Hertha BSC – Bayer 04 Leverkusen: Punkte gegen die Abstiegsangst

von Mrz 20, 2021

Am Sonntag muss Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen antreten. Nach Borussia Dortmund hat Pal Dardais Mannschaft also den nächsten großen Gegner vor der Brust. Die Ausgangslage dürfte jedem klar sein. Hertha ist in der „roten Zone“ angekommen und benötigt dringend Punkte, um einen drohenden Abstieg zu verhindern. Leverkusen ist allerdings der letzte hochfavorisierte Gegner, auf den die „alte Dame“ trifft, bevor es nach der Länderspielpause in eine alles entscheidende Phase geht. Beginnend mit dem Derby gegen Union Berlin am 4. April wird sich dann im nächsten Monat die Abstiegsfrage endgültig klären. Um mit einer besseren Ausgangslage in diesen „Schlusssprint“ zu gehen, werden die Blau-Weißen Zuhause gegen Leverkusen punkten müssen.

Doch wie stehen Herthas Chancen am Sonntag überhaupt? Wie ist die Ausgangslage bei den Gästen und welche Spieler werden im Mittelpunkt stehen? Diese Fragen versuchen wir zu klären. Dabei war uns Bastian eine große Hilfe, um Bayer 04 Leverkusen besser einschätzen zu können.

Aus im DFB-Pokal und in der Europa League – Bosz unter Druck

Den Anfang machen wir gleich mit unserem Gegner. Die Mannschaft aus dem Rheinland erlebte eine teilweise herausragende Hinrunde und war sogar zwischenzeitlich Tabellenführer. Die Rückrunde allerdings gestaltet sich bisher deutlich komplizierter. Nach dem Aus im DFB-Pokal und in der Europa-League ist die “Werkself” in der Bundesliga mittlerweile auf den sechsten Platz zurückgefallen. Dazu musste die Mannschaft von Cheftrainer Peter Bosz vergangenes Wochenende eine überraschende Niederlage gegen Arminia Bielefeld einstecken.

Foto: IMAGO

Wir wollten von Bastian wissen, wie zufrieden man in Leverkusen eigentlich mit der aktuellen Lage ist. „Überhaupt nicht zufrieden. Auch wenn das eigentliche Saisonziel, nämlich die Champions League zu erreichen, noch möglich ist, hat man durch das vermeidbare Ausscheiden in DFB-Pokal und Europa League jede Chance auf einen Titel frühzeitig verspielt. Zudem zeigt die Formkurve aktuell deutlich nach unten.“

Die obligatorische Frage nach dem Trainer beantwortet uns Bastian wie folgt: „Einerseits ist Peter Bosz durch seine sympathische Art und bisher durchaus erfolgreiche Arbeit sehr beliebt, andererseits sind diese Formschwankungen unter seiner Führung nicht neu. Ich denke, bei dieser Personalie scheiden sich die Geister.“

Sieg gegen Gladbach keine Befreiung – Führungsspieler verletzt

Sollten die Ergebnisse nicht besser werden, scheint es für Peter Bosz in Leverkusen eng zu werden: „Aktuell ist es jedenfalls schwer vorstellbar, dass Bosz in der nächsten Saison noch Trainer in Leverkusen ist. Aber im Fußball kann sich das Blatt auch sehr schnell wieder wenden“, sagt unser Experte dazu.

Dabei hätte sich das Blatt auch schon nach dem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach vor zwei Wochen wenden können. Doch besonders aussagekräftig war dieser Erfolg dann doch nicht: „Der Sieg gegen Mönchengladbach hat da wohl etwas getäuscht. Auf dem Papier war das ein Big Point, in Realität gewinnt aktuell so ziemlich jede Mannschaft gegen Gladbach. Niederlagen gegen Freiburg und Bielefeld sprechen dagegen eine deutlichere Sprache“, meint Bastian.

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Verletzungssorgen plagen den Verein aus dem Rheinland ebenfalls. Darunter habe Bayer 04 weniger an Qualität verloren, sondern eher an Führungsspielern: „Mit Lars und Sven Bender, Lukas Hradecky und Julian Baumgartlinger fallen gleich vier erfahrene Anführer aus. Der von Bosz ernannte Kapitän Charles Aranguiz ist zwar seit einiger Zeit wieder dabei, hat aber mehr mit sich selbst und seiner Form zu tun. Gerade in der Offensive, wo es derzeit noch am meisten hapert, fehlt zudem gar keiner.“

Große Dominanz und Spielstärke – Schwächen beim Torabschluss

Doch bei all den Problemen in Leverkusen bleibt Bayer 04 eine sehr starke Mannschaft mit großen Qualitäten. „Wenn man das Leverkusener Spiel mit dem der sehr erfolgreichen Hinrunde vergleicht, fallen einem gar keine großen Unterschiede auf“, sagt unser Experte. „Bayer hat immer deutlich mehr Ballbesitz als der Gegner und in der Regel auch mehr und bessere Torchancen. Während zu Saisonbeginn aber noch aus einer halben Chance ein Tor erzielt wurde, reichen jetzt drei, vier Gelegenheiten nicht mehr aus, um den Ball ins Netz zu befördern. Es scheint also vor allem eine Kopfsache zu sein, eine Frage des Selbstvertrauens.“

Bastian sieht auch andere Gründe für Leverkusens momentaner Formschwäche: „Dazu wird immer deutlicher, dass der Ballbesitzfußball und die Transferpolitik, vor allem schnelle Spieler zu verpflichten, nicht besonders gut zusammenpassen. Mit etwas mehr Konterfußball sähe das womöglich anders aus.“ Keine große Hilfe wird dabei Mitchell Weiser sein. Der Ex-Herthaner hat sich auch im dritten Jahr am Rhein nicht durchgesetzt.

Wir haben Bastian dazu befragt: „Ganz schwieriges Thema. Er belegt bei Bayer den letzten Kaderplatz (wenn überhaupt) und wenn es einen Abnehmer gegeben hätte, wäre er wohl schon längst nicht mehr da. Er wurde für nicht gerade wenig Geld als Rechtsverteidiger geholt und hat recht schnell gezeigt, dass er diese Position auf diesem Niveau nicht spielen kann. Ich hätte ihn gerne in einer offensiveren Rolle gesehen, aber da war die Konkurrenz bisher groß und Bosz hatte nicht diesen Plan. Nach knapp drei Jahren in Leverkusen muss man sagen, dass dieser Transfer nicht aufgegangen ist.“

Die Rückkehr des Cunhas – Herthas Hoffnungsträger wieder fit

Was tippt also unser Experte zum Schluss für das Sonntagspiel? „Das ist unheimlich schwierig. Ich gehe eigentlich davon aus, dass irgendwann der Knoten platzt und mal wieder etwas mehr Effizienz im Torabschluss einkehrt. Dann müsste ein angeschlagener Gegner wie Hertha eigentlich locker bezwungen werden. Viel hängt auch davon ab, wie Hertha auftritt. Gegen sehr defensiv eingestellte Mannschaften tut sich Bayer traditionell schwer und ist bei Kontern anfällig. Deshalb hoffe ich, dass Hertha einer Heimmannschaft entsprechend offensiv auftritt.“

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Sehr wahrscheinlich scheint dies nicht zu sein. Pal Dardai brachte zuletzt vor allem defensive Stabilität zurück. Volle Offensive wird Hertha am Sonntag auch trotz der brenzligen Lage wohl nicht gehen. Tatsächlich fordert Herthas Cheftrainer aber von seiner Mannschaft ein anderes Gesicht. Insbesondere in der Offensive solle man besser auftreten als gegen Borussia Dortmund.

„Wir haben dort bis 30 Meter vor dem gegnerischen Tor gut gespielt. Danach waren das Können, der Mut, der richtige Abschluss nicht da. In der Endzone muss man Mut haben. Da müssen wir uns umstellen“, so der Trainer. Er erwarte „ein gutes, leidenschaftliches Spiel“ seiner Mannschaft. Ein wichtiger Faktor für ein besseres Offensivspiel bei Hertha wird zweifellos ein Spieler sein, der diese Woche endlich wieder im Mannschaftstraining zu sehen war. Matheus Cunha ist wieder fit und wird Pal Dardai für die Partie definitiv zur Verfügung stehen.

Dass sofort viel Verantwortung auf seinen Schultern liegen wird, ist wohl unvermeidbar. Trotzdem blieb Sportdirektor Arne Friedrich in der Pressekonferenz am Freitag optimistisch: „Er wird unser Unterschiedsspieler sein. Aber wir haben elf Spieler auf dem Platz, es wird sich nicht alles auf ihn fokussieren. Diese Leichtigkeit wollen wir ihm geben.” Auch Herthas Defensive, die zuletzt viel gelobt wurde, wird wieder eine große Aufgabe vor der Brust haben. Für das zentrale Mittelfeld sind die gegen Dortmund ausgefallenen Matteo Guendouzi und Santiago Ascacibar wieder mit dabei. Eduard Löwen fehlt weiterhin, wie auch Sami Khedira und Dedryck Boyata. Vladimir Darida fehlt wegen seiner Rotsperre.

Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen – Verzweifelte Punktejagd im Endspurt

Jetzt steht Hertha BSC also wie lange nicht mehr mit dem Rücken zur Wand. Die entscheidenden Wochen im Abstiegskampf im April will man nicht auf einen direkten Abstiegsplatz beginnen. Der Druck wird von Woche zu Woche größer, die Konkurrenz zeigt sich nicht abgeschlagen. Was Hertha Mut machen könnte: Arminia Bielefeld könnte man mit einem Punkt gegen Leverkusen am Sonntag wieder überholen.

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Durch die 0:1-Niederlage der Ostwestfalen gegen RB Leipzig am Freitagabend und die schlechtere Tordifferenz (-25 für Bielefeld, -17 für Hertha) reicht der „alten Dame“ schon ein Punkt, um wieder die Nase vorn zu haben. Eines scheint sicher zu sein: jeder Punkt wird zählen, wohl bis zum letzten Spieltag. Hertha kann das Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen nicht mehr als „Bonusspiel“ betrachten. Auch gegen den Favoriten müssen Punkte her, am besten dreifach. Wie stark der Gegner ist, kann als Ausrede nicht mehr weiter gelten.

Die Blau-Weißen können sich als Beispiel ihr letztes Heimspiel gegen die „Werkself“ nehmen. Damals konnten sie mit 2:0 das Spiel für sich entscheiden (Torschützen damals Matheus Cunha und Dodi Lukebakio). Doch das Spiel am Sonntag wird wieder eine andere Geschichte sein. Eine gute Halbzeit wie beim Sieg gegen den FC Augsburg wird nicht ausreichen. Hertha BSC wird zwei gute Halbzeiten benötigen. Zwei richtig gute Halbzeiten. Dann ist vielleicht auch die Abstiegsangst, die bei allen Hertha-Fans stark zu spüren ist, vielleicht für ein paar Stunden wieder weg.

[Titelbild: IMAGO]

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ÜBER DEN AUTOR

Chris Robert

Chris Robert

Exilherthaner, Franzose, Student und Fußballromantiker. Egal wie wütend ihr nach Hertha-Spielen seid, ich bin wütender. Ich brauche keinen Videoschiedsrichter um zu wissen, dass der Schiri immer gegen Hertha pfeift.

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