Kommentierende Analyse – Wie könnte sich Hertha unter Carsten Schmidt verändern?

Kommentierende Analyse – Wie könnte sich Hertha unter Carsten Schmidt verändern?

Mit Carsten Schmidt hat sich unsere Hertha einen der bekanntesten TV-Manager Deutschlands ins Boot geholt. Warum die oftmals beschriebene Entmachtung Michael Preetz‘ nicht zutreffend ist, in welchen Bereichen Schmidt Hertha helfen kann und was sich zum Negativen verändern könnte, beschreibt Benjamin Rohrer in einer Analyse.

Besonders in den heutigen Zeiten sehr wichtig zu erwähnen: Es handelt sich hierbei um eine Analyse, da journalistisch-investigativ gearbeitet wurde, allerdings steckt auch Meinung in diesem Artikel. Wir bitten, das zu berücksichtigen, da es bei unserem Artikel zu Jens Lehmann, der klar als Kolumne gekennzeichnet ist, zu Missverständnissen kam.

Schmidts Anfänge in der Branche

Hertha BSC hat einen neuen Chef. Carsten Schmidt heißt er und war zuletzt für den Fernsehkonzern Sky tätig. Aber wer ist dieser Carsten Schmidt eigentlich? Und wie könnte er Hertha BSC verändern? Dazu zunächst ein kleiner Blick in Schmidts Vergangenheit: Schmidt wurde 1963 im niedersächsischen Lüneburg geboren. Sein Abitur bewältigte er in Winsen an der Luhe, anschließend zog es ihn nach München, um einige Jahre später an der dortigen Fachhochschule sein Studium als Diplom-Betriebswirt abzuschließen.

Schmidt blieb in München und begann seine Karriere bei dem Sportmedien-Dienstleister Wide Media, wo er zwischen 1992 und 1999 Geschäftsführer für die Bereiche Marketing und Television war. Im Juli 1999 begann Schmidt seine Karriere im Sky-Konzern, der damals noch unter dem Namen Premiere firmierte. Zwischen 2006 und 2015 war er Geschäftsbereichsleiter und somit Vorstandsmitglied bei Sky, zuständig für die Ressorts Sport, Werbezeitenvermarktung und Internet zuständig. Als es 2015 den damaligen Sky-CEO Brian Sullivan zurück in die USA zog, wurde Schmidt zum neuen Konzernchef. Innerhalb des Vorstands verantwortete er den Bereich der Sportsender und des Sportrechteeinkaufs sowie wie Online-Aktivitäten und die Werbezeitenvermarktung.

“Liebe auf den ersten Blick”

In Interviews erklärte der heute 57-jährige Schmidt mehrfach, dass er den Sky-Konzern nicht mehr leiten wolle, wenn er 60 wird. Und so kam es wenig überraschend, dass er im vergangenen Jahr ankündigte, dass er die Konzernleitung zum Ende des Jahres 2019 abgeben wolle. Schmidt blieb dem Konzern allerdings als Berater erhalten. Doch wie sich nun herausstellte, hatte Schmidt in seiner neuen Funktion bei Sky auch schon länger Kontakt mit Hertha. Bei seiner Vorstellung erklärten er und Präsident Werner Gegenbauer, dass die Suche nach einem neuen Vereinsboss schon länger liefen und man auch mit Schmidt schon länger verhandelt habe. Schmidt, der seinen Job bei Hertha im Dezember antreten wird, sprach von einer „Liebe auf den ersten Blick“.

Seine neue Position bei der Hertha ist der Vorsitz der Geschäftsführung. Somit wird er unmittelbarer Vorgesetzter der anderen Geschäftsführer Michael Preetz (Sport), Ingo Schiller (Finanzen), Thomas E. Herrich (Recht, Personal, etc.) sowie Paul Keuter (Kommunikation, Markenführung, etc.). Schmidts künftige Zuständigkeiten innerhalb der Chefetage liegen in den Bereichen Marketing, Vertrieb, Strategie, Unternehmenskommunikation und Internationalisierung. Somit fällt auf: Er wird gerade von Preetz und Keuter Aufgaben übernehmen. Schließlich war Preetz bislang auch für den Bereich Kommunikation/Medien verantwortlich. Auffällig ist die Deckungsgleichheit zwischen Keuters Arbeitsbereichen und Schmidts Kompetenzen. Wenn hier überhaupt von einer „Entmachtung“ die Rede sein kann, dann nicht für Michael Preetz. Schmidt ist kein Fußballexperte. Er weiß, wie man Großkonzerne leitet, wie man neue Geschäftsbereiche erschließt und (neue) Produkte aussichtsreich im Markt platziert. Eigenschaften, die Hertha BSC bitter nötig hat.

Konkrete Pläne für seine Zeit bei Hertha verriet der TV-Manager noch nicht. Schließlich wolle er die derzeit „sehr gut handelnden Kollegen“ nicht respektlos behandeln, so Schmidt. Alle Aussagen darüber, was Schmidt bei Hertha umgestalten könnte, sind daher Vermutungen. Allerdings lässt sich anhand seines Werdegangs abschätzen, wohin die Reise gehen könnte. Klar ist: Schmidt ist in der Fernseh- und Sportmedienbranche einer bekanntesten Manager Deutschlands. In seine Ägide als Sky-Chef fielen unter anderem der Senderstart von Sky Sport News HD, die Einführung neuer Marken wie Sky Q und die Produktion preisgekrönter Sky Originals wie etwa „Das Boot“ und „Babylon Berlin“. Schmidt hat es geschafft, aus einem reinen Fußballsender wie Premiere (Sky) einen Medienkonzern zu machen, der seinen Kunden ein extrem breites Entertainment-Angebot macht. Beispielsweise positionierte er Sky in den vergangenen Jahren im Wettbewerb mit den US-Konzernen Netflix und Amazon, die mit ihrem Serienprogramm in den vergangenen Jahren immer mehr Kunden gewinnen konnten. Unter Schmidts Leitung stieg Sky nicht nur in diesen Wettbewerb der TV-Serien ein, sondern begann auch eigene Serien-Produktionen.

Wandel zum Konzern?

In einem Interview mit dem „GQ Magazin“ sagte der TV-Manager einmal, dass er es bei Sky allen „Skeptikern und Pessimisten“ zeigen wolle, sodass aus „Mitleid Neid wird“. Bei Sky ist ihm das gelungen. Aber dieser Satz lässt sich auch sehr gut auf die Hertha beziehen. Auch das Unternehmen Hertha BSC benötigt in der Öffentlichkeit einen neuen Anstrich. Bei Hertha könnte Schmidt nicht nur – wie damals bei Sky – dafür sorgen, dass der Verein neue Produkte und somit neue Einnahmequellen generiert. Er könnte auch dazu beitragen, dass ein Verein, der insbesondere in den vergangenen Jahren aufgrund diverser interner Unruhen des Öfteren belächelt wurde, wieder in ruhigere Fahrwasser kommt.

Foto: IMAGO

Schmidts Fähigkeit, neue, „gesündere“ Themenschwerpunkte zu setzen, kann Hertha zweifelsohne helfen. Aber sie hat auch einen Preis. Denn machen wir uns nichts vor: Damit Hertha nicht noch einmal ein solches Skandaljahr wie das vergangene erlebt, müssen sich auch intern Strukturen ändern. Was Schmidt diesbezüglich unternehmen möchte, ist natürlich reine Spekulation. Aber auch hier ist ein Blick in seine Vergangenheit erlaubt, um mögliche Szenarien abzuschätzen. Schmidt hat bei Sky einen Konzern mit knapp 2000 Mitarbeitern und einem Umsatz von etwa 2 Milliarden Euro geführt. Unter seiner Leitung hat der Sky-Konzern allerdings aufgehört, viele Kennzahlen des Unternehmens zu kommunizieren. Die letztbekannten Entwicklungen der Kundenzahlen und des Umsatzes von Sky stammen beispielsweise aus dem Jahr 2016. Die Strategie dahinter ist klar: Möglichst wenig Angriffsfläche für negative Berichterstattung geben, wenn mal etwas schiefläuft.

Denkbar ist natürlich, dass Schmidt auch bei Hertha konzernähnliche Strukturen einzieht, um Diskussionen besser kontrollieren zu können. Konzernchefs sind in der Regel darauf fokussiert, möglichst wenig über das Innere ihres Unternehmens an die Öffentlichkeit kommen zu lassen. Auch bei Hertha kann also damit gerechnet werden, dass die Fans immer weniger über das wahre Innenleben des Clubs erfahren. Die nach außen kommunizierten Inhalte dürften abflachen und stetig aufgehübscht wirken. Man kann das Professionalisierung nennen, das Wort „Intransparenz“ wäre aber auch angebracht. Inwieweit sich das mit dem Modell als eingetragener Verein, der seine Mitglieder informiert halten muss, verträgt, muss abgewartet werden.

Bald kein Vereins-TV mehr?

Sehr spannend ist diesbezüglich aber auch eine weitere Aussage Schmidts in dem oben genannten Interview. Der TV-Manager sprach dort über die PR-Aktivitäten der Clubs. Konkret ging es darum, dass die Vereine immer mehr Nachrichten über sich selbst produzieren und diese auf den eigenen Medienkanälen ausspielen. Reine Sportsender, die insbesondere im Fußballbereich als Informationsquelle Nummer eins galten, ist das natürlich ein Strich durch die Marketing-Rechnung – erst recht, wenn man – wie Schmidt Sky Sports News – erst gerade einen teuren Nachrichtensender aufgebaut hat. Schmidt sagte dazu: „Unnachgiebig kritisch bin ich aber mit den Aktivitäten der Clubs, die zusehends selbst Programme entwickeln und dafür auch Zeit von ihren Spielern und Trainern abfordern. Da ist für mich eine Grenze überschritten, weil uns als wirtschaftlich ins Risiko gehenden Partner diese Zeit dann eben nicht mehr zur Verfügung steht und unsere Berichterstattung dadurch mehr und mehr eingeschränkt wird, indem wir weniger Zugang haben zu der journalistischen Betrachtung, die der Zuschauer unabhängig, nicht geprägt durch eine Vereinsbrille, erwartet und für die er zahlt. Dieser Trend gefällt mir nicht und er muss korrigiert werden.“

Als neuer Hertha-Chef dürften es aber genau diese selbst produzierten Inhalte sein, die ihm dabei helfen, die öffentliche Diskussion über Hertha BSC besser zu kontrollieren. Dazu passend sagte Schmidt auch bei seiner Vorstellung in der Hertha-Geschäftsstelle, er wolle weniger Anlass zu negativer und mehr Anlässe zu positiver Berichterstattung geben. Man darf gespannt sein, ob es Formate wie „Hertha TV“, das mit Lena Cassel gerade erst eine neue Moderatorin eingestellt und mit Formaten wie “Hertha030” groß aufgefahren hat, in ein paar Jahren noch gibt. Klar ist: Hertha BSC ist im Wandel und dieser wird durch eine Personalie wie Carsten Schmidt noch rasanter verlaufen.

[Titelbild: IMAGO]

Podcast #113 Für Pauline

Podcast #113 Für Pauline

Ganz wichtig! Bitte registriert euch bei der DKMS, um die Chance zu erhöhen, dass Menschen mit Leukämie schnell geholfen werden kann. Marc berichtet in diesem Podcast auch von seiner eigenen Spende und wie er damit einem Menschen helfen konnte. Ansonsten gibt es natürlich wieder die volle Ladung Hertha Content über die Spiele gegen Bremen und Frankfurt und alle weiteren News rund um unseren Herzensverein. Neu mit im Hertha-Podcast-Boot sitzt Anna, die ihr in dieser Folge das erste mal hört. Weitere werden sehr wahrscheinlich folgen. Entschuldigt das leichte Rauschen in ihrer Aufnahme.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

DKMS Spender werden:
https://www.dkms.de/de/spender-werden

Mathew Leckie – Plötzlich wieder wichtig:
https://neunzigplus.de/spotlight/hertha-mathew-leckie-ploetzlich-wieder-wichtig/

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Eintracht Frankfurt

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Eintracht Frankfurt

Nach dem erfolgreichen Auftakt gegen enttäuschende Bremer eröffnete unsere Hertha am Freitagabend zuhause gegen Eintracht Frankfurt den zweiten Spieltag der Bundesliga-Saison. In Sondertrikots  „für Pauline“ als Aufruf zur Stammzellenspender-Registrierung bei der DKMS stand das erste Flutlichtspiel vor 4.000 Fans im Olympiastadion und für beide Teams die Aussicht auf eine Nacht an der Tabellenspitze an. Die Frankfurter behielten nach einer erschreckend harm- und ideenlosen ersten Berliner Hälfte schlussendlich mit 1:3 die Oberhand.

Wir schauen auf einige ausgewählte Herthaner bei dieser Pleite zum Heimauftakt.

Maxi Mittelstädt – Kategorie Uff

Nach dem doch recht erfolgreichen Auftritt gegen Werder Bremen inklusive einer Torvorlage wähnte man sich mit Maxi Mittelstädt auf der Linksverteidiger-Position gegen Frankfurt gut aufgestellt, zumal auf Frankfurter Seite mit Almamy Touré ein eher defensiv orientierter Konterpart die Außenbahn beackerte.

So schaltete sich Mittelstädt schon früh in die Offensive ein und konnte in der 16. Minute mit einem harmlosen Fernschuss-Versuch den ersten Torschuss der Partie verbuchen. Aber schon direkt im Gegenzug offenbarten sich defensive Schwächen, als Mittelstädt im Duell mit André Silva unter einem langen Ball hindurchsegelte und Silva dabei derart aus den Augen verlor, dass Jordan Torunarigha helfend einschreiten musste. Auch in der Folge war Mittelstädt immer mehr in der Defensive gefordert, konnte dabei aber in schöner Regelmäßigkeit dem eher limitierten Dribbler Almamy Touré kaum etwas entgegensetzen und fiel größtenteils durch fragwürdiges Stellungsspiel und unglückliche Zweikampfführung auf. Insgesamt mag es da auch noch etwas an der Abstimmung mit Lucas Tousart gefehlt haben, Mittelstädt war aber keineswegs gegen einen übermächtigen Gegner auf sich alleingestellt. So war es dann auch folgerichtig, dass sowohl der Angriff, der zum Elfmeter vor dem 0:1 führte, als auch der Freistoß zum 0:2 über die rechte Frankfurter Angriffsseite und somit in Mittelstädts Wirkungsbereich entstanden.

Foto: IMAGO

Zwar konnte sich das Berliner Eigengewächs in der Offensive hin und wieder präsentieren und so beispielsweise mit einem Pass in den Rückraum der Frankfurter Abwehrreihe die große Chance zum Ausgleich von Dodi Lukébakio in der 32. Minute vorbereiten, er blieb aber in der Defensive insbesondere in Halbzeit eins derart überfordert, dass man glücklich sein konnte, Filip Kostic bis zu dessen Verletzung auf der anderen Seite des Feldes zu wissen.

In der zweiten Halbzeit konnte der 23-Jährige nach der Hereinnahme von Arne Maier und den sich zurückziehenden Frankfurtern defensiv etwas verschnaufen und sich wieder etwas gestaltend ins Offensivspiel einschalten, wo er bei Ballbesitz nun plötzlich regelmäßig Lucas Tousart in Linksaußen-Position vor sich fand. Die beiden kombinierten sich einige Male bis auf Strafraumhöhe an der Auslinie, wirklich gefährlich wurde es dabei dann aber auch nicht.

In der 67. Minute musste Maier verletzungsbedingt das Feld wieder verlassen und Maxi Mittelstädt rückte für ihn auf die Position im rechten zentralen Mittelfeld, während der eingewechselte Marvin Plattenhardt als Linksverteidiger auf den Platz kam. Mit Maiers Auswechslung ging der gewonnene Spielwitz etwas verloren und auch Mittelstädts bescheidene Leistung setzte sich auf der neuen Position fort. Teils unerklärliche Fehlpässe konnten von wenigen offensiv nennenswerten Aktionen wie der Flanke von halbrechts auf Niklas Stark in der 88. Minute nicht ausgeglichen werden.

In der Defensive war Hertha in Halbzeit zwei kaum noch gefordert, umso bitterer, dass Sebastian Rode in der 71. Minute mit dem ersten Frankfurter Angriff seit dem Seitenwechsel das 0:3 erzielte. Nach einer kurzen Klärungsaktion von Jordan Torunarigha hatten sich die Berliner zu siebt im Strafraum verschanzt, ohne den an der Sechzehnerkante lauernden Sebastian Rode auf dem Schirm zu haben. Mittelstädt traf dabei noch am wenigsten Schuld, die Szene stand dennoch sinnbildlich für die fehlende Absprache und Abstimmung im just neu formierten Mittelfeld aus Niklas Stark, Lucas Tousart und ihm.

Insgesamt ein sehr unglücklicher Auftritt von Maxi Mittelstädt, der in der ersten Hälfte einige Male zu spät kam und viele gefährliche Frankfurter Angriffe über seine Seite rollen ließ. Auch im zentralen Mittelfeld konnte er bei der anvisierten Aufholjagd nicht mehr viel bewirken, was sich insbesondere im Kontrast zum dynamischen und spielfreudigen Arne Maier zeigte.

Mittelstädt ist natürlich keine Rolle in schaltender und waltender Funktion in der Zentrale zugedacht, auf der Linksverteidiger-Position ist sein gerade gewonnener Stammplatz aber schon wieder in Gefahr. Wenn Bruno Labbadia eher auf defensive Stabilität setzt – und davon ist nach neun Gegentoren in den letzten drei Spielen in Anbetracht der kommenden Gegner auszugehen – kann sich Mittelstädt schnell auf der Bank wiederfinden und dem defensiv solideren, offensiv etwas unagileren Marvin Plattenhardt beim Flanken zusehen.

Lucas Tousart – Un nouvel espoir

Auch Lucas Tousart durfte in der unveränderten Startelf wieder auf der Position im linken zentralen Mittelfeld im neuen 4-3-1-2-System der Hertha ran.

Tousart kam neben dem defensiv orientierten Abräumer Niklas Stark dabei im Aufbau eine Toni Kroos-Rolle zu, indem er sich hinter den aufgerückten Maxi Mittelstädt auf die Linksverteidiger-Position fallen ließ und von da den Ball nach vorne bringen sollte. Nach wenigen gelungenen Anspielen in die Spitze zu Beginn, ließen die Offensivbemühungen immer mehr nach und Tousart sah sich mit Defensivaufgaben konfrontiert. Dabei war er in einer zweikampfschwachen und zögerlichen Hertha-Mannschaft der auffälligste Zweikämpfer, der keinem Duell aus dem Weg ging und den Großteil dieser für sich entscheiden konnte. Neben der Zweikampfstärke und dem generellen kämpferischen Einsatz konnte Tousart nach dem 0:1 im direkten Gegenzug den gefährlichen Angriff über Vladimir Darida einleiten, der nach dem weiten Seitenwechsel des Franzosen rechts im Strafraum den Ball auf Matheus Cunha zurücklegen wollte, wo der Brasilianer dann aber nicht mehr zum Abschluss kommen konnte.

In der 37. Minute ging Tousart etwas unaufmerksam mit dem Fuß zu einem halbhohen Ball, in den sich der Frankfurter Rode bereits in bekannter Manier mit allem, was er hat, reingeworfen hatte, sodass Herthas Mittelfeldspieler ihn mit dem Fuß am Kopf erwischte. Keine schmerzhafte Sache, die gelbe Karte war eventuell etwas zu hart, der Freistoß aber sicherlich richtig. Aus der Freistoßflanke von Daichi Kamada fiel dann in der Mitte das 0:2 durch Bas Dost. In der 45. Minute langte der Mittelfeldmann tief in der Frankfurter Hälfte ordentlich gegen André Silva zu und hatte etwas Glück, nicht verfrüht den Gang in die Duschen antreten zu müssen.

Foto: IMAGO

In der zweiten Hälfte hatte Tousart dann wohl Wiedergutmachung geschworen und war deutlich höher auf dem Feld zu finden. Das lag zum einen an den tiefer stehenden Frankfurtern, zum anderen auch an Spielmacher Maier, der zur Pause für Darida eingewechselt wurde und größtenteils den Spielaufbau übernahm, sodass Tousart offensivere Räume besetzen und dort Gegenspieler binden konnte. So war der französische Neuzugang teilweise vor Maxi Mittelstädt vorne an der linken Außenbahn anzufinden.

Auch sonst zeigte Tousart etwas Zug zum Tor, zwang Kevin Trapp nach einem Offensivausflug von Torunarigha in der 53. Minute mit seinem Nachschuss zu einer Parade. In der 81. Minute brachte er eine Flanke von Dodi Lukébakio volley aufs Tor, der Ball war aber etwas zu unplatziert und schwach, um Trapp ernsthafte Probleme zu bereiten.

Beim dritten Gegentor in der 71. Minute schob Tousart nach der Klärungsaktion von Torunarigha mit zur linken Seite heraus, schuf so eine Überzahl auf der Seite und hatte dadurch aber dem freien Rode am Sechzehner Raum verschafft. Hier hätte in Absprache entweder Lucas Tousart oder Niklas Stark den Rückraum abdecken müssen. So waren beide in anderen Räumen mit Mitspielern in der Überzahl – hilft nur nichts, wenn dann der freie Mann den Ball bekommt.

Über die gesamte Spielzeit war Tousart körperlich sehr präsent, giftig und konsequent in den Zweikämpfen. Er konnte viele starke Ballgewinne verbuchen und mit seiner Körpersprache vorangehen. Trotzdem war er in der ersten Hälfte wie seine Mittelfeldkollegen im Aufbau überfordert und konnte das Spiel offensiv nicht in die richtigen Bahnen lenken.

In Hälfte zwei sah man dann im Zusammenspiel mit Arne Maier, wie sich Bruno Labbadia den Spielaufbau und das Offensivspiel seiner Mannschaft vorgestellt hatte. Nur musste der verletzungsanfällige Maier schon nach 21 Minuten mit bandagiertem Knie wieder vom Platz und so zeigt sich, warum Hertha noch immer auf der Suche nach einem zentralen Mittelfeldspieler mit Offensivdrang ist. Ein solcher ist Tousart nämlich eben nicht. Dafür defensiv sehr stark, offensiv brauchbar und mit seiner Körpersprache und dem Einsatzwillen nach einer gewissen Eingewöhnungszeit auch sicher ein so dringend gesuchter und benötigter Leader für das junge Hertha-Team.

Dedryck Boyata & Jordan Torunarigha – Kapitän Dedo über Bord, Jordan übernimmt das Steuer

Die Labbadia-Erfolgs-Innenverteidigung um Neu-Kapitän Dedryck Boyata und seinen kongenialen Partner Jordan Torunarigha durfte wie auch schon gegen Bremen von Beginn an ran. Und die beiden kompromisslosen Zweikämpfer waren von Beginn an gefordert.

Schon in der neunten Minute konnte André Silva über die rechte Abwehrseite an Niklas Stark vorbei durch Boyata hindurch in den Berliner Strafraum eindringen, wo Jordan Torunarigha wie so oft in höchster Not klären konnte. Dabei verletzte sich sein Gegenspieler Filip Kostic unglücklich am Knie und musste in der Folge ausgewechselt werden. Auch in der 16. Minute war Torunarigha zur Stelle, als Mittelstädt einen hohen Ball im Duell gegen Silva unterschätzt hatte.

Der nächste Ball in die Spitze auf den portugiesischen Stürmer der Eintracht führte in der 28. Spielminute zum Laufduell in welchem der Frankfurter nur auf die Bewegung Boyatas wartete, um geistesgegenwärtig den Ball vorbeizuspitzeln und sich vom Belgier abräumen zu lassen. Ein sehr plumpes Einsteigen des Berliner Kapitäns, was man leider auch in der vergangenen Saison schon das ein oder andere Mal beobachten konnte. Den fälligen Strafstoß verwandelte Silva in der 30. Minute zur Frankfurter Führung.

Auch beim 0:2 sah die Herthaner Innenverteidigung nicht besonders glänzend aus. Beim Freistoß noch Boyata zugeteilt, konnte sich Dost durch einen leichten Schieber von diesem absetzen und zum Kopfball hochsteigen. Torunarigha versuchte noch zu retten, was nicht mehr zu retten war, sah gegen den niederländischen Riesen aber auch kein Land und konnte im Luftduell eigentlich nur noch zusehen, wie der Ball links im Tor einschlug.

Hatten die beiden Abwehrspieler in Hälfte eins noch dem glücklosen Mittelfeld den Spielaufbau überlassen, nahm sich Torunarigha von der linken Innenverteidiger-Position in der zweiten Halbzeit in altbekannter Manier immer häufiger selbst dessen an. Gemeinsam mit Maier auf halbrechts hatten die Berliner plötzlich zwei zuvor ungenutzte Waffen auf dem Weg nach vorne.

Foto: IMAGO

So kam nach dem ersten Lúcio-esken Ausflug von Herthas Nummer 25 in Minute 52 der Ball per Flanke beinahe zu ihm zurück und nach Trapps notwendiger Faustabwehr zu Tousart, der den Frankfurter Schlussmann zu einer Parade zwang. Auch in der Folge konnte Torunarigha mit einigen klugen vertikalen Pässen die Frankfurter Reihen durchbrechen und gefährliche Aktionen einleiten.

Als auch das nicht mehr half, wurde es dem Berliner Urgestein zu bunt und er begab sich in Minute 77 einmal mehr selbst nach vorne, überlief die gesamte Frankfurter Defensivabteilung bis in den Strafraum, legte von der Grundlinie zurück und ließ Hinteregger keine andere Chance als den Ball vor Jhon Córdoba ins eigene Netz zu setzen.

Gestoppt werden konnte Torunarigha schließlich nur durch ein Foul von Kamada in der 84. Minute, nach welchem er nur noch humpelnd in beschränktem Aktionsradius unterwegs war.

Ganz im Gegensatz zu dieser Energieleistung des Berliner Eigengewächses präsentierte sich Dedryck Boyata ungewohnt ungenau und unkonzentriert. Nach den zwei unglücklichen Aktionen zu den Gegentoren in der ersten Hälfte verlor er in der 88. Minute als letzter Mann den Ball an Aymen Barkok, der glücklicherweise alleine vor Schwolow knapp rechts vorbei zirkelte.

Auch sonst ist Boyata nicht der Schlüsselspieler für den Spielaufbau, dafür aber umso wichtiger in der Zweikampfführung und körperlichen Präsenz in der Defensive. Gegen die starken und großen Frankfurter Stürmer sah er gestern ein ums andere Mal etwas ungelenk und zögerlich aus.

Abhaken. Solche Tage gibt es. Boyata und Torunarigha haben oft genug bewiesen, wie stark sie als Abwehrduo speziell im Zweikampf sind. An einem normalen Tag sollte man sich diesbezüglich keine Sorgen machen müssen. Und wenn sich Torunarigha ein Herz fasst, den riskanten Pass spielt oder direkt das Tempo anzieht und in die gegnerische Hälfte vorstößt, hat die Hertha eine offensive Option mehr im Spielaufbau. Sofern sich daneben noch ein kreativer Ballträger in die Spitze findet, der selbst auch etwas Torgefahr ausstrahlen kann, sollte auch die zuletzt so gelobte Offensive wieder Zugang zum Spiel finden.

Und dann war da noch:

Alexander Schwolow, der bei den Gegentoren chancenlos war und sich im Spiel kein Mal wirklich auszeichnen konnte, dafür nach dem Spiel im Interview deutliche Worte für die schwache erste Halbzeit fand und zurecht die fehlende Körperlichkeit der Herthaner „Schülermannschaft“ anprangerte.

Matheus Cunha, der sich in den ersten fünf Minuten zwei Mal kurz zeigte, dann völlig abtauchte, um in der starken Herthaner Phase zu Beginn der zweiten Hälfte wieder einige gefährliche Angriffe auf das Frankfurter Gehäuse zu fahren. Der Neu-Nationalspieler Brasiliens hätte in der 72. Minute im Anschluss an das 0:3 nach einem Frustfoul gegen Martin Hintereggers Schienbein eher Rot statt Gelb sehen müssen.

Krzysztof Piątek, der mal wieder kaum Anspiele bekam und völlig in der Luft hing. Die wenigen halbwegs brauchbaren hohen Bälle konnte er nicht verarbeiten und zog im Zweikampf mit den Hünen in der Frankfurter Innenverteidigung stets den Kürzeren. Der Pole musste zur Halbzeit raus und wurde von Jhon Córdoba ersetzt, der seinerseits von den zielstrebigeren Angriffen Herthas zu Beginn der zweiten Hälfte profitieren konnte, sich das ein oder andere Mal erfolgreich als Wandspieler einsetzte. So kam er in der 62. und 65. Spielminute auch gefährlich vors Frankfurter Tor und ließ in der 77. Minute nach starkem Sololauf von Torunarigha einschussbereit Martin Hinteregger den Vortritt zum 1:3-Endstand.

Deyovaisio Zeefuik, der zur Halbzeit für den offensiv unauffälligen aber defensiv soliden Peter Pekarik kam und mehr Druck nach vorne entwickeln sollte. Der niederländische U21-Nationalspieler zeigte sich dann auch ab und an in der Frankfurter Hälfte, ohne dabei besonders gefährlich zu werden, blieb defensiv trotz teils unkonventioneller Zweikampfführung fehlerlos, konnte dem Spiel aber insgesamt keine neue Wendung mehr geben.

Arne Maier, der nach neuerlich öffentlich geäußerten Wechselabsichten in der zweiten Hälfte für Vladimir Darida ins Spiel kam, um als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff zu fungieren und den Ball auch mal zu den Stürmern gelangen zu lassen. Er führte sich direkt dynamisch ein und ließ in seiner ersten Aktion zwei pressende Frankfurter in der Berliner Hälfte verdutzt stehen. Maier initiierte einige vielversprechende Angriffe und zeigte exakt auf, was der Hertha in der ersten Hälfte noch abging, musste aber tragischerweise schon 21 Minuten nach seiner Einwechslung verletzt vom Platz.

[Titelbild: IMAGO]

Vorschau: Hertha BSC – Eintracht Frankfurt: Der erste Härtetest

Vorschau: Hertha BSC – Eintracht Frankfurt: Der erste Härtetest

So schnell kann es im Fußball gehen. Musste man letzte Woche nach blamablem Ausscheiden gegen Eintracht Braunschweig in der ersten Runde des DFB-Pokals und den Eindrücken nach einer schwachen Saison-Vorbereitung noch darum fürchten, dass auch der Ligastart komplett in die Hose gehen könnte, sieht die Welt nach dem 4:1 bei Werder Bremen wieder komplett anders aus. Zwar stimmte auch beim Auftritt an der Weser längst noch nicht alles, aber einen 8:0-Kantersieg am ersten Spieltag einer neuen Saison kann wohl kein Fan von seinem Verein verlangen.

Doch welche Schlüsse lassen sich nun nach den ersten beiden absolvierten Pflichtspielen ziehen? Zum einen ist klar zu erkennen, dass sich aktuell niemand wegen fehlender Torgefahr sorgen muss. Dodi Lukebakio scheint seine in der Vorsaison oftmals noch fehlende Kaltschnäuzigkeit entdeckt zu haben; Cunha trifft sogar in einem Spiel, in dem ihm sonst nicht allzu viel gelingen will; Neuzugang Jhon Cordoba knipst direkt in seinem ersten Spiel in blau-weiß und wenn Peter Pekarik plötzlich zum Goalgetter mutiert, wer soll dieses Team dann noch stoppen? Hört sich in der Theorie schön an. Doch leider zählt zum Fußball bekanntermaßen auch noch das Toreverhindern. Das hat in Bremen, bis auf eine Ausnahme, ebenfalls gut funktioniert. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass Werder über weite Strecken des Spiels erschreckend ideenlos war. Da dürfte der kommende Gegner schon ein anderer Gradmesser für die Stabilität von Herthas Hintermannschaft werden.

Für den aktuellen Vorbericht haben wir uns Verstärkung in Form von Patricia geholt und der Frankfurt-Expertin unsere Fragen zu ihren Eindrücken rund um die Eintracht gestellt.

Das Schielen nach Europa

Nach dem 1:1 gegen Bielefeld gibt es für Frankfurt viel Luft nach oben. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Mit der Eintracht trifft Hertha auf eine Mannschaft, die sich den Start in die Saison sicherlich etwas anders vorgestellt hatte. Das 1:1 zum Auftakt gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld ist eher ernüchternd. Zwar bewies die Eintracht immerhin Moral und war nach dem zwischenzeitlichen Rückstand das bessere Team mit einem klaren Chancenplus. Letzten Endes bleibt aber der Eindruck, dass sowohl im Spiel nach vorn als auch in der Rückwärtsbewegung noch Luft nach oben besteht.

Dies war auch schon in der ersten Pokalrunde der Fall, in der man, alles andere als dominant geschweige denn überzeugend, 1860 München knapp mit 2:1 schlagen konnte. So muss möglichst bald eine Steigerung erfolgen, will man sich den Traum von Europa, den Fredi Bobic jüngst formulierte, wieder erfüllen. Auch Patricia teilt diese Hoffnung: „[…] Die Sehnsucht nach Europa ist nach wie vor da. Sollte sich die Möglichkeit ergeben, wird die Eintracht auch versuchen, die europäischen Plätze anzugreifen. […] Gleichzeitig schränkt sie jedoch ein, dass […] die Corona-Krise […] der Eintracht in ihren Planungen sicherlich den ein oder anderen Strich durch die Rechnung gemacht [habe]. Einnahmen, mit denen man eigentlich fest geplant hätte, sind weggebrochen.“

Das Problem der Linkslastigkeit

So hat die Eintracht dieselbe Herausforderung, die so viele Vereine in Zeiten von Corona haben. Große Investitionen in den Kader sind – sofern man nicht jüngst einen spendierfreudigen Investor hinzugeholt hat – aktuell keine Option. Und dennoch lässt sich die derzeitige Transferphase, gerade mit Hinblick auf die finanziell angespannte Situation, als Erfolg verkaufen. Sicherlich auch dank der Erlöse aus den Verkäufen von Haller und Jovic im vergangenen Jahr war die Eintracht nicht gezwungen, Leistungsträger abzugeben. So sagt Patricia: „Das Grundgerüst des Kaders steht und ist – vorausgesetzt es gibt keine Last-Minute-Abgänge – aus letzter Saison zusammengeblieben: Trapp, Hinteregger, Kostic, Rode und Silva sind Leistungsträger, die in allen Mannschaftsteilen den Kern des Teams bilden.“

Wie schon im letzten Jahr könnte auch in dieser Spielzeit die Abhängigkeit von Kostic zum Problem werden. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Insbesondere bei André Silva dürften die Hoffnungen groß sein, dass er in seiner zweiten Spielzeit bei der Eintracht richtig durchstartet. Nimmt man noch Bas Dost dazu, braucht es nicht allzu viel Fantasie bei der Frage, welche Spieler aufseiten der Frankfurter in der Lage sein könnten, für 15+ Tore zu sorgen. Das Problem, das auch schon in der letzten Spielzeit offensichtlich wurde und für das es bisher keine Lösung zu geben scheint, ist allerdings die Unklarheit, wer diese 15+ Tore auflegen soll. Denn das Schema „Ball auf Kostic und der bringt den Ball schon irgendwie in die Mitte“ lahmte bereits in der letzten Spielzeit, da sich die Gegner zunehmend leichter darauf einstellen konnten. Der Eintracht fehlt es an einem Plan B, wenn Kostic mal einen schlechten Tag hat oder aus dem Spiel genommen wird. So fasst es Patricia treffend zusammen: „Nach wie vor ist die leichte Ausrechenbarkeit der Eintracht ein großes Problem. Kostic ist immer noch der wichtigste Spieler in der Offensivbewegung. Auf der rechten Seite fehlt (Stand jetzt) weiterhin ein offensiver Spieler für die Außenbahn. Auch im zentralen Mittelfeld mangelt es an Kreativität, weshalb Flanken und lange Bälle das Mittel der Wahl sind. In der Zentrale erhofft man sich, dass Kamada nach seiner Vertragsverlängerung nun den nächsten Schritt macht und konstantere Leistungen bringt. Die große Baustelle ist aber weiterhin die rechte Außenbahn. Es braucht hier dringend einen Gegenspieler zu Kostic, um die Disbalance im Angriffsspiel der Eintracht zu beheben.“ 

Weiteren Nachbesserungsbedarf sieht Patricia auf der 10, wo es einen Vertreter für Daichi Kamada benötigt sowie im Sturm, wo nach der etwas überraschenden Leihe von Goncalo Paciencia nach Schalke eine Lücke klafft: „Hütter lässt mit einer Doppelspitze spielen, Dost war letzte Saison extrem verletzungsanfällig und auf der Bank sitzt nur noch der junge Neuzugang Ache. Das kann im Sturm ganz schnell sehr eng werden.“, führt Patricia aus.

Maier auf Abwegen?

Während auch Hertha noch auf der Suche nach Verstärkungen, insbesondere auf rechten Offensivbahn sowie im zentralen Mittelfeld, ist, könnte sich derweil zuerst etwas auf der abzugebenden Seite tun. „Täglich grüßt das Murmeltier“ möchte man meinen, wenn zu lesen ist, dass der Berater von Arne Maier einen Wechsel des Berliner Eigengewächs ins Gespräch bringt. Der Wunsch nach mehr Spielzeit ist angesichts der überschaubaren Einsätze Maiers in diesem Kalenderjahr durchaus nachvollziehbar. Ob es aber der Weg an die Öffentlichkeit sein muss, ist die andere Frage. Dass dies Maiers Chancen auf einen Startelfeinsatz am Freitagabend steigert, darf jedenfalls stark bezweifelt werden. Nach der erfolgreichen Vorstellung vom vergangenen Wochenende und unter der Prämisse, dass sich spontan niemand mehr verletzt, wird Labbadia aller Wahrscheinlichkeit nach derselben Elf wie in Bremen vertrauen.

[Titelbild: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images]

Die Zukunft gehört dem Berliner eSport?

Die Zukunft gehört dem Berliner eSport?

50 Jahre nach der ersten Konsole für zuhause, ist eSport ein wirtschaftliches und kulturelles Epizentrum. Auch Hertha investiert in diesen Bereich. In diesem Artikel nehmen wir das Berliner Konzept und seine Akteure unter die Lupe. Hat Hertha hier die Chance auf den sportlichen Erfolg, der ihr auf dem realen Rasen bislang verwehrt blieb?

Wer sich Mitte August eines der neuen Hertha-Trikots sichern wollte, stand zeitweise vor geschlossenen Online-Türen. Nichts ging mehr, der Shop war unter der schieren Anzahl der Anfragen zusammengebrochen. Grund war nicht das ansprechende Design der Jerseys oder die Tatsache, dass sie zeitweise ohne Brustsponsor verfügbar waren, sondern ein ganz bestimmter Spielerflock. Doch wer Stars wie Matheus Cunha oder Lucas Tousart hinter dem Ansturm erwartete, rieb sich verwundert die Augen. Nicht die Namen jüngsten Rekordtransfers zwangen den Shop in die Knie, sondern ein Spieler, den man noch nie auf dem Rasen des Olympiastadions bewundern durfte.

Elias „EliasN97 / Eligella“ Nerlich (22) dürfte trotzdem Einigen ein Begriff sein. Der junge Berliner ist Kapitän des eSport FIFA-Teams von Hertha BSC. Die alte Dame investiert nämlich schon seit 2018 verstärkt in diesen aufstrebenden Wirtschaftszweig. Die Strategie umfasste dabei laut eigenen Angaben ein aufwendiges Talent-Scouting, sowie die Gründung der ersten eSport-Akademie der Bundesliga. Neben EliasN97 stehen noch vier weitere Talente bei Hertha unter Vertrag. Eligella scheint aber der schillernde Mittelpunkt der Akademie und des Marketingkonzepts zu sein. Neben der Tätigkeit als FIFA-Profi und Streamer, wird der Berliner, der mit Profis, wie Eigengewächs Jordan Torunarigha (23) und Ex-Herthaner Sidney Friede (22) gut befreundet ist, regelmäßig in die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins miteinbezogen.

So sammelte der eSportler in einem Spenden-Stream 6000€ für Beschäftigte der Charité und wirkte in Werbekampagnen von EDEKA mit. Der Erfolg dieser Vermarktung spricht durch den eingangs erwähnten Ansturm auf die limitierten Trikots für sich.  

Das Milliardengeschäft mit den Spielen

Kompetitive Computerspiele sind ein weltweites Milliardengeschäft, was sich auch in Deutschland zu lohnen scheint. Das Beratungsunternehmen „Deloitte“ prognostizierte 2016 eine jährliche Umsatzsteigerung von fast 30 Prozent. Von 50 Millionen Euro im Jahr 2016 sollte sich der deutschlandweite Umsatz 2020 auf 130 Millionen Euro entwickeln und damit Handball, Basketball und Eishockey hinter sich lassen. Das Prognosen schwierig sind, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, zeigt sich an der realen Marktentwicklung. Sagte Deloitte 2016 für 2018 noch einen Umsatz von 90 Millionen Euro voraus, waren es am Ende nur 70. Nichts destotrotz ist der virtuelle Sport ein potenter Markt und zieht vermehrt Interessenten aus der ganzen Welt an.

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So hat unteranderem Nationaltorwart Bernd Leno ein eigenes eSports-Team und auch NBA Franchises wie die Golden State Warriors haben eigene virtuelle Ableger ins Leben gerufen. Anfängliche Einwände, wie vom damaligen FC Bayern Präsidenten Uli Hoeneß:  “Es wäre totaler Schwachsinn, wenn der Staat nur einen Euro dazugeben würde. Junge Leute sollen Sport auf dem Trainingsplatz treiben.”, wurden angesichts des Potentials dieses Phänomens zurückgestellt. Seit Anfang dieses Jahres haben die Münchener eine eigene eSport Abteilung. Dabei umfasst dieses Engagement eine mit kolportierten 15 Millionen Euro dotierte Partnerschaft mit dem Spieleentwickler KONAMI (Pro Evolution Soccer).

Der BVB hingegen, dessen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, das ganze Thema 2016 noch als „komplett scheiße“ abtat, plant auch nach aktuellem Stand nicht mit dem Aufbau einer eigenen Abteilung. Angesichts der steigenden Umsatzzahlen gibt es hier sicher noch viel Gelegenheit diese Haltung zu überdenken. 

Schalke mal ganz vorne

In Deutschland war Schalke 04 einer der ersten Profivereine, der den Sprung ins kalte Wasser des virtuellen Sports wagte. Jedoch begannen sie ihr Engagement nicht mit FIFA, sondern mit dem Platzhirsch des eSports: dem Multiplayer Online Battle Arena (MOBA) Spiel „League of Legends (LoL)“. Nach einem desaströsen, mit dem Abstieg endenden ersten Jahr in dieser Disziplin, kämpften sich die Gelsenkirchener in den darauf folgenden Spielzeiten in die höchste LoL-Liga zurück. Hier zählen sie nicht unbedingt zu den Top-Mannschaften, aber liegen stabil im Mittelfeld – etwas, das sich sich die Fußballer auf dem Platz für diese Saison wohl ebenfalls wünschen.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel von Paris Saint-Gemain. Als vielversprechendes Projekt gestartet, löste der französische Hauptstadtklub sein LoL-Team nach nur einem Jahr wieder auf.

Schalke hingegen weitete sein Engagement schrittweise aus. Neben einem LoL-Team, stellen die Knappen inzwischen auch ein FIFA und Pro Evolution Soccer Team. Das Ziel hierbei ist: „das Kerngeschäft Fußball mit einem nachhaltigen und profitablen Engagement [zu] unterstützen.“

Quo vadis, Hertha eSport?

Dass gutes Marketing alleine noch keine Spiele gewinnt (bitte auch Paul Keuter und Michael Preetz sagen), zeigt ein Blick auf die Tabelle der virtuellen Bundesliga. Hier steht Hertha, vertreten von EliasN97 und Leon „HBSC Blackarrow“ Aussieker abgeschlagen auf dem 19. von 22. Tabellenplätzen. Angesichts von Herthas Herangehensweise auf junge Talente zu setzen und diese zu Vollblutprofis auszubilden, ist eine verzögerte Erfolgsentwicklung sicherlich nachvollziehbar. Es stellt sich aber die grundsätzliche Frage, welches Ziel der Verein mit seinem eSports-Team verfolgt.

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Im Moment hat der Verein nur die Fußballsimulation FIFA im Programm. Ob weitere Disziplinen folgen sollen, ist unklar. Trotz der erwähnten Millionenumsätze sind Sportsimulationen nicht unbedingt das Zugpferd des eSport. Hier dominieren Shooter, (Counterstrike, Overwatch) und MOBAs (League of Legends, DOTA II). Erstere sind für gestandene Sportvereine jedoch ein schwieriges Thema. Die Clubs haben kein Interesse daran mit Spielen assoziiert zu werden, die Gewalt explizit darstellen. Die virtuelle Terroristenjagd ist nicht unbedingt familientauglich. Ob eine Fußballsimulation-Abteilung, also wirklich einen wirtschaftlich signifikanten Beitrag zu den Finanzen eines Bundesligisten leisten kann, ist fraglich und wenn überhaupt nur über Sponsorendeals, wie im Fall Bayern Münchens, zu realisieren.

Zur Einordung: Der Sieger der virtuellen Bundesliga erhält in diesem Jahr neben dem Titel des deutschen Meisters ein Preisgeld von 45.000 €. Zum Vergleich: Hertha erzielte 2018, also vor dem Einstieg TENNORs einen Umsatz von ca. 150 Millionen €, wovon 4,1 Millionen als Gewinn verbucht werden konnten.

Alles nur PR?

Was will Hertha also erreichen? Die Investitionen in FIFA könnten sich in einer allgemeinen Bindung an den Verein niederschlagen. Hier muss allerdings festgestellt werden, dass FIFA-Zuschauer*innen wahrscheinlich eh fußballbegeistert sind. Ob eine gute Inszenierung, bei (aktuell noch) nicht existentem sportlichen Erfolg, Fans ihrem Stammverein abspenstig macht, wird sich zeigen. Grundsätzlich bietet eine eSport-Abteilung dennoch einen potenziellen Anlaufpunkt für junge Herthaner-to-be.

Wie das aussehen könnte, zeigt sich wieder am Beispiel Eligella. Fast tägliche Streams (nicht auf Facebook), aktive Instagram- und Twitter-Auftritte erzeugen Nähe und Bindung. Die Interaktion mit den Zuschauer*innen macht ihn viel nahbarer als manchen Akteur der Lizenzspielerabteilung. Dabei nimmt er kein Blatt vor dem Mund und tätigt manche Äußerungen, die sich ein Bundesligaspieler niemals trauen würden. Aber vielleicht ist es auch diese Eigenart, die ihm eine so treue Fanbase sichert.

Dass Hertha im Bereich der Fangewinnung auch das long-game spielt, zeigen auch Aktionen, wie Kids4Free, bei dem Kinder unter 14 Jahren Spiele der alten Dame umsonst besuchen dürfen.

Die Erfahrungen im FIFA-Bereich könnten auch dazu genutzt werden, um andere Disziplinen nach und nach zu besetzen. Gleichzeitig bietet jeder eSports-Titel natürlich auch einen Prestigegewinn.

Hertha ist mehr als nur Fußball

Was allerdings gerne vergessen wird, ist, dass Hertha mehr als nur eine Fußballabteilung ist. Neben dem schönen Spiel erprobt sich die alte Dame auch im Tischtennis, Kegeln und Boxen und neuerdings sogar Blindenfußball. In keinem dieser Bereiche allerdings mit jüngsten Erfolgen auf Bundesebene.

Bei allen strategischen Überlegungen muss man deshalb anerkennen, dass es sich bei den Hertha-eSport-Athleten um junge Menschen handelt, die es geschafft haben, ihr Hobby zum Beruf zu machen, was grundsätzlich unterstützenswert ist. Hier ist das von Hertha verfolgte ganzheitliche Trainingskonzept, inklusive Social Media und Ernährungsberatung samt Mentaltraining erstmal als vorbildlich zu bewerten. Auch wenn sportlicher Erfolg in allen Bereichen sicher großartig ist, darf man dabei seine Spieler nicht als bloßes Mittel zum Zweck ansehen.

Unterm Strich steht daher die Liebe zum (virtuellen) Sport und das Engagement eines Traditionsclubs. Beides könnte dazu beitragen, dass eSport sowohl von Sportfunktionären*innen, als auch Poliker*innen endlich ernst genommen wird. Die Ignoranz, die diesem Thema teilweise entgegengebracht wird, zeugt von einem erschreckend mangelhaften Verständnis der Lebensrealität von Jugendlichen.

Dass sich das ganze Projekt auch für die Spieler lohnt, konnte man zuletzt auf Elias‘ Instagram Account sehen. Stolz präsentierte das Berliner Aushängeschild seinen nagelneuen Mercedes AMG. Angesichts dessen, dass auch er Teil der Hertha-Familie ist, sei es ihm absolut gegönnt.

[Titelbild: IMAGO]