Nach den Siegen gegen die Aufsteiger Bochum und Fürth ist Hertha BSC nicht nur punkte- sondern auch leistungsmäßig in der Saison angekommen. Insbesondere die Leistung beim gestrigen Sieg gegen die Spielvereinigung Fürth macht Hoffnung darauf, dass in der fast komplett neu zusammengesetzten Mannschaft ein neuer Kampfgeist entsteht. Die Herthaner im Fokus.
Hertha wird zu einer Einheit
Die Transferstrategie von Fredi Bobic im jüngst beendeten Transferfenster war deutlich zu erkennen: Die sportlichen und psychologischen Bremser durch sogenannte Mentalitätsspieler ergänzen, um in einer neu zusammengestellten Mannschaft einen neuen Siegeswillen zu erzeugen. Wenn man sich Herthas Hauptproblem der vergangenen Monate anschaut – die fehlende Überzeugung – ist das sicherlich ein nachvollziehbarer Weg. Nach zwei gewonnen Spielen ist es vielleicht zu früh Bobic zu bescheinigen, dass er mit diesem Vorgehen Erfolg hat.
Allerdings zeigen sich erste positive Ansätze: Auch wenn Hertha gegen Bochum und Fürth über weite Strecken spielerisch so gar nicht glänzte, glaubte das Team an ein für sie positives Ende. Das liegt sowohl daran, dass auf dem Platz endlich mehr und besser miteinander geredet wird. Aber auch daran, dass einzelne Spieler in den wichtigen Spielmomenten Verantwortung übernommen haben.
Jurgen Ekkelenkamp – Was für ein Einstand!
Einer dieser Spieler ist der Niederländer Jurgen Ekkelenkamp. Für den 21-jährigen Neueinkauf war es sicherlich keine einfache Situation gleich im ersten Spiel für Hertha beim Spielstand von 0:1 gegen den Aufsteiger Fürth eingewechselt zu werden. Aber Ekkelenkamp hatte Lust auf Fußball, nahm die Situation an und legte sofort los. Natürlich war sein Kopfballtor – Herthas erstes Ecken-Tor nach gefühlten zehn Jahren – beeindruckend.
Noch viel überzeugender war aber, dass der Niederländer etwa 40 Sekunden zuvor am eigenen Strafraum den Ball eroberte und ein paar Pässe später gegen drei Fürther einen extrem öffnenden Pass spielte, der Davie Selke in eine Abschlusssituation brachte. Dass Ekkelenkamp sich auch mit dem Unentschieden nicht zufriedengeben wollte, konnte man auch beim 2:1-Siegtreffer sehen, als er erneut zur richtigen Zeit am richtigen Fleck war – ob nun Eigentor oder nicht.
Man kann nur hoffen, dass sich die Mentalität von Herthas neuem „Zehner“ auf den Rest des Teams überträgt. Seine Klasse hat er nun schon einmal mehr als nur andeuten können.
Lucas Tousart – Endlich ein Faktor in Herthas Spiel
Ekkelenkamp war nicht der einzige, der am gestrigen Freitagabend unbedingt drei Punkte holen wollte. Nach vielen erfolglosen Versuchen war auch Lucas Tousart gestern ein sehr wichtiger Faktor in Herthas Spiel. Obwohl es weiterhin schwer ist, einzelne Situationen im Spiel auszumachen, in denen Tousart spielentscheidende Aktionen hatte, war er gestern unheimlich wichtig.
Denn der Franzose hatte einen guten Riecher dafür, wann und wo in der Nähe des eigenen Strafraums gefährliche Situationen entstehen könnten. In den allermeisten Fällen gewann Tousart diese Zweikämpfe dann auch und bediente Suat Serdar, um Angriffe einzuleiten. Dass Tousart mit knapp zwölf gelaufenen Kilometern gestern Herthas laufstärkster Akteur war, beweist, dass der Franzose gestern Überzeugungstäter war.
Weiterhin ist sein einziges Manko das Offensivspiel. Eine Aktion im gegnerischen Strafraum ist sicherlich nicht genug. Wenn man bedenkt, dass Tousart diese eigentlich gefährliche Situation durch einen massiven Fehlpass an die Wand fuhr, wird noch klarer, dass der Franzose im Offensivspiel Nachholbedarf hat.
Die für einen zentralen Mittelfeldspieler eher schwache Passquote von rund 70 Prozent belegt auch, dass Tousart noch präziser werden muss. Insbesondere in Drucksituationen unterlaufen ihm einige Fehlpässe. Gegen den Ball war es aber ein starker und damit wichtiger Auftritt.
Deyovaisio Zeefuik – Endlich wieder wichtig
73. Spielminute: Aus dem Fürther Mittelfeld wird ein langer Ball auf den linken Außenspieler Abiama geschlagen, der alleine vor Herthas Keeper Schwolow steht, doch aus dem Nichts erreicht Zeefuik die Szene und spitzelt in letzter Sekunde den Ball weg.
Das ist als Außenverteidiger eigentlich seine Aufgabe, müsste man meinen. Doch der Niederländer war in den Minuten zuvor bestimmt fünf Mal die Linie hoch- und runtergesprintet, um die Mittelstürmer mit Flanken zu bedienen. Zeefuik hatte mit rund 11,4 Kilometern Herthas zweitstärkste Laufleistung und lag kurz vor Ende des Spiels mit Krämpfen auf dem Boden. Alleine dieses Bild zeigte, wie sehr die Mannschaft und insbesondere Zeefuik diesen Sieg wollten. Beeindruckend an Zeefuik ist auch seine unheimliche Sprungkraft: Im Vergleich zu vielen Strafraumstürmern ist der Niederländer eher kleingewachsen, viele dieser Kopfballduelle gewinnt er allerdings, um nur wenige Sekunden später am gegnerischen Strafraum eine gefährliche Flanke zu schlagen.
Der von Zeefuik verursachte Elfmeter weist allerdings auf eine Schwäche des niederländischen U21-Nationalspielers hin. Teils ist Zeefuik recht ungeschickt bzw. unkonzentriert in Zweikämpfen. Gerade im eigenen Strafraum sollte er mit mehr Bedacht in Duelle gehen. Dennoch: In dieser Form ist der 23-Jährige nicht wegzudenken. Zeefuik steht für die Dynamik, Wucht und den Willen, den es so unbedingt braucht.
Und dann waren da noch …
Niklas Stark – Sehr schön zu sehen, wie Niklas Stark die Situation des Abwehrchefs übernahm, nachdem Herthas Kapitän Boyata verletzt ausgewechselt werden musste. Rechts und links an seiner Seite standen mit Marton Dardai und Linus Gechter zwei unerfahrene, junge Bundesligaspieler. Beide machten ihre Sache auch so gut, weil Leader wie Stark und Boateng stetig mit ihnen redeten und beispielsweise nach Stellungsfehlern korrigierten. Auch mit Schwolow stand Stark des Öfteren im Gespräch. Dass Stark nach 30 Minuten von Boyata nicht nur das Abwehrzentrum sondern auch die Kapitänsbinde übernahm, zeigt, welche Rolle er in der zusammenfindenden Mannschaft spielt.
Die Verletzungen – Herthas Verletzungsmisere setzt sich fort. Nach den beiden Abwehrspielern Jordan Torunarigha und Lukas Klünter, die sich vergangene Woche in Bochum verletzten, sind nun auch noch Myziane Maolida und Dedryck Boyata verletzt. Wie bei Torunarigha handelt es sich um Muskelverletzungen? Hat Hertha etwa ein Belastungsproblem?
Fazit: In der Saison angekommen
Es war schön zu sehen, dass Hertha gegen Fürth nach einer spielerisch enttäuschenden ersten Halbzeit und dem Rückstand zurückkam. Es wäre auch sehr enttäuschend gewesen, wenn Hertha dieses Spiel nicht gewonnen hätte. Schließlich sprechen fast alle wichtigen Spielwerte für die Berliner. Lediglich bei der Laufleistung und der Zweikampfquote lagen die Franken als Team leicht vor Hertha.
Schön wäre es, wenn sich rund um die Mittelfeldachse Tousart-Boateng–Serdar-Ekkelenkamp ein Team bildet, das den motivierten und kämpferischen Eindruck aus dem Fürth-Spiel auch in den kommenden Wochen bestätigt.