Tayfun Korkut verspricht allen Hertha-Fans, dass individuelle Fehler in der Abwehr nicht mehr passieren werden. Schaut man sich Herthas größte Schwächen der vergangenen Jahre und die Fehlerquote an, ist das gewagt. Und: Vor dem Wolfsburg-Spiel hat Korkut die Qual der Wahl im Sturm. Dabei könnte doch alles so einfach sein …
Es ist wie in der Politik
In der Pandemie machen viele Politiker:innen gerade die Erfahrung, von zu abschließenden Aussagen und Versprechen eingeholt zu werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und andere prominente Politiker:innen versprachen noch vor wenigen Monaten, dass es keine Impfpflicht geben werde und FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner ging im Wahlkampf mit dem Versprechen auf die Straße, dass ungeimpfte Menschen keinerlei Einschränkungen erfahren würden.
Das Virus ist mutiert, die Sachlage hat sich geändert, die Politik muss reagieren, ihre Versprechen brechen und einsehen, dass einige Aussagen voreilig getroffen wurden. Letztlich kann das in Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust resultieren.
Bei Hertha BSC geht es „nur“ um Fußball. Und doch sieht man in diesen Tagen einige Parallelen zwischen diesen politischen Fehlgriffen und den Aussagen von Hertha-Trainer Tayfun Korkut. Schon nach dem Köln-Spiel reduzierte er die Niederlage vielleicht ein bisschen zu sehr auf individuelle Fehler und wiederholte dann auch bei der heutigen Vor-Spieltags-Pressekonferenz: „Diese Fehler werden so nicht mehr passieren. Wir werden viel, viel stabiler stehen im nächsten Spiel.“ Schließlich sei es im Köln-Spiel nur um „Nuancen“ gegangen, die man im Training nun abschließend ausgebessert habe. „Keine großen Themen“, so Korkut.
Die Niederlage gegen Köln war symptomatisch
Insbesondere mit Blick auf Herthas teils löchrige Abwehrarbeit in den vergangenen Jahren ist das ein sehr gewagtes Versprechen. Denn die meisten Niederlagen hatten zwei systematisch verankerte Ursachen: Erstens mangelnde Überzeugung (uninspirierte Offensive, zu große Abstände zum Gegenspieler, teils abwesende Pressing-Arbeit, reaktives Spiel, etc.) und zweitens Präzision, also genau diese individuellen Fehler.
Das erste Gegentor im Union-Hinspiel, das 1:1 in der 97. Minute gegen Augsburg, das völlig desolate Abwehrverhalten in der ersten Hälfte im Stuttgart-Spiel liefern zumindest Hinweise darauf, dass Herthas Abwehrfehler doch etwas größer sind. Aber: Wir lassen uns gerne vom Gegenteil überzeugen und hoffen darauf, dass Korkut nicht wie einige Spitzenpolitiker:innen in wenigen Tagen analysieren muss, dass er seine Vorhersage revidieren muss.
Welches Pärchen stürmt gegen Wolfsburg?
Es gibt ja auf der anderen Seite auch durchaus gute Gründe, warum man Korkut Vertrauen schenken sollte. Seine Umstellungen in Herthas Offensive haben beispielsweise dafür gesorgt, dass das Team nun viel mehr Szenen im gegnerischen Strafraum hat. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass Herthas Kader nach all den Dardai-Jahren auf eine Doppelspitze ausgelegt ist. Doch nach Korkuts ersten Spielen kann man fast festhalten, dass es fast egal ist, welches Pärchen da vorne spielt – in jedem Fall ist man gefährlicher, flexibler und agiler geworden.
Besonders aufgefallen ist allerdings die Paarung Jovetic-Belfodil. Diese wird am kommenden Wochenende allerdings nicht gemeinsam auflaufen, weil Stevan Jovetic immer noch an seinen Wadenproblemen leidet. Immerhin: Yshak Belfodil ist wieder genesen. Dass Korkut nun auf einen Ein-Mann-Sturm ausweicht, ist ausgeschlossen. Bei der heutigen Pressekonferenz philosophierte er vielmehr darüber, welches Pärchen denn am besten zum Gegner passen könnte.
Wie gewohnt, blieb der Hertha-Trainer hier aber vage, um nicht zu viel preiszugeben. Korkut wörtlich: „Ich habe noch nicht entschieden, wir haben da zum Glück Möglichkeiten. Ishak und Myziane sind sehr beweglich vorne, Davie ist eher ein zentralerer Stürmer.“ In jedem Fall sei er froh darüber, dass er in der zweiten Halbzeit einen „echten Stürmer“ einwechseln könne.
Die Zahlen der Hertha-Stürmer
Dabei könnte die Auswahl des Stürmer-Paares recht einfach sein – wenn man sich ausschließlich von Zahlen leiten lässt: Belfodil hat in den Profi-Ligen und Pokalwettbewerben Italiens, Frankreichs, Deutschlands und Japans sowie im Europapokal 64 Tore in 271 Spielen erzielt – rein rechnerisch schießt Belfodil also etwa 0,24 Tore pro Spiel, oder statistisch gesehen in jedem vierten Spiel ein Tor.
Myziane Maolida ist viel jünger, hat aber nach 2016 in 94 Profispielen in Frankreich und Deutschland elf Tore geschossen – eine Quote von etwa 0,12. Davie Selke hat in 254 Profispielen 58 Treffer erzielt – eine Pro-Tor-Quote von rund 0,22, also ähnlich wie Belfodil und ebenfalls besser als Maolida.
Natürlich spricht aber auch einiges gegen das Stürmer-Pärchen Selke-Belfodil. Belfodil hat in Verbindung mit Jovetic gezeigt, dass er von einem beweglichen, spielerisch kreativen Stürmer an seiner Seite profitiert. Diesen würde er wohl eher in Myziane Maolida neben sich haben.
Am kommenden Wochenende steht Tayfun Korkuts zweites Bundesligaspiel als Hertha-Trainer an. Als erste systematische Veränderung zeichnet sich ab, dass Korkut dauerhaft mir zwei Spitzen spielen lassen will. Ziel ist es, Herthas Offensive neues Leben einzuhauchen. Im zentralen Mittelfeld geht dadurch aber ein Platz verloren. Das kann gut gehen, muss es aber nicht.
Serdar & Tousart zurück: Stau im zentralen Mittelfeld
Was seine Strategien und Taktiken betrifft, will sich Tayfun Korkut weiterhin nicht in die Karten schauen lassen. Auch vor seinem zweiten Hertha-Spiel (am kommenden Samstag im Olympiastadion um 15:30 Uhr gegen Arminia Bielefeld) wollte sich Herthas neuer Trainer nicht genauer dazu äußern, welche Spieler er in welcher Formation auf den Platz schicken wird. Dass Suat Serdar und Lucas Tousart nun wieder fit sind, eröffnen Korkut „Optionen“ – ob einer von beiden oder sogar beide Spielen, dazu wollte er sich aber nicht äußern.
Eines scheint sich aber jetzt schon abzuzeichnen: In Herthas zentralem Mittelfeld scheint nun regelmäßig ein Platz weniger verfügbar zu sein. Denn: Korkut schickt seine Mannschaften fast traditionell mit zwei Stürmern auf den Platz. Im Stuttgart-Spiel starteten Ishak Belfodil und Stevan Jovetic gemeinsam im Sturm. Beide machten ein gutes Spiel, beide sorgten dafür, dass Hertha schlichtweg mehr Szenen im gegnerischen Strafraum hatte.
Genau das hatten die Blau-Weißen auch bitter nötig: Hertha hatte bislang die wenigsten Strafraumszene der Liga und hat mit 15 Treffern eine der schlechtesten Torausbeuten vorzuweisen. Und so kommt Korkut völlig richtig zu dem Schluss, dass man nicht einfach nur Ballbesitz habe, sondern auch „gefährlichen Ballbesitz“.
Korkuts Offensivkonzept geht aber zulasten der defensiven Stabilität. Denn: Durch den zweiten Stürmer hat ein zentraler Mittelfeldspieler weniger Platz in der Startelf. Gegen Stuttgart spielten Vladimir Darida und Santiago Ascacibar im zentralen Mittelfeld.
Unter Dardai wäre dann noch ein weiterer, offensiver Platz offen gewesen, den oftmals Suat Serdar einnahm. Bleibt Korkut bei seiner Zwei-Stürmer-Taktik, muss also entweder einer der beiden „Sechser“ für Serdar weichen oder Hertha spielt weiterhin mit zwei defensiven, zentralen Mittelfeldspielern (zum Beispiel Tousart/Ascacibar) und verzichtet auf Serdar – aufgrund dessen Klasse ist dies aber recht unwahrscheinlich.
In jedem Fall bringt diese Taktik auch ein gewisses Risiko mit sich: Denn die Unterbesetzung in der Zentrale könnte in mangelnder Kompaktheit und Stabilität resultieren. Genauso ist es auch im Stuttgart-Spiel passiert: Hertha wurde zweimal eiskalt ausgekontert und hatte in der Mitte wenig Gegenwehr zu bieten.
Eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen, wäre ein Formationswechsel. Korkut hat in der Vergangenheit nicht nur das flache 4-4-2 spielen lassen, sondern auch in einer Raute aufgestellt. Damit schafft man zum einen mehr defensive Stabilität, zum anderen würden auch gleich mehrere zentrale Mittelfeldspieler in diesem System Platz finden. Dafür müsste Hertha die offensiven Flügelspieler aufgeben, die in dieser Saison aber ohnehin eine Schwachstelle darstellen, zumal ein Marco Richter auch als Halbstürmer fungieren kann.
Gegen Bielefeld: Zwischen Geduld und Zielstrebigkeit
Korkut sagte auf der Pressekonferenz am Donnerstag, dass diese „defensiven Schwierigkeiten“ in dieser Woche thematisiert worden seien. Wie genau er mit seinen Spielen über die Abwehrschwächen gesprochen habe, wollte er aber wieder nicht verraten und flüchtete sich in Allgemeinplätze: „Es geht darum, dass wir uns aufeinander verlassen können. Wir müssen die Fehler aus unserem Spiel verbannen“, so Herthas neuer Coach.
Korkut geht jedenfalls davon aus, dass Hertha ein „sehr unbequemer Gegner“ erwarte, der kompakt und leidenschaftlich verteidige. Man müsse geduldig und zielstrebig zugleich sein, so Korkut. Damit dürfte Korkut richtig liegen. Denn Bielefeld hat zwar erst 10 Tore erzielt – aber auch erst 20 kassiert. Insofern ist Herthas neue Doppelspitze am Wochenende gefragt.
Nach den ersten Diensttagen und zwei Pressekonferenzen mit Tayfun Korkut als neuem Hertha-Coach ist noch vieles im Unklaren, was Herthas neue Spielweise betrifft. Eines zeigt sich aber klar: Korkut will der Mannschaft kein Spielsystem aufdrücken, sondern vielmehr ein System schaffen, das sich an den individuellen Stärken der Spieler orientiert. Ob ihm das gelingt, ist fraglich. Schließlich fehlt Hertha insbesondere eines: der rote Faden in der Kaderzusammenstellung.
Korkut ist verschlossener als Dardai
Seit wenigen Tagen ist Tayfun Korkut neuer Hertha-Trainer. In diesen Tagen hat Korkut zwei Pressekonferenzen gegeben. Schon jetzt zeigt sich: Journalisten werden es nicht mehr so einfach haben wie noch mit Pal Dardai. Denn Pal geriet auf den Pressekonferenzen, die jeweils wenige Tage vor dem Bundesligaspieltag stattfinden, regelmäßig ins Plaudern.
Sehr offen redete er beispielsweise über Schwächephase von Spielern, Inhalte von Gesprächen, die er mit Einzelspielern führte und philosophierte auch gerne über seine Rolle und Zukunft im Verein. Dass sich Krzystof Piatek beispielsweise aktiver ins Spiel einmischen soll oder Myziane Maolida zu wenig Einsatz zeigt, sind alles Einschätzungen, die Pal offen teilte.
Tayfun Korkut hingegen lässt sich nicht in die Karten schauen. Auf der heutigen Pressekonferenz äußerte er sich größtenteils in vagen Floskeln. Er sprach davon, dass sich nach den ersten Einheiten einiges bestätigt habe, was er schon vorher beobachtet hatte und dass er die einzelnen Stärken der Spieler besser kennengelernt habe. Wo genau diese liegen und welche Erkenntnisse er bislang gewinnen konnte, diese Fragen wollte Herthas neuer Coach nicht beantworten. „Wenn wir jetzt über Details sprechen, dann sitzen wir den ganzen Tag hier“, so Korkut.
Die Spielidee hänge sehr davon ab, was die Spieler können
Und so muss man wohl ab jetzt zwischen den Zeilen lesen, um zu verstehen, in welche Richtung die Mannschaft unter Korkuts Leitung geht. Auffällig war beispielsweise, dass Korkut erneut erwähnte, wie wichtig es ihm sei, die Stärken und Schwächen der einzelnen Spieler kennenzulernen. „Es geht darum, was die Jungs können, welche Qualitäten sie haben, wo sie hinpassen.”
Die Spielidee hänge sehr viel davon ab, was die Spieler können. Heißt übersetzt: Korkut hat keine sture Spielidee, die er der Mannschaft überstülpen will. Vielmehr möchte er flexibel darauf reagieren, welche Eigenschaften die Akteure mit sich bringen und daraus quasi ein Hertha-eigenes Spielkonzept basteln.
So weit, so gut. Die Frage ist nur, ob und wie ihm das gerade bei Hertha gelingen kann. Die Blau-Weißen hatten in den vergangenen 2,5 Jahren sechs Trainer und auch in den Führungspositionen einige Personalwechsel. Viele Spieler wurden noch von Michael Preetz nach Berlin geholt, es folgte eine sehr kurze, aber sehr prägnante Einkaufsphase, in die Jürgen Klinsmann eingeschaltet war und seit einigen Monaten ist nun das Gespann Fredi Bobic/Dirk Dufner für die Kaderzusammenstellung verantwortlich.
Klar ist also: In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat es keinen roten Faden bei der Kaderplanung gegeben. Unterschiedliche Ideen wurden umgesetzt, divergierenden Plänen wurde nachgegangen. Das zeigt sich auch in Herthas Spiel: Insbesondere in der vergangenen Saison wirkte es oft so, dass es im Team an Kommunikation fehle. Erst am heutigen Freitag hat Fredi Bobic in einem Interview erklärt, dass er oft den Eindruck habe, dass „jeder für sich“ spielt und kämpft.
Bei einer Sache legte sich Korkut dann aber doch fest: In der Abwehr wird er auf eine Viererkette setzen. Unter Dardai spielte Hertha auch oft mit drei Verteidigern, wobei die äußeren Mittelfeldspieler sich in die Kette zurückzogen, wenn der Gegner im Ballbesitz ist.
Korkut deutete zudem an, dass das Spiel mehr auf Ballbesitz geprägt werden solle. Es gehe ihm ums „Ball wollen“, so der neue Hertha-Trainer. Schließlich könne man nur Tore schießen, wenn man vorher den Ball erobert habe. Nötig hat Hertha Verbesserungen in diesem Bereich allemal: Kein Bundesliga-Team hat so wenige Ballaktionen im generischen Strafraum wie Hertha. Es wäre schön, wenn Korkut dies gelingt – schließlich steigert sich somit auch die Attraktivität des Spiels.
Was das Personal betrifft, gibt es gute Nachrichten. Kapitän Dedryck Boyata ist nach seiner Sperre zurück. Verletzt fehlen derzeit nur Lukas Klünter, Marton Dardai und Rune Jarstein.
Mit Tayfun Korkut hat Hertha am Montag den sechsten Trainer in rund 2,5 Jahren vorgestellt. Der gebürtige Stuttgarter war als Spieler hauptsächlich in der Türkei und Spanien aktiv und als Trainer zuletzt drei Jahre arbeitslos. Seine bisherigen Bundesliga-Tätigkeiten zeigen, dass Korkut Teams recht schnell positiv beeinflussen kann. Sie zeigen aber auch, dass nach Diesen Hochphasen teils verheerende Abstürze folgten.
Korkut: Eng mit Joachim Löw verbunden
Tayfun Korkut wuchs als Sohn türkischer Gastarbeiter in einem Vorort von Stuttgart auf. Fußballerisch wurde er bei den Stuttgarter Kickers ausgebildet. Bei den „Kickers“ schaffte es Korkut mit 20 Jahren in die erste Mannschaft, die damals in der Regionalliga kickte. Zur damaligen Zeit traf er erstmals auf seinen neuen Chef: Fredi Bobic – drei Jahre älter als Korkut – spielte zwischen 1992 und 1994 in der Profimannschaft der Stuttgarter Kickers, bevor er zum Stadtrivalen VfB Stuttgart wechselte.
Korkuts Karriere nahm einen anderen Lauf. Schon sehr früh wechselte der damals 21-Jährige in die Türkei zu Fenerbahce Istanbul. Der Deutschtürke wurde im defensiv-zentralen und rechten Mittelfeld eingesetzt und zum Stammspieler in Istanbul. In 145 Spielen schoss er zwölf Tore für Fenerbahce. Ebenfalls 1995 bestritt er sein erstes Spiel für die Nationalmannschaft der Türkei. 41 weitere Einsätze im Trikot der Türkei sollten mit insgesamt zwei Treffern folgen, unter anderem bei der EM in England (1996) und der EM in Belgien/den Niederlanden wirkte er mit.
In seiner Zeit in der Türkei machte Korkut die Bekanntschaft eines Trainers, zu dem er bis heute ein „sehr enges“ Verhältnis hat, wie er berichtet. Joachim Löw. Der spätere Weltmeistertrainer trainierte Fenerbahce in der Saison 1998/99. Gemeinsam gewannen Löw und Korkut den türkischen Pokal und schrammten nur knapp an der Meisterschaft vorbei.
Im Jahr 2000 wechselte Korkut dann nach Spanien, wo er zunächst drei Jahre bei Real Sociedad San Sebastian und später für ein Jahr bei Espanyol Barcelona spielte. Aus Hertha-Sicht sind diese knapp vier Jahre in Spanien von großer Bedeutung: Wie in unser Sprach-Analyse bereits berichtet, sprechen viele Hertha-Spieler romanische Sprachen, wie beispielsweise Spanisch und Französisch.
Auf der heutigen PK betonte auch Bobic, dass Korkuts Sprachkenntnisse in der Kommunikation mit der Mannschaft von Vorteil sein könnten. Bis heute fühlt sich Korkut in Spanien zuhause, sagte er vor einigen Jahren in einem Interview. Nach einer weiteren Station bei Besiktas Istanbul beendete Korkut seine Spielerkarriere schließlich im Jahr 2006 bei Genclerbirligi Ankara.
Korkuts Trainerkarriere begann im Jugendbereich. Zunächst trainierte er die A-Jugend von San Sebastian, bevor er zurück nach Deutschland kehrte, um die B-Jugend der TSG Hoffenheim zu übernehmen. In Hoffenheim verbrachte Korkut zwar nur eine Saison, machte hier aber auch dort wichtige Bekanntschaften. Profi-Trainer war damals Ralf Rangnick, A-Jugend-Trainer war Markus Gisdol und in seiner Mannschaft spielten unter anderem Seat Kolasinac und Kenan Karaman. Korkut belegte den achten Bundesliga-Platz der Staffel Süd/Südwest mit seiner Mannschaft.
Erste Trainerstationen gemeinsam mit Bobic und Aracic
Nach dieser Saison kam es zum zweiten Aufeinandertreffen mit Bobic. Herthas heutiger Geschäftsführer war im Juli 2010 zum Sportdirektor des VfB Stuttgart berufen worden. Eine seiner ersten Tätigkeiten: Tayfun Korkut für die A-Jugend des VfB abwerben. Auch hier war Korkut wieder erfolgreich und wurde in seiner Bundesliga-Staffel Vierter.
Wie schon als Spieler wechselte Korkut im Januar 2012 dann aber auch als Trainer zunächst ins Ausland, um als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft seinen ersten Profi-Vertrag im Trainerbereich zu unterzeichnen. Die Türkei hatte wenige Wochen zuvor die Qualifikation für die EM 2012 verpasst. Gemeinsam mit Abdullah Avci sollte Korkut die Türkei zur WM 2014 führen – diese Mission missglückte allerdings. Weil das Team in der Qualifikation schon früh hinter den Erwartungen zurückblieb, wurden Avci und Korkut entlassen.
💬 @FrediBobic1971: Ich kenne ihn schon sehr lange, unser Kontakt aus Stuttgarter Zeiten ist nie abgerissen. Ich schätze ihn als Teamplayer, der Menschen begeistern kann. Ich bin überzeugt davon, dass er in dieser Situation genau der Richtige ist.#HaHoHe
Nur wenige Wochen später, im Dezember 2013, sollte Korkut dann aber seinen bislang erfolgreichsten Trainerposten antreten – bei Hannover 96 in der Bundesliga. Dort lernte er auch Herthas heutigen Kaderplaner Dirk Dufner kennen. 96 stand mit 18 Punkten zum damaligen Zeitpunkt auf dem 13. Tabellenplatz. In der Rückrunde schaffte es der Deutschtürke dann allerdings, dem Team neues Leben einzuhauchen. 24 Punkte holte Hannover in der Rückrunde und wurde Zehnter. Die Hinrunde der darauffolgenden Saison verlief mit erneuten 24 Zählern ebenso erfreulich.
Dann allerdings begann eine Niederlagenserie: Am vorletzten Spieltag stand Korkuts Mannschaft mitten im Abstiegskampf und musste um den Ligaerhalt zittern. Nur drei Tage vor Saison beurlaubte der Verein Korkut. Nach einem Jahr ohne Anstellungen heuerte Korkut dann beim damaligen Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern an. Schon nach der Hinrunde ging man aber getrennte Wege: Der FCK befand sich damals nur wenige Punkte entfernt von den Abstiegsrängen.
Fan-Austritte nach Korkut-Verpflichtung in Stuttgart
Im März 2017 übernahm Korkut dann eine ähnliche Aufgabe wie nun bei Hertha. Bis zum Saisonende sollte er die Mannschaft von Bayer 04 in höhere Tabellenregionen führen. Bayer hatte kurz zuvor Roger Schmidt als Trainer entlassen, weil sich die Werkself rund um den 10. Tabellenplatz festgespielt hatte – zu wenig für Leverkusener Ansprüche. Mit Korkut wurde es allerdings noch schlechter: Am letzten Spieltag konnte man Hertha zwar mit 6:2 besiegen, landete aber schlussendlich auf Rang 12. Korkuts kurzer Vertrag wurde nicht verlängert.
Bei seiner nächsten Trainerstation in Stuttgart (ab Januar 2018) zeigte sich ein ähnliches Muster wie in Hannover. Korkut übernahm den VfB im unteren Tabellendrittel und führte das Team direkt zum Erfolg: Aus den verbleibenden 14 Spielen holte er damals 31 Punkte, darunter ein 4:1-Sieg in München. Stuttgart verpasste nur knapp die europäischen Ränge, Korkuts Vertrag wurde um zwei Jahre verlängert. Auch in diesem Fall folgte dann aber ein Absturz: In der Folgesaison sammelten Korkut und der VfB aus den ersten sieben Ligaspielen nur fünf Zähler, der VfB war Letzter, Korkut wurde entlassen. Insgesamt war Korkuts Tätigkeit für den VfB ein Wechselbad der Gefühle. Kurz nach seiner Einstellung kündigten zahlreiche Fans ihre Mitgliedschaft – auch weil sie nicht davon überzeugt waren, dass Korkut nach recht erfolglosen Stationen in Hannover und Leverkusen den Klassenerhalt schaffen würde.
In den vergangenen drei Jahren war Korkut ohne Trainerjob. Auf der heutigen Hertha-Pressekonferenz erklärte er, dass er sich in dieser Zeit viel um seine drei Kinder gekümmert habe, aber auch „ohne Druck“ dem Ligageschehen gefolgt sei. Er starte den neuen Job nun „voller Energie“. „Es tut gut, hier zu sitzen“, so Korkut wörtlich. Welche fußballerischen Strategien der Deutschtürke bei Hertha einschlagen wird, wollte Korkut nicht verraten. Nur so viel: „Der Ansatz ist immer gleich: Spiele gewinnen!“ Bei seinen erfolgreichen Trainerstationen zeichnete sich Korkut allerdings dadurch aus, dass er jeweils brüchige Abwehrketten stabilisierte. Interessant ist auch, dass er insbesondere beim VfB des Öfteren zwei Strafraumstürmer aufstellte, was bei Hertha in der Regel nicht praktiziert wird.
Herthas personifizierter Derby-Albtraum wird Co-Trainer
Beachtenswert ist übrigens auch die Einstellung von Ilja Aracic, der ab sofort Co-Trainer bei Hertha ist. Aracic fügte Hertha im Jahr 1998 eine der empfindlichsten Derby-Niederlagen zu – im Trikot von Tennis Borussia. Im DFB-Pokal-Viertelfinale schoss er beim 4:2 für TeBe zwei Tore.
Kurze Zeit später wechselte er dann aber zu Hertha und spielte dort unter Jürgen Röber zwei sehr erfolgreiche Saisons, unter anderem in der Champions League. Korkut und Aracic lernten sich 2012 beim VfB Stuttgart kennen – Aracic übernahm nach Korkuts Abgang in die Türkei die A-Jugend des VfB.
Am kommenden Wochenende steht für Herthas neue Trainingsleiter somit gleich ein besonderes Spiel ins Haus: Denn nach wie vor wohnt ein Großteil seiner Familie in unmittelbarer Nähe zum Stuttgarter Stadion.
Am kommenden Samstag steht in Köpenick das neunte Pflichtspiel-Derby zwischen Union und Hertha an. Doch Berliner Derbys haben eine viel längere Geschichte: Insbesondere in den 80er- und 90er-Jahren gab es in beiden Stadtteilen spannende Duelle. Wir haben uns ein paar Highlights aus den vergangenen 43 Jahren herausgesucht.
22. Mai 1968, Union Berlin vs. Vorwärts Berlin (2:1)
Den 1. FC Union gibt es in seiner jetzigen Form erst seit 1966. Zuvor hatte es in Oberschöneweide mehrere Fusionen, Zusammenschlüsse aber auch Trennungen von Vereinen gegeben, die heute als Vorgänger-Klubs von Union gelten. Leicht hatte es der Verein in der DDR nicht, denn das Regime unterstützte mit aller Kraft Vorwärts Berlin. Die meisten begabten Spieler endeten in der Kaderschmiede von Vorwärts. Ohnehin mischte sich der Staat regelmäßig in den Profifußball ein – so wurden die protegierten Klubs einige Male einfach in eine andere Stadt verlegt. Vorwärts startete beispielsweise in Leipzig, wurde dann nach Berlin verlegt und später nach Frankfurt (Oder). Der heutige BFC Dynamo geht aus einem Ableger von Dynamo Dresden hervor.
Union hingegen galt in der DDR von vorn herein als Verein des Volkes, als Anti-Establishment. Allerdings etablierten sich die Köpenicker schnell in der DDR-Oberliga und nur zwei Jahre nach der Klubgründung kam es zu einem der größten Erfolge der Vereinsgeschichte – dem Gewinn des DDR-Pokalwettbewerbs (FDGB-Pokal). Im Finale besiegte man den amtierenden DDR-Meister Carl-Zeiss-Jena. Zu einem Berlin-Derby kam es aber schon im Halbfinale, als Union gegen den Staatsklub Vorwärts im Halbfinale 2:1 gewann. Bis heute feiern die Köpenicker ihre Pokalhelden.
In den folgenden Jahrzehnten kam es in der DDR-Oberliga zu zahlreichen Derbys zwischen Union, dem BFC Dynamo sowie Vorwärts. Die meisten der Spiele wurden jedoch von Dynamo dominiert. Insbesondere in den 1970er und 1980er-Jahren profitierte Dynamo von der Unterstützung des Regimes und wurde quasi zum Serien-Meister der DDR. Union gelang es dagegen nie, die DDR-Oberliga zu gewinnen.
16. November 1974, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (0:3)
Auf westberliner Seite wurde Hertha in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg zur stärksten Berliner Mannschaft. In 1970er-Jahren kam es dann allerdings zum einzigen Berliner Derby auf Bundesliga-Ebene bis zum Unioner Aufstieg vor ein paar Jahren. In der Saison 1973/1974 hatte Tennis Borussia damals noch über die zweitklassige Regionalliga den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Das erste Aufeinandertreffen der beiden Teams sollte zum Spektakel werden: Eigentlich hätte TeBe ein Heimspiel gehabt, doch das Interesse in der Bevölkerung an dem Match war riesig – und so wurde die Partie ins Olympiastadion verlegt und fand vor 75.000 Zuschauern statt.
Gegen die in der Saison 1974/1975 extrem stark aufspielende Hertha hatte der Aufsteiger jedoch keine Chance – Hertha gewann 3:0, „Ete“ (Erich) Beer erzielte zwei der Treffer. Hertha hatte damals einen schlagkräftigen Kader zusammen: Neben Beer gehörten dem Team auch Spieler wie Wolfgang Sidka oder Uwe Kliemann an. Die Mannschaft wurde in dieser Saison sogar Zweiter hinter Borussia Mönchengladbach. TeBe stieg als Vorletzter ab. Allerdings verbrachte die Mannschaft nur ein Jahr in der damals neu gegründeten 2. Bundesliga: Die Saison 1975/76 schloss TeBe als Tabellenführer ab, und so kam es 1976 und 1977 zu zwei weiteren Bundesliga-Derbys zwischen Hertha und Tennis Borussia – eines davon (16. April 1977) konnte Tennis Borussia sogar für sich entscheiden. Aber auch nach dieser Saison reichte es für TeBe nicht für den Klassenerhalt.
18. Februar 1984, SC Charlottenburg vs. Hertha BSC (1:0)
Nach der Saison 1982/1983 stieg auch Hertha aus der Bundesliga ab. Die kommenden Zweitliga-Jahre wurden für Westberliner Fußball-Fans ein reines Derby-Festival. Denn nicht nur Hertha und Tennis Borussia trafen mehrfach aufeinander. Vielmehr sorgte in den 80er-Jahren auch Blau-Weiß 90 für Aufsehen. Und – wer hätte es gedacht? – auch der SC Charlottenburg verbrachte ein Jahr in der 2. Bundesliga.
Gegen die frisch abgestiegenen Herthaner kam es im August 1983 zum ersten Derby der beiden Charlottenburger Teams, das 1:1 unentschieden endete. Im ausverkauften Mommsenstadion gab es in der Rückrunde dann die riesige Überraschung: Der SCC besiegte Hertha mit 1:0. Übrigens: Im Tor des SCC stand damals ein gewisser Andreas Köpke, der nach dem direkten Abstieg der Charlottenburger zu Hertha wechselte.
16. März 1985, Blau-Weiß 90 vs. Hertha BSC (0:2)
In der Saison 1984/1985 deutete sich dann erstmals die zwischenzeitliche Wachablösung im westberliner Fußball an. Das Mariendorfer Team Blau-Weiß 90 war zuvor in die 2. Liga aufgestiegen. Hertha war im zweiten Zweitliga-Jahr immer noch eines der finanzstärksten Teams der Liga und hatte mit Spielern wie beispielsweise Andy Köpke und Horst Ehrmanntraut auch einen absolut bundesligatauglichen Kader zusammen. Doch die Charlottenburger setzten sich während der Saison im Tabellenmittelfeld fest.
In der Rückrunde kam es dann im schlecht besuchten Olympiastadion zu einem der letzten Siege der Herthaner dieser Saison, als Blau-Weiß mit 2:0 besiegt wurde. Für die Mariendorfer ging es anschließend bergauf, für Hertha bergab. Auf Platz 14 konnte man den Abstieg nur knapp vermeiden, Blau-Weiß wurde Siebter. In der darauffolgenden Saison sollte aber alles noch viel schlimmer kommen für Hertha.
8. Mai 1986, Blau-Weiß 90 vs. Tennis Borussia (1:2)
Drei Berliner Mannschaften in einer Profiliga – das hat es bislang nur in der Saison 1985/1986 gegeben. Tennis Borussia war zuvor gerade wieder aus der Regionalliga aufgestiegen, Hertha und Blau-Weiß 90 waren schon vorher in der 2. Liga. Blau-Weiß-90 war inzwischen aus der Mariendorfer „Rathausritze“ ins Olympiastadion gezogen, das man sich im 2-Wochen-Takt mit Hertha teilte. Tennis Borussia spielte im Mommsenstadion, wobei auch einige Derbys mit TeBe-Beteiligung ins Olympiastadion verlegt wurden.
Was sich in der Vorsaison bereits angedeutet hatte, wurde in dieser Saison bitte Wahrheit. Hertha spielte eine schlechte Runde, obwohl man kein einziges Derby verlor. Blau-Weiß hingegen wurde im Saisonverlauf immer stärker und hatte am letzten Spieltag gegen Tennis Borussia die Chance, den direkten Aufstieg in die Bundesliga zu sichern. Das Spiel gegen das schon abgestiegene Team von TeBe verlor man zwar 1:2 – weil aber Fortuna Köln gegen den Karslruher SC nicht über ein Unentschieden hinauskam, stieg Blau-Weiß 90 direkt auf. Hertha hingegen kämpfte mit Freiburg im Fernduell um den Klassenerhalt. Da das eigene Spiel in Aachen allerdings mit 0:2 verloren ging, brachten alle Rechenbeispiele nichts mehr – Hertha war fortan drittklassig.
Allerdings: Auch für Blau-Weiß 90 sollte das Abenteuer Bundesliga schnell wieder zu einem bitteren Ende kommen. Mit einer miserablen Punktebilanz von 18:50 wurde man Letzter. Für viele Jahre musste die Bundesliga in der Folge wieder ohne Berliner Teams auskommen. Hertha jedenfalls blieb zwei Saisons lang drittklassig. Erst im Juni 1988 folgte der Wiederaufstieg in Liga 2, wo es erneut zu einigen Duellen mit Blau-Weiß 90 kam. Das folgende Youtube-Video gibt die Fußball-Stimmung im damaligen Westberlin ganz gut wieder:
27. Januar 1990, Hertha BSC vs. Union Berlin (2:1)
Eigentlich haben wir uns hier bislang nur Pflichtspielen gewidmet. Es gibt allerdings ein Derby, das sowohl aufgrund seiner Geschichtsträchtigkeit als auch wegen der aktuellen Rivalität zwischen Hertha und Union erwähnt werden muss. Ende Januar 1990, nur wenige Wochen nach dem Fall der Mauer, trafen sich Hertha und Union zu einem symbolischen Freundschaftsspiel im Olympiastadion vor rund 52.000 Zuschauern. Schon in den letzten Jahren vor der Wende hatte sich zwischen Hertha und Union über die Grenze hinweg eine tiefe Fan-Freundschaft entwickelt. Das Unioner Fanlager leibäugelte wohl nicht zuletzt wegen seiner Ablehnung gegenüber dem DDR-Regime mit dem West-Klub. Als Hertha Ende der 1970er-Jahre Europapokal-Spiele in Osteuropa bestritt, reisten teilweise sogar Unioner an, um die Blau-Weißen zu unterstützen.
Das Spiel am 27. Januar geriet somit zur Nebensache. Fans beider Lager lagen sich in den Armen und feierten die Zusammenführung Berlins.
8. Juni 1991, Union Berlin vs. FC Berlin (1:0)
Union hatte es schwer in den Jahren vor und nach der Wende. Aus der aufgelösten DDR-Oberliga gingen nur zwei Teams in die Bundesliga, die meisten Ost-Teams aus der Oberliga und der DDR-Liga (2. Liga) mussten in einer Qualifikationsrunde um insgesamt sechs Plätze in der 2. Bundesliga kämpfen. Union belegte in der letzten DDR-Liga-Saison den ersten Platz und sicherte sich somit die Beteiligung an der Relegation zur 2. Bundesliga. Im Juni 1991 folgten dann die Relegationsspiele, unter anderem trat Union gegen den FC Berlin an, die Nachfolger-Mannschaft des BFC Dynamo. Das erste Spiel gewann Union zwar knapp mit 1:0, im Rückspiel verloren die Köpenicker allerdings. Aufsteigen konnte keines der beiden Berliner Teams, vielmehr belegte Stahl Brandenburg Platz 1 der Relegationsgruppe.
Die restlichen 1990er-Jahre waren eine harte Zeit für den FCU – sportlich und auch wirtschaftlich. Mehrfach verpasste man den Aufstieg in die 2. Liga. Trotz einer drohenden Insolvenz konnte sich das Team aber stetig in der Regionalliga halten, wo es in den 1990er Jahren zu mehreren Berlin-Duellen mit dem BFC Dynamo kam, der dann auch wieder seinen alten Namen trug. Erst 2009 stiegen die Köpenicker dann in die 2. Liga auf.
28. Oktober 1998, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (4:2)
In Westberlin deutete sich Ende der 1990er-Jahre für kurze Zeit nochmals eine neue, spannende Stadtrivalität auf Augenhöhe an. Tennis Borussia war in der Saison 1997/1998 mit Trainer Hermann („Tiger“) Gerland in die 2. Bundesliga aufgestiegen und spielte dort eine starke Saison. Im Oktober 1998 belegte TeBe zwischenzeitlich Platz 1 der 2. Liga – und genau zu dieser Zeit kam es im Achtelfinale des DFB-Pokals zum Berlin-Derby. Hertha war zu dieser Zeit ebenfalls gut unterwegs in der Bundesliga, am Ende der Saison belegte das Team von Jürgen Röber sogar Platz 3 und qualifizierte sich direkt für die Champions League.
Doch an jenem 28. Oktober 1998 war TeBe schlichtweg zu gut für Hertha. Gerlands Mannschaft (u.a. mit Spielern wie Ilja Aracic und Francisco Copado) führte schon zur Halbzeit 2:1 und brachte den Sieg vor einer begeisterten Kulisse im Olympiastadion und nach einem Feuerwerk zu Beginn des Spiels sicher über die Ziellinie. Hertha musste allerdings nur ein Jahr warten, um sich zu revanchieren: Auch in der darauffolgenden DFB-Pokalsaison traf man auf Tennis Borussia, dieses Match entschied Hertha jedoch nach einer Nachspielzeit 3:2 für sich.
17. September 2010, Union vs. Hertha BSC (1:1)
Weil Hertha nach einer dramatisch schlechten Saison 2009/2010 abstieg, kam es im Herbst 2010 zum ersten Pflichtspiel zwischen Hertha und Union. Nach einer frühen Führung durch ein Kopfballtor von Peter Niemeyer entwickelte sich ein offenes, rassiges Spiel. Kurz vor Schluss erzielte Union dann per Fernschuss doch noch das 1:1. Das Rückspiel ging im Olympiastadion sogar 1:2 verloren. Bis heute kam es in Liga eins und zwei zu insgesamt sieben Derbys zwischen den Köpenickern und Hertha: drei Siege für Hertha, zwei für Union und zwei Unentschieden. Wie und woher sich die heute existierende tiefe Abneigung zwischen den beiden Fanlagern ergeben hat, kann wohl niemand vernünftig erklären.
Schon im ersten Spiel, im Herbst 2010, war von der tiefen Freundschaft, die noch während der Wende-Jahre existierte, keine Spur. Herthas Anhänger zündelten mit Feuerwerkskörpern und nach dem Rückspiel feierte sich Union als „Stadtmeister“, was angesichts der Tabellensituationen der beiden Klubs natürlich eine reine Provokation war. Denn: Hertha stieg direkt in die Bundesliga auf, die Köpenicker mussten noch einige Jahre in der 2. Liga verweilen, bis es dann am 2. November 2019 zum ersten erstklassigen Duell der beiden Vereine kam.
2. November 2019, Union vs. Hertha BSC (1:0)
Tabellenvierzehnter Hertha hatte nur einen Punkt mehr als Union und lag auf Platz elf. Die Stimmung in der Stadt vor diesem Derby war angespannter als bei den Zweitligaspielen. Erstmals hatten wir Herthaner das Gefühl, dass Union leistungsmäßig nicht mehr meilenweit von uns entfernt ist. Der über Jahrzehnte antrainierte Abstand zwischen Hertha und Union war auf einmal nicht mehr da – mit einem Sieg konnten die Köpenicker sogar an Hertha vorbeiziehen. Für miese Stimmung im Vorfeld der Saison hatte zudem auch Unions Präsident Dirk Zingler gesorgt. Nach Herthas Vorschlag, das Berlin-Derby am Tag der Einheit auszurichten, reagierte Zingler mit ablehnend aggressiven Worten – es gehe um „Klassenkampf“ und „Stadtrivalität“, deswegen wolle man das Derby nicht. Eine britische Internet-Dokumentation, die ein paar Monate nach diesem ersten Bundesligaspiel veröffentlicht wurde, beschreibt die Stimmung, die seit damals in der Stadt herrscht, sehr gut.
Das Spiel selbst ist schnell wiedergegeben. Beide Mannschaften leisteten sich ein sehr kampfbetontes, Highlight-armes Match, in dem die Köpenicker kurz vor Schluss einen schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen bekamen. Sebastian Polter verwandelte den Strafstoß, Union zog an Hertha vorbei. Die oben beschriebene, explosive Stimmung zeigte sich dann aber auch während des Spiels im Stadion. Erst schossen aus dem Hertha-Block Pyro-Raketen in Richtung Unioner Auswechselbank und später stürmten zahlreiche vermummte Köpenicker den Platz. Das Spiel musste mehrfach unterbrochen werden. Ein sportlich dünnes Derby, das für mehr Skandale als schöne Momente sorgte, endete mit 1:0 für die “Eisernen”.
4. Dezember 2020, Hertha BSC vs. Union (3:1)
Nach dieser ersten Niederlage hat Hertha in der Bundesliga nicht mehr gegen Union verloren. Im Rückspiel der Saison 2019/2020 gewann Hertha fulminant durch ein 4:0. Im Dezember 2020 stand dann ein Derby an, das wegen der Coronavirus-Pandemie im Olympiastadion leider ohne Zuschauer stattfinden musste. Die Clubführung hatte es sich zum Ziel gesetzt, das Derby näher heranzurücken an die Fans und startete wenige Tage vor dem Spiel eine Berlin-weite PR-Kampagne. Über Nacht wurden an fast allen Hauptverkehrsstraßen in Berlin blau-weiße Fahnen am Straßenrand aufgestellt. Außerdem wurde ein neuer Hertha-Somg veröffentlicht („Wo die Fahnen blau-weiß wehen“).
Das Spiel hatte es in sich. Union ging recht früh in Führung. Nur wenige Minuten später flog allerdings Robert Andrich vom Platz, weil er Lucas Tousart per Karatekick attackierte. Widerlich ist übrigens, dass sich die Union-Fans für diesen Kick und die rote Karte im Anschluss des Spiels feierten. Schön wiederum ist, dass Hertha die Überzahl nutzte. Insbesondere Krzysztof Piatek trumpfte auf und verwandelte zwei Vorlagen, sodass Hertha das Spiel mit 3:1 gewann. Für ein besondere Highlight hatte aber schon zuvor Petr Pekarik gesorgt, der mit seinem 1:0 quasi das Bundesliga-Logo nachstellte.
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