Jahresrückblick: Teil 4 – Ein gefühlter Rückschritt

Jahresrückblick: Teil 4 – Ein gefühlter Rückschritt

Am Ende dieses verrückten Jahres blicken wir bei Hertha BASE in einer vierteiligen Serie auf die wichtigsten Ereignisse und Vorkommnisse bezüglich Hertha zurück.

Teil 1 – HaHoHe, euer Jürgen

Teil 2 – Labbadia stabilisiert Hertha

Teil 3 – Eine unmögliche Vorbereitung

Nach bestenfalls mäßigen Vorbereitungsspielen startete Hertha Mitte September in die neue Saison. Gegen gerade in die Zweite Liga aufgestiegene Braunschweiger kassierte Hertha in 90 Minuten (!) fünf Tore und schied aus. Bis heute steht dieses Pokalspiel als Sinnbild für den Rest des Fußballjahres 2020: Trotz einiger offensiver Glanzmomente wirkte die Mannschaft oft unstabil und noch viel schlimmer: nicht zusammenhängend. Der Jahresrückblick Teil 4.

Das Pokalaus

Im Gegensatz zu den Fans der meisten anderen Bundesligateams können wir Herthaner:innen nur in wenigen Erinnerungen schwelgen. Denn große Erfolge gibt es in der jüngeren Vereinsgeschichte schlichtweg nicht. Als motivierender und identitätsbildender Faktor bleibt also die Hoffnung auf einen Erfolg, konkret: auf einen Titel. Da der Gewinn der deutschen Meisterschaft eine Illusion ist, bleibt der Pokal eine solche Hoffnung. Denn: Gewinnst du fünf Spiele hintereinander, stehst du im Finale im eigenen Stadion.

Und so ging man als Herthaner:in auch vor dem diesjährigen Pokalstart mit viel Hoffnung in die Partie gegen Eintracht Braunschweig. Nach zehn Braunschweiger Torschüssen, 66 Prozent Ballbesitz und 25 Torschüssen für Hertha stand nach 90 Minuten allerdings das Ergebnis 5:4 zu Buche. Die Daten zeigen: Obwohl Hertha insbesondere in der zweiten Hälfte dauerhaft drückte und auch kreativ Chancen erspielte, war die Abwehrleistung teils erschreckend schlecht, Braunschweig musste nicht viel tun, um zu treffen. Die einzige Hoffnung, die den Herthaner:innen nach diesem Spiel noch blieb, war das noch offene Transferfenster.

Der durchwachsene Ligastart

Vor diesem Hintergrund war das erste Ligaspiel in Bremen eine positive Überraschung. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Matheus Cunha, Dodi Lukébakio und Vladimir Darida ließ auf eine erfolgreiche Bundesligasaison hoffen – immer wieder sorgten die drei für blitzschnelle, gefährliche Konter. Der Herthaner des Spiels, der eigentlich auch der einzige Gewinner der bisherigen Hinrunde ist, war Peter Pekarik. Der Slowake räumte auf seiner Defensivseite nicht nur alles ab, sondern erzielte nach gefühlten 127 Jahren auch mal wieder einen Ligatreffer. Heute ist klar: Es sollte nicht sein letzter sein.

Foto: IMAGO

Schade nur, dass Hertha diesen Schwung nicht in die folgenden Partien mitnahm. Es folgten Niederlagen gegen Eintracht Frankfurt, den FC Bayern München, VfB Stuttgart und RB Leipzig. Erst am 6. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg konnte wieder ein Punkt geholt werden. Wie sich schon im Braunschweig-Spiel angedeutet hatte, zeigte sich auch in diesen Partien, dass Hertha massive Stabilitätsprobleme in der Abwehr hat. Insbesondere in spielerisch überzeugenden Partien gegen Leipzig und die Bayern zerstörte man sich die Punktemitnahme durch Torgeschenke an den Gegner. Für die Mannschaft war das auch aus psychologischer Sicht extrem frustrierend, denn man brachte sich wiederholt um den Lohn, den man sich in der Offensive erarbeitet hatte.

Die schlechteste Abwehrleistung

Man muss dazu sagen: Aus Herthas Sicht ist diese Saison einfach richtig doof strukturiert. Nach dem oben genannten Unentschieden gegen Wolfsburg folgte ein kurzer Erholungserfolg gegen Augsburg und anschließend gab es weitere schwere Spiele gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen.

Gegen besagte Dortmunder gab es dann auch die verheerendste Abwehrleistung der Saison. Aber auch in diesem Spiel war es nicht so, dass Hertha durchgehend enttäuschte. Ganz im Gegenteil: Das 2:5 war am Ende so enttäuschend, weil man zur Pause 1:0 führte und Dortmund eigentlich kontrolliert hatte. Auch in diesem Spiel hat man sich durch eine schlechte Abwehrleistung um den wohl verdienten Lohn gebracht.

Der Höhepunkt

Nach einem 0:0 in Leverkusen, bei dem man sich als Hertha-Fan einfach nur über die stabile Abwehr freute, folgte dann das wichtigste Spiel der ersten Saison-Monate: das Stadtderby. Für Hertha war das Derby nicht nur des Prestiges wegen wichtig, sondern auch aufgrund der Tabellensituation: Nach neun Spielen lag Hertha auf Rang 13, während Union bereits doppelt so viele Zähler eingesammelt hatte und auf dem sechsten Platz rangierte.

Die Vorzeichen standen also nicht unbedingt gut für unsere Hertha. Und das Spiel begann auch wieder einmal enttäuschend. Hertha kam nicht richtig in die Partei und durch einen recht einfachen Angriff ging Union in Führung. Nach einem Karate-Tritt des Unioners Andrich spielte Hertha ab der 23. Minute in Überzahl. Das schien die Mannschaft von Bruno Labbadia aber erst in der zweiten Halbzeit realisiert zu haben, weil dann erst der Druck erhöht wurde. Zum blau-weißen Derby-Helden wurde dann Krzysztof Piatek, der nach dem Treffer zum 1:1 durch Pekarik das Spiel durch zwei Aktionen drehte.

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Im Vorfeld des Spiels hatte Hertha in der Stadt noch für mächtig Aufsehen gesorgt, weil entlang der größten Straßen Berlins etwa 60.000 kleine Hertha-Fähnchen aufgestellt wurden. Gleichzeitig veröffentlichte der Verein einen neuen Fan-Song und neue Merchandise-Produkte, passend zum Derby lief alles unter dem Motto „Wo die blau-weißen Fahnen weh’n“.

Man mag von den einzelnen Elementen dieser Mini-Kampagne halten was man will, schön ist aber, dass der Verein seinen Fans vor diesem wichtigen Spiel das Gefühl gab trotz des Corona-bedingten leeren Stadions irgendwie doch mit dabei zu sein. Besonders getragen wurde dieses Gefühl davon, dass der Verein die Trikotbrust in diesem so wichtigen Spiel mit der Faninitiative “Aktion Herthakneipe” zieren ließ.

Der Tiefpunkt

Nach einem recht stabilen 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach standen dann die Spiele gegen Mainz 05 und den SC Freiburg an, die auch zum bisherigen Tiefpunkt der Saison werden sollten. Eigentlich waren wir Herthaner:innen nach dem Gladbach-Spiel froh, dass nun endlich die vermeintlich leichteren Gegner kommen.

Doch es sollten zwei extrem enttäuschende Partien folgen. Das 0:0 gegen Mainz war aus fußballerischer Sicht grausam – beide Mannschaften fabrizierten keinen einzigen Torschuss. Das hatte es in den letzten 16 Jahren Bundesliga zuvor nur zwei weitere Male gegeben. Kurz vor Weihnachten verlor Hertha dann in Freiburg 1:4 – ein Spiel, in dem Hertha erneut auffällig leicht Gegentore kassierte.

Die Fehleinschätzungen

Keine Frage, als Herthaner:in kann man mit den ersten Monaten der Saison nicht zufrieden sein. Nach den extrem unruhigen letzten Jahren einen neuen Trainer zu installieren, würde die Mannschaft wohl aber noch weiter destabilisieren. Aber das Trainerteam muss sich einige Fragen gefallen lassen.

Labbadia muss sich fragen lassen, warum er es nicht geschafft hat, die Defensive der Mannschaft zu stabilisieren. Bis zum letzten Spiel des Jahres in Freiburg gab es immer wieder Momente, in denen Hertha quasi ohne Gegenwehr Tore fing. Auch Labbadias Umstellungen und Einwechslungen sind nicht immer nachvollziehbar. Warum gab er in den letzten Spielen des Jahres beispielsweise immer wieder Matthew Leckie eine Chance und ließ gleichzeitig Nachwuchsstürmer Jessic Ngankam auf der Bank sitzen? Es gab quasi keinen Einsatz, in dem Leckie diese Entscheidung des Trainers durch gute Leistungen rechtfertigte.

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Und: Warum bevorzugte Labbadia im so enttäuschenden Mainz-Spiel den Niederländer Zeefuik vor Pekarik? Der Slowake war in fast allen Spielen positiv aufgefallen und entdeckte sogar seine Torgefahr, Zeefuik hingegen wirkt weiterhin unsicher und fiel auch durch technische Mängel auf. Schließlich hat Labbadia auch in der Zentrale ein Problem: Immer wieder setzte er auf der Position vor der Abwehr auf Niklas Stark. Der gebürtige Franke wiederum hat allerdings überhaupt keine Anbindung an seine Vordermänner im zentralen Mittelfeld. Es wirkte teilweise so, dass Stark, Tousart, Darida und teilweise auch Cunha noch nie zusammen Fußball gespielt hätten. Fehlpässe en masse sowie falsche Laufwege prägten viele Hertha-Spiele. Torchancen wollen dabei nicht herumkommen.

Die Neueinkäufe

Für Michael Preetz war es eine wahre Monsteraufgabe, den Weggang einer ganzen Reihe von erfahrenen Führungsspielern durch Neueinkäufe wettzumachen. Die ersten Liga-Monate lassen den Schluss zu, dass ihm das nur bedingt gelungen ist. Die einzigen sofort spürbaren Verstärkungen sind Matteo Guendouzi und Cordoba. Obwohl der Franzose Guendouzi nach einer Corona-Infektion und Länderspielpausen erst sehr spät zur Mannschaft stieß, drückte er dem Team sofort sein Spiel auf, übernahm die Fäden im Mittelfeld und begann sogar jüngere Spieler als echter Leader anzuweisen. Guendouzi ist ohne Kaufoption ausgeliehen – Spätestens im Sommer muss Preetz also die nächste Lücke im zentralen Mittelfeld schließen. Auch Cordoba fiel durch eine Verletzung im Augsburg-Spiel lange aus. In den Spielen, die er machte, war er jedoch stets gefährlich. Dass Preetz quasi im Tauschgeschäft Ondrej Duda an Köln abgab und somit nur etwa acht Millionen Euro für den Kolumbianer entrichten musste, ist einfach ein guter Deal.

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Die Neuzugänge Tousart, Zeefuik und Omar Alderete sind aus heutiger Sicht keine Fehleinkäufe. Insbesondere Tousart könnte mit seiner robusten Spielweise Herthas Mittelfeld mehr Sicherheit geben. Und auch Alderete hat in seinen wenigen Spielen oft gut gestanden. Alle drei Spieler hatten aber auch viele schwache Phasen: Tousart funktioniert im Offensivspiel mit Cunha und Darida nicht, Alderete verschenkte ein wichtiges Gegentor in Leipzig und Zeefuik hatte bei seinen Einsätzen auf der rechten Abwehrseite einfach viel zu wenige Offensivaktionen.

Ganz ähnlich fällt die Bewertung von Herthas neuem Schlussmann aus: Alexander Schwolow hatte keine echten, massiven Patzer in seinem Spiel. Auf der anderen Seite hat er auch kein Spiel gemacht, in dem er seiner Mannschaft durch besondere Glanztaten Punkte rettete. Allerdings: Schwolows Statistik ist eher positiv. Im Vergleich mit den anderen Torhütern in der Liga liegt der ehemalige Freiburger mit drei Zu-Null-Spielen und einer Paradenquote von knapp 57 Prozent sogar im oberen Tabellendrittel.

Die Zahlen

Ziemlich genau anderthalb Jahre nach dem Einstieg von Lars Windhorst steht Hertha nach dem 13. Spieltag mit 13 Punkten auf Rang 14. Bis zum Relegationsplatz sind es noch drei Zähler, bis zu den europäischen Plätzen – wo Hertha mittelfristig landen möchte und Union derzeit steht – sind es inzwischen 8 Punkte Abstand.

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Die Torstatistik verrät eines von Herthas Problemen: Mit 20 geschossenen Toren rangiert das Team auf dem 10. Platz der Liga. Der VFL Wolfsburg hat beispielsweise als Viertplatzierter ebenfalls 20 Tore erzielt. Bei den Gegentreffern liegt Hertha mit 24 Toren jedoch auf dem drittletzten Platz der Liga. Faulheit kann man Hertha jedenfalls nicht vorwerfen: Mit rund 1516 gelaufenen Kilometern hat Hertha die neuntbeste Laufleistung der Liga-Teams, mit Nik Stark zudem den Spieler, der in der Einzelwertung der Spieler-Laufleistungen auf Platz 5 liegt.

Zumindest leicht auffällig ist, dass Hertha nur 5 seiner 13 Punkte im Olympiastadion sammelte. Insbesondere die Spiele gegen Stuttgart und Mainz hätte man in der Retrospektive eigentlich gewinnen müssen – dann wäre nicht nur die Heimbilanz zur Weihnachtspause erträglicher gewesen. Schaut man sich die letzten beiden Herthaspiele nochmals an, fällt zudem auf, dass insbesondere im zentralen Mittelfeld viele kleine aber wichtige Zweikämpfe verloren gingen. Die Zweikampfquote belegt das: Unter den 25 Spielern mit der besten Zweikampfquote rangiert nur ein Herthaner: Rechtsverteidiger Pekarik mit knapp 62 Prozent gewonnener Duelle. Dass Matheus Cunha der Spieler mit den meisten Ballverlusten der Liga ist (77), belegt dieses Problem.

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Jahresrückblick: Teil 3 – Eine unmögliche Vorbereitung

Jahresrückblick: Teil 3 – Eine unmögliche Vorbereitung

Am Ende dieses verrückten Jahres blicken wir bei Hertha BASE in einer vierteiligen Serie auf die wichtigsten Ereignisse und Vorkommnisse bezüglich Hertha zurück.

Im dritten Teil des Rückblicks geht es um eine wohl noch nie derart erlebte Sommerpause. Wir erinnern uns zurück an eine suboptimale Vorbereitung, durch die sich Bruno Labbadias Team quälen musste.

Viele Fragezeichen nach der Saison – Umbruch deutet sich an

Da war es endlich soweit: die so chaotische Saison 2019/20 war endlich zu ende und Hertha machte sich für den großen Umbruch im Sommer bereit. Bruno Labbadia hatte es also geschafft, den kompletten Absturz der „alten Dame“ zu verhindern. Der nächste Schritt sei klar: man wolle die Mannschaft gut zusammenstellen, einen Spielstil entwickeln. „So wie man ein Haus aufbaut, sollte man auch eine Mannschaft aufbauen. Vom Grundstock, denn ohne den kann kein Haus stehen bleiben“, erklärte Herthas Chefcoach zu Beginn der Vorbereitung. Anders ausgedrückt: die bereits im letzten Teil angesprochene zentrale Achse muss bis Saisonstart feststehen und die Basis für Herthas Spiel darstellen. Genau diesbezüglich stellten sich bereits nach der letzten Partie in Gladbach große Fragen.

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Tatsächlich fielen aus der so wichtigen zentralen Achse mit Per Skjelbred, Marko Grujic und Vedad Ibisevic gleich drei (!) Spieler weg. Skjelbred wechselte zurück in die Heimat und der Vertrag mit Ibisevic wurde nicht verlängert. Eine „schwere Entscheidung“, wie Labbadia später erklärte, doch man habe sich bewusst für den „schwierigen Weg“ entschieden, eine junge Mannschaft zusammenzustellen.

Am Ende verließen im Sommer gleich acht Spieler, die eine geringe bis hochwichtige Rolle im Kader spielten, die „alte Dame“. Salomon Kalou, Marko Grujic, Per Skjelbred, Vedad Ibisevic, Alexander Esswein, Karim Rekik, Marius Wolf, Thomas Kraft und Arne Maier: dass es zu lange dauern würde, auf jeden dieser Spieler einzugehen, zeigt bereits, wie groß der Umbruch im Kader war. Um diese Abgänge aufzufangen, sollten neue Spieler auf folgende Positionen geholt werden: Tor, rechte Verteidigung, Achterposition, rechte Außenbahn und Sturm.

Vom „Performance Manager“ zum Sportdirektor

Eine große Aufgabe also im Sommer, für die jedoch nicht nur Michael Preetz und Bruno Labbadia verantwortlich werden sollten. Bereits Ende Juni wurde Arne Friedrich zum Sportdirektor bei Hertha BSC ernannt. Der ehemalige Kapitän der Blau-Weißen wurde endlich vom schwammigen Titel „Performance Manager“ befreit. Seine Ernennung sollte nach Angaben des Vereins gerade keine Entmachtung von Manager Michael Preetz sein. Der 41-Jährige sollte stattdessen ein Bindeglied zwischen Mannschaft und Geschäftsführung darstellen.

Darüber hinaus sollte er mit in der Kaderplanung eingebunden werden. Er sei: „in Absprache mit dem Geschäftsführer mitverantwortlich für die sportliche Planung und die Kaderplanung, für strategische Themenfelder, die aufkommen, und auch für das Personal-Management.” Nach der unübersichtlichen und chaotischen Saison klang zumindest diese personelle Entscheidung sinnvoll. “Wir wollen im nächsten Jahr in ruhigere Fahrwasser, daran arbeiten wir”, meinte der neue Sportdirektor. Eine Aussage, die im Rückblick natürlich alles andere als prophetisch gelten kann.

Michael Preetz sollte jedoch in diesem Sommer jede Unterstützung gut gebrauchen können. Die Transferperiode gestaltete sich aufgrund der Corona-Situation besonders schwierig. Hertha musste außerdem wie auch andere Vereine in Deutschland, durch die fehlenden Zuschauereinnahmen in dieser und letzter Saison zweistellige Einnahmeverluste hinnehmen. Auch deshalb sollte die Botschaft am ersten Juli 2020 die Hertha-Verantwortlichen besonders erfreut haben. Die Tennor Holding B.V. stockte ihre Anteile auf und versprach die Zahlung von rund 150 Millionen Euro.

„Geldregen“ als Fluch und Segen

Eine gerade in Corona-Zeiten fast schon ungesund hohe Summe sollte also in Herthas Kasse fließen. Ein riesiger „Geldregen“ also für Hertha BSC. Der Investor-Club konnte wieder wie im Winter die großen Millionen raushauen und bereits in der Saison 2020/21 eine neue Macht in der Bundesliga darstellen. So zumindest klang es bundesweit in den Medien und in sozialen Netzwerken. Die Realität jedoch, war wie schon so oft eine völlig andere.

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Im Sommer flossen von den 150 Millionen „nur“ 50. 100 weitere sollten im Oktober folgen, was jedoch, wie wir heute wissen, ausblieb. Michael Preetz konnte also nicht plötzlich 150 Millionen Euro für neue Spieler ausgeben. Auf den Punkt brachte es Herthas Cheftrainer: „Wir haben ein Stück Geld bekommen, worüber wir sehr froh sind, aber wir brauchen eine Einordnung, es ist nicht so, dass wir uns damit eine Mannschaft aufbauen können“. Stattdessen wolle man „klug vorgehen und genau schauen, wer zu den Spielern, die schon hier sind, passt.” Die Abgänge würde man nicht durch große Stars ersetzen können “(…) es ist nicht so, dass wir fünf, sechs Top-Spieler holen können“, so Labbadia.

Doch diese Erkenntnis schien nicht überall angekommen zu sein. Tatsächlich gestaltete sich die Suche nach neuen Spielern umso schwieriger: Hertha galt für andere Vereine und Spieleragenten als „stinkreich“ und wurde vor horrenden Preisschildern gestellt. Verhandlungen schienen oft an zu hohe Erwartungen zu scheitern. Michael Preetz, der zu Beginn der Transferperiode noch optimistisch schien, musste schnell feststellen: „Wir spüren, dass eine andere Erwartungshaltung da ist.“

Gerüchtefestival und späte Transfers

Dies zeigte sich auch ganz besonders daran, dass es im Sommer einen regelrechten Gerüchtefestival rund um Herthas angebliche Neuzugänge gab. Kaum ein Tag verging ohne eine Meldung: Hertha BSC sei an diesen Topspieler interessiert. Es fielen Namen wie Draxler, Götze, Boateng, Trapp, Reine-Adelaide, Calhanoglu oder Jovic. Und auch wenn es teilweise konkrete Gespräche mit einigen Spielern gab, blieben die allermeisten Gerüchte gegenstandlos. Im Sommer hatten wir hier eine Übersicht über Transfergerüchte erstellt, die mit der Zeit auch recht lang wurde.

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Preetz hatte mehrmals betont, dass der Markt gegen Ende der Transferperiode noch aktiver werden würde, und Hertha dort gute Chancen hat, zuzuschlagen. Am Ende blieb jedoch das Gefühl, er habe sich geirrt. Auch gegen Ende blieb der Transfermarkt vergleichsweise ruhig. Herthas Manager konnte die Transfers von Mario Götze, Reine-Adelaide und Marko Grujic nicht vollenden, musste auf Alternativen ausweichen.

Auf den bereits angesprochenen fünf gewünschten Positionen kamen nur vier Spieler: als Torhüter Alexander Schwolow, als rechter Verteidiger Deyovaisio Zeefuik, auf der Acht Mattéo Guendouzi und als Stürmer Jhon Córdoba. Ein Spieler für die Außenbahn wurde nicht geholt und ansonsten nur Spieler ersetzt (Eduard Löwen für Arne Maier, Omar Alderete für Karim Rekik). Vollkommen zufrieden war Cheftrainer Labbadia nach der Transferperiode jedenfalls nicht: „Wir haben eine andere Vorstellung gehabt“, sagte er zu den Transfers. „Aber wir haben noch das Bestmögliche daraus gemacht.“

Niederlagen und Torlosserie vor der Saison

Herthas neue zentrale Achse war also in der Sommervorbereitung erstmal nur Zukunftsmusik: mit Lucas Tousart kam bereits am 1. Juli ein wichtiger Neuzugang für das zentrale Mittelfeld, es folgten relativ zeitnah Deyo Zeefuik für die rechte Verteidigung und Alexander Schwolow, der immerhin die Torhüterdiskussion beendete. Letzterer wurde auch angeblich vor der Nase eines gewissen Ruhrpott-Vereins weggeschnappt, was im Hertha-Lager einige besonders freute. Spieler wie Mattéo Guendouzi oder Jhon Cordoba kamen allerdings erst nach Saisonbeginn, verpassten somit die gesamte Vorbereitung.

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Somit fehlten Spieler, die für das Offensivspiel und die Torgefahr eine zentrale Rolle übernehmen sollten. Das sollte auch im Laufe der Vorbereitung in Testspielen besonders spürbar werden. Zwar begannen die Blau-Beißen mit einem 2:0 Erfolg gegen Viktoria Köln. Es folgte aber eine torlose Testspiel-Niederlagenserie: 0:1 gegen Ajax Amsterdam, 0:4 gegen PSV Eindhoven. Zum Abschluss einer misslungenen Vorbereitung gab es noch ein 0:2 gegen den Hamburger SV. In diesen Spielen war deutlich zu spüren, dass noch ein sehr langer Weg für Labbadias Trainerteam zu gehen ist. Besonders die Spiele gegen die niederländischen Mannschaften deuteten darauf hin, dass Hertha noch sehr weit davon weg ist, ernste europäische Ambitionen haben zu dürfen.

Ein richtiger Rhythmus sollte erst gar nicht aufkommen für die Spieler von Bruno Labbadia. Noch vor dem ersten Testspiel gegen Köln wurde die Partie gegen Saint Étienne abgesagt. Der französische Erstligist hatte Corona-Fälle zu beklagen. Es sollte nicht das erste Testspiel bleiben, das abgesagt werden sollte. Auch das Spiel gegen PSV Eindhoven sollte ursprünglich zwei Mal 90 Minuten dauern. Daraus wurde nur eine Partie. So konnte Herthas Coach nicht wie geplant den Spielern die gewünschte Spielpraxis geben.

Länderspielpausen – Herthas Vorbereitungs-Killer

Auch das Aufbauen eines Teamgefühls und die Bildung einer echten „Mannschaft“ wurde durch die Corona-Lage erschwert. Eine Reise ins Sommertrainingslager war auch für Hertha BSC keine Option. Stattdessen verbrachten die Spieler die Vorbereitung auf dem Klubgelände, wo auch extra Schlafplätze eingerichtet wurden.

Immerhin konnte Matheus Cunha im Trainingspiel ein sehenswertes Tor mit Marcelinho-Vibe erzielen:

Viel schwerwiegender wurde jedoch die Tatsache, dass Bruno Labbadia in den letzten zwei entscheidenden Wochen der Vorbereitung auf seine Nationalspieler verzichten musste. Die Länderspielpause Anfang September stellte die letzte große Hürde dar. Die berufenen Spieler wurden auch ohne große Rücksicht auf die Bedürfnisse des Vereins in Risikogebiete geschickt, und dort teilweise nicht einmal eingesetzt. Trotzdem mussten diese Spieler zunächst bei ihrer Rückkehr dem Teamtraining fernbleiben. So fehlte z.B. Krzysztof Piątek im Pokalspiel in Braunschweig.

Im letzten Test gegen Hamburg war sogar fraglich, ob Hertha überhaupt eine Mannschaft zusammenbekommt. „Wir hoffen, dass wir zumindest elf Spieler zusammen bekommen“, hieß es vom Coach. Auf diese Länderspielpause angesprochen wirkte bis heute Labbadia fast schon frustriert. Kein Wunder: schließlich konnte er beispielsweise erst am 22. September die Kapitänsfrage klären, da er zuvor wochenlang nicht alle Spieler beisammen hatte. Allein das zeigt bereits, wie viel Hektik und wie wenig Zeit es gab, um den von Hertha gestarteten Umbruch ordentlich umzusetzen.

Fazit der Vorbereitung – Schwierigkeitsgrad zu hoch

Foto: IMAGO

Abschließend muss man feststellen: das, was für jede Bundesligamannschaft eigentlich als Basis für die Saison dienen sollte, erwies sich für Hertha BSC diesen Sommer eher als eine zusätzliche Last. Am Ende stolperte man sich eher durch. Die von vielen erwartete Shopping-Tour mit Windhorst-Millionen blieb aus, die großen Namen ebenfalls. Der große Umbruch in der Mannschaft erfolgte allerdings trotzdem notgedrungen, durch die vielen Abgänge.

Sicherlich mussten alle Teams durch die Corona-bedingte außergewöhnliche Lage viele Komplikationen erleiden. Doch ein neuer Trainer, im neuen Kontext und mit einer Mannschaft im Umbruch, ist es noch eine größere Herausforderung gewesen. Was im „normalen“ Kontext bei Hertha so oder so eine schwierige Aufgabe gewesen wäre, schien im aktuellen Kontext noch eine Spur schwieriger zu sein. Vor allem, um diesen „nächsten Schritt“ zu gehen, den Hertha bereits vor anderthalb Jahren erreichen wollte.

Eines muss man jedenfalls feststellen: gut erholt, gut vorbereitet und ohne Zweifel im Gepäck kam die „alte Dame“ ganz sicher nicht in die neue Saison. Vielleicht hätte man den Schwierigkeitsgrad runtersetzen sollen.

[Titelbild: IMAGO]

Jahresrückblick: Teil 2 – Labbadia stabilisiert Hertha

Jahresrückblick: Teil 2 – Labbadia stabilisiert Hertha

Am Ende dieses verrückten Jahres blicken wir bei Hertha BASE in einer vierteiligen Serie auf die wichtigsten Ereignisse und Vorkommnisse bezüglich Hertha zurück.

Im zweiten Teil des Rückblicks dreht sich alles um den Restart der Bundesliga und Herthas erste Monate unter Nouri-Nachfolger Bruno Labbadia.

Labbadia folgt auf Nouri

Es war der 9. April, als bei Hertha BSC einmal mehr eine Gezeitenwende in Form eines Trainerwechsels vorgenommen wurde. Nachdem Alexander Nouri den Stuhl von Jürgen Klinsmann übernommen hatte, gelang es der Interimslösung nicht ansatzweise, die wankende alte Dame zu stabilisieren. Nun sollte Bruno Labbadia eben jene Aufgabe übernehmen.

An einem Montag ist der 54-Jährige bei der Pressekonferenz in Berlin offiziell vorgestellt worden. Bis zunächst Sommer 2022 soll er die Profi-Mannschaft von Hertha BSC leiten. Eine große Überraschung war die Nachricht nicht völlig: der Name „Labbadia“ geisterte bereits bei der Entlassung von Ante Covic im vergangenen Winter, und sogar als die Amtszeit von Pal Dardai zu Ende war, durch die Medien. 

Labbadia kam zusammen mit seinem Staff bestehend aus Eddy Sözer, Günter Kern und Olaf Janßen in die Hauptstadt. Und das nicht erst im Sommer, sondern bereits in der Corona-bedingten Ruhephase der Saison, die Michael Preetz als „vorgezogene Sommerpause“ bezeichnete. Dass Interimstrainer Nouri nur noch die „Lame Duck“ war, war kein Geheimnis. Von der Klubführung wurde bereits deutlich gemacht, dass im Sommer ein anderer Fußballlehrer die Mannschaft leiten würde.

Hertha ist Labbadias “Wunschverein”

Zum Teil ließen sich auch aus Spielerinterviews Zeichen herauslesen, dass Nouri nicht mehr zu hundert Prozent bei der Sache war. Beispielsweise behauptete Maximilian Mittelstädt, sein Trainer hätte ihn während dessen Quarantäne nicht einmal kontaktiert. Jetzt herrscht wieder Klarheit und die Trennung mit Jürgen Klinsmanns Team ist endgültig vollzogen – bis auf Arne Friedrich ist kein Mitarbeiter mehr bei Hertha beschäftigt, der zusammen mit Klinsmann kam. Torwarttrainer Zsolt Petry, die Athletiktrainer Henrik Kuchno und Hendrik Vieth bleiben dem Hertha-Stab erhalten.

Labbadia bei seiner ersten Pressekonferenz bei Hertha: “Hertha war mein Wunschverein im Sommer, jetzt auch. Ich sehe in der Mannschaft und im Verein Potenzial. In meiner Situation ist mir wichtig, mit welchen Menschen ich arbeite. Ich muss nicht mehr alles machen. Die Gespräche mit Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer haben mir richtig gut gefallen. Auch die Menschen, die ich bisher hier getroffen habe.”

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„Mein Team und ich freuen uns total auf diese Aufgabe“, sagte Labbadia, nachdem seine Verpflichtung offiziell wurde, und ergänzte: „Es liegt viel Arbeit vor uns“. Wohl wahr, denn schließlich übernahm das neue Trainerteam eine Mannschaft, die bereits zuvor drei verschiedene Trainer hatte, all das Chaos der Saison mit durchleben musste und in den letzten sechs Spielen nur einmal gewonnen hatte.

Labbadia übernahm zwar eine Mannschaft, die zu jenem Zeitpunkt auf dem 14. Tabellenrang stand und klar im Abstiegskampf steckte, doch Labbadia wollte es allen beweisen, dass er mehr kann, als nur zu retten. “Unser Spiel bedarf vieler Sprints und Tempoläufe. Wir werden in allen Bereichen arbeiten: Athletik, Organisation, Taktik. Das findet nicht nur auf dem Platz statt. Das wird sehr intensiv. Einige sagen, es ist zu intensiv. Aber das ist unser Spiel. Für mich ist es ein geiles Spiel. Ich habe Bock auf Fußball. Ich lasse mir die Freude am Fußball nicht mehr nehmen. Ich will das leben”, gab sich Labbadia bei seiner Antritts-PK hoch motiviert.

“Sala, bitte lösch das!”

Labbadia habe sich eigentlich vorgenommen, “nicht mehr in den Abstiegskampf einzusteigen”, berichtete der neue Hertha-Trainer. “Aber beide Seiten mussten handeln, dann habe ich es gemacht, weil ich jetzt wahrscheinlich mehr Zeit habe als im Sommer.” Durch die Corona-bedingte Pause war es Labbadia und seinem Trainerteam möglich, ihre Ideen in einer Art Mini-Sommervorbereitung einstudieren zu lassen.

“Wir waren als einzige Mannschaft neben Eintracht Frankfurt 14 Tage in Quarantäne, die Mannschaft hatte zudem 14 Tage lang keinen Trainer. Das sind sehr ungewöhnliche Umstände. Aber es nützt ja nichts”, zeigte sich Labbadia damals pragmatisch. Wie alle anderen Bundesligisten musste auch Hertha unter besonderen Auflagen trainieren, zunächst konnten beispielsweise Übungen nur in Kleingruppen von bis zu acht Spielern absolviert werden – alles andere als normal, doch Labbadia wollte als dies nicht als Ausrede gelten lassen. Der Monat bis zum ersten Spiel sollte möglichst effizient und geräuschlos genutzt werden.

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Fünf Tage vor Labbadias Amtsantritt hatte der Verein nämlich den jüngsten der so vielen Skandale dieser Spielzeit aushalten müssen. Nachdem der Verein den Klinsmann-Skandal abmoderiert hat, herrscht – auch aufgrund der Corona-bedingten Spielpause – zunächst einmal Ruhe. Bei dem nächsten Eklat ist einmal mehr Facebook der Handlungsort: Salomon Kalou hatte mit einem Live-Stream für große Unruhe gesorgt.

Das 25-minütige Video zeigte den Ivorer in den Spielerräumlichkeiten des Vereinsgeländes, vielmehr aber inwieweit die auferlegten Hygienevorschriften ignoriert wurden. Es war für die gesamte Öffentlichkeit sichtbar, wie sich Hertha-Spieler -und Betreuer die Hand geben, keinen Mindestabstand halten und auch die Corona-Testungen mangelhaft durchgeführt werden – in einer Zeit, in der Fußballdeutschland noch über die DFL-Konzepte zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs diskutiert hatte. Dieser Livestream sorgte dafür, dass sogar ein Markus Söder den Namen Kalous in den Mund nahm – 2020 hat wirklich einiges zu bieten. Kalou wurde aufgrund des unbefugten Aufnehmens vom laufenden Betrieb auf dem Vereinsgelände und seinen Teamkollegen suspendiert.

Labbadia gelingt ein herausragender Einstand

Die Schlagzeilen sollten also wieder auf dem Platz geschrieben werden und dort hatte Labbadia genug zu tun. Die damaligen Baustellen der Mannschaft sind nach drei Trainern schier endlos. Die mentale Verfassung und die Hierarchie des Teams wurden durch die Geschehnisse der letzten Monate zerrissen. Klinsmann und Nouri hatten den Kader fußballerisch heruntergewirtschaftet, nicht einmal mehr die zwischenzeitlich erreichte defensive Stabilität war mehr gegeben. Defensiv wie offensiv brannte es lichterloh.

In den Wochen vor dem ersten Spiel des Restarts gegen die TSG Hoffenheim musste also an zahlreichen Stellschrauben gedreht werden. Hertha musste sich die Basics wieder draufschaffen und ein klares System etablieren, an dem sich die Spieler aufrichten können. Auch das Errichten einer Achse war dringend notwendig, da die Mannschaften in den Monaten zuvor zu oft durchgeschüttelt wurde und nicht mehr wusste, woran sie denn ist.

Um etwas vorzuspulen: Labbadia und seinem Trainerteam gelang all dies in beeindruckender Weise, wie sich gegen Hoffenheim herausstellte. Bei seinem Debüt als Hertha-Coach konnte Labbadia einen größtenteils souveränen 3:0-Sieg einfahren. In jenem Spiel setzte der 54-Jährige auf ein grundsolides 4-2-3-1-System mit zahlreichen erfahrenen Führungsspielern, die von seinen Vorgängern teilweise aussortiert waren, in der Startelf. Rune Jarstein stand, nachdem er kurzzeitig von Thomas Kraft verdrängt worden war, wieder im Tor. Marvin Plattenhardt und Peter Pekarik besetzten die defensiven Flügel, Per Skjelbred das Zentrum und Kapitän Vedad Ibisevic den Strafraum.

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All das sollte sich auszahlen, die vielen Führungskräfte verliehen Hertha eine nahezu ungewohnte Stabilität. Wie zu besten Dardai-Zeiten arbeitete das Team in Sinsheim aufopferungsvoll gegen den Ball und stand kompakt. Doch darüber hinaus war teilweise auffällig guter Fußball zu sehen, gepaart mit einer ungeheuren Effizienz. So war das Spiel gegen die TSG auch quasi die Geburtsstunde des Goalgetters Pekarik. Sein abgefälschter Schuss brachte die Berliner in Führung. Mit einem wahren Doppelschlag köpfte Ibisevic nach Flanke von Maxi Mittelstädt das 2:0 ein. Ein abermals herausragend aufgelegter Matheus Cunha sorgte mit einem starken Dribbling und ebenfalls gutem Abschluss dann für 3:0-Schlusspunkt. Ein rundum gelungener Auftakt in den Restart der Bundesliga.

Hertha verabschiedet sich vom Abstiegskampf

Der Auftakt war Labbadia und Hertha gelungen. Mit dem 3:0-Erfolg verabschiedete sich die “alte Dame” auch, wie in Retrospektive klar wird, bereits vom Abstiegskampf. Acht Punkte betrug der Abstand nun auf Platz 16, viel anbrennen sollte hier nicht mehr. Vom Auftaktsieg beflügelt ging es für Hertha mit dem Stadtderby gegen den 1. FC Union Berlin weiter. Das Hinspiel hatten die Blau-Weißen enttäuschend mit 0:1 verloren, diese Niederlage war womöglich der Anfang vom Ende des Ante Covic. Es stand also Wiedergutmachung an.

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Und die lieferte die Mannschaft – wenn auch vor leeren Rängen im Olympiastadion. Ibisevic und Cunha trafen jeweils im zweiten Spiel infolge, zusammen mit Dodi Lukebakio und Dedryck Boyata sorgten sie für einen furiosen 4:0-Derbysieg, der zu keinem Zeitpunkt sonderlich gefährdet schien. Defensive Stabilität wurde mit mutigem wie schnellen Offensivfußball kombiniert, dem Union an jenem 27. Spieltag nichts entgegenzusetzen hatte. Es schien, als sei Labbadia der erste Trainer, der das theoretische Potenzial der Mannschaft zu 100 Prozent auf den Rasen bringen könnte. Die Defensive steht, das Mittelfeld ackert, Cunha und Lukebakio zaubern und Ibisevic zeigt sich eiskalt. Ein Derby ganz im Zeichen von “Warum denn nicht immer so?”

Mit nun 34 Punkten nach 27 Spielen und damit zehn Zählern Abstand auf den Relegationsrang konnte Hertha befreit aufspielen. Und das taten die Hauptstädter auch. Die zwei Siege zum Restart-Auftakt sorgten für eine breite Brust, die Mini-Vorbereitung unter Labbadia hatte für eine gute Gesamtorganisation auf dem Feld gesorgt. Auf den Derbysieg folgte ein mehr als überzeugendes 2:2-Unentschieden gegen RB Leipzig, das auch hätte gewonnen werden können. Drei Punkte gab es jedoch danach beim 2:0 gegen den FC Augsburg. Hertha hatte sich in einen kleinen Rausch gespielt und zehn Punkte aus den letzten vier Spielen geholt – nur der FC Bayern war mit zwölf Punkten besser aus der Corona-Pause gekommen.

Ein leerer Tank und wenig Spielglück

Der Rausch sollte damit allerdings auch erst einmal wieder beendet sein. Nach vier Spielen ohne Niederlage musste sich Hertha gegen Borussia Dortmund knapp mit 0:1 geschlagen geben. Es war das erste Spiel, in dem klar wurde, dass der Mannschaft so langsam die Körner ausgingen. Von mangelndem Willen konnte keine Rede sein, doch das so intensive Spiel Labbadias forderte in den letzten Spielen der Saison, die es mit ein paar englischen Wochen nicht einfacher machte, seinen Tribut.

Hertha verlor auch die nächsten zwei Spiel gegen Eintracht Frankfurt (1:4) und den SC Freiburg (1:2), wobei letzteres einen weiteren Trend zeigte: Hertha ging das Spielglück abhanden. So hätten viele Szenen jener Spiele mit etwas Fortune auch für Hertha ausgehen und somit in Punktgewinnen enden können. So wurde z.B. das herausragende Tor Lukebakios gegen Freiburg aberkannt, weil vorher ein Foulspiel Daridas erkannt wurde – ob man das jedoch entscheiden musste, ist fraglich. So konnte keinesfalls gesagt werden, dass Hertha nach dem ersten Rausch schlechte Spiele machte, aber der immer leerer werdende Tank und das ausbleibende Spielglück ließen Punkt um Punkt verpassen.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Dass die Mannschaft sich trotz unglücklicher Ergebnisse nicht hängen ließ, wurde zumindest mit dem 2:0-Sieg am 33. Spieltag gegen Bayer Leverkusen belohnt. Mit dem überzeugenden Heimerfolg durchbrach Hertha zudem die 40-Punkte-Marke – 41 Zähler und Platz zehn waren sicherlich nicht das, was man sich in Berlin vor der Saison als Ziel gesteckt hatte, unter den Gesamtumständen einer verrückten Saison allerdings wohl noch das Bestmögliche. Die Spielzeit endete mit 1:2-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach, die allerdings auch durch die großen personellen Probleme der Blau-Weißen bedingt war.

Fazit nach Restart

Ein Jahresrückblick hat an sich, dass man mit einem breiteten Horizont auf die Geschehnisse eines Jahres blicken kann, da man schließlich weiß, wie es weiterging. So ist das Fazit der ersten Wochen bzw. Monate unter Bruno Labbadia nach der Saison 2019/20 sicherlich positiver ausgefallen als es das mit heutigem Wissen über den bisherigen Verlauf der neuen Spielzeit tun würde.

Podcast #111 Saisonrückblick 19/20

So schien die Arbeit nach dem Bundesliga-Restart ein verheißungsvoller Anfang der Labbadia-Amtszeit zu sein. Er und sein Trainerteam haben Hertha BSC nicht nur stabilisiert, sondern in gewissen Aspekten beeindruckend schnell weiterentwickelt. Doch der Fußball, den man im Mai gegen Hoffenheim, Union oder Leipzig gesehen hat, hat sich in 20/21 noch sehr selten gezeigt.

Das liegt auch recht wahrscheinlich daran, dass Labbadia mit Spielern wie Skjelbred oder Ibisevic eine echte Achse etablieren konnte, die durch den Umbruch im vergangenen Sommer nahezu vollständig weggebrochen ist. So schien die Mannschaft zum Amtsantritt Labadias weiter als sieben Monate später. In kürzester Zeit hat Labbadia es geschafft, das Team auf Kurs zu bringen und seine Spielidee erfolgreich umzusetzen. Hertha spielte nach dem Restart nicht nur soliden, sondern streckenweise wirklich ansehnlichen Fußball, ohne jemals die Grundtugenden zu vergessen. Darüber hinaus stellte Labbadia unter Beweis, nicht nur mit erfahrenen Spielern arbeiten, sondern dahinter auch Eigengewächse heranführen zu können. So feierten Jessic Ngankam und Lazar Samardzic vergangene Saison ihr Bundesliga-Debüt. Spieler wie Marton Dardai, Omar Rekik oder Luca Netz wurden zudem fester Bestandteil des Profi-Trainings und fanden einige Mal den Weg in den Spieltagskader.

Über Labbadias Arbeit von dessen Amtsantritt am 9. April bis zu Saisonende 2020 können also eigentlich nur positive Wort verloren werden. Nur in Hinblick auf den weiteren Verlauf des Kalenderjahres, welches mit Platz 14 beendet wurde, verliert seine Anfangszeit bei Hertha etwas an Wert. Doch all das wird in Teil drei und vier des Jahresrückblicks unter die Lupe genommen.

[Titelbild: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images]

Jahresrückblick: Teil 1 – HaHoHe, euer Jürgen

Jahresrückblick: Teil 1 – HaHoHe, euer Jürgen

Am Ende dieses verrückten Jahres blicken wir bei Hertha BASE in einer vierteiligen Serie auf die wichtigsten Ereignisse und Vorkommnisse bezüglich Hertha zurück.

Für den ersten Teil konnten wir unseren schwäbischen Ex-Trainer gewinnen, seine ganz exklusive Sicht auf die Dinge zu Beginn des Jahres zu präsentieren.
Viel Spaß!

Liebe Herthaner:innen,

was für ein Jahr liegt hinter uns.
Auch diesmal konnte ich mit meiner tollen Stiftung wieder viele Herzensprojekte anschieben und auch und gerade in diesem pandemiegeplagten Jahr viel wichtige Hilfe leisten. Wow, großer Care-Wert!

Ach ja und Hertha war ja auch noch!
Vor einem Jahr saß ich unter meiner kalifornischen Nordmanntanne und schrieb meinen Wunschzettel, den ich unserem Bremser Preetz für Weihnachten in die Schuhe schieben wollte.
Und ich hatte ganz konkrete Vorstellungen – so wie das bei einem Wunschzettel sein muss.

Zuerst sollte es natürlich jemand wie ich sein. Kein gutaussehender Mitvierziger (seh ich älter aus?!?), der schon alles gesehen hat und mit jeder Situation perfekt umgehen kann. Nein, ein waschechter Mittelstürmer!
Also habe ich dem „Hohen“, oder wie er nochmal genannt wird, meine Scouting-Ergebnisse notiert – ein polnischer Weltklasse-Mann, der aus einem halben Anspiel zwei Tore macht und für den Jubel dann seine Arme so überkreuzt.

Foto: IMAGO

Dazu brauchten wir einen Staubsauger vor der Abwehr. Einen quirligen, lauf- und zweikampfstarken Spieler, der schon alleine die Gegner defensiv im Griff hat. Einen, der immer ein nettes, unschuldiges Lächeln auf den Lippen hat. Einen französischen Nationalspieler. Die sind schließlich Weltmeister!
Als letztes hatte ich „Uns Michael“ noch meinen „Geheimtipp“ nahegelegt. Ein kleiner Argentinier, Nationalspieler, landläufig als Mega-Talent bekannt. Könnte in Anlehnung an seinen Namen auch als übermenschlich bezeichnet werden.

Na ja, ich denke, es ist klar, wen ich da auf dem Schirm hatte.
Deswegen habe ich dem Micha auch auf seine Nachfrage-SMS gar nicht erst geantwortet.
Und dann ganz große Augen bei mir, als plötzlich die Deals alle fix waren.

Ich musste natürlich gute Miene zum bösen Spiel machen und die Verpflichtungen von Krzysztof Piątek, Lucas Tousart und Santiago Ascacibar als absolute Top-Transfers darstellen. Dabei durfte ich nicht mal mit aufs Foto.

Im Trainingslager habe ich dann auch nochmal von diesen Fans gehört, die sich um ein neues Hertha-Stadion kümmern  wollen. Die stellten das ganze dann als „plumpe Idee“ dar. Seltsame, fast beleidigende Selbstbezeichnung. Ich hätte solch eine Idee ja nach einem ehemaligen eigenen Stadion des Vereins oder so benannt!

Immerhin begann die Rückrunde dann sportlich äußerst erfolgreich, als wir uns mit einer taktisch überaus disziplinierten Leistung beim großen und herrlichen FC Bayern mit einem achtbaren 0:4 aus der Affäre ziehen konnten. Auch das 0:0 und das knappe Ausscheiden im Pokal wenige Tage später gegen die so starken Schalker konnte man mir nicht anlasten. Mir war damals schon klar, dass dieses Schalker Top-Team eine glorreiche Zukunft vor sich haben würde. Und wir hatten sie am Rande einer Niederlage!
Zugegeben – den Tipp mit Pascal Köpke im Sturm hatte mir unser damaliger Torwart-Trainer schon kurz vor dem Jahreswechsel gegeben. Wahnsinn, der Andreas hat einfach ein Auge für Talente.
Zu dem traurigen rassistischen Vorfall in diesem Pokalspiel haben unsere tollen Fans im Hertha BASE Podcast damals und seitdem auch immer wieder schon alles gesagt.

Foto: IMAGO

Als wir eine Woche später im Heimspiel gegen bockstarke Mainzer immerhin ein Tor schießen, aber dem Topstürmer Robin Quaison wieder einmal nichts entgegensetzen konnten, wurde mir die Kritik an meiner Person zu bunt.
Im Schnitt 1,33 Punkte pro Spiel, das soll mir erst mal jemand nachmachen. Selbst der große Otto Rehhagel hat bei Hertha nur durchschnittlich 0,92 Punkte erreicht – und den würde schließlich niemand in Frage stellen! Oder?

Auch der Preetz schien irgendwie ganz anderer Ansicht zu sein als ich und forderte bessere Ergebnisse. Und wo war eigentlich der Arne? Ich hatte ihm doch gesagt: „Arne, du ergreifst jede Möglichkeit, da vorne mit ans Mikro zu treten. Der Preetz, der spürt deinen Atem, Arne, der spürt deinen Atem!“ Aber nichts von dem Arne zu sehen. Und der Lars hatte mir auch schon seit Wochen nicht mehr die Füße geküsst.
So konnte es doch nicht weitergehen!
Also habe ich dem Micha mal ordentlich die Meinung gegeigt. Und der Mannschaft. Und dem Lars – wobei, dem Lars schon ein bisschen früher.
Aber natürlich habe ich nach dem Lars erst meine treuen Fans auf Facebook von meinem Rücktritt unterrichtet. Muss ja auch nicht immer sein, dass der Verein als erstes von einer so wichtigen Personalie erfährt.

Wütend bin ich dann wieder in mein Hotelzimmer chauffiert worden und musste mir auf die Aufregung erstmal einen Beruhigungs-Smoothie andicken. Am nächsten Morgen vor dem Flieger nach Hause noch schnell den Pfand zurückbringen. Am Automaten dann der Schock – die Smoothies werden nicht genommen. Kein Mehrweg. Dann musste ich die Flaschen in die Tonne treten – äh, kloppen.

Apropos für die Tonne – bei unserer Hertha ging es ja nun mit dem ausgetüftelten Spielkonzept meines hochkompetenten Mitarbeiters Alexander Nouri weiter. Was habe ich der Hertha da für ein Goldstück loseisen können. Bei seiner beeindruckenden Vita und mitreißenden Spielweise hat mich ja ernsthaft gewundert, dass der Mann sich auf so ein Himmelfahrtskommando eingelassen hat.

Foto: IMAGO

Nach einem überzeugenden Sieg gegen aufmüpfige Paderborner, kassierte man leider gegen Köln die dritthöchste Heimniederlage der Herthaner Bundesligageschichte. Das muss dann einfach Pech gewesen sein.

Glaubt mir, auch mich hatte das Ergebnis bedrückt, sodass ich es mir eines Abends im netten Ambiente einer Hotel-Bar bequem gemacht hatte. In dieser Nacht kam ich ins Gespräch mit einem wahnsinnig netten Herrn, der mich nach meinem Gefühlsleben ausfragte. Schlussendlich wollte er sogar meine Tagebücher lesen, um sich besser in mich einfühlen zu können. Der Mann verstand mich einfach. Traurigerweise hat er sich danach nie wieder gemeldet. 🙁
Dafür fand ich meine intimsten Seeleneinblicke am nächsten Tag in der Zeitung wieder. Ohje, sowas wollte ich ja wirklich gar nicht!

Und auch für Hertha ging es in Düsseldorf einfach nur unglücklich weiter und man lag schon zur Halbzeit mit 0:3 hinten. Ein Glück kam nach überragend gecoachter zweiter Hälfte ein 3:3 dabei heraus. Hätten nicht Thomas Kraft & Co. die Halbzeitansprache übernommen, sondern den lieben Alex selbst reden lassen, wäre da sicherlich noch mehr bei rumgekommen!

Unverständlicherweise war nach dem sensationellen Punktgewinn gegen die auf Platz 17 liegenden Bremer nach frühem 0:2-Rückstand für den ehrenwerten Alex Schluss auf der Trainerbank. Kein Ehrwert von Preetz, wenn ihr mich fragt.

In der Folge hat dann wohl ein anderer Trainer die Hertha übernommen. Ich habe natürlich weiterhin wahnsinnig mit der Hertha mitgefiebert, die Restsaison aber doch nicht mehr so genau verfolgt.
Und wie ich mich auf die angekündigten Begegnungen in der Stadt gefreut habe. Nur getroffen habe ich dann irgendwie doch keine:n, komisch.

Foto: IMAGO

Nun ja, am Ende dieses langen Jahres sitze ich nun wieder unter der kalifornischen Sonne am Strand und lasse meinen Blick schweifen. Ich habe hier in Kalifornien schnell realisiert, was mir an Berlin auch unterbewusst immer gefehlt hat. Kein Meerwert.
Nichtsdestotrotz wird es im nächsten Jahr sicherlich weiter bergauf gehen.
Wie man hört, hat der Lars ja mit meinem Nachfolger im Aufsichtsrat wieder ein goldenes Händchen bewiesen.

Ich wünsche euch allen eine (blau-)weiße Weihnacht und einen guten Rutsch ins neue Hertha-Jahr.
Bleibt alle vernünftig und gesund!

HaHoHe
Euer Jürgen

Podcast #124 Hertha hat ein Sechs-Problem

Podcast #124 Hertha hat ein Sechs-Problem

Erneut haben wir eine enttäuschende Leistung unserer Hertha gesehen. Welche Gründe gibt es dafür? Was muss sich jetzt kurzfristig ändern, damit wir wieder Punkte einfahren? Diese Fragen besprechen wir in dieser Podcast-Episode und lassen auch euch via Twitter zu Wort kommen.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)