Die Talentschmiede von Hertha BSC zählt zweifelsohne zu den besseren in der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt die Mittelstädts, die sich langfristig bei der Alten Dame durchsetzen konnten, es gibt die Boatengs, die eine riesige Weltkarriere starteten und zwischenzeitlich zu den besten Spielern der Welt gehörten und es gibt die, die einen etwas anderen Weg eingeschlagen haben. Er galt zwischenzeitlich als gescheitert. Doch mittlerweile spielt sich Hany Mukhtar wieder in den Fokus. Was macht das ehemalige Berliner Juwel eigentlich?
Das erste und letzte Mal
Im Juli 2016 war es soweit. Hany Mukhtars Einwechslung in der 58. Minute war perfekt. Sein erster Europa-League-Einsatz. Das Publikum im ausverkauften Berliner Jahn-Sportpark klatschte freundlich. Großartige Akzente konnte er im Qualifikationsspiel zwischen Hertha BSC und Bröndby IF nicht mehr setzen, in dem Hertha einen 1:0-Sieg über die Zeit rettete.
Ganz anders im Rückspiel in Kopenhagen nur wenige Wochen später. Mit einer Torvorlage und mächtig Wirbel in der Offensive verdiente sich der Sohn eines sudanesischen Vaters die Kicker-Note 2,0. Nach einer 1:3 Niederlage musste Hertha früh die Segel streichen, während es für Mukhtar noch eine Runde weitergehen sollte, ehe auch er sich aus dem Wettbewerb verabschieden würde. Zu der Zeit war er schon lange kein Spieler von Hertha BSC mehr. Als Profi von Bröndby IF war dieser Auftritt allerdings der bis heute Letzte, der seinen Weg mit Hertha kreuzte.
Unspektakulärer Start für Mukhtar
Hany Mukhtar galt als riesiges Talent, ein Kreativspieler, der 2012 dem biederen Jos Luhukay-Fußball einen frischen Anstrich hätte verleihen können. Es war die zweite Saison seit 2010, die die Berliner in der 2. Bundesliga verbringen mussten. Mit Raffael verließ im Sommer der wichtigste Kreativspieler der letzten Jahre den Verein.
Als Ersatz für diesen sollte ausgerechnet sein Bruder Ronny fungieren. Dessen Position war nie wirklich definiert. Der Brasilianer schaffte es weniger wegen seiner Kreativität, sondern viel mehr dank seines brachialen Schusses für Aufmerksamkeit und Tore zu sorgen und spielte sich als Stammspieler auf der Zehner-Position fest.
Mit Änis-Ben Hatira gab es einen weiteren Berliner Jungen im Kader der Offensive. Doch auch seine Kreativität fiel langen Verletzungspausen zum Opfer. Also eigentlich alles wie gemacht für ein künstlerisches Talent. Der Pool der möglichen Debütanten der Hertha, so muss man zugeben, platzte 2012 nicht gerade aus allen Nähten. Bei einem Blick auf den damaligen Kader der 2. Mannschaft muss man registrieren, dass sich von den Feldspielern lediglich Robert Andrich nachhaltig in der Bundesliga etablieren konnte.
Am 7. Spieltag der Saison 2012/2013 feierte Hany Mukhtar gegen Dynamo Dresden sein Profidebüt. Bis zum Ende der Saison, an dem der Wiederaufstieg in die Bundesliga verzeichnet werden konnte, kamen für ihn sechs weitere Einsätze hinzu. Mehr als Kurzeinsätze sollten es jedoch nicht sein. Sein Spielstil war kreativ und nett anzusehen, allerdings alles andere als ertragreich.
Verletzungen, undankbare Spiele und ein goldener Sommer
Auch in der folgenden Bundesliga-Saison konnte er sich nicht nachhaltig durchsetzen. Zunächst verpasst er den Beginn der Saison durch einen Außenbandriss, eher er im Verlauf des Spieljahres von Luhukay den ein oder anderen Einsatz bekam.
Seine Spielzeiten wurden zwar länger, doch bei Niederlagen gegen den FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen wussten weder er, noch die Mannschaft zu überzeugen. Am 34. Spieltag durfte das Talent seinen ersten Einsatz über die volle Distanz feiern. Gegen Borussia Dortmund gab es mit einem 0:4 allerdings die obligatorische Saisonabschluss-Klatsche für die Hertha.
Am Ende der Saison 2013/2014 standen zehn Einsätze zu Buche. Eine Torbeteiligung gelang ihm nicht. Diese sollte ihm aber wenige Wochen später im Finale der U19-Europameisterschaft gegen Portugal gelingen. An der Seite von Niklas Stark und Davie Selke erzielte er den Siegtreffer.
Kein Vertrauen von Jos Luhukay, Jugendtrainer Pal Dardai knapp verpasst
In der Transferphase zur Saison 2014/2015 kam mit Genki Haraguchi, Valentin Stocker, Roy Beerens und insbesondere Salomon Kalou enorm starke Offensivpower dazu. Die Einsatzchancen für ein interessantes, bisher aber nicht zu überzeugen wissendes Talent wie Hany Mukhtar, sollten sich auf ein Minimum reduzieren. Bis zur Winterpause erhielt er keine einzige Minute mehr.
“Junge Spieler wie Hany reinzubringen, wenn das Gerüst fehlt, ist schwer”, sagte Jos Luhukay damals. In der Tat stand es um die Mannschaft alles andere als gut. Nach einem 0:5 gegen die TSG 1899 Hoffenheim am 17. Spieltag stand das Team auf Platz 13 und nur zwei Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt.
Die Situation sollte sich in den nächsten Wochen weiter verschärfen. Jos Luhukay wurde nach einer Sieglosserie und einem 0:1 gegen Bayer 04 Leverkusen nach dem 19. Spieltag entlassen. Pal Dardai, als großer Jugend- und Mukhtar-Förderer bekannt, übernahm die Mannschaft auf dem letzten Platz. Da war Hany Mukhtar allerdings seit drei Wochen schon bei Benfica Lissabon. Seinen ehemaligen Mentor hatte er somit knapp verpasst.
Schwere Jahre in Portugal und Österreich für Mukhtar
Für 500.000 Euro wechselte der Mittelfeldspieler zu Benfica Lissabon. Aber auch in Portugal konnte er sich nicht durchsetzen. In einem mit vielen Kreativspielern gespickten Team kam Mukhtar lediglich zu einem 15-minütigen Kurzeinsatz. Immerhin konnte er sich am Ende dieser Saison offiziell Portugiesischer Meister nennen. Im Sommer ließ sich der Juniorennationalspieler nach Österreich verleihen.
Und die Zeit bei Red Bull Salzburg begann mit einem ersten Ausrufezeichen. Direkt im ersten Einsatz sollte ihm eine Torvorlage gelingen. Doch wieder einmal konnte sich Mukhtar nicht entscheidend durchsetzen und verzeichnete lediglich Kurzeinsätze. Am Ende der Saison stand er 13 Mal auf dem Platz. Immerhin gelang ihm sein erstes Ligator. Zwei Einsätze im Österreichischen Pokal kamen hinzu.
Auch nach dieser Saison konnte das ehemalige Hertha-Talent Titel feiern. Er war Liga – und Pokalsieger. Drei Torbeteiligungen in 15 Einsätzen überzeugten die Klubführung allerdings nicht, weshalb man von einer festen Verpflichtung absah.
Der Durchbruch in Dänemark
Im Sommer 2016 wechselte Hany Mukhtar für eine kolportierte Ablösesumme von 2,5 Millionen Euro zum dänischen Verein Bröndby IF. Mit 21 Jahren galt er durchaus noch als ein Talent. Allerdings wurde das öffentliche Interesse an seiner Person zunehmend ruhiger. Seine bisherigen Einsatzzeiten waren nicht die erhofften, wenngleich seine Vita und Titelsammlung für einen Fußballer in seinem Alter mehr als beachtenswert waren.
Der nächste Tapetenwechsel zündete. In Dänemark blieb er weitgehend verletzungsfrei und neben den Einsatzzeiten stimmte auch endlich der Ertrag. In wettbewerbsübergreifend 38 Einsätzen gelangen ihm 20 Torbeteiligungen. Er entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem der besten Spieler der dänischen Superligaen. In den Scorerlisten fand man ihn in seinen ersten beiden Jahren jeweils unter den besten zehn Spielern der Liga.
Und auch seine Titelsammlung konnte er 2018 mit dem Sieg des Sydbank Pokalen, dem nationalen Pokalwettbewerb, erweitern. Im Finale gegen Silkeborg IF steuerte er beim 3:1 zwei Vorlagen bei. Bis zum Ende des Jahres 2019 gelangen dem ehemaligen Hertha-Talent wettbewerbsübergreifend in Dänemark in 134 Spielen 28 Tore und 36 Assists.
Der Lockruf aus den USA
Im Winter 2020 wechselte der heute 26-Jährige für 2,7 Millionen Euro zum neuen amerikanischen Franchise Nashville SC, aus dem US-amerikanischen Bundesstaat Tennessee, in die MLS. Aus dem ehemaligen Talent ist mittlerweile ein gestandener Profi geworden.
Das Team aus Nashville wurde um ihn aufgebaut und Mukhtar gilt neben seiner Funktion als Führungsspieler mittlerweile als absoluter Star der MLS. Im ersten Jahr schaffte es das Team bis in das Viertelfinale der Playoffs. Die Chancen, in diesem Jahr noch weiter zu kommen, standen nicht schlecht. Mukhtar und Nashville mussten sich im Halbfinale allerdings gegen Philadelphia Union geschlagen geben. Der Ex-Herthaner hatte auch in diesem Spiel getroffen, das Elfmeterschießen verlor man jedoch.
Hany Mukhtar schießt Tore am laufenden Band, ist der Star der Liga und gilt bei den Amerikanern als absoluter MVP. Massig Skill- und Tor-Videos sind auf den einschlägigen Plattformen im Netz zu sehen. Den schnellsten Hattrick der MLS-Geschichte erzielte er und 37 Torbeteiligungen in 51 Spielen seit seiner Ankunft in den USA sprechen eine deutliche Sprache.
It took Hany Mukhtar 10 minutes to score.
— Nashville SC (@NashvilleSC) July 18, 2021
It took him 6 minutes to make history 🎩 pic.twitter.com/BFIvHe9zVP
Eine mögliche Mukhtar-Rückkehr nach Deutschland?
Hany Mukhtars Leistungen sind in Europa nicht verborgen geblieben. Und insbesondere die Fans von Hertha BSC verfolgen gespannt, wie es um den einstigen Sohn des Vereins bestellt ist. Die Bindung zu seinem Jugendverein besteht immer noch und die Bundesliga scheint für ihn noch nicht abgehakt. Doch aktuell genießt er die Zeit in den USA.
Es ist wie damals 2012. Hertha BSC fehlt die Kreativität im Mittelfeld. Die Situation ist brenzlig und man treibt gesichtslos in unruhigen Gewässern. Möglicherweise würde in einer ruhigeren Situation der Name Hany Mukhtar bei Hertha gar nicht fallen, aber jemanden mit Kreativität und guter Laune sollte man in Berlin nicht ignorieren. Schon gar nicht, wenn es um einen Berliner Jungen geht und Identifikationsfiguren dieser Tage händeringend gesucht werden.
[Titelbild: Brett Carlsen/Getty Images]