Es stand anders im Drehbuch: eigentlich hätte das erste Heimspiel der Saison und damit das Olympiastadion-Debüt von Ante Covic als Hertha-Cheftrainer dazu dienen sollen, den Punktgewinn in München zu veredeln. Nach den 90 Minuten hatte aber ein äußerst ernüchterndes 0:3 auf der Anzeigetafel gestanden, das den Spielverlauf allerdings nicht treffend wiedergegeben hatte. Nach ereignisreichen zehn Minuten hatte Hertha durch einen Elfmeter 0:1 zurückgelegen, sich danach aber im ersten Durchgang formidabel präsentiert. Genützt hatte es nicht – die Tore waren ausgeblieben – und so mussten sich die Berliner nach einer dürftigen zweiten Halbzeit und zwei Wolfsburger Kontern mit 0:3 geschlagen geben.
Auch in dieser Saison wollen wir euch eine Einzelkritik zu den Spielen der “Alten Dame” bieten können, doch gehen wir dieses Format nun erstmals anders an: anstatt wie bisher jeden einzelnen eingesetzten Spieler zu bewerten, wollen wir uns auf wenige ausgewählte Akteure der Partien beschränken – auch von den Benotungen wollen wir uns trennen. Dadurch wollen wir gewisse Einzelleistungen noch genauer unter die Lupe nehmen oder aus einem anderen Blickwinkel beleuchten können, sodass die Einzelkritiken nicht zu lang/eintönig und nur die wirklich prägnanten Leistungen aufgezeigt werden. Wir hoffen, ihr versteht diese Änderungen. In der vergangenen Saison musste die Einzelkritik streckenweise aus Zeitgründen ausfallen – durch diese Anpassungen wollen wir sicherstellen, dass dies deutlich seltener passiert.
Ungewohnt fahrlässig: Vedad Ibisevic
Wie bereits gegen den VfB Eichstätt und Bayern München hatte Ibisevic am Sonntagabend den Vorzug vor Konkurrent Davie Selke erhalten. Das große Argument des 35-Jährigen: er macht die Tore, ist eiskalt in seiner Entscheidungsfindung. Diese Attribute hatte man gegen Wolfsburg allerdings nicht gesehen – im Gegenteil.
Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images
Zugegeben – die Partie gegen Wolfsburg war keine gewesen, in der es für einen Mittelstürmer einfach gewesen wäre, zu glänzen. Der Gegner stand äußerst tief in der eigenen Hälfte und hatte somit wenig aussichtsreiches in der direkten Gefahrenzone, dem Strafraum, zugelassen. Umso wichtiger wäre es gewesen, seine wenigen Möglichkeiten zu nutzen – ein Job wie gemalt für einen eiskalten Torjäger wie Ibisevic, doch Herthas Kapitän war an dem Tag nicht gut aufgelegt. In einigen Szenen hatte der Bosnier nicht wach gewirkt, so hatte er hin und wieder aussichtsreiche Flanken in den Strafraum schlichtweg verpasst. Normalerweise gehört es zu einer seiner stärksten Eigenschaften, Zuspiele zu riechen und vor dem gegnerischen Verteidiger am Ball zu sein. Am Sonntag ging im dieses Gespür ab, sodass er etwas hilflos zwischen der Wolfsburger Dreierkette wirkte.
Die Szene, die Ibisevics mangelnde Kaltschnäuzigkeit an jenem Tage am plakativsten beschreibt, hatte sich in der 54. Minute ereignet. Der Routinier hatte einen starken Steckpass von Marko Grujic erhalten, nur noch John Anthony Brooks vor sich und auf der rechten Seite Dodi Lukebakio als Anspielstation. Anstatt den Ball rüber zu seinem Sturmkollegen zu spielen, hatte sich Ibisevic für das Dribbling gegen Brooks entschieden und dieses verloren, sodass die sehr gute Torchance verpufft war. Am Ende hatte der Mittelstürmer nur einen geblockten Schuss und keinen einzigen gewonnen Zweikampf verzeichnet.
(Fast schon) gewohnt fahrlässig: Karim Rekik
Ja, die Teilüberschrift ist provokant gewählt, doch dass Karim Rekik seit seinem Wechsel zu Hertha bereits fünf Elfmeter verursacht hat, ist keine allzu überzeugende Statistik für ihn. Ebenso wenig überzeugend hatte sich der niederländische Innenverteidiger gegen den FC Bayern und nun auch gegen Wolfsburg präsentiert. Es besteht die Sorge, dass Rekik eher an seine durchwachsene vergangene Spielzeit als an seine starke Debütsaison für Hertha anknüpft.
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Elfmeter Nummer fünf seiner Hertha-Laufbahn hatte Rekik in der 8. Spielminute verursacht. Vorausgehend hatte der 24-Jährige den Zweikampf mit Felix Klaus verschlafen, sodass er nur noch hinterhersprinten konnte und dann viel zu ruppig in den Zweikampf innerhalb des Strafraums ging – Konsequenz: Elfmeter. Auch sonst hatte Rekik am Sonntagabend nicht sattelfest gewirkt, so hatte er vor allem bei Wolfsburgers Umschaltaktionen immer wieder Probleme damit, VfL-Stürmer Wout Weghorst effektiv auszubremsen. Rekiks Zweikampfstatistik war dementsprechend ausbaufähig gewesen und auch in Kriterien wie angefangene Bälle, geklärte Aktionen oder Tackles hatte er im Vergleich mit Innenverteidiger-Kollege Niklas Stark hinterhergehinkt.
Im Aufbauspiel hatte sich der vierfache niederländische Nationalspieler hingegen ordentlich präsentiert. Sein Passspiel war sowohl sicher, als auch effizient gewesen. Zusammen mit Stark hatte sich Rekik im eigenen Ballbesitz sehr hoch positioniert, um die Wolfsburger einzuschnüren. Seine Seitenverlagerungen und Pässe in den Fuß der linken Außenspieler haben sich sehen lassen können, auch wenn Nebenmann Stark noch etwas dominierender aufgetreten ist. Alles in allem war es aber einmal mehr eine kritikwürdige Leistung Rekiks gewesen, der sich noch steigern muss. “Wir werden unsere Fehler analysieren und mit dem Ziel nach Gelsenkirchen fahren, drei Punkte nach Hause zu bringen”, so der Abwehrspieler selbst.
Schon mehr als Ansätze: Dodi Lukebakio
“Ich muss zugeben, dass ich gerade am Anfang überwältigt war von den Fans. Das hat mir einen richtigen Antrieb gegeben. In diesem Stadion zu spielen macht unglaublich Spaß”, hatte sich Lukebakio gegenüber der B.Z. zu seinem ersten Spiel im Olympiastadion geäußert. Den angesprochenen Spielspaß hat man dem Belgier deutlich angemerkt, auch wenn es ihm noch an der Effizienz gefehlt hatte.
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Wie bereits in der Einleitung angesprochen, hatte Hertha im ersten Durchgang ohne jeden Zweifel das Zepter in der Hand. Die Blau-Weißen hatten große Spielfreude versprüht, indem sie ihren Ballbesitz mit hohem Tempo und großer Breite wie Tiefe aufgezogen hatten. Mittendrin: Neuzugang Lukebakio. Der 21-Jährige war der wohl auffälligste Herthaner im ersten Durchgang gewesen, da er an nahezu allen Offensivaktionen beteiligt gewesen war. Besonders markant waren Lukebakios Dribblings, die nicht nur schön ausgesehen, sondern auch effektiven Raumgewinn zur Folge hatten. Auch das Zusammenspiel mit Hintermann Lukas Klünter hatte bereits sehr gut funktioniert, sodass sie sich immer wieder gegenseitig in Szene setzen, teilweise mit ansprechenden Hackentricks.
Doch leider hatte sich Lukebakios Aufwand der ersten Halbzeit nicht in Tore umgemünzt und nach dem Pausentee hatte ihm nicht mehr allzu viel gelingen wollen. Die Verbindung zu Klünter war immer mehr abgerissen, sodass der Flügelstürmer oft auf sich allein gestellt war. Hatte die Nummer 28 den Ball bekommen und dann die Chance, mit Tempo auf Wolfsburgs Abwehr zuzulaufen, mangelte es ihm an guter Entscheidungsfindung. So hatte er es immer wieder versucht, anstatt den Ball auf seinen starken linken Fuß zu legen und nach innen zu ziehen, mit rechts vorbeizuziehen und die Flanke zu schlagen – doch mit seinem schwächeren Fuß waren seine Zuspiele unerreichbar gewesen. So verblasste Lukebakios Vorstellung immer mehr, seine Durchschlagskraft war immer weiter geschrumpft. Dennoch war zu sehen gewesen, welch prägendes Element der Neuzugang in Herthas Spiel sein kann.
Stetiger Lerneffekt: Ante Covic
Wer sagt denn, dass in der Einzelkritik nicht auch die Arbeit vom Cheftrainer unter die Lupe genommen werden kann? Ante Covic hatte gegen die Niedersachsen erstmals die Chance, seine Idee von Ballbesitzspiel gegen einen mindestens gleichwertigen Gegner umzusetzen und kann sowohl positives als auch Lehren aus der Partie vom Sonntagabend ziehen.
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“In der ersten Halbzeit ging es in die richtige Richtung, da haben wir uns viele Chancen aus dem Spiel heraus kreiert und gegen einen gut organisierten Gegner Gefahr mit dem Ball ausgestrahlt”, hatte Covic dem kicker seine Eindrücke geschildert. Er hatte gegen Wolfsburg im 4-3-3 aufgestellt, nachdem es in München anfangs noch ein 3-5-2 gewesen war, und wollte einen sauberen und stets nach vorne ausgerichteten Ballbesitzfußball seiner Mannschaft sehen. Denkbar ungünstig war der frühe Rückstand aufgrund eines Foulelfmeter gewesen, der ein Team schon aus dem Konzept bringen kann. Die Jungs von Covic waren aber unbeirrt geblieben und hatten die Ideen ihres Trainer umgesetzt. Covic hatte seine Mannschaft äußerst hoch aufgestellt, Herthas Innenverteidiger waren kurz hinter der Mittellinie positioniert, und dennoch vermochte sie es, viel Tempo in ihre Aktionen zu bekommen. Auffällig waren die fein abgestimmten Kombinationen im Dreieck gewesen, wie auch die vielen intelligenten Seitenverlagerungen. So hatte es Hertha geschafft, das Spielfeld in seiner Breite und Tiefe auszunutzen in Wolfsburg trotz einer Dreier- bis Fünferkette vor Probleme zu stellen.
Knackpunkt war nur gewesen, dass die Hauptstädter sich für diesen Aufwand nicht mit einem einem Treffer, der noch mehr Sicherheit und eine zweite Luft beschert hätte, belohnt hatten. Salomon Kalou und zweimal Marko Grujic hatten die Chance auf den verdienten Ausgleichstreffer gehabt, doch so war Hertha mit einem Rückstand in die Kabine gegangen. “In der zweiten Halbzeit wollten wir zu viel. Da hatten wir zu viele Spieler vorn auf einer Höhe. Nach der Umstellung auf 4-4-2 waren die beiden zentralen Angreifer und die beiden seitlichen Spieler auf einer Höhe, so dass der Gegner das relativ simpel verteidigen konnte” – auch das hatte Covic nach dem Spiel richtig analysiert, ohne sich selbst wirklich aus der Kritik auszunehmen. Das wäre auch angemessen, denn schließlich hat sich der 43-Jährige durch seine sehr offensiven Einwechslungen keinen Gefallen getan. “Die Halbfelder und Zwischenräume, wo wir immer wieder Gefahr hätten ausstrahlen können”, wurden durch dessen personelle Veränderungen und Verschiebungen kaum noch genutzt. Herthas Formation war vom 4-3-3, zum 4-4-2, zum 4-2-4, zum 3-2-5 gewandert, sodass sich die Offensivspieler immer mehr auf den Füßen gestanden waren. Eine weitere Konsequenz war die fehlende defensive Absicherung, sodass Hertha zum 0:2 und 0:3 ausgekontert wurde. “Wenn du einem Rückstand hinterherrennst, darfst du nicht kopflos wirken – das waren wir phasenweise”, sagte Covic. Das gilt sowohl für die Spieler, als auch den Trainer. Dass Covic die Probleme der letzten Partie so genau erkannt hat, macht allerdings Mut, dass er und die Mannschaft daraus lernen werden.
In unserer neusten Ausgabe des Hertha Base Podcast sprechen wir über die ersten drei Pflichtspiele gegen Eichstätt, den FC Bayern und den VfL Wolfsburg. Außerdem geht es selbstverständlich kurz ums Stadion, die Vorkommnisse nach dem letzten Heimspiel und jede Menge Personal. Zudem führen wir unsere neuen zwei Rubriken im Podcast ein. Mit Louis Richter, der hin und wieder für den Tagesspiegel über Hertha schreibt, haben wir einen famosen Gast! Viel Spaß beim Hören.
Vor über einem Jahr hat Hertha BSC seine konkreten Pläne für einen Stadionneubau veröffentlich – effektiv bewegt hat sich seitdem nichts. Die Verantwortlichen und der Berliner Senat finden einfach nicht zusammen, sodass aktuell Stillstand herrscht. Das angepeilte Datum der Stadioneröffnung am 25. Juli 2025 scheint sich momentan eher als weiteres Symbol für das Berliner Fingerspitzengefühl bei Großbauprojekten einzureihen, als dass es tatsächlich realisiert werden könnte. Eine Situation, die den Verein, die Politik, aber auch das Umfeld frustriert.
So sehr, dass nun gehandelt wird – und zwar in Person von Pascal Grimm. Der Hertha-Fan hat sich die Stadion-Thematik, wie viele andere, nicht mehr tatenlos mit ansehen können und startete daher am 15. August die Petition “Schluss mit der Hinhhaltetaktik – Neues Stadion für Hertha BSC!”, in der konkrete Forderungen an den Berliner Senat stellt, sich konstruktiv mit den Plänen der “Alten Dame” auseinanderzusetzen. Wir haben mit Pascal gesprochen, um uns erklären zu lassen, was die Intention seines Eingreifens ist, welche Vorwürfe er Senat wie Hertha selbst macht und ab wann er die Petition als Erfolg ansehen würde.
Herthas Plan für den Stadionneubau auf dem Olympiagelände (Foto: Hertha BSC / AS+P)
Hallo Pascal. Bevor wir uns mit deiner Petition auseinandersetzen – stell doch bitte dich und deine Beziehung zu Hertha BSC kurz vor.
Ich bin in Minden (Nordrhein-Westfalen) geboren, also nicht gerade im klassischen Hertha-Gebiet. Mit acht Jahren bin ich nach Berlin gekommen – das war 1999, eine für Hertha sehr erfolgreiche Zeit (Teilnahme an der Champions League). Ich bin damals das erste Mal ins Stadion mitgenommen worden, meine Großeltern hatten mir ein Hertha-Trikot geschenkt und damit war es dann entschieden. Ich habe selten wirklich in Berlin gewohnt, das tue ich jetzt das erste Mal so richtig. Seitdem versuche ich, so oft wie möglich im Stadion zu sein. Zudem bin ich sehr Foren-aktiv, vor allem auf transfermarkt.de. Ich bin aber an keinen Fanclub gebunden.
In deiner Petition erklärst du, welche Grundproblematiken es mit dem Olympiastadion als Spielstätte gibt. Warum siehst du einen Auszug Herthas als unvermeidlich an?
Da gibt es zwei Arten der Begründung. Das eine, das die Fans direkter anspricht, ist die Atmosphäre im Olympiastadion. Dazu gehört Dinge wie die große Entfernung der Zuschauerränge zum Spielfeld, aber auch die Witterungsbedingungen im Winter – also all das, was das Olympiastadion zu keiner modernen Fußballarena macht. Jeder, der mal eine Auswärtsfahrt in ein anderes Bundesliga-Stadion gemacht hat, wird diesen Unterschied gemerkt haben. Auch die Ostkurve würde in einem modernen Stadion noch imposanter zur Geltung kommen, da sich die Stimmung, die sie macht, nicht in der schlechten Stadion-Akustik verlieren würde. Es wird seitens des Vereins mit “Steil, nah, laut” geworben – darauf habe ich große Lust!
Die andere Begründung ist finanzieller Natur. Man ist als Verein langfristig besser aufgestellt, wenn man ein eigenes Stadion besitzt. Wie ich in der Petition angerissen hatte, würden bei einer eigenen Arena die Mietkosten, die aktuell beim Olympiastadion zu bezahlen sind, entfallen. Natürlich hat man bei einem Stadionbau Kredite abzuzahlen usw., aber man kann auch Nebeneinkünfte generieren, wie durch das Verkaufen der Namensrechte, dem Veranstalten von Konzerten und anderen Möglichkeiten. Wenn man im modernen Fußball mithalten will, muss man da einfach mitspielen.
Ich habe den Eindruck, dass der Berliner Senat überhaupt kein Interesse daran hat, dieses Stadionthema voranzubringen. Es ist teilweise nachvollziehbar, warum die Politik Hertha nicht aus dem Olympiastadion ziehen lassen will, gleichzeitig muss der Senat aber einsehen, dass dieses Thema für den größten Sportverein der Stadt ein sehr bedeutsames ist. Man hat das Gefühl, der Senat wolle die Stadionfrage so lange hinauszögern, bis Hertha gezwungen wäre, einen neuen Mietvertrag für das Olympiastadion zu unterzeichnen, sodass sich das Thema zunächst einmal wieder erledigt hätte. Ohne Politik-Bashing betreiben zu wollen: in dieser Thematik frustriert mich der Senat schon sehr! Ganz unabhängig von der Frage, ob Hertha in seiner Kommunikation alles richtig machen würde. Bei dem kleinsten Hindernis knickt der Senat ein und spricht davon, dass das Ganze wohl nicht mehr machbar sei. Ich vermisse daher eine konstruktive Herangehensweise, eine gemeinsame Lösung zu finden.
“Herthas Taktik war zu offensiv”
Auch die Herthaner Verantwortlichen haben sich in der Vergangenheit nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Ist auch Schuld beim Verein zu suchen? Was hätte in der Kommunikation besser laufen müssen?
Meiner Meinung nach war die Taktik Herthas ein wenig zu offensiv. Man hat den Senat bei der Veröffentlichung der Pläne ein Stück weit vor vollendete Tatsachen gestellt und behaart nun auf dieser Extremposition. Ich würde mir auch eine Lösung auf dem Olympiagelände wünschen, weil sie in meinen Augen die beste wäre. Wie Hertha nach außen kommuniziert, ist aber nicht ideal und lädt den Senat zu seiner Trotzreaktion ein. So wird der “schwarze Peter” gerne zurück zu Hertha geschoben, obwohl ich den Senat in der Pflicht sehe, da auf Hertha zuzukommen. Die Parteien haben sich nun in eine gewisse Pattsituation hineinmanövriert und ich hoffe, dass die Petition ein Anstoß sein kann, um aus dieser wieder herauszukommen
Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images
Am 16. August hatte sich Herthas Vereinspräsident Werner Gegenbauer mit einem Brief an die Mitglieder gewendet, in dem er u.a. scharfe Kritik am Berliner Senat geäußert hatte. Einmal mehr nutzte man den Weg der Öffentlichkeit, um seinen Standpunkt klarzumachen. Welche Form des Dialogs würdest du dir von beiden Parteien wünschen?
Ich finde, auch das man sich das, was Präsident Gegenbauer öffentlich an Senat gerichtet hat, sparen kann. Man muss wieder mit- und weniger übereinander reden. Es könnte natürlich sein, dass im Hintergrund viel gesprochen wird, doch der Eindruck wird nicht gerade vermittelt, wenn Herr Geisel in Medien Interviews gibt und die Hertha-Verantwortlichen auf selbigem Wege darauf antworten. Ich würde mir daher von beiden Seiten einen konstruktiveren Umgang miteinander wünschen, aber auch vom Senat die Einsicht, dass eine Lösung her muss und man nicht auf Zeit spielen sollte.
“Sollte dies im Olympiapark nicht möglich sein, dann soll endlich aktiv und mit ernsthaftem Interesse eine realistische Alternative innerhalb der Stadtgrenzen gesucht und gefunden werden”, schreibst du in deiner Petition. Warum kann Brandenburg keine Option sein?
Meine absolute Wunschlösung liegt in Berlin, ich bin aber niemand, der das dogmatisch einfordern und damit Brandenburg grundsätzlich ausschließen würde. Ich könnte es mir unter gegebenen Umständen als Notlösung vorstellen, wenngleich ich es sehr schade fände, denn allein die Wege nach Brandenburg wären sehr weit, weshalb viele Hertha-Fans über eine Stunde zum Stadion bräuchten. Brandenburg würde auch nicht in Bezug auf die Identifikation mit Hertha als Berliner Verein helfen.
Es ist eben nicht nur der Verein selbst, der ein eigenes Stadion haben will. Auch die Fans setzen sich dafür ein und sind von dem derzeitigen Status frustriert, weshalb sie nicht länger zusehen wollen. Ich hatte die Petition zunächst im Hertha-Forum von transfermarkt.de und bei immerhertha.de gepostet, zusätzlich auf Twitter geteilt. Von dort aus ging es sehr schnell los, sich zu verbreiten und auch die ersten Einladungen zu ähnlichen geplanten Fan-Initiativen kamen rein. Aktuell ist ein Drittel des Quorums erreicht, was für die erste Woche echt ordentlich ist. Auch aus dem Umland gibt es viele UnterstützerInnen, knapp 1.000 Menschen aus Brandenburg haben unterschrieben. Die Petition ist noch über zweite Monate offen, sodass ich zuversichtlich bin, dass das Quorum erreicht wird – auch wenn das nicht das primäre Ziel ist. Es geht vielmehr um das Zeichen, das die Hertha-Fans sich nun auch engagieren und nicht nur an der Seitenlinie stehen.
Die sprichst die Zielsetzung deiner Petition an. Was kann mit den Unterschriften erreicht werden und ab wann gilt die Petition für dich selbst als erfolgreich?
Es ist wie folgt: bei 11.000 UnterzeichnerInnen aus Berlin würde die Petition in das Abgeordnetenhaus eingehen, welches sich dann mit dieser befassen müsste. Wie diese Prüfung der Thematik abläuft, kann ich auch nicht sagen, der Prozess ist nicht wirklich klar. Der viel größere Effekt ist die Aufmerksamkeit, die das Thema dadurch wieder bekommt. Daher freue ich mich auch über jede/n UnterstützerInnen, der/die nicht aus Berlin kommt, aber mit der Intention übereinstimmt. Der leichte öffentliche Druck, den die Petition auf den Senat ausüben könnte, hätte wohl den größeren Effekt als der rein bürokratische Prozess.
Danke für deine Zeit und viel Erfolg für deine Petition, Pascal!
Mit einem 2:2 beim FC Bayern München ist Hertha BSC in die Bundesliga-Saison 2019/20 gestartet. Kein allzu schlechter Start für die Berliner, will man meinen, war der Gegner kein geringerer als der amtierende Meister. Im ersten Bundesliga-Spiel unter Neu-Coach Ante Covic haben sich fußballerisch ansehnliche Phasen mit welchen, in denen die Blau-Weißen großem Druck ausgesetzt waren, abgewechselt. Unterm Strich steht eine gute Leistung da, die bereits Spannung für die kommenden Wochen erzeugt.
Auch in dieser Saison wollen wir euch eine Einzelkritik zu den Spielen der “Alten Dame” bieten können, doch gehen wir dieses Format nun erstmals anders an: anstatt wie bisher jeden einzelnen eingesetzten Spieler zu bewerten, wollen wir uns auf wenige ausgewählte Akteure der Partien beschränken – auch von den Benotungen wollen wir uns trennen. Dadurch wollen wir gewisse Einzelleistungen noch genauer unter die Lupe nehmen oder aus einem anderen Blickwinkel beleuchten können, sodass die Einzelkritiken nicht zu lang/eintönig und nur die wirklich prägnanten Leistungen aufgezeigt werden. Wir hoffen, ihr versteht diese Änderungen. In der vergangenen Saison musste die Einzelkritik streckenweise aus Zeitgründen ausfallen – durch diese Anpassungen wollen wir sicherstellen, dass dies deutlich seltener passiert.
Herthas Bester: Lukas Klünter
“Ich denke, mit meiner Schnelligkeit konnte ich ganz gut dagegenhalten. Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden”, (SPOX) gab sich Lukas Klünter nach dem Spiel gegen den FC Bayern recht bescheiden. Sein Mannschaftskollege Maxi Mittelstädt äußerte sich dann schon deutlich euphorisierter: “Für mich war er der beste Mann auf dem Platz. Er ist unglaublich viel gelaufen und hat Coman zur Weißglut getrieben.” Damit traf Mittelstädt den Nagel schon viel mehr auf dem Kopf, denn ohne Zweifel ist Klünter am Freitagabend der beste Herthaner auf dem Platz gewesen.
Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images
Zunächst als rechter Innenverteidiger der Berliner Dreierkette gestartet, hatte Klünter vor allem damit zu tun, die Unsicherheiten im Defensivverhalten Mathew Leckies auszugleichen. Der 23-Jährige ist regelmäßig angehalten gewesen, mit auf den rechten Flügel zu rücken, um das Alaba-Coman-Gespann möglichst selten in die Gefahrenzonen vordringen zu lassen. Bis dahin hatte Klünter souverän, aber noch nicht allzu auffällig agiert. Seine stärkste Szene hatte er gegen Bayerns Robert Lewandowski gezeigt, als er dessen Schussversuch noch im allerletzten Moment verhindert hatte (siehe Foto). Nach dem 0:1-Rückstand hatte sich Trainer Ante Covic zu einer Systemumstellung vom 3-5-2 aufs 4-3-3 entschieden, sodass Klünter von da an als klassischer Rechtsverteidiger spielte.
Nun, im Gespann mit Leckie, hatte Herthas rechte Seite deutlich mehr Zugriff auf Alaba und vor allem Coman gewonnen, sodass von diesem Flügel kaum noch Gefahr ausging. “Kingsley Coman hat alles versucht, hat aber auch mit Klünter einen Verteidiger gegen sich gehabt, der genauso schnell ist und griffig war”, hatte FCB-Trainer Niko Kovac Herthas Abwehrspieler nach der Partie gelobt – zurecht, denn Klünter hatte sieben seiner acht Tacklings gewonnen, sieben Aktionen geklärt und zwei Bälle abgefangen. Kurzum: Klünter war stets Herr der Lage gewesen und das gegen einen der besten Flügelspieler der Bundesliga. Über die gesamte Spieldauer hatte er volle Konzentration gezeigt und so immer ein Bein in den Aktionen des Gegners. Als hätte Klünter beweisen wollen, dass es die richtige Entscheidung von den Vereinsverantwortlichen gewesen ist, keinen Ersatz für Valentino Lazaro verpflicht zu haben. “Er war immer der Letzte in der Kette, der seinen Fuß noch dazwischen hatte, er hat sich reingeschmissen, Bälle abgeblockt, aufgrund seiner Geschwindigkeit war er auch in der Lage, viele Lücken zu schließen, hat Spaß gemacht, ihm zuzugucken”, so das Fazit von Trainer Covic (Berliner Morgenpost).
Ansätze gezeigt: Lukebakio
München liegt ihm einfach: Dodi Lukebakio hatte am Freitag seinen insgesamt vierten Treffer in der Allianz Arena erzielt und somit zu einem gewissen Cristiano Ronaldo aufgeschlossen – keine große Sache also. Der Berliner Rekordeinkauf hatte, nachdem er im DFB-Pokal gegen den VfB Eichstätt noch als Joker eingesetzt wurde, erstmals von Anfang an spielen dürfen und rechtfertigte diese Entscheidung von Covic durch seinen Treffer zum 1:1.
Foto: Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images
Und auch wenn sein erstes Tor im Trikot des Hauptstadtklubs durch den Rücken von Kollege Vedad Ibisevic entscheidend abgefälscht wurde und somit unhaltbar neben FCB-Keeper Manuel Neuer eingeschlagen war, symbolisiert es die Spielweise des Belgiers: er ist unberechenbar. Es ist nicht zu verkennen gewesen, dass Lukebakio noch nicht zu 100 Prozent in das Spiel der Mannschaft eingebunden ist – und doch bereits besser als nach einer solch kurzen gemeinsamen Trainingszeit zu erwarten wäre. Zwar hatte der 21-Jährige lediglich 18 Ballkontakte in seinen 68 Einsatzminuten gesammelt, doch ist das als Stürmer gegen den FC Bayern nichts ungewöhnliches (Ibisevic hatte sogar weniger) und mit diesen wenigen hatte er durchaus angedeutet, was man von ihm erwarten kann.
Sein Gespür, sich zwischen den Linien des Gegners zu bewegen und diese mit Sprints oder Dribblings aufzureißen, machen ihn mit und ohne Ball zu einem ständigen Gefahrenherd. Der deutsche Rekordmeister hatte stets einen Mann für Lukebakio abstellen müssen, um diesem nicht die Möglichkeit zu geben, durch einen gezielten Sprint ungehindert in den freien Raum zu starten. Wie bereits erwähnt: sein Treffer zum 1:1 war durch das Abfälschen von Ibisevic begünstigt, doch hatte sich Lukebakio zuvor an zwei Gegenspielern vorbeigeschlängelt, um dann mutig den Abschluss zu suchen – solche Aktionen provozieren Tore. Nach rund 70 Minuten war der Arbeitstag des Neuzugangs beendet, zu mehr war er aufgrund seines Trainingsrückstandes noch nicht in der Lage. Nach diesem Auftritt lässt sich beruhigt sagen: darauf kann man aufbauen. Oder wie Kapitän Ibisevic es gegenüber der B.Z. formuliert hatte: “Der Junge hat viel Qualität. Es geht jetzt darum, dass wir uns einspielen, er das Team kennenlernt. Dann wird das noch besser.”
Licht und Schatten: Grujic
Es ist ein imposanter Anblick, den Marko Grujic aktuell abgibt. Der Zusammenstoß am Freitagabend mit Bayern-Verteidiger Benjamin Pavard hat dem Serben ein auffällig dickes blaues Auge verpasst – der Preis für seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 1:2 und die Symbolik für sein gesamtes Spiel, bei dem er gerade so mit einem blauen Auge davon gekommen ist.
Foto: Daniel Kopatsch/Bongarts/Getty Images
Denn es war eine äußerst durchwachsene Vorstellung des zentralen Mittelfeldspielers, bei der sich Licht und Schatten regelmäßig abgewechselt hatten. Auf der einen Seite hatte Grujic als der so dringend benötigte Ruhepol im Mittelfeld agiert, der die Bälle festmachte, in den eigenen Reihen hielt und dann mit Übersicht das Spiel aufbaute. In diesen Momenten hatte er das gesamte Team, das zuvor dem Ballbesitz des Gegners hinterhergelaufen war, atmen lassen. Eine 80%ige Passquote – 76,5% in der gegnerischen Hälfte – lassen sich in München absolut sehen. Zudem hatte der 23-Jährige immer wieder strategisch kluge Fouls gezogen, um den Bayern-Angriffen das Tempo zu nehmen. So war Grujic ein äußerst wichtiger Faktor gewesen, besonders im Spiel mit dem Ball. Er hatte insbesondere am 1:1 durch Lukebakio Anteil, der er den Angriff durch einen guten Pass auf Ondrej Duda erst scharf machte. Hinzu kommt sein Treffer zum 1:2, bei dem er sich vom Zusammenstoß mit Pavard Adrenalin-geladen nicht abhalten ließ, Neuer gekonnt umkurvt und dann eingeschoben hatte.
Eine lupenreine Vorstellung, wie bislang beschrieben, war es von der Liverpool-Leihgabe aber nicht gewesen. Es hatten sich auch einige Unkonzentriertheiten eingeschlichen, die in Ballverlusten oder Lücken in der Abwehr mündeten. Einige Male hatte Grujic den Ball im Aufbauspiel ohne größere Bedrängnis zum Gegner gespielt und so Bayern zu Gegenstößen eingeladen. Auch seine Zielstrebigkeiten in der Rückwärtsbewegung hatte zu Wünschen übrig gelassen, so war er beim 1:0 der Münchener nur zurückgetrabt, anstatt Mittelstädt wirklich zu unterstützen. Solche Räume im Defensivverbund nutzt ein Gegner wie der amtierende Meister aus. Der gravierendste Fehler war Grujic aber in der 60. Minute unterlaufen, als er Gegenspieler Lewandowski absolut unnötig im eigenen Sechszehner umgerissen hatte, was zum Elfmeter und 2:2-Ausgleich geführt hatte. “Robert ist ein erfahrener Spieler und hat die Situation gut ausgenutzt. Ich bin noch sehr jung und verhalte mich da etwas naiv. So etwas wird mir in Zukunft nicht mehr passieren”, erklärte Grujic in der B.Z. – das muss man bei Hertha auch hoffen, denn solche Aussetzer kosten Punkte.
Auf den zweiten Blick wichtig: Darida
Gegen den FC Bayern München stand Vladimir Darida das erste Mal seit acht Monaten wieder in einem Bundesligaspiel in Herthas Startelf. Der 29-Jährige hatte eine sehr starke Vorbereitung und ein ebenso gutes Pokalspiel gegen Eichstätt als Argumente gesammelt, um gegen die Münchener starten zu dürfen, doch auf den ersten Blick hatte er am Freitagabend kaum weitere Pluspunkte verbuchen können.
Foto: Daniel Kopatsch/Bongarts/Getty Images
“Er ist ein Spieler, der viele Löcher stopft. Man erkennt das oft nicht, aber wenn man sich einzelne Sequenzen nochmal genauer anschaut, sieht man, wie viele Passwege des Gegners er zustellt. Das hat uns in München gutgetan”, erklärte Covic gegenüber dem kicker die Leistung Daridas gegen Bayern. Der Tscheche war tatsächlich einer der aktivsten Spieler im Spiel gegen den Ball gewesen, 13,23 Kilometer war er am Freitagabend gelaufen – so viel wie niemand anderes an diesem Spieltag und kein Herthaner in der gesamten (!) vergangenen Saison. Dadurch hatte Darida auch die meisten Bälle (drei) aller Blau-Weißen abgefangen, hinzu kamen drei klärende Aktionen und sieben Ballsicherungen.
Zwar hatte Darida als defensivster Part des Mittelfelds nur wenig spielerisch wertvolle und/oder auffällige Szenen zu verbuchen, doch hatte sich sein Spiel mit dem Ball vielmehr auf ein sauberes Herauskombinieren (Passquote: 78,9%) aus der ersten Gegenpressinglinie des FC Bayern konzentriert. Dadurch war es Hertha vor allem im ersten Durchgang möglich, Gegenstöße zu kreieren und nicht nur in der eigenen Hälfte gefangen gehalten zu werden. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Darida diese Form der Entlastung in der zweiten Halbzeit kaum noch gelungen war, doch war es ihm da nicht anders als seinen Mitspielern ergangen.
Eine Frage bleibt noch vor dem ersten Pflichtspiel dieser Saison am Sonntag ungeklärt: wer soll bei Hertha in der Spitze stürmen? Selke und Ibisevic sind beide in der Vorbereitung fit geblieben und liefern sich bereits jetzt einen gnadenlosen Konkurrenzkampf. Es gibt im neuen System unter Neutrainer Ante Covic wohl auch nur eine Startposition als Stoßstürmer. Wer startet am Sonntag für Hertha gegen den VfB Eichstätt? Wer steht gegen den FC Bayern in der Startelf?
Luxusproblem oder „Warten auf Selke“?
Eigentlich gab es eine klare Vorstellung bei Hertha BSC, als man 2017 die Rekordsumme von geschätzten 8,5 Millionen Euro hinlegte, um sich die Dienste von Davie Selke zu sichern. Der aus Leipzig gewechselte Mittelstürmer sollte mittelfristig Nachfolger von Vedad Ibisevic in der Sturmspitze werden.
1,94 Meter groß, schnell, kopfballstark und vor allem eiskalt vor dem Tor: Selke war vom Profil her genau der Richtige, um in die großen Fußstapfen von Vedad Ibisevic zu treten. Doch bis heute hat sich keine endgültige Fackelübergabe ergeben, im Gegenteil. Vergangene Saison kam der Bosnier auf 1.821 Spielminuten in der Bundesliga, Selke auf 1.730. Dabei konnten beide Stürmer Scorerpunkte sammeln.
Ibisevic konnte zehn Treffer erzielen und drei Tore vorbereiten. Selke hat eine nahezu umgekehrte Statistik: er konnte nur drei Treffer erzielen, gab jedoch neun Torvorlagen ab. Beide Stürmer haben nicht die schlechteste Saison gespielt, aber eben auch keine so gute, als dass sich einer von beiden hätte klar durchsetzen können. Nicht einfach also für Trainer Covic, anhand der Statistik der letzten Saison eine Entscheidung zu treffen.
Selke mit der ersten kompletten Vorbereitung
Es lohnt sich also ein individueller Blick auf beide Spieler. Einer der Hauptgründe, warum sich Selke bisher noch nicht durchsetzen konnte, ist die Fitness. Sowohl 2017/18 als auch 2018/19 konnte er aufgrund von Verletzungen keine komplette Vorbereitung absolvieren, brauchte viel Zeit, um wieder in Form zu kommen. 2017/18 verpasste der ehemalige deutsche U-Nationalstürmer den kompletten Saisonstart, machte sein Bundesligadebüt für Hertha erst am 14.10.2019 gegen den FC Schalke 04. Damals folgten jedoch zehn Treffer in der Bundesliga und vier in der Europa League.
Im letzten Sommer erlitt Selke eine noch kompliziertere Verletzung (Pneumothorax). Er verpasste ebenfalls den Saisonauftakt, kam dann lange nicht in Schwung und wurde erst am 01.12.2019 in der Startelf eingesetzt. Sein Konkurrent Ibisevic hingegen ist durchgehend fit, war bis auf seine Sperren fast immer einsetzbar.
Diese Vorbereitung jedoch verläuft für Davie Selke bisher verletzungsfrei. Wie wichtig eine sorglose Vorbereitung sein kann, hat sich in jüngerer Vergangenheit bereits bei anderen Hertha-Spielern gezeigt. „Ich fühle mich sehr gut, fit und bereit. Immer wenn ich diesen körperlichen Stand hatte, konnte ich auf dem Platz Leistung zeigen“, sagte der 24-Jährige diese Woche im Interview.
Tore als Hauptargument
Unter Leistung versteht Selke auch die Fähigkeit, viele Tore zu schießen. Wie bereits angesprochen, konnte er vergangene Saison viele Vorlagen geben. Aufzulegen sei jedoch nicht sein primäres Ziel. „Ich will jetzt wieder auf Tore umschalten. (…) Mein Ziel ist es, zweistellig zu treffen. Das ist mein Anspruch”, so der junge Stürmer. Auch im Konkurrenzkampf zwischen Ibisevic und Selke werden die Tore das Hauptargument sein. Das sieht auch Deutschlands Nationaltrainer Joachim Löw so. Dieser sagte diese Woche in Bezug auf Davie Selke: „Er ist ein positiver Spielertyp mit unglaublichem Engagement und Tempo. Das sind positive Ansätze, aber da muss auch noch ein Entwicklungsschub kommen. Ich würde mir wünschen, dass solch ein Spieler auch mal 12, 15 Tore in einer Saison erzielt.“
Wenn man sich die Vorbereitungsspiele diesen Sommer heranzieht, stehen beide Stürmer jeweils bei drei Treffern. Allerdings hinterließ bisher Ibisevic den besseren Eindruck. Fallrückziehertor und -Vorlage, schönes Kombinationsspiel, wie auch viel Kampf und Intensität in den Zweikämpfen – der Bosnier zeigte im Laufe der Vorbereitung, dass er trotz seines vorangeschrittenen Alters keineswegs abzuschreiben ist.
Die Bestätigung von Vedad Ibisevic als Kapitän durch Ante Covic könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieser erneut eine zentrale Rolle spielen wird. Doch ein Kapitänsamt sichert keineswegs eine Stammplatzgarantie. Außerdem wird es auch wichtig sein, dass der temperamentvolle Angreifer seine Nerven im Griff hat. Eine erneute lange Rotsperre würde sicherlich kein gutes Argument für ihn sein.
Wenn man von Fitness und guter Trainingsarbeit im Sturm von Hertha BSC spricht, muss man auch auf die restlichen Stürmer im Kader schauen. Pascal Köpke zählte bereits letzte Saison zu den Spielern, die im Training am meisten arbeiteten, jedoch aufgrund der Konkurrenzsituation keine wirkliche Rolle spielten. Auch in dieser Vorbereitung war er sicher nicht der Schlechteste, erzielte im Testspiel gegen West Ham United sogar einen Doppelpack.
Doch der von Erzgebirge Aue nach Berlin gewechselte Stürmer konnte in der letzten Spielzeit bei den Profis nur 68 Pflichtspielminuten sammeln. Auch in der neuen Saison wird es für den 23-Jährigen wohl nur wenige Einsatzchancen geben. Zuletzt sollte es Interesse von Dynamo Dresden geben, eine Leihe wäre sicher eine sinnvolle Lösung für alle Parteien. Eine weitere Saison auf der Bank oder Tribüne wäre sowohl für Hertha als auch für Köpke alles andere als optimal.
Redan und Kiprit für die Zukunft
Weitere ernsthafte Konkurrenten in der Sturmspitze gibt es wohl erst einmal nicht. Der junge Muhammed Kiprit wird im Moment in der Regionalliga eingesetzt und scheint noch weit weg von einer Stammposition in der Profi-Mannschaft zu ein. Neuzugang Daishawn Redan konnte bereits im Trainingslager positiv auf sich aufmerksam machen. Er soll sich langfristig in die erste Elf spielen, diese Saison erstmal für die U23 stürmen. Er könnte aber, ähnlich wie sein Landsmann Javairo Dilrosun vergangene Saison, bereits in der neuen Saison einige Pflichtspielminuten sammeln und mit Joker-Einsätzen bei den Profis reinschnuppern.
Rekord-Neuzugang Dodi Lukebakio kann zwar auch in der Spitze spielen, wird allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit eher auf den Außen eingesetzt werden. Dort hat Hertha am meisten Bedarf. Es wird also in der Sturmspitze ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Selke und Ibisevic. So oder so: Tore müssen her und beide Spieler haben bewiesen, dass sie wissen, wie man Tore schießt. Für Ibisevic ist es wohl die letzte Saison für den Hauptstadtverein, doch auch für Selkes Karriere ist es eine äußerst entscheidende Spielzeit. Für Herthas Zukunft wäre es von großer Bedeutung, wenn er jetzt endlich den nächsten Schritt machen würde.
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