Trainersohn, Wunderknabe, oder einfach Marton Dardai. Der zweitälteste Sohn des Cheftrainers wurde schon mit vielen Namen versehen. Wir werfen einen Blick in die Daten um zu entscheiden, welchen er verdient hat und vor Allem, was er Hertha im Moment geben kann.
Marton Dardai: Plötzlich Bundesliga-Spieler
So mancher Fan rieb sich beim 1:2 gegen RB Leipzig verwundert die Augen, doch es lag nicht am Schultheiss-Bier, dass man plötzlich zwei Dardais von Anfang an auf dem Platz sah. Marton Dardai, zweitältester Sohn von Cheftrainer Pál, feierte tatsächlich sein Startelfdebüt.
Seit dem 22. Spieltag gehört der 19-jährige Linksfuß zum Stammpersonal in der Innenverteidigung. In der aktuell gespielten Dreierkette nimmt er hier die Position des linken Halbverteidigers ein und macht so den für selbstverständlich gehaltenen Jordan Torunarigha und Omar Alderete gehörig Druck. Während Pál Dardai die Frage, ob Marton aufgrund offensichtlicher Verwandtschaftsverhältnisse eine Sonderbehandlung bekäme, regelmäßig zur Weißglut treibt, entbehrt die Situation nicht einer gewissen Seltsamkeit. Mitten im Abstiegskampf stellt der Cheftrainer das System so um, dass sein 19-jähriger Sohn, der zuvor grade mal 16 Bundesligaminuten sammeln konnte, direkter Profiteur ist? Dazu noch in der Innenverteidigung, wo es besonders auf Erfahrung und Körperlichkeit ankommt, zwei Aspekte, in denen man als junger, gerade aus der U23 hochgezogener Spieler, einfach den Kürzeren ziehen muss?
Grund genug mal einen Blick auf die Performance des Youngstars Dardai zu werfen. Doch anstatt mit des mit Tränen vernebelten Blicks, den der Abstiegskampf so mit sich bringt, lassen wir objektive Daten sprechen.
Datenset: Wie wir das Niveau von Dardai ermitteln
Alle Daten, die jetzt besprochen werden, stammen von fbref.com und spiegeln den Stand nach dem 26. Spieltag wieder. Das Datenset ist mit 450+ Spielern und 150+ Variablen enorm umfangreich. Deshalb habe ich mich auf die Daten konzentriert, die erstens eine Einschätzung von Dardais Verteidigungs- und Spielaufbau-Qualitäten, und zweitens eine gewisse Vergleichbarkeit ermöglichen.
Dem letzen Aspekt ist es geschuldet, dass ich so gut wie keinen direkten Zahlen ausgewählt habe. So gibt es zum Beispiel einen Wert, der anzeigt, wie viele Bälle ein Spieler abgefangen und durch Tacklings gewonnen hat. Dieser Wert ist klar davon abhängig, wie viel ein Spieler spielt. Jemand der 20 Spiele gemacht hat, hat mehr Gelegenheiten Bälle abzufangen, als jemand, wie Marton, der bisher nur in sieben Spielen zum Einsatz kam. Deshalb arbeite ich an dieser Stelle viel mit Prozentangaben.
Darüber hinaus besteht das Vergleichsdatenset nur aus denjenigen Spielern, die laut fbref.com als Hauptposition Verteidiger sind. Das führt zum unschönen Nebeneffekt, dass auch Außenverteidiger in den Daten enthalten sind, die ja ein anderes Aufgabenprofil als Innenverteidiger haben, diese bittere Pille muss man allerdings anhand der Qualität der Daten und auch angesichts der Fluidität moderner Fußballsysteme schlucken.
Die von mir ausgewählten Daten sind:
Tacklingquote gegen Dribblings: Gibt an, in wie viel Prozent der Fälle ein Tackling gegen einen dribbelnden Spieler zur Balleroberung geführt hat.
Tacklingquote allgemein: Gibt an, in wie viel Prozent der Fälle ein Tackling des Spielers zur Balleroberung geführt hat.
Schusskreierende Aktionen pro 90 Minuten (SCA/90): Gibt an, wie oft pro 90 Minuten Aktionen des Spielers zu einem Schuss geführt haben. In absoluten Zahlen, nicht in Prozent.
Pressingquote: Gibt an, in wie viel Prozent der Fälle eine Pressingaktion des Spielers in höchstens 5 Sekunden zum Ballgewinn geführt hat.
Kurzpassquote: Gibt an, in wie viel Prozent der Pässe zwischen 4.5 und 13.7 Meter des Spielers angekommen sind. Originalangaben sind in Yard, deshalb die komischen Werte.
Passquote mittlere Pässe: Gibt an, in wie viel Prozent der Pässe zwischen 13.7 und 27.4 Meter des Spielers angekommen sind.
Passquote lange Pässe: Gibt an, in wie viel Prozent der Pässe von mindestens 27.4 Meter des Spielers angekommen sind.
Passquote allgemein: Gibt an, in wie viel Prozent der Pässe des Spielers angekommen sind.
Gewonnene Luftduelle: Gibt an, wieviel Prozent aller Luftduelle der Spieler für sich entscheiden konnte.
Anteil progressive Läufe mit Ball: Gibt an, in wie viel Prozent der Fälle der Spieler, wenn er den Ball am Fuß hatte, mindestens 4.5 Meter in Richtung gegnerisches Tor gelaufen ist. Läufe aus den letzten 40% des Spielfeldes zählen dabei nicht. Also z.B. wenn man von der eigenen Eckfahne in Richtung gegnerisches Tor läuft.
Anteil Pässe ins letzte Drittel: Gibt an, wie viel Prozent der angekommenen Pässe ins letzte Drittel vor dem gegnerischen Tor gelandet sind.
Marton Dardai gegen die Liga
Wir gucken uns zunächst an, wie Dardai gegen alle Verteidiger der Liga abschneidet. Ich habe dazu den Durchschnitt der Variablen gebildet und ihn mit Martons Werten verglichen.
In allen Grafiken ist Dardai immer der blaue Punkt.
Es fällt auf, dass Dardai ein ziemlich durchschnittlicher Spieler ist. Bei den allgemeinen Tacklings und den mittleren Pässen sogar überdurchschnittlich. Lediglich im Vorwärtsdrang und Kopfbällen muss er sich verbessern.
Das mag vielleicht auf den ersten Blick ernüchternd wirken, doch wir dürfen nicht vergessen, dass Hertha momentan eine unterdurchschnittliche Mannschaft ist. Das bedeutet wiederrum, dass ein bisschen Durchschnittlichkeit eine klare Verbesserung darstellt.
Aber wie sieht es denn mit Martons direkten Konkurrenten aus? Ist er hier besser, weil Durchschnitt?
Marton Dardai gegen seine direkten Konkurrenten
Ich vergleiche Dardai jeweils mit Omar Alderete und Jordan Torunarigha. Beides die nominellen linken Innenverteidiger.
Dardai ist wieder der blaue Punkt. Im Vergleich zu Jordan Torunarigha zeigt sich, dass Marton der wesentlich bessere Tackler zu sein scheint. Auch im Pressing ist er erfolgreicher. In Puncto Aufbauspiel fällt er jedoch hinter Jordan zurück und auch hier zeigt sich die Schwäche des jungen Dardais, wenn es um Kopfbälle geht.
Das fast gleiche Muster lässt sich auch im Vergleich mit Omar Alderete erkennen.
Beide Dardais, Vater und Sohn, bringen also eine gewisse Stabilität in die Defensive. Dafür gibt es im Aufbauspiel etwas bessere Alternativen. Es ist also wie immer eine Abwägungssache, was dem eigenen Spiel momentan gut tut.
Wunderknaben unter sich: Dardai vs Schlotterbeck
Einen letzten Vergleich, der sich vielleicht auch am Derby-Sonntag live ereignen könnte, kann man zwischen Dardai und Nico Schlotterbeck anstellen. Der junge Unioner ist auch Linksfuß und wird deshalb auch meist als linker Halbverteidiger in einer Dreierkette eingesetzt. In der folgenden Grafik ist sein Punkt Rot.
Schlotterbeck übertrumpft Dardai in fast allen Bereichen. Das könnte einerseits daran liegen, dass Union momentan besser da steht als Hertha, aber auch an der größeren Erfahrung des 21-jährigen Köpenickers. Insbesondere seine Tacklingquote gegen Dribblings ist beeindruckend.
Fazit: Dardai ist mit 19 Jahren beeindruckend reif
Marton Dardai ist ein durchschnittlicher Spieler. Doch das ist genau das, was Hertha momentan im Abstiegskampf braucht. Ruhe und Konstanz. Ein hohe Leistungsvolatilität kann fatale Fehler nach sich ziehen, die wertvolle Punkte kosten könnten. Wenn sich Dardai jetzt noch im Kopfballspiel verbessert, kann er auch dauerhaft eine große Bereicherung für das Team sein und Feuer im Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung machen.
Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass Dardai gerade einmal 19 Jahre alt ist. In so einem Alter in den Abstiegskampf geworfen zu werden, wissend, dass das Attribut Trainersohn wie ein blaues D auf der Brust prangt, ist wahrlich nicht einfach wegzustecken. Das Marton trotzdem so gut performt, lässt die Brust eines jeden Hertha-Fans in freudiger Erwartung einer zweiten Vereinslegende mit dem Namen Dardai höherschlagen.
In der Länderspielpause möchten wir die freie Zeit nutzen, um mit euch ausführlich auf das anstehende Derby zu blicken. Dazu haben wir uns fachkundige Auskunft aus Richtung Köpenick eingeladen. Till Oppermann, schreibt unter anderem für den rbb, unterstützt uns in dieser Folge. Wir schwelgen ein wenig in Derbyerinnerungen, reden über alle Hertha News und geben unsere Tipps für das Spiel am Ostersonntag ab.
Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.
Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.
Heimsieg. 3 Punkte. Keine Gegentore. Sprung auf Platz 14. Besser hätte es einfach nicht laufen können. Über den zweiten Heimsieg in Folge und alles rund um die Woche bei Hertha BSC sprechen wir in dieser Folge unseres Podcasts.
Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.
Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.
Herthas Trainer Pal Dardai bemüht des Öfteren die Schach-Metapher, wenn er von seiner favorisierten Spielweise spricht. Im Spiel gegen Bayer Leverkusen ging Hertha genauso vor: Mit jeweils ein, zwei genialen Spielzügen nutzte Hertha die Fehler des Gegners aus und stach effizient zu. Das lag auch daran, dass Lucas Tousart, Deyovaisio Zeefuik und Dodi Lukebakio heute ihre bislang stärkste Saisonleistung zeigten. Die Herthaner im Fokus.
Lucas Tousart – Herthas wertvoller Spieleröffner
Um ein Schachspiel zu gewinnen, muss man seinen Gegner in eine Situation versetzen, in der er sich nicht mehr wehren kann. Oft gelingt dies nicht mit einem Spielzug, sondern erfordert eine Vorbereitung, an der mehrere Figuren beteiligt sind. Immer aber gibt es eine Figur, die einen Angriff durch eine brillante Aktion einleitet. Der Ausgangspunkt für Herthas Schachmatt-Situationen war heute oft Lucas Tousart.
In seinem bislang besten Spiel für Hertha leitete er mit immens wichtigen, gewonnen Zweikämpfen Herthas offensive Spielzüge ein. Beispiel – das 2:0: Zusammen mit Landsmann Matteo Guendouzi gewinnt der Ex-Lyoner den Ball in der eigenen Hälfte, um dann Dodi Lukébakio über die rechte Seite zum entscheidenden Spielzug in die Tiefe zu schicken. Beispiel – das 3:0: Tousart gewann hier den Ball gegen den Leverkusener Wirtz und gab ihn an Matheus Cunha weiter, der wiederum den entscheidenden Spielzug über einen Pass an Deyovaisio Zeefuik vorbereitete.
Dank Tousarts Dominanz (Zweikampfquote bei 80 Prozent) im defensiven Mittelfeld war der erst kürzlich für die Nationalmannschaft nominierte Florian Wirtz, derzeit eine von Bayers schärfsten Waffen, das ganze Spiel über abgemeldet. Es gab lediglich eine Phase, in der Herthas zentrales Mittelfeld drohte, wieder in das alte, lethargische Verhalten zu verfallen, nämlich nach den frühen 1:0, nach dem Leverkusen insbesondere über Herthas linke Abwehrseite oft zum Flanken kam.
Gerade in dieser Spielphase ermahnte Dardai aber oft Tousart und Guendouzi, dass sie früher „Druck, Druck, Druck“ machen sollen, was die beiden Franzosen dann auch erfolgreich taten. Es ist beeindruckend, welchen Wert Tousart mittlerweile für die Mannschaft hat.
Zeefuik und Lukébakio – Die gefährlichen Läufer
Wie beim Schach dienen auch beim Fußball die Läufer dazu, zumeist über diagonale, längere Spielzüge den Gegner in bedrohliche Lagen zu bringen. Deyovaisio Zeefuik setzte am heutigen Sonntag durch seine überraschenden Läufe in Leverkusens Strafraum immer wieder solche Nadelstiche.
Ganz abgesehen von seinem Traumtor, das er von halbrechts aus nach ein paar Minuten unter die Latte setzte, sorgte er auch immer wieder für gefährliche Hereingaben – wie etwa vor dem 3:0, als er den Ball von rechts außen ins Strafraumzentrum spielte und somit Jhon Cordobas Tor vorbereitete. Kurz vor der Halbzeit ließ er zudem den Leverkusener Demirbay stehen, der anschließende Pass kam dann aber leider nicht an.
Gleiches gilt erfreulicherweise für Dodi Lukébakio. Denn seien wir ehrlich: In den bisherigen Spielen dieser Saison war es keine große Wonne, dem Belgier beim Fußballspielen zuzusehen. Fehlpässe, aufgehobene Abseitsfallen und mangelnder Einsatz prägten sein Spiel. Am Sonntag zeigte Lukébakio ein ganz anderes Gesicht: Fast alle seiner Pässe (81 Prozent Passquote) kamen an und er sorgte immer wieder für Torgefahr. Der 23-Jährige spielte auffällig zielstrebig und schnörkellos.
Vor dem 1:0 legte Lukébakio klug auf Zeefuik zurück, anstatt den Ball ins übervölkerte Zentrum zu spielen. Auch das 2:0 legte der Belgier vor, als er auf der rechten Seite den zentral mitgelaufenen Cunha sah und den Ball zu ihm in die Mitte spielte. Das Bild von Lukebakio und Cunha, die sich nach ihrer Auswechslung auf der Tribüne gemeinsam freuten und abklatschten, ließ jedes Hertha-Herz höher schlagen. Später folgte übrigens eine ähnliche Szene zwischen Pal Dardai und Arne Friedrich auf der Bank. Ein schöner Tag für alle Herthaner.
Matheus Cunha – Der Schachmatt-Spieler
Die gefährlichsten Situationen in einem Schachspiel entstehen, wenn die Dame ihre volle Kraft entfaltet. Für sie gelten Regeln, die für keinen anderen Spieler gelten und ein übergroßes Maß an Freiheit. Die Dame ist an den meisten Schachmatt-Situationen beteiligt. Matheus Cunha ist Herthas „Dame“. Er genießt im offensiven Mittelfeld alle Freiheiten, holt sich die Bälle teils auf den Außen, teils am eigenen Strafraum ab und sorgt dann entweder selbst für Gefahr oder leitet diese ein.
Nach einer etwas schwächeren Saisonphase (auch wegen Verletzungen) hat Cunha am heutigen Sonntag genau diese Eigenschaften wieder gezeigt. Wie der Brasilianer vor dem 2:0 den oben beschriebenen Pass von Lukébakio mitnimmt und mit einer kleinen Hüftbewegung zwei Leverkusener stehenlässt, ist einmalig und Gold wert für Hertha. Immer wieder imponierend ist sein Drang zum Tor.
Selbst wenn Cunha Bälle auf Höhe der Mittellinie holt, zieht er Richtung Tor. Dabei lässt er auch gerne mal mehrere Gegner stehen und schießt dann selbst. Mit etwas mehr Trefferglück schießt Cunha im heutigen Leverkusenspiel auch noch zwei Tore mehr und Hertha gewinnt 5:0. Fünf Schüsse, ein Schlüsselpass, drei Dribblings und dazu noch drei Tacklings wie zwei abgefangene Bälle – die Berliner “junge Dame” ist zurück.
Und dann war da noch…
Marton Dardai: Liebe Kolleg/-innen von der Fußball-Fachpresse. Ihr müsst Pal Dardai nicht mehr fragen, warum gerade sein Sohn derzeit sehr viel Einsatzzeit bekommt. Papa Dardai hat mehrfach gesagt, dass Marton eher mehr machen muss als seine Teamkameraden, um spielen zu dürfen. Nachdem Pal Dardai diese Frage unter der Woche gefühlt zum 20. Mal beantworten musste, wurde er das auch vor dem Spiel am Sky-Mikro wieder gefragt. Das war dann das eine Mal zu viel – Dardai senior rastete aus und wurde deutlich.
Die Frage erübrigt sich auch, weil Marton einfach extrem sicher in Herthas Abwehr steht. Wenn Marton Dardai in der 21. Minute nicht mit einer extrem gut getimeten Grätsche dem Leverkusener Bailey den Ball abgenommen hätte, wäre womöglich das 1:1 gefallen und das Spiel ganz anders verlaufen. Es fühlt sich so an, als ob der junge Dardai schon seit zehn Jahren für Sicherheit in Herthas Abwehr sorgt. Seine Werte (86 Prozent Passquote, 75 Prozent Zweikämpfe) sprechen für sich.
Fazit: Dreimal Schachmatt
Eigentlich gehörte das Leverkusen-Spiel noch zur schwierigen Saisonphase Herthas, in der nach und nach alle Spitzenteams abgeklappert werden. Im Gegensatz zu den vorherigen Spielen gegen die besten Teams dieses Landes waren am heutigen Sonntag aber zwei Faktoren anders. Erstens war Hertha extrem effizient und nutzte fast alle Nadelstiche gezielt aus. Zweitens war Leverkusen auch einfach nicht gut. Die Werkself lief zum Beispiel zwei Kilometer weniger als Hertha (112 vs. 114 km).
Insbesondere der Fakt, dass Leverkusen nur einen einzigen Schuss aufs Tor abgab, zeigt aber, dass Bayer heute nicht den nötigen Druck auf den Platz brachte. Endlich mal wieder gehen wir Herthaner mit einem guten Gefühl in eine (sinnlose) Länderspielpause. Gerade mit der heutigen Leistung wächst die Vorfreude aufs Derby in zwei Wochen von Tag zu Tag.
Am Sonntag muss Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen antreten. Nach Borussia Dortmund hat Pal Dardais Mannschaft also den nächsten großen Gegner vor der Brust. Die Ausgangslage dürfte jedem klar sein. Hertha ist in der „roten Zone“ angekommen und benötigt dringend Punkte, um einen drohenden Abstieg zu verhindern. Leverkusen ist allerdings der letzte hochfavorisierte Gegner, auf den die „alte Dame“ trifft, bevor es nach der Länderspielpause in eine alles entscheidende Phase geht. Beginnend mit dem Derby gegen Union Berlin am 4. April wird sich dann im nächsten Monat die Abstiegsfrage endgültig klären.Um mit einer besseren Ausgangslage in diesen „Schlusssprint“ zu gehen, werden die Blau-Weißen Zuhause gegen Leverkusen punkten müssen.
Doch wie stehen Herthas Chancen am Sonntag überhaupt? Wie ist die Ausgangslage bei den Gästen und welche Spieler werden im Mittelpunkt stehen? Diese Fragen versuchen wir zu klären. Dabei war uns Bastian eine große Hilfe, um Bayer 04 Leverkusen besser einschätzen zu können.
Aus im DFB-Pokal und in der Europa League – Bosz unter Druck
Den Anfang machen wir gleich mit unserem Gegner. Die Mannschaft aus dem Rheinland erlebte eine teilweise herausragende Hinrunde und war sogar zwischenzeitlich Tabellenführer. Die Rückrunde allerdings gestaltet sich bisher deutlich komplizierter. Nach dem Aus im DFB-Pokal und in der Europa-League ist die “Werkself” in der Bundesliga mittlerweile auf den sechsten Platz zurückgefallen. Dazu musste die Mannschaft von Cheftrainer Peter Bosz vergangenes Wochenende eine überraschende Niederlage gegen Arminia Bielefeld einstecken.
Wir wollten von Bastian wissen, wie zufrieden man in Leverkusen eigentlich mit der aktuellen Lage ist. „Überhaupt nicht zufrieden. Auch wenn das eigentliche Saisonziel, nämlich die Champions League zu erreichen, noch möglich ist, hat man durch das vermeidbare Ausscheiden in DFB-Pokal und Europa League jede Chance auf einen Titel frühzeitig verspielt. Zudem zeigt die Formkurve aktuell deutlich nach unten.“
Die obligatorische Frage nach dem Trainer beantwortet uns Bastian wie folgt: „Einerseits ist Peter Bosz durch seine sympathische Art und bisher durchaus erfolgreiche Arbeit sehr beliebt, andererseits sind diese Formschwankungen unter seiner Führung nicht neu. Ich denke, bei dieser Personalie scheiden sich die Geister.“
Sieg gegen Gladbach keine Befreiung – Führungsspieler verletzt
Sollten die Ergebnisse nicht besser werden, scheint es für Peter Bosz in Leverkusen eng zu werden: „Aktuell ist es jedenfalls schwer vorstellbar, dass Bosz in der nächsten Saison noch Trainer in Leverkusen ist. Aber im Fußball kann sich das Blatt auch sehr schnell wieder wenden“, sagt unser Experte dazu.
Dabei hätte sich das Blatt auch schon nach dem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach vor zwei Wochen wenden können. Doch besonders aussagekräftig war dieser Erfolg dann doch nicht: „Der Sieg gegen Mönchengladbach hat da wohl etwas getäuscht. Auf dem Papier war das ein Big Point, in Realität gewinnt aktuell so ziemlich jede Mannschaft gegen Gladbach. Niederlagen gegen Freiburg und Bielefeld sprechen dagegen eine deutlichere Sprache“, meint Bastian.
Verletzungssorgen plagen den Verein aus dem Rheinland ebenfalls. Darunter habe Bayer 04 weniger an Qualität verloren, sondern eher an Führungsspielern: „Mit Lars und Sven Bender, Lukas Hradecky und Julian Baumgartlinger fallen gleich vier erfahrene Anführer aus. Der von Bosz ernannte Kapitän Charles Aranguiz ist zwar seit einiger Zeit wieder dabei, hat aber mehr mit sich selbst und seiner Form zu tun. Gerade in der Offensive, wo es derzeit noch am meisten hapert, fehlt zudem gar keiner.“
Große Dominanz und Spielstärke – Schwächen beim Torabschluss
Doch bei all den Problemen in Leverkusen bleibt Bayer 04 eine sehr starke Mannschaft mit großen Qualitäten. „Wenn man das Leverkusener Spiel mit dem der sehr erfolgreichen Hinrunde vergleicht, fallen einem gar keine großen Unterschiede auf“, sagt unser Experte. „Bayer hat immer deutlich mehr Ballbesitz als der Gegner und in der Regel auch mehr und bessere Torchancen. Während zu Saisonbeginn aber noch aus einer halben Chance ein Tor erzielt wurde, reichen jetzt drei, vier Gelegenheiten nicht mehr aus, um den Ball ins Netz zu befördern. Es scheint also vor allem eine Kopfsache zu sein, eine Frage des Selbstvertrauens.“
Bastian sieht auch andere Gründe für Leverkusens momentaner Formschwäche: „Dazu wird immer deutlicher, dass der Ballbesitzfußball und die Transferpolitik, vor allem schnelle Spieler zu verpflichten, nicht besonders gut zusammenpassen. Mit etwas mehr Konterfußball sähe das womöglich anders aus.“ Keine große Hilfe wird dabei Mitchell Weiser sein. Der Ex-Herthaner hat sich auch im dritten Jahr am Rhein nicht durchgesetzt.
Wir haben Bastian dazu befragt: „Ganz schwieriges Thema. Er belegt bei Bayer den letzten Kaderplatz (wenn überhaupt) und wenn es einen Abnehmer gegeben hätte, wäre er wohl schon längst nicht mehr da. Er wurde für nicht gerade wenig Geld als Rechtsverteidiger geholt und hat recht schnell gezeigt, dass er diese Position auf diesem Niveau nicht spielen kann. Ich hätte ihn gerne in einer offensiveren Rolle gesehen, aber da war die Konkurrenz bisher groß und Bosz hatte nicht diesen Plan. Nach knapp drei Jahren in Leverkusen muss man sagen, dass dieser Transfer nicht aufgegangen ist.“
Die Rückkehr des Cunhas – Herthas Hoffnungsträger wieder fit
Was tippt also unser Experte zum Schluss für das Sonntagspiel? „Das ist unheimlich schwierig. Ich gehe eigentlich davon aus, dass irgendwann der Knoten platzt und mal wieder etwas mehr Effizienz im Torabschluss einkehrt. Dann müsste ein angeschlagener Gegner wie Hertha eigentlich locker bezwungen werden. Viel hängt auch davon ab, wie Hertha auftritt. Gegen sehr defensiv eingestellte Mannschaften tut sich Bayer traditionell schwer und ist bei Kontern anfällig. Deshalb hoffe ich, dass Hertha einer Heimmannschaft entsprechend offensiv auftritt.“
Sehr wahrscheinlich scheint dies nicht zu sein. Pal Dardai brachte zuletzt vor allem defensive Stabilität zurück. Volle Offensive wird Hertha am Sonntag auch trotz der brenzligen Lage wohl nicht gehen. Tatsächlich fordert Herthas Cheftrainer aber von seiner Mannschaft ein anderes Gesicht. Insbesondere in der Offensive solle man besser auftreten als gegen Borussia Dortmund.
„Wir haben dort bis 30 Meter vor dem gegnerischen Tor gut gespielt. Danach waren das Können, der Mut, der richtige Abschluss nicht da. In der Endzone muss man Mut haben. Da müssen wir uns umstellen“, so der Trainer. Er erwarte „ein gutes, leidenschaftliches Spiel“ seiner Mannschaft. Ein wichtiger Faktor für ein besseres Offensivspiel bei Hertha wird zweifellos ein Spieler sein, der diese Woche endlich wieder im Mannschaftstraining zu sehen war. Matheus Cunha ist wieder fit und wird Pal Dardai für die Partie definitiv zur Verfügung stehen.
Dass sofort viel Verantwortung auf seinen Schultern liegen wird, ist wohl unvermeidbar. Trotzdem blieb Sportdirektor Arne Friedrich in der Pressekonferenz am Freitag optimistisch: „Er wird unser Unterschiedsspieler sein. Aber wir haben elf Spieler auf dem Platz, es wird sich nicht alles auf ihn fokussieren. Diese Leichtigkeit wollen wir ihm geben.” Auch Herthas Defensive, die zuletzt viel gelobt wurde, wird wieder eine große Aufgabe vor der Brust haben. Für das zentrale Mittelfeld sind die gegen Dortmund ausgefallenen Matteo Guendouzi und Santiago Ascacibar wieder mit dabei. Eduard Löwen fehlt weiterhin, wie auch Sami Khedira und Dedryck Boyata. Vladimir Darida fehlt wegen seiner Rotsperre.
Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen – Verzweifelte Punktejagd im Endspurt
Jetzt steht Hertha BSC also wie lange nicht mehr mit dem Rücken zur Wand. Die entscheidenden Wochen im Abstiegskampf im April will man nicht auf einen direkten Abstiegsplatz beginnen. Der Druck wird von Woche zu Woche größer, die Konkurrenz zeigt sich nicht abgeschlagen. Was Hertha Mut machen könnte: Arminia Bielefeld könnte man mit einem Punkt gegen Leverkusen am Sonntag wieder überholen.
Durch die 0:1-Niederlage der Ostwestfalen gegen RB Leipzig am Freitagabend und die schlechtere Tordifferenz (-25 für Bielefeld, -17 für Hertha) reicht der „alten Dame“ schon ein Punkt, um wieder die Nase vorn zu haben. Eines scheint sicher zu sein: jeder Punkt wird zählen, wohl bis zum letzten Spieltag. Hertha kann das Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen nicht mehr als „Bonusspiel“ betrachten. Auch gegen den Favoriten müssen Punkte her, am besten dreifach. Wie stark der Gegner ist, kann als Ausrede nicht mehr weiter gelten.
Die Blau-Weißen können sich als Beispiel ihr letztes Heimspiel gegen die „Werkself“ nehmen. Damals konnten sie mit 2:0 das Spiel für sich entscheiden (Torschützen damals Matheus Cunha und Dodi Lukebakio). Doch das Spiel am Sonntag wird wieder eine andere Geschichte sein. Eine gute Halbzeit wie beim Sieg gegen den FC Augsburg wird nicht ausreichen. Hertha BSC wird zwei gute Halbzeiten benötigen. Zwei richtig gute Halbzeiten. Dann ist vielleicht auch die Abstiegsangst, die bei allen Hertha-Fans stark zu spüren ist, vielleicht für ein paar Stunden wieder weg.
Neueste Kommentare