Mit Tayfun Korkut hat Hertha am Montag den sechsten Trainer in rund 2,5 Jahren vorgestellt. Der gebürtige Stuttgarter war als Spieler hauptsächlich in der Türkei und Spanien aktiv und als Trainer zuletzt drei Jahre arbeitslos. Seine bisherigen Bundesliga-Tätigkeiten zeigen, dass Korkut Teams recht schnell positiv beeinflussen kann. Sie zeigen aber auch, dass nach Diesen Hochphasen teils verheerende Abstürze folgten.
Korkut: Eng mit Joachim Löw verbunden
Tayfun Korkut wuchs als Sohn türkischer Gastarbeiter in einem Vorort von Stuttgart auf. Fußballerisch wurde er bei den Stuttgarter Kickers ausgebildet. Bei den „Kickers“ schaffte es Korkut mit 20 Jahren in die erste Mannschaft, die damals in der Regionalliga kickte. Zur damaligen Zeit traf er erstmals auf seinen neuen Chef: Fredi Bobic – drei Jahre älter als Korkut – spielte zwischen 1992 und 1994 in der Profimannschaft der Stuttgarter Kickers, bevor er zum Stadtrivalen VfB Stuttgart wechselte.
Korkuts Karriere nahm einen anderen Lauf. Schon sehr früh wechselte der damals 21-Jährige in die Türkei zu Fenerbahce Istanbul. Der Deutschtürke wurde im defensiv-zentralen und rechten Mittelfeld eingesetzt und zum Stammspieler in Istanbul. In 145 Spielen schoss er zwölf Tore für Fenerbahce. Ebenfalls 1995 bestritt er sein erstes Spiel für die Nationalmannschaft der Türkei. 41 weitere Einsätze im Trikot der Türkei sollten mit insgesamt zwei Treffern folgen, unter anderem bei der EM in England (1996) und der EM in Belgien/den Niederlanden wirkte er mit.
In seiner Zeit in der Türkei machte Korkut die Bekanntschaft eines Trainers, zu dem er bis heute ein „sehr enges“ Verhältnis hat, wie er berichtet. Joachim Löw. Der spätere Weltmeistertrainer trainierte Fenerbahce in der Saison 1998/99. Gemeinsam gewannen Löw und Korkut den türkischen Pokal und schrammten nur knapp an der Meisterschaft vorbei.
Im Jahr 2000 wechselte Korkut dann nach Spanien, wo er zunächst drei Jahre bei Real Sociedad San Sebastian und später für ein Jahr bei Espanyol Barcelona spielte. Aus Hertha-Sicht sind diese knapp vier Jahre in Spanien von großer Bedeutung: Wie in unser Sprach-Analyse bereits berichtet, sprechen viele Hertha-Spieler romanische Sprachen, wie beispielsweise Spanisch und Französisch.
Auf der heutigen PK betonte auch Bobic, dass Korkuts Sprachkenntnisse in der Kommunikation mit der Mannschaft von Vorteil sein könnten. Bis heute fühlt sich Korkut in Spanien zuhause, sagte er vor einigen Jahren in einem Interview. Nach einer weiteren Station bei Besiktas Istanbul beendete Korkut seine Spielerkarriere schließlich im Jahr 2006 bei Genclerbirligi Ankara.
Korkuts Trainerkarriere begann im Jugendbereich. Zunächst trainierte er die A-Jugend von San Sebastian, bevor er zurück nach Deutschland kehrte, um die B-Jugend der TSG Hoffenheim zu übernehmen. In Hoffenheim verbrachte Korkut zwar nur eine Saison, machte hier aber auch dort wichtige Bekanntschaften. Profi-Trainer war damals Ralf Rangnick, A-Jugend-Trainer war Markus Gisdol und in seiner Mannschaft spielten unter anderem Seat Kolasinac und Kenan Karaman. Korkut belegte den achten Bundesliga-Platz der Staffel Süd/Südwest mit seiner Mannschaft.
Erste Trainerstationen gemeinsam mit Bobic und Aracic
Nach dieser Saison kam es zum zweiten Aufeinandertreffen mit Bobic. Herthas heutiger Geschäftsführer war im Juli 2010 zum Sportdirektor des VfB Stuttgart berufen worden. Eine seiner ersten Tätigkeiten: Tayfun Korkut für die A-Jugend des VfB abwerben. Auch hier war Korkut wieder erfolgreich und wurde in seiner Bundesliga-Staffel Vierter.
Wie schon als Spieler wechselte Korkut im Januar 2012 dann aber auch als Trainer zunächst ins Ausland, um als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft seinen ersten Profi-Vertrag im Trainerbereich zu unterzeichnen. Die Türkei hatte wenige Wochen zuvor die Qualifikation für die EM 2012 verpasst. Gemeinsam mit Abdullah Avci sollte Korkut die Türkei zur WM 2014 führen – diese Mission missglückte allerdings. Weil das Team in der Qualifikation schon früh hinter den Erwartungen zurückblieb, wurden Avci und Korkut entlassen.
💬 @FrediBobic1971: Ich kenne ihn schon sehr lange, unser Kontakt aus Stuttgarter Zeiten ist nie abgerissen. Ich schätze ihn als Teamplayer, der Menschen begeistern kann. Ich bin überzeugt davon, dass er in dieser Situation genau der Richtige ist.#HaHoHe
Nur wenige Wochen später, im Dezember 2013, sollte Korkut dann aber seinen bislang erfolgreichsten Trainerposten antreten – bei Hannover 96 in der Bundesliga. Dort lernte er auch Herthas heutigen Kaderplaner Dirk Dufner kennen. 96 stand mit 18 Punkten zum damaligen Zeitpunkt auf dem 13. Tabellenplatz. In der Rückrunde schaffte es der Deutschtürke dann allerdings, dem Team neues Leben einzuhauchen. 24 Punkte holte Hannover in der Rückrunde und wurde Zehnter. Die Hinrunde der darauffolgenden Saison verlief mit erneuten 24 Zählern ebenso erfreulich.
Dann allerdings begann eine Niederlagenserie: Am vorletzten Spieltag stand Korkuts Mannschaft mitten im Abstiegskampf und musste um den Ligaerhalt zittern. Nur drei Tage vor Saison beurlaubte der Verein Korkut. Nach einem Jahr ohne Anstellungen heuerte Korkut dann beim damaligen Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern an. Schon nach der Hinrunde ging man aber getrennte Wege: Der FCK befand sich damals nur wenige Punkte entfernt von den Abstiegsrängen.
Fan-Austritte nach Korkut-Verpflichtung in Stuttgart
Im März 2017 übernahm Korkut dann eine ähnliche Aufgabe wie nun bei Hertha. Bis zum Saisonende sollte er die Mannschaft von Bayer 04 in höhere Tabellenregionen führen. Bayer hatte kurz zuvor Roger Schmidt als Trainer entlassen, weil sich die Werkself rund um den 10. Tabellenplatz festgespielt hatte – zu wenig für Leverkusener Ansprüche. Mit Korkut wurde es allerdings noch schlechter: Am letzten Spieltag konnte man Hertha zwar mit 6:2 besiegen, landete aber schlussendlich auf Rang 12. Korkuts kurzer Vertrag wurde nicht verlängert.
Bei seiner nächsten Trainerstation in Stuttgart (ab Januar 2018) zeigte sich ein ähnliches Muster wie in Hannover. Korkut übernahm den VfB im unteren Tabellendrittel und führte das Team direkt zum Erfolg: Aus den verbleibenden 14 Spielen holte er damals 31 Punkte, darunter ein 4:1-Sieg in München. Stuttgart verpasste nur knapp die europäischen Ränge, Korkuts Vertrag wurde um zwei Jahre verlängert. Auch in diesem Fall folgte dann aber ein Absturz: In der Folgesaison sammelten Korkut und der VfB aus den ersten sieben Ligaspielen nur fünf Zähler, der VfB war Letzter, Korkut wurde entlassen. Insgesamt war Korkuts Tätigkeit für den VfB ein Wechselbad der Gefühle. Kurz nach seiner Einstellung kündigten zahlreiche Fans ihre Mitgliedschaft – auch weil sie nicht davon überzeugt waren, dass Korkut nach recht erfolglosen Stationen in Hannover und Leverkusen den Klassenerhalt schaffen würde.
In den vergangenen drei Jahren war Korkut ohne Trainerjob. Auf der heutigen Hertha-Pressekonferenz erklärte er, dass er sich in dieser Zeit viel um seine drei Kinder gekümmert habe, aber auch „ohne Druck“ dem Ligageschehen gefolgt sei. Er starte den neuen Job nun „voller Energie“. „Es tut gut, hier zu sitzen“, so Korkut wörtlich. Welche fußballerischen Strategien der Deutschtürke bei Hertha einschlagen wird, wollte Korkut nicht verraten. Nur so viel: „Der Ansatz ist immer gleich: Spiele gewinnen!“ Bei seinen erfolgreichen Trainerstationen zeichnete sich Korkut allerdings dadurch aus, dass er jeweils brüchige Abwehrketten stabilisierte. Interessant ist auch, dass er insbesondere beim VfB des Öfteren zwei Strafraumstürmer aufstellte, was bei Hertha in der Regel nicht praktiziert wird.
Herthas personifizierter Derby-Albtraum wird Co-Trainer
Beachtenswert ist übrigens auch die Einstellung von Ilja Aracic, der ab sofort Co-Trainer bei Hertha ist. Aracic fügte Hertha im Jahr 1998 eine der empfindlichsten Derby-Niederlagen zu – im Trikot von Tennis Borussia. Im DFB-Pokal-Viertelfinale schoss er beim 4:2 für TeBe zwei Tore.
Kurze Zeit später wechselte er dann aber zu Hertha und spielte dort unter Jürgen Röber zwei sehr erfolgreiche Saisons, unter anderem in der Champions League. Korkut und Aracic lernten sich 2012 beim VfB Stuttgart kennen – Aracic übernahm nach Korkuts Abgang in die Türkei die A-Jugend des VfB.
Am kommenden Wochenende steht für Herthas neue Trainingsleiter somit gleich ein besonderes Spiel ins Haus: Denn nach wie vor wohnt ein Großteil seiner Familie in unmittelbarer Nähe zum Stuttgarter Stadion.
Pal Dardai ist Geschichte bei Hertha BSC. Der neue Cheftrainer Tayfun Korkut ist bereits vorgestellt. Dazu geben wir unsere Einordnung ab und sprechen natürlich auch noch über die spät verschenkten 2 Punkte gegen Augsburg. Außerdem wird es noch investigativ. Viel Spaß!
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Am heutigen Morgen schlug das Thema ein wie eine Bombe. Pal Dardai ist nicht mehr länger Trainer von Hertha BSC. Mit einer Meldung auf der Homepage kamen die Berliner mit dieser Nachricht um die Ecke. Im selben Atemzug wird Tayfun Korkut als Nachfolger präsentiert. Ein Mann, der das letzte Mal 2018 einen Job im Fußball-Business hatte. Es stellen sich viele Fragen, ob Antworten gefunden werden, muss die Zukunft sagen.
Hertha BSC und der Berliner Winter: Zu viele Gemeinsamkeiten
Die Zeiten sind grau, kalt und es wirkt wie eine schier unendliche Periode, die nicht enden mag. Die Berliner Millionenstadt wird zunehmend stiller und ungemütlicher, am Wochenende gesellte sich zu den eisigen Temperaturen auch noch der erste Schneefall dazu.
Als jemand, der in Berlin lebt, hat man hier aktuell nicht viel zu lachen. Irgendwie wirkt alles etwas betäubter und dunkler als sonst. Als Fan von Hertha BSC prasseln diese Gefühle praktisch doppelt ein. Der Klub macht seit mittlerweile zwei Jahren einen nicht wirklich zielführenden Eindruck. Um den Verein herrscht eine dunkle Stimmung, die niemand so wirklich im Stande zu sein scheint, aufzuhellen.
Am heutigen Morgen erlangte all das ein neuen unrühmlichen Höhepunkt. Hertha BSC trennte sich mit sofortiger Wirkung von Trainer Pal Dardai und seinen Co-Trainern Andreas „Zecke“ Neuendorf und Admir Hamzagic. Haben der Alten Dame zuvor bereits Kopf und Gesicht gefehlt, wurde nun das Herz entfernt.
Fredi Bobic: Mehr Business als Feingefühl
Am frühen Morgen teilte Geschäftsführer Sport Fredi Bobic Pal Dardai und dem Trainerteam mit, dass sie mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben freigestellt sein würden. Die Nachfolge war schnell, dem Vernehmen nach schon vor der Entlassung, gefunden. Mit Tayfun Korkut und dem ehemaligen Herthaner Ilija Aracic (von 1999 – 2000 25 Bundesligaspiele für Hertha BSC) als Co-Trainer präsentierte Fredi Bobic ein Team, welches streitbar ist und zunächst mit immens kritischen Augen von der Fanbase und der Medienwelt gesehen wird.
Fredi Bobic zeigte auf der Vorstellungspressekonferenz ein gefasstes und überzeugtes Gesicht. Er bedankte sich beim scheidenden Trainerteam und sprühte vor Optimismus und war bemüht Tayfun Korkut als neuen starken Mann zu präsentieren.
Es zeigt, wie sehr sich der Wind in der Hauptstadt gedreht hat. Während noch vor einem Jahr Michael Preetz als emotionaler Mann die Geschicke leitete, sich zunehmend emotional in Pressekonferenzen gab und seine Liebe zur Hertha nicht leugnete, vermittelt sein Nachfolger einen Eindruck als fokussierter, aber eiskalter Manager.
Nach einer denkwürdigen Transferphase im Sommer ist es die nächste Situation, in der Fredi Bobic im Mittelpunkt steht und nicht gerade mit Sympathiepunkten überhäuft wird. Doch das scheint ihm egal zu sein. Seine Überzeugung steht über dem Bedürfnis, beliebt bei den Fans zu sein.
Tayfun Korkut: Ungewöhnliche Wahl, aber möglicherweise unterschätzt
Die unpopuläre Entscheidung, Tayfun Korkut zum neuen Cheftrainer zu machen, sorgt im kurzlebigen Fußballgeschäft zunächst für Häme und Spott. Doch das interessiert Fredi Bobic nicht, der seit mehreren Wochen seine Entscheidung Pal Dardai zu entlassen, getroffen zu haben scheint.
Und wie schon in der Transferphase sorgen seine Entscheidungen keinesfalls für Luftsprünge und Aufbruchsstimmung. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das überhaupt nötig ist. Auch laut Fredi Bobic sei die Mannschaft in Takt, brauche lediglich nur Orientierung. Entscheidend ist also, dass die neue Lösung viel mehr nach innen, als nach außen wirkt. Tayfun Korkut hat sich über die Jahre in Fußball-Deutschland einen Namen gemacht. Leider keinen guten. Stationen bei Hannover und Kaiserslautern waren praktisch zum Scheitern verurteilt, bei Leverkusen gelangen ihm in elf Bundesligaspielen lediglich zwei Siege.
Hoffnung bietet allerdings seine letzte Station in der Bundesliga. Nämlich beim VfB Stuttgart. 2018 übernahm Korkut den VfB nach 20 Spieltagen auf Platz 14 und im tiefen Abstiegskampf. Mit 31 Punkten aus 14 Spielen starteten er und die Mannschaft eine furiose Aufholjagd, die am Ende beinahe mit der Qualifikation zur Europa League endete. Wobei auch hier viele VfB-Fans einordnend behaupten, dass wenig Plan und viel Glück von großer Bedeutung waren.
Fazit: Eine Patrone, die ein Risiko birgt und sitzen muss
Fredi Bobic geht ein enormes Risiko. Die Mannschaft, die auch nach seinen eigenen Worten intakt ist, muss sich in einer brenzligen Situation auf etwas neues einstellen. Versteckte Energien könnten freigesetzt werden. Genauso besteht allerdings das Risiko, dass die Verkrampfung im Hertha-Spiel vertieft und eine Weiterentwicklung blockiert.
Außerdem stellt sich die Frage, ob die Zeit in Stuttgart nur eine Nebelkerze war oder sich Korkut in seiner Karriere weiterentwickelt hat und nun die Chance nutzen kann, endgültig aus der Schublade des chronisch erfolglosen Trainers zu steigen. Sollte das klappen, haben Hertha-Fans im Berliner Winter eine Sorge weniger.
Das Spiel gegen den FC Augsburg am 13. Spieltag stand einzig und allein im Zeichen der Wiedergutmachung. Und in der Tat zeigte Hertha BSC ein anderes Gesicht im Vergleich zum blutleeren Auftritt beim Derby in Köpenick. Trotzdem zeigten sich alte Schwächen, die zum am Ende in einer ewig andauernden Nachspielzeit eiskalt bestraft wurden. Wir blicken auf ein Comeback und auf welche Leistungen aufgebaut werden muss, um endlich zurück in die Erfolgsspur zu finden.
Jurgen Ekkelenkamp: Endlich in der Startelf und auf der richtigen Position
Unter der Woche überlegte Pal Dardai bereits öffentlich ihn aufzustellen. Seinen Worten ließ er Taten folgen und ermöglichte Jurgen Ekkelenkamp einen Platz in der Startelf. Und das auch auf der richtigen Position.
Während Ekkelenkamp bei seinem letzten Startelf-Auftritt im Pokal gegen Preußen Münster glücklos auf der rechten Seite des Mittelfelds agierte, durfte er gegen den FC Augsburg auf der Zehn ran und die kreativen Geschicke leiten. Bis zur 67. Minute wirkte er mit, ehe er von Stevan Jovetic ersetzt wurde.
71 Prozent seiner Bälle brachte er an den Mann und gerade Stürmer Ishak Belfodil wusste er in Szene zu setzen, der dank des Niederländers immerhin zu einer Torchance kam und eine weitere nur knapp verpasste. Ekkelenkamp selbst bekam in der 61. Minute die Chance das Tor zu erzielen, als wiederum Belfodil ihn im Strafraum bediente. Unter Bedrängnis schoss er allerdings flach am Tor vorbei.
Auf diesem Auftritt lässt sich aufbauen. Wenn Ekkelenkamp in der Lage ist sein Durchsetzungsvermögen zu steigern, kann er sich zu einer enormen Waffe für das Spiel der Herthaner entwickeln. Sein Pressingverhalten und ständige Aktivität waren schon einmal gute Argumente. Zur Zeit sprechen allerdings seine schwachen Zweikampfwerte (nur 22 Prozent gewonnen) und die ausbaufähige Ruhe am Ball noch dagegen.
Ishak Belfodil: Aktuell die stärkste Alternative zu Stevan Jovetic
Zunächst wird sich der ein oder andere Hertha-Fan beim Blick auf die Aufstellung verwundert die Augen gerieben haben. Ishak Belfodil in der Startelf, während Krzystof Piatek und Davie Selke die Bank drückten. Dass Stevan Jovetic nach seiner Corona-Infektion noch nicht für die Startelf bereit war, sollte vor dem Spiel bereit klar gewesen sein.
Dardai sprach dem Algerier gute Trainingsleistungen zu und belohnte diese mit einem Platz in der Startelf. In seinen 73 Minuten Spielzeit war Belfodil ein echter Aktivposten, ihm fehlte lediglich das Glück und die nötige Ruhe vor dem Tor gegen einen gut aufgelegten Rafal Gikiewicz, wie bei seiner Chance aus spitzem Winkel in der 21. Spielminute.
Belfodil machte im Verlauf des Spiels viele Bälle fest, hatte mit 76 Prozent eine sehr passable Passquote und konnte so für viele gefährliche Offensivaktionen sorgen. Immer wieder ließ sich der Algerier intelligent ins Mittelfeld oder auf die Außenbahnen fallen, um als Anspielstation zu fungieren. So kam Herthas Offensivspiel deutlich besser ins Rollen. Aktuell hat er in der Stürmer-Hierarchie bei Hertha BSC ganz klar die Nase vor Davie Selke und Krystof Piatek.
Wenn es ihm noch gelingen sollte, entscheidende Zahlen vor dem Tor zu verzeichnen, hat er gute Chancen sich in der Startelf festzuspielen. Insbesondere besteht viel Potential im Zusammenspiel mit Jurgen Ekkelenkamp.
Suat Serdar: Unverzichtbar
Wieder einmal war Suat Serdar einer der besten, ja womöglich sogar der Beste, im Hertha-Spiel. 11 Kilometer Laufleistung zeigen seinen unermüdlichen Einsatz. Er verteilte stets Bälle am Fließband, kurbelte das Spiel enorm von hinten an und scheute sich nicht, die ein oder andere Grätsche auszupacken.
Im Vergleich zum Derby in Köpenick vor einer Woche verdoppelte Serdar seine Zweikampfquote auf 62 Prozent gewonnener Zweikämpfe. Seine Leistung hätte er in der 62. Minute krönen können, als er sich mit Schnelligkeit und Wucht von der linken Seite aus dem Mittelfeld kommend in die zentrale Position dribbelte und lediglich am herausragend reagierenden Gikiewicz von der Strafraumgrenze aus scheiterte. Es war eine Aktion, die man in dieser Saison schon häufiger bei ihm beobachten konnte.
Wenn diese noch mehr Ertrag bringen würden, wäre Hertha sicherlich nicht auf dem Platz in der Tabelle, den sie aktuell inne haben.
Marco Richter: Aktivposten und Torjäger
Still und heimlich mausert sich Marco Richter zum Torjäger der Hertha. Nur gut, da eben genau so einer aktuell im Kader fehlt. Gegen Augsburg erzielte Richter seinen dritten Saisontreffer. So viele Tore schoss er für eben jenen FC Augsburg in der gesamten letzten Saison.
Er hat nicht viel Anlaufzeit benötigt und sich zu einem nicht wegzudenkenden Aktivposten auf der – meist rechten – Außenbahn entwickelt. Seine Tempoläufe und Antizipation auch ohne Ball können jeder Zeit für Gefahr vor dem gegnerischen Tor sorgen. Sein Tor, was er aufgrund seiner 9-jährigen Vergangenheit bei den Fuggerstädtern verständlicherweise sehr zurückhaltend zur Kenntnis nahm, war natürlich an Kuriosität nicht zu überbieten. Und genau dieses Tor zeigt das große Problem der Hertha. Ähnlich wie gegen Leverkusen am 11. Spieltag benötigte die Mannschaft einen Zufall und Fehler des Gegners.
Aktuell besitzt die Hertha einfach nicht die Kaltschnäutzigkeit, um aus ihren wenigen Chancen und kreativen Momenten ein Tor zu erzielen. Das Aufbau – und Kombinationsspiel, welches sich im Vergleich zur letzten Woche zwar deutlich gesteigert hatte, reicht auch noch nicht, um Tore herauszuspielen. Somit brauchte es einen Fehler des Abwehrspielers Robert Gumny, den Richter eiskalt ausnutzen konnte. Mit 49 Ballkontakten, 27 Pässen und einer Passquote von 70 Prozent war Richter einer der aktivsten Herthaner auf dem Feld.
Jordan Torunarigha: Starkes Comeback und für ein paar Sekunden gefeierter Held
Nach zweieinhalb Monaten feierte Jordan Torunarigha sein Comeback. Dass er das direkt in der Startelf tun würde, war ursprünglich nicht geplant. Da sich allerdings Marton Dardai bereits beim Warmmachen verletzte, musste Torunarigha ins kalte Wasser geworfen werden.
Dem Innenverteidiger war die fehlende Spielpraxis kaum anzumerken. Er gewann 100 Prozent seiner Zweikämpfe. Zugegeben, es war nur ein einziger, den er zu erledigen hatte. Mit vier Klärungsaktionen sorgte er des Öfteren für Ruhe im Strafraum, sechs abgefangene Bälle kamen hinzu. Während des gesamten Spiels hatte er es nicht ein einziges Mal nötig ein Foul zu ziehen. Für den Spielaufbau war Jordan Torunarigha ein wichtiger Baustein. 59 Ballaktionen, eine Passquote von 91 Prozent und drei seiner sechs langen Bälle fanden den Mitspieler.
Dieses starke Comeback hätte noch fast eine kitschige Note bekommen. In der 75. Minute erzielte er nach Vorarbeit von Stevan Jovetic ein Tor. Es wäre das wahrscheinlich vorentscheidende 2:0 gewesen. Der Jubel in der Ostkurve war emotional, sollte aber nur von kurzer Dauer sein. Auf Grund einer Abseitsposition wurde der Treffer aberkannt. Den bitteren Gegentreffer in der 7. Minuten der Nachspielzeit konnte aber auch er letztendlich nicht verhindern.
Trotzdem macht seine Leistung große Lust auf mehr und lässt die Hoffnung auf eine starke Abwehr weiter steigern.
Fazit: Ein Team, das lebt und im entscheidenden Moment den Fokus verliert
Als in der 77. Minute der FC Augsburg bei einer Aktion drei Schüsse hintereinander nicht im Tor unterbrachte, umarmten sich Torunarigha und Torhüter Schwolow innig. Man spürte, was für ein Druck auf ihnen lag.
Man sah ihnen aber auch an, wie sie füreinander einstehen, füreinander fighten und sich gegenseitig pushen. Das Team lebt. Doch reicht das, wenn es an Qualität fehlt? Wie viele Nackenschläge, ob blutleere Auftritte im Derby oder späte Ausgleichstreffer wie gegen Leverkusen und nun Augsburg, sorgen für einen lehrreichen Effekt? Ab wann sind Enttäuschung und Demoralisierung stärker, als die gesammelte Erfahrung und eine Trotzreaktion im nächsten Spiel?
Fakt ist, Hertha braucht Punkte und Siege um in ruhigere Fahrgewässer zu kommen. Die Konkurrenz macht es vor. In Stuttgart ist der nächste Schritt und die nächste Reaktion gefordert.
Seit vielen Jahren und immer umfangreicher ist Hertha BSC sozial aktiv und wird damit seiner Verantwortung zumindest auf dieser Ebene zunehmend gerechter. Doch nicht nur der Verein selbst, auch oder vor allem viele Fans sind nicht untätig und engagieren sich ehrenamtlich. Ein Beispiel ist die Aktion „Hertha wärmt“, die auf eine Initiative der Harlekins Berlin ́98 zurückgeht und dieses Jahr bereits zum zehnten Mal und seit langer Zeit auch in Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtmission stattfindet.
Wir haben mit Cody von den Harlekins und mit Sabine und Veikko von der Berliner Stadtmission gesprochen, um Einblicke in die Aktion zu sammeln, Hintergründe zu erfahren und das Miteinander der beiden Partner kennenzulernen.
Harlekins Berlin ́98 – Herthas älteste Ultragruppe
Die seit mittlerweile 23 Jahren bestehende Ultra-Gruppe der Harlekins Berlin ́98 hat den Anspruch bei möglichst allen Spielen der „Alten Dame“ anwesend zu sein. Die aktuelle Corona-Situation mit eingeschränkter Stadionkapazität und den dazugehörigen Maßnahmen bildet gerade natürlich eine Ausnahme. Das ist jedoch noch einmal ein eigenständiges Thema und soll hier nicht behandelt werden.
Laut Cody versteht sie sich dabei als Motor der Kurve, ist laut, kreativ und manchmal auch unbequem. Die Mitglieder sind zu großen Teilen dafür verantwortlich, was in der Kurve passiert, engagieren sich federführend im Förderkreis Ostkurve und organisieren Auswärtsfahrten, Choreos und alles, was dazu gehört. All ihre Aktionen machen sie dabei nach dem eigenen Verständnis stets für den Verein und Traditionen sowie ihre Werte sind elementare Bestandteile.
Das soziale Engagement war dabei nicht von Beginn an Teil der eigenen Arbeit. Angefangen hat alles mit dem an Leukämie erkrankten und verstorbenen Mitglied Benny. Cody erzählt, dass sie zwar einen Freund verloren, aber im Rahmen der Blutspende- und allen sonstigen Aktionen gelernt hätten, was alles möglich sei und dass sie diese Energie irgendwie beibehalten wollten.
Aus einer kleinen Sammelaktion wird „Hertha wärmt“
Eine Form, wie dieses Vorhaben umgesetzt wurde, ist die Aktion „Hertha wärmt“. Sie ist ursprünglich als eine kleine Sammlung unter Freunden gestartet und mittlerweile ein „Selbstläufer“ geworden. Seit mehreren Jahren werden in Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtmission mehrere LKW mit den Spenden der Hertha-Fans gefüllt und an Obdachlose in der Stadt verteilt.
Ein verlässlicher Partner in der Berliner Stadtmission
Nachdem die Harlekins in den ersten beiden Jahren von „Hertha wärmt“ mit dem mob e.V. (bekannt für den „Straßenfeger“) zusammen arbeiten konnte, musste im Jahr 2014 ein neuer Partner gefunden werden. Aufgrund eines persönlichen Kontaktes wurde dies die Berliner Stadtmission, die seitdem verlässlich und durch viele positive Erfahrungen geprägt, mit den Harlekins zusammenarbeitet. Wer mehr über das Zustandekommen der Partnerschaft erfahren möchte, kann das Interview zwischen Cody und Hertha BSC lesen.
Die Berliner Stadtmission ist eine evangelische Organisation, die sich in den Bereichen Mission, Diakonie, Bildung und Begegnung in Berlin und darüber hinaus engagiert. Insbesondere die Arbeit mit Menschen, die oft übersehen sehen werden, ist dabei zentraler Bestandteil. Dies betrifft unter anderem Obdachlose, Geflüchtete und Straffällige, die auf dem Weg zurück in die Gesellschaft sind. Die wahrscheinlich bekanntesten Projekte der Stadtmission sind der Kältebus und die Bahnhofmission. Sabine und Veikko freuen sich vor allem, dass die Hertha-Fans genau das spenden, was gebraucht wird (warme, saisonale Männerkleidung und Schuhe der Größe 41-50). Sie betonen, dass sich mit Cody mittlerweile ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hat.
Durch die Arbeit der Stadtmission konnten im Jahr 2020 über 17.000 obdachlose Personen eingekleidet werden – und auch „Hertha wärmt“ trägt einen Teil dazu bei. Wer mehr über die Stadtmission sowie besonders dringend benötigte Kleidung und Sachspenden erfahren möchte, kann sich auf der Website unter dem Punkt „Sachspenden“ informieren.
Die soziale Verantwortung von Hertha BSC – und was der Verein mehr tun könnte
Sowohl Sabine und Veikko als auch Cody freuen sich selbstverständlich darüber, dass Hertha BSC sozial engagiert ist und Aktionen wie „Hertha wärmt“ unterstützt. Trotzdem wünschen sich beide, dass der Bundesligist noch stärker aktiv wird. Auch wenn Cody berechtigterweise einwirft, dass der Verein in erster Linie natürlich im Profifußball zu Hause und keine Hilfsorganisation ist. Fakt sei dennoch, dass die „Alte Dame“ seit fast 130 Jahren fest in der Stadt verankert sei und sich immer wieder der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst wird.
Alle drei meinen, schon die Reichweite der Aufmerksamkeit, die Hertha über die sozialen Netzwerke besitzt, helfe viel. Denn dadurch ließe sich so manche kleine Aktion zu einer „Riesensache“ machen. Hertha könnte daher noch aktiver soziale Projekte öffentlichkeitswirksam bewerben und mehr Menschen erreichen. Ganz persönlich wünscht sich Cody, dass gerade Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien stärker integriert und gefördert werden. Als Beispiele nennt er Freikarten für Heimspiele und Jugendclubs in sozialen Brennpunkten. Der Aufwand für diese Dinge dürfe nicht so groß sein und kaum etwas kosten, doch der darauf resultierende Effekt sei immens.
Und auch die Zusammenarbeit zwischen Hertha BSC und der Stadtmission soll ausgebaut werden. Der Kontakt bestehe bereits, so Sabine und Veikko. Zum Abschluss betont Cody, gemeinsam sei man bekanntlich stärker und gerade die Pandemie habe gezeigt, was für tolle Aktionen entstehen können.
[Titelbild: Photo by Soeren Stache – Pool/Getty Images]
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