidenschaft. Eine Philosophie und ein System, welches zwischenzeitlich in Mainz verloren gegangen war. Nun konnte Fredi Bobic seinen Wunschtrainer nach zwei doch recht erfolgreichen Jahren aus Moskau nach Berlin lotsen. In der russischen Hauptstadt leistete Schwarz bei Dynamo Moskau gute Arbeit und konnte auch dort einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
(Photo by Daniel ROLAND / AFP) / DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO (Photo by DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images)
Um die Mainzer Zeit von Sandro Schwarz einordnen zu können, haben wir mit Jan Budde vom Mainzer Blog „Hinterhofsänger“ gesprochen, selbiges taten wir mit Artjom Zavodnyk von Transfermarkt.de, der sich bestens mit dem osteuropäischen und vor allem russischen Fußball auskennt.
Auch wenn bei Hertha BSC gerne vieles anders ist, kann man sich wohl auf eines freuen. Auf Ruhe in der Mannschaft und damit im Optimalfall auch im Verein. Schwarz hat in der Vergangenheit stets ein gutes Verhältnis zu seinen Mannschaften und vor allem auch Vorgesetzten gehabt. Ob es ein Rouven Schröder in Mainz war, oder Zeljko Buvac in Moskau. Letzterer ist der Allgemeinheit eher als ehemaliger Co-Trainer von Jürgen Klopp bekannt.
Nachhaltige Arbeit in Mainz – Die Saat für Svensson
„Mit Sandro Schwarz hat Hertha einen der bestmöglichen Trainer Deutschlands bekommen!“. Mit dieser klaren und sehr positiven Aussage startete Jan das Gespräch mit uns. Wieder entstehen direkt die ersten Fragen. Mainz 05 war schließlich unter Schwarz lediglich 14. und 12. in der Bundesliga geworden, kämpfte lange Zeit gegen den Abstieg und musste zum Ende seiner Amtszeit in Leipzig eine heftige 0:8-Klatsche einstecken. Nach elf Spieltagen und auf dem Relegationsplatz stehend musste Schwarz damals Mitte November 2019 den Platz räumen. Doch als Außenstehender fehlt einem gerne mal der Blick für das tiefgründige. Sandro Schwarz, der 1978 in Mainz zur Welt kam, über hundert Spiele für die 05er absolvierte und bereits als Jugendtrainer im Verein mitwirkte, war tief verwurzelt mit Verein und Stadt. Die viel besprochene Vereins-DNA verkörperte er perfekt.
Durch seine väterliche und mitreißende Art wusste er jeden Spieler anzupacken. Ihm sei es zu verdanken gewesen, dass sich zahlreiche Spieler ebenfalls mit dem Verein und der Region identifizierten. Sportdirektor Rouven Schröder und er harmonierten perfekt und verstärkten finanziell clever die Mannschaft Stück für Stück. Neuzugänge wie Pierre-Malong Kunde, Jean-Philippe Mateta, Moussa Niakathe, Jean-Paul Boetius oder Aaron Martin sollten ab 2018 die Mannschaft unterstützen und nachhaltig verändern. Und das bis heute. Der Abgang von Innenverteidiger Abdou Diallo, der bereits ein Jahr zuvor für fünf Millionen Euro aus Monaco kam und nach einem Jahr für stolze 30 Millionen Euro nach Dortmund verkauft wurde, ermöglichte die Finanzierung. Zusätzlich debütierten Mainzer Eigengewächse, wie Jonathan Burkhart, Ridle Baku und Leandro Barreiro. Ein ebenfalls immens wichtiger Spieler in dieser Zeit war Jean-Phillipe Gbamin, dessen für 25 Millionen Euro ebenfalls extrem kostspieliger Abgang 2019 nicht ersetzt werden konnte. Zusätzlich kennen sich Suat Serdar und Sandro Schwarz seit den Jugendmannschaften. Dieser war im ersten Trainerjahr ein wichtiger Baustein im System von Schwarz, ehe er 2018 zum FC Schalke 04 wechselte. Die Wiedervereinigung findet nun also in Berlin statt. Jean-Paul Boetius steht weiterhin auf dem Zettel der Hertha.
Sandro Schwarz, der in Mainz lange an seinem 4-4-2 mit Raute festhielt, lernte dazu und wusste mit Niederlagen mit der Zeit umzugehen. Wie es üblich für jüngere Trainer ist, versuchte auch er seinen begeisternden Spielstil durchzudrücken, auch wenn der zählbare Erfolg ausblieb. „Sandro Schwarz war bereit, seinen Spielstil zu verändern“, erzählte uns Jan. Und in der Tat. Nachdem Mainz 05 mit 0:8 gegen Leipzig unterging und auch das folgende Spiel gegen Union Berlin mit 2:3 verloren ging, baute der folgende Coach Achim Beierlorzer auf das sowieso geplante 3-4-1-2 um und konnte direkt einen 5:1-Sieg in Hoffenheim feiern. Den damaligen Sieg schrieb er zu großen Teilen Sandro Schwarz zu.
(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)
Der Rausschmiss war damals in keiner Weise im Sinne der Mannschaft und der sportlichen Führung, was ein Vertragsverhältnis bis 2022 bestätigt. Schwarz genoss das Vertrauen von Schröder und der Spieler. Die Gründe für die Entlassung waren viel mehr strukturelle Veränderungen innerhalb des Vereins. Mit Detlef Höhne wurde 2017 der Chef der Mainzer Stadtwerke Aufsichtsratsvorsitzender. Der „König von Mainz“, wie er gerne genannt wird, sei zwar ein Machtmensch, aber in keiner Weise jemand, der über das nötige Fußballwissen verfüge. Höhne wollte erfolgreichen Fußball sehen. Der Verein konnte die Situation nicht moderieren und musste schließlich handeln.
Dass das Team intakt war, zeigen die Reaktionen der Spieler. In der Kabine seien Tränen geflossen und der Kontakt zum ehemaligen Förderer wurde stets gehalten. Das Verhältnis zum neuen Trainer Beierlorzer litt schnell, er schaffte es nicht, das Team menschlich hinter sich zu bringen. In dieser Identitätskrise soll es sogar Spieler gegeben haben, die sich via SMS über Beierlorzer bei Schwarz beschwerten.
In den letzten Jahren steigerte sich Mainz stetig. Nachdem man 2021 den 12. Platz erreichte, feierten die Mainzer am Ende der letzten Saison einen starken 8. Platz. „Jan-Moritz Lichte, der als Co-Trainer von Schwarz ebenfalls nah an der Mannschaft war und nach der Entlassung von Beierlorzer das Ruder übernahm, baute das System der Mainzer soweit um, dass er die Früchte säte, die Bo Svensson erntete“, erklärt uns Jan. Wer mehr über die Verbindung zwischen Mainz 05 und Sandro Schwarz wissen möchte, ist herzlich eingeladen sich den Text von Jan Budde auf dem Mainzer Blog „Hinterhofsänger“ durchzulesen.
Sandro Schwarz in Moskau: Die Fortführung des eigenen Wegs
Dem Ruf seines alten Mainzer Förderers und Co-Trainers von Jürgen Klopp Zeljko Buvac folgend, heuerte Sandro Schwarz nach einer einjährigen Auszeit beim Traditionsverein Dynamo Moskau an. Der Bosnier ist seit Februar 2020 Sportdirektor in Moskau. Nach zum Teil schwachen Jahren und Kämpfen gegen den Abstieg formte Schwarz ein Team, welches unter ihm noch auf den siebten Platz in seiner ersten Saison kam. Nur knapp wurde die Qualifikation für die Europa League verpasst. Auch in Moskau wusste Schwarz eine gesunde Mischung zwischen alten und jungen Spielern in einem 4-3-3-System zu finden.
Im Tor setzte er auf die 35-jährige Vereinslegende Anton Shunin, der seit 2005 das Tor für den Verein hütet. Die Verteidigung wurde vom Abwehrchef Ivan Ordets zusammengehalten. Ein Spieler, der später noch einmal wichtig werden wird. Schwarz traute sich zahlreiche Talente einzusetzen. Aleksandr Kutitskiy kam in der Innenverteidigung zu seinen ersten Spielen, der 19-jährige zentrale Mittelfeldspieler Arsen Zakharyan gilt als eines der großen Talente in Europa. Mit Konstantin Tyukavin und Yaroslav Gladyshev unterstützten zwei 19-jährige Talente den Routinier Fedor Smolov im Sturm. Der offensive Mittelfeldspieler Sebastian Szymanski wusste ebenfalls zu überzeugen. Laut Gerüchten scheint der Pole auch ein Thema in Berlin zu sein.
(Photo by KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP via Getty Images)
Die zweite Saison bei Dynamo verlief mehr als zufriedenstellend. Lange Zeit spielte das Team um den Titel mit, den sich letztendlich Zenit St. Petersburg sicherte. Doch wie für ganz Europa war auch für das Team der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine schwere Zäsur. Der ukrainische Co-Trainer Andriy Voronin verließ unter Tränen das Land, genauso wie der 29-jährige, ukrainische Abwehrchef Ivan Ordets. Der Verein wurde durch die Abgänge schwer erschüttert. „Zu Kriegsbeginn gab es einen deutlichen Bruch im Spiel“, erläutert uns Artjom. Die Folge war, dass Dynamo im Meisterschaftskampf Federn ließ und am Ende auf den dritten Platz abrutschte. Im Pokal schaffte es das Team bis ins Finale, welches man allerdings mit 1:2 gegen den Lokalrivalen Spartak Moskau verlor.
Der Verbleib in Russland: “So etwas habe ich noch nie erlebt”
Das größte Fragezeichen bei der Person Sandro Schwarz entstand bei seinem Verbleib in Moskau nach Beginn des Kriegs in der Ukraine. Doch er lieferte Antworten und wurde dabei vielseitig unterstützt. Wie schon in Mainz genoss er ein immens hohes Ansehen bei Spielern und Fans. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, seien die Worte von Arsen Zakharyan an Artjom gewesen, als er ihn über die Zeit mit Schwarz befragte. Es soll ein sehr besonderes Verhältnis zwischen Trainer und Spielern gegeben haben. Er wollte sein Team nicht in Stich lassen und die Mannschaft dankte es ihm. Insbesondere als Schwarz schwer in der Kritik stand und aus Deutschland die Forderungen lauter wurden, dass er zurückzukommen habe, spielte das Team für den Trainer. „Jedes Tor wurde gemeinsam mit dem Trainerteam gefeiert“, betont Artjom.
Während Schwarz sein Team nicht verlassen wollte, taten zwei weitere Trainer in Russland gegenteiliges. Gladbachs neuer Trainer Daniel Farke verließ nach nur wenigen Wochen den FK Krasnodar wieder. Der Vertrag wurde im Einvernehmen mit der Vereinsführung aufgelöst. Er hatte noch kein einziges Spiel an der Seitenlinie gecoacht, lediglich die Wintervorbereitung leitete er. Markus Gisdol dagegen machte sich in Russland keine Freunde, nachdem er ohne Absprache Lokomotive Moskau und das Land verließ. Er sprach seinen Abgang weder mit dem Team noch mit weiteren Funktionären des Vereins ab. Ex-Hoffenheimer und Spielanalyst Marvin Compper, der ebenfalls nicht informiert wurde, leitete daraufhin das Team. Markus Gisdol ließ über einen Anwalt seinen Vertrag auflösen.
Die Anschuldigung, dass Dynamo Moskau dem Kreml und Vladimir Putin nahesteht, weist Artjom klar zurück. „Dynamo Moskau war früher zwar ein Polizeiverein, die Zeiten haben sich aber geändert“, betont er. Außerdem sei Dynamo Moskau neben ZSKA Moskau und FK Krasnodar ein Verein gewesen, der sich gegen den Krieg ausgesprochen habe. Während Vereine wie Zenit St. Petersburg und Spartak Moskau komplett vom Staat abhängig seien, ist das einzige, was bei Dynamo Moskau mit dem Staat zu tun hat, der Hauptsponsor btb. Eine Bank, die zu 35 Prozent dem Staat gehört. Zur Regierung oder Vladimir Putin persönlich gab es nie Kontakt: „Der interessiert sich nicht für Fußball. Eher für Eishockey“, sagt Artjom.
Eine spannende Persönlichkeit sorgt für Aufbruchsstimmung
Mit Sandro Schwarz hat Hertha BSC eine extrem spannende Persönlichkeit verpflichtet. Es ist der erste richtige Wunschtransfer Fredi Bobics, der nicht aus einer Panikaktion resultiert. Schwarz scheint hochmotiviert zu sein, auf seiner Antrittspressekonferenz betonte er seine Freude auf den Saisonstart. In seiner Karriere hat er Loyalität bewiesen, menschliches Gespür und die Fähigkeit jeden Spieler zu verbessern. Insbesondere jüngere Spieler werden bei ihm viel Beachtung genießen.
Im Verein herrscht eine Jahre lang vermisste Aufbruchsstimmung, die es unbedingt zu nutzen gilt. Womöglich hat man einen Trainer verpflichtet, der zu Unrecht in Deutschland ein etwas zu negatives Image aushalten muss und noch etwas unterschätzt wird. Vielleicht erschien er deshalb noch nicht auf den Radaren der verschiedenen Vereine. Hertha hat zugeschlagen und muss nun die Chance nutzen, ein sorgenfreies Jahr zu haben. Sandro Schwarz scheint aktuell die ideale Person dafür zu sein.
[Titelbild: Jörg Schüler/Getty Images]
von Niklas Döbler | Jun 21, 2022 | Drei Thesen, Hertha BSC, Kolumne, Um den Verein
Am Sonntag wählt Hertha BSC einen neuen Präsidenten. Es scheint auf einen Showdown zwischen zwei Kandidaten hinauszulaufen. Namen sind nicht bedeutend. Was zählt, ist der Inhalt und ob der neue Präsident Hertha das geben kann, was die in Jahre gekommene Dame braucht.
Zu allererst ein Disclaimer: Ich bin am Sonntag nicht stimmberechtigt. Trotzdem beobachte ich die Situation von Hertha seit Jahren und mit zunehmender Sorge.
Hertha steht erneut an einem Scheideweg. Werner Gegenbauers Rücktritt nach 14 Jahren an der Spitze des Vereins hat ein Machtvakuum hinterlassen, in das verschiedene Kräfte hineinzuströmen versuchen. Die Nerven liegen blank. Die Kandidaten rechtfertigen sich öffentlich oder schlagen gleich wild um sich. Solch ein Verhalten steht dem, was Hertha jetzt braucht, diametral gegenüber. Am Sonntag sollte es nicht um reine Namen und Geschichten, sondern um Inhalte gehen. Darum, welcher der Kandidaten Hertha befrieden und dem Verein helfen kann.
Hertha braucht … einen Plan
Durchwurschteln ist nicht mehr. Hertha muss planvoll und zukunftsorientiert agieren. Aktionismus muss gegen Strategie getauscht werden. Der neue Präsident muss eine klare Agenda vorlegen, die Mitglieder, Fans, Mitarbeiter:innen und Spieler berücksichtigt. Die nächste Präsidentschaftswahl ist bereits 2024. Bis dahin muss der Verein so ausgerichtet sein, dass finanzieller und sportlicher Erfolg nicht mehr von einzelnen Namen abhängig sind. Dazu muss ein solides Fundament gegossen und nachhaltig darauf gebaut werden. Das nunmehr versandete Projekt „Goldelse“ sollte das in der Profi-Abteilung leisten, hing aber leider zu sehr an der Personalie Carsten Schmidt. Ein neuer Präsident muss darauf hinwirken, dass der Verein sich eigenständig und aus innen heraus stabilisieren und tragen kann.
Ein „Weiter-so“ hat den Verein fast ruiniert. Hertha braucht einen planvollen Wandel.
Hertha braucht … Identifikation
Das Tischtuch zwischen Mannschaft und Fans, es ist gerade so notdürftig geflickt, dass es zum Klassenerhalt gereicht hat. Alle Bestandteile von Hertha müssen miteinander versöhnt werden. Grabenkämpfe, Klüngeleien und Ränkespielchen schaden dem Verein. Der neue Präsident muss das verkörpern, wofür Hertha steht. Er muss Herthaner durch und durch sein. Gleichzeitig muss er klar machen, dass Hertha mehr ist als ein Sportverein. Erfolgreiche Aktionen, wie „Spendet Becher, rettet Leben“, „1892 hilft“ oder „Aktion Hertha Kneipe“ spiegeln die blau-weiße Seele des Vereins wieder. Sie müssen kommunikativ in den Vordergrund gerückt werden. Nicht aus PR-Gründen, sondern um den engagierten Fans die Ehre teil werden zu lassen, die ihnen gebührt. Hertha ist kein Klub von Investors Gnaden, die Fans sind die Stars.
Hertha ist mehr als (Blinden)Fußball, Kegeln, Tischtennis, Boxen oder E-Sports. Hertha braucht jemanden, der das Wesen des Vereins verkörpert.
Hertha braucht … Erfahrung
Mühe allein genügt nicht. Leidenschaft ist das eine, Kompetenz ist das andere. Ein neues Stadion will gebaut werden. Der neue Präsident muss im Gewirr der Berliner Lokalpolitik Herthas Interessen vertreten. Hertha kann es sich nicht leisten wertvolle Zeit zu verlieren. Die Herausforderungen, denen sich der Verein gegenüber steht, müssen sofort angegangen werden. Klar ist aber auch, dass das nur im Team geht. Alle Gremien und Organe müssen an einem Strang ziehen. Ein neuer Präsident muss hier moderieren, darf sich aber nicht von externen Akteuren zu abhängig machen. Ein Auge muss dabei auf dem Geschäft, das andere auf den Mitgliedern und Fans ruhen. Wer eines der beiden nicht versteht, wird keinen Erfolg haben.
Hertha muss schnell geholfen werden. Hertha braucht einen erfahrenden Versöhner.
Eure Wahl
Allen Emotionen zum Trotz, eins sollte klar sein: Am Sonntag entscheiden weder Geld noch Vereinsgremien. Die Fans haben das sagen. Ich bin mir sicher, dass sie im Sinne des Vereins abstimmen werden.
[Titelbild: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images]
von Benedict Puls | Jun 20, 2022 | Bundesliga, Hertha BSC, Pressekonferenz, Transfers, Um den Verein
Neue Saison, neuer Trainer, neues Glück. Nach dem Tanz auf der Rasierklinge und spät gelungenen Klassenerhalt in der vergangenen Saison soll in der kommenden Spielzeit alles anders werden. Auf seiner Antritts-Pressekonferenz hat sich der künftige Cheftrainer von Hertha BSC, Sandro Schwarz, gemeinsam mit Geschäftsführer Fredi Bobic den Medien gestellt. Und dabei einen guten ersten Eindruck hinterlassen.
Unser Artikel zum Startschuss der Sommervorbereitung.
Eine bewegte jüngere Vergangenheit – auf beiden Seiten
Wenn man die Erlebnisse der letzten Wochen und Monate von Sandro Schwarz und Hertha BSC mit einem gemeinsamen Wort beschreiben müsste, wäre „intensiv“ vermutlich eine ziemlich gute Wahl. Während der Hauptstadtklub in den letzten drei Jahren von einer Chaossaison in die andere taumelte, erlebte Schwarz ein ganz persönliches Abenteuer mit Höhen und Tiefen. Im Herbst 2020 hat er mitten zur Corona-Hochzeit in Russland bei Dinamo Moskau angeheuert und dort eine Mannschaft aus dem Tabellenmittelfeld der Liga zu einem Spitzenteam geformt. Mit Start des unsäglichen Angriffskrieges in der Ukraine begann eine emotional schwierige Zeit für Schwarz, er entschied sich jedoch bis Saisonende bei seiner Mannschaft zu bleiben.
Seit Anfang Juni war dann klar, dass Sandro Schwarz neuer Cheftrainer bei Hertha wird. Zu Beginn kritisch beäugt, kristallisierte sich relativ schnell heraus, dass er womöglich genau der Trainer sein kann, den die krisengebeutelten Blau-Weißen gebrauchen können. „Ich freue mich jetzt hier zu sein und bin seit Samstag in Berlin“, stellte sich der neue Übungsleiter lächelnd und dennoch fokussiert vor. Urlaub habe er kaum gehabt, in den letzten zwei Wochen hätte es viele Gespräche mit Mitarbeitenden gegeben. Auch eine Besichtigung der Trainingsplätze und Infrastruktur auf dem Gelände rund um den Schenckendorffplatz stand schon auf dem Plan. Schwarz wirkt trotz fehlender Pause ziemlich ausgeruht, strahlt von Beginn an Zuversicht und eine gewisse Vorfreude aus.
Wunschlösung auf dem Trainerstuhl
Dass es einen Neustart auf der Trainerposition benötigt, stand schon seit längerer Zeit fest. Bereits im letzten Sommer galt Pal Dardai keinesfalls als Wunschlösung von Fredi Bobic. Dies zeigte sich in der Kommunikation von Trainer und Manager auch recht schnell öffentlich. Die anschließenden Lösungen mit Tayfun Korkut und Felix Magath waren jeweils von vornherein bis Saisonende begrenzt. Bobic bestätigte dies auf der Pressekonferenz auch noch einmal selbst: „Für mich war frühzeitig klar, dass wir nach einem neuen Trainer suchen werden.“
Photo by Martin Rose/Getty Images
Und auch wenn es mehrere Kandidaten gegeben hätte, wäre die Entwicklung wohl sehr deutlich in Richtung Schwarz gegangen. Aufgrund der Arbeit des gebürtigen Mainzers in Moskau ist Bobic sicher: „Ja, genau jetzt für diesen Zeitpunkt, für diese Situation bei Hertha BSC ist er der richtige Mann.“ Und führt weiter aus: „Ich brauche jemanden der 100 Prozent Überzeugung hat, diese nicht einfache Aufgabe hier bei der Hertha zu übernehmen.“ Zumindest überzeugt scheint Schwarz tatsächlich zu sein, laut eigener Aussage wäre er auch im Falle eines Abstiegs in die zweite Liga zum Hauptstadtklub gekommen.
Endlich ein klares Konzept
Das von Sandro Schwarz ausgerufene Saisonziel sieht auf den ersten Blick erst einmal recht ungewöhnlich aus: „Wenn unsere Zuschauer und Fans unabhängig vom Trikot sehen, dass es eine Hertha-Mannschaft ist, dann ist es eine erfolgreiche Saison.“ Bei genauerem Hinsehen ist dies jedoch genau das Ziel, welches Hertha BSC braucht. Im Vordergrund soll die sportliche Entwicklung stehen und nicht der Tabellenplatz. Realistisch betrachtet darf Europa eh keineswegs der Anspruch sein, dass man nicht absteigen darf, ergibt sich logischerweise von selbst.
Doch wie genau soll der sportliche Weg denn aussehen? Woran soll man die Mannschaft der „Alten Dame“ erkennen? „Es ist mir wichtig, dass wir sehr aktiv sind, dass wir eine sehr gute Struktur in der Arbeit gegen den Ball haben und dort auch mutig sind in unserer Verteidigung sind“, erläutert Schwarz. Nach vorne solle dann sehr zielstrebig gespielt werden. Und auch abseits des Spielerischen verfolgt der ehemalige Mainzer Coach eine klare Philosophie: „Wir wollen auch außerhalb des Platzes sehr geschlossen als Mannschaft auftreten“. Nachdem bei Hertha seit 2019 sieben verschiedene Trainer mit teils unterschiedlichen oder auch überhaupt nicht vorhandenen Konzepten tätig waren, könnte Schwarz die Grundlage für eine bessere Zukunft legen. Der konsequente Plan und die erkennbare Idee des neuen Übungsleiters sind ein elementarer Bestandteil dessen, wofür Hertha in Zukunft stehen soll.
Die Arbeitsweise von Sandro Schwarz
Um diesen Weg bestreiten zu können, wartet viel Arbeit auf den Chefcoach. Und auch dafür verfolgt er einen klaren Prozess: „Unser Anspruch ist es, vom ersten Tag sehr intensiv und fleißig zu sein. Nicht groß zu reden, sondern wirklich mit einer hohen Leistungsbereitschaft zu arbeiten.“ Zu Beginn der Sommervorbereitung stehen dabei klassischerweise die athletischen Grundlagen im Vordergrund, ehe es anschließend nach und nach an die taktischen Feinheiten geht.
(Photo by Boris Streubel/Getty Images)
Grundsätzlich verfolgt Sandro Schwarz in seiner Arbeit einen sehr strukturierten Ansatz: „Ich bin ein sehr ordnungsliebender Mensch und ich bin der Überzeugung, dass eine gewisse Struktur Energie und Vertrauen gibt.“ Dies gelte sowohl fußballerisch als auch abseits des Feldes. Im Training sei vor allem eine hohe Wiederholungsrate der einzelnen Abläufe geplant. Dennoch will Schwarz seinen Schützlingen fußballerische Kreativität lassen und stellt klar: „Wir müssen den Jungs die Gewissheit geben wie das Spiel zu funktionieren hat, wie wir spielen wollen und dann aber auch es laufen zu lassen und die Freiheit zu geben“
Unterstützt wird er in seiner Arbeit dabei von Daniel Fischer, Volkan Bulut und Tamas Bodog, mit denen er zum Teil schon in Moskau zusammengearbeitet hat. Andres Menger und Vedad Ibisevic, über den Schwarz lobende Wort fand, sowie die bisherigen Athletiktrainer rund um Henrik Kuchno und Hendrik Vieth bleiben Hertha BSC erhalten.
Erneuter Kaderumbruch
Im Gegensatz zum Trainerteam steht der finale Kader derweil noch lange nicht fest. „Es wird wieder Zeit brauchen, bis der Kader komplett ist“, stellt Fredi Bobic klar. Der Markt sei noch relativ träge, insbesondere die Teams aus Südeuropa würden noch etwas Urlaub machen was die Kaderplanung angeht. Es ist als auch dieses Jahr damit zu rechnen, dass die Mannschaft nach Saisonbeginn im August weiter verändert wird und sich eine gewisse Unruhe dadurch nicht vermeiden lassen wird. Dass dies die Arbeit des Trainers erschwert, ist auch Bobic bewusst: „Es ist immer etwas unfair für das Trainerteam.“
Dennoch konnte der Manager heute etwas Einblick in die kommenden Transfers geben. So wird Santiago Ascacibar den Verein bei einem passenden Angebot verlassen dürfen, er wäre bereits während der Rückrunde auf Bobic zugekommen und hätte seinen Wechselwunsch für den Sommer geäußert. Auch Eduard Löwen ist momentan vom Training freigestellt, da er sich in Verhandlungen mit einem Verein befände. Auf der Torwartposition plane man fest mit Oliver Christensen als Stammspieler: „Da haben wir alle ein sehr gutes Gefühl dabei.“ Rune Jarstein ist Stand jetzt als Ersatztorhüter eingeplant, sollten dessen Fitnesswerte in den nächsten Wochen das nicht möglich machen, würde man sich gegebenenfalls auf dieser Position verstärken.
Bezüglich Kevin Prince Boateng konnte Bobic verkünden, dass dieser wohl bleiben wird, es hinge noch an ein paar vertraglichen Kleinigkeiten. Schwarz ist für einen persönliches Austausch mit Boateng sogar vor ein paar Tagen bereits einmal nach Berlin gekommen. Sein Fazit lautet: „Es war ein sehr gutes Gespräch, offen, klar und ehrlich von beiden Seiten aus und ich finde das ist eine gute Basis um weiter sehr gut zusammen zu arbeiten.“
Schwieriger Saisonstart
Dass gearbeitet werden muss, dürfte unzweifelhaft sein. Mit dem Zweitligisten Eintracht Braunschweig im DFB-Pokal und anschließenden Bundesligastart gegen den Stadtrivalen Union Berlin hätte das Auftaktprogramm knackiger kaum sein können. Angesprochen auf das Derby reagiert Schwarz mit der Aussage „Geiles Spiel“, bevor die Frage überhaupt zu Ende gestellt ist. Schon vor dem offiziellen Trainingsauftakt lebt er also vor, mit welcher Einstellung und Mentalität in Zukunft in Berlin-Charlottenburg gearbeitet werden soll.
Photo by Martin Rose/Getty Images
Gleichzeitig macht er im Laufe der Pressekonferenz mehrmals klar, dass mit Braunschweig noch vor Union ein Gegner wartet, der mitnichten ein Selbstläufer ist. Es wird das bereits dritte Duell der beiden Mannschaften während der ersten Runde des DFB-Pokals in fünf Jahren sein. Mit Blick auf die letzte Begegnung im Sommer 2020, Hertha verlor in einer denkwürdigen Partie mit 4:5, sollte jedem klar sein, dass die von Schwarz gebotene Vorsicht mehr als nur eine Plattitüde ist. Der frische Cheftrainer hat noch sechs Wochen, um die Grundlagen seines Stils in eine vom erneuten Umbruch begleitete Mannschaft einzuarbeiten. Die Aufgabe, sie könnte kaum schwerer sein und dennoch gibt es auf dem Olympiagelände zum ersten Mal seit langem so etwas wie Aufbruchstimmung. Die Saison 2022/23, sie kann kommen.
[Titelbild: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images]
von Lukas Kloss | Jun 19, 2022 | Hertha BSC, Podcast
Wie jedes Jahr setzen wir uns in einer ausführlichen Analyse mit dem Kader von Hertha BSC auseinander. Wo ist die alte Dame gut aufgestellt? Wo muss Fredi Bobic dringend handeln? Das alles erfahrt ihr von Marc, Benny und Puma.
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