Jahresrückblick: Teil 1 – HaHoHe, euer Jürgen

von Dez 27, 2020

Am Ende dieses verrückten Jahres blicken wir bei Hertha BASE in einer vierteiligen Serie auf die wichtigsten Ereignisse und Vorkommnisse bezüglich Hertha zurück.

Für den ersten Teil konnten wir unseren schwäbischen Ex-Trainer gewinnen, seine ganz exklusive Sicht auf die Dinge zu Beginn des Jahres zu präsentieren.
Viel Spaß!

Liebe Herthaner:innen,

was für ein Jahr liegt hinter uns.
Auch diesmal konnte ich mit meiner tollen Stiftung wieder viele Herzensprojekte anschieben und auch und gerade in diesem pandemiegeplagten Jahr viel wichtige Hilfe leisten. Wow, großer Care-Wert!

Ach ja und Hertha war ja auch noch!
Vor einem Jahr saß ich unter meiner kalifornischen Nordmanntanne und schrieb meinen Wunschzettel, den ich unserem Bremser Preetz für Weihnachten in die Schuhe schieben wollte.
Und ich hatte ganz konkrete Vorstellungen – so wie das bei einem Wunschzettel sein muss.

Zuerst sollte es natürlich jemand wie ich sein. Kein gutaussehender Mitvierziger (seh ich älter aus?!?), der schon alles gesehen hat und mit jeder Situation perfekt umgehen kann. Nein, ein waschechter Mittelstürmer!
Also habe ich dem „Hohen“, oder wie er nochmal genannt wird, meine Scouting-Ergebnisse notiert – ein polnischer Weltklasse-Mann, der aus einem halben Anspiel zwei Tore macht und für den Jubel dann seine Arme so überkreuzt.

Foto: IMAGO

Dazu brauchten wir einen Staubsauger vor der Abwehr. Einen quirligen, lauf- und zweikampfstarken Spieler, der schon alleine die Gegner defensiv im Griff hat. Einen, der immer ein nettes, unschuldiges Lächeln auf den Lippen hat. Einen französischen Nationalspieler. Die sind schließlich Weltmeister!
Als letztes hatte ich „Uns Michael“ noch meinen „Geheimtipp“ nahegelegt. Ein kleiner Argentinier, Nationalspieler, landläufig als Mega-Talent bekannt. Könnte in Anlehnung an seinen Namen auch als übermenschlich bezeichnet werden.

Na ja, ich denke, es ist klar, wen ich da auf dem Schirm hatte.
Deswegen habe ich dem Micha auch auf seine Nachfrage-SMS gar nicht erst geantwortet.
Und dann ganz große Augen bei mir, als plötzlich die Deals alle fix waren.

Ich musste natürlich gute Miene zum bösen Spiel machen und die Verpflichtungen von Krzysztof Piątek, Lucas Tousart und Santiago Ascacibar als absolute Top-Transfers darstellen. Dabei durfte ich nicht mal mit aufs Foto.

Im Trainingslager habe ich dann auch nochmal von diesen Fans gehört, die sich um ein neues Hertha-Stadion kümmern  wollen. Die stellten das ganze dann als „plumpe Idee“ dar. Seltsame, fast beleidigende Selbstbezeichnung. Ich hätte solch eine Idee ja nach einem ehemaligen eigenen Stadion des Vereins oder so benannt!

Immerhin begann die Rückrunde dann sportlich äußerst erfolgreich, als wir uns mit einer taktisch überaus disziplinierten Leistung beim großen und herrlichen FC Bayern mit einem achtbaren 0:4 aus der Affäre ziehen konnten. Auch das 0:0 und das knappe Ausscheiden im Pokal wenige Tage später gegen die so starken Schalker konnte man mir nicht anlasten. Mir war damals schon klar, dass dieses Schalker Top-Team eine glorreiche Zukunft vor sich haben würde. Und wir hatten sie am Rande einer Niederlage!
Zugegeben – den Tipp mit Pascal Köpke im Sturm hatte mir unser damaliger Torwart-Trainer schon kurz vor dem Jahreswechsel gegeben. Wahnsinn, der Andreas hat einfach ein Auge für Talente.
Zu dem traurigen rassistischen Vorfall in diesem Pokalspiel haben unsere tollen Fans im Hertha BASE Podcast damals und seitdem auch immer wieder schon alles gesagt.

Foto: IMAGO

Als wir eine Woche später im Heimspiel gegen bockstarke Mainzer immerhin ein Tor schießen, aber dem Topstürmer Robin Quaison wieder einmal nichts entgegensetzen konnten, wurde mir die Kritik an meiner Person zu bunt.
Im Schnitt 1,33 Punkte pro Spiel, das soll mir erst mal jemand nachmachen. Selbst der große Otto Rehhagel hat bei Hertha nur durchschnittlich 0,92 Punkte erreicht – und den würde schließlich niemand in Frage stellen! Oder?

Auch der Preetz schien irgendwie ganz anderer Ansicht zu sein als ich und forderte bessere Ergebnisse. Und wo war eigentlich der Arne? Ich hatte ihm doch gesagt: „Arne, du ergreifst jede Möglichkeit, da vorne mit ans Mikro zu treten. Der Preetz, der spürt deinen Atem, Arne, der spürt deinen Atem!“ Aber nichts von dem Arne zu sehen. Und der Lars hatte mir auch schon seit Wochen nicht mehr die Füße geküsst.
So konnte es doch nicht weitergehen!
Also habe ich dem Micha mal ordentlich die Meinung gegeigt. Und der Mannschaft. Und dem Lars – wobei, dem Lars schon ein bisschen früher.
Aber natürlich habe ich nach dem Lars erst meine treuen Fans auf Facebook von meinem Rücktritt unterrichtet. Muss ja auch nicht immer sein, dass der Verein als erstes von einer so wichtigen Personalie erfährt.

Wütend bin ich dann wieder in mein Hotelzimmer chauffiert worden und musste mir auf die Aufregung erstmal einen Beruhigungs-Smoothie andicken. Am nächsten Morgen vor dem Flieger nach Hause noch schnell den Pfand zurückbringen. Am Automaten dann der Schock – die Smoothies werden nicht genommen. Kein Mehrweg. Dann musste ich die Flaschen in die Tonne treten – äh, kloppen.

Apropos für die Tonne – bei unserer Hertha ging es ja nun mit dem ausgetüftelten Spielkonzept meines hochkompetenten Mitarbeiters Alexander Nouri weiter. Was habe ich der Hertha da für ein Goldstück loseisen können. Bei seiner beeindruckenden Vita und mitreißenden Spielweise hat mich ja ernsthaft gewundert, dass der Mann sich auf so ein Himmelfahrtskommando eingelassen hat.

Foto: IMAGO

Nach einem überzeugenden Sieg gegen aufmüpfige Paderborner, kassierte man leider gegen Köln die dritthöchste Heimniederlage der Herthaner Bundesligageschichte. Das muss dann einfach Pech gewesen sein.

Glaubt mir, auch mich hatte das Ergebnis bedrückt, sodass ich es mir eines Abends im netten Ambiente einer Hotel-Bar bequem gemacht hatte. In dieser Nacht kam ich ins Gespräch mit einem wahnsinnig netten Herrn, der mich nach meinem Gefühlsleben ausfragte. Schlussendlich wollte er sogar meine Tagebücher lesen, um sich besser in mich einfühlen zu können. Der Mann verstand mich einfach. Traurigerweise hat er sich danach nie wieder gemeldet. 🙁
Dafür fand ich meine intimsten Seeleneinblicke am nächsten Tag in der Zeitung wieder. Ohje, sowas wollte ich ja wirklich gar nicht!

Und auch für Hertha ging es in Düsseldorf einfach nur unglücklich weiter und man lag schon zur Halbzeit mit 0:3 hinten. Ein Glück kam nach überragend gecoachter zweiter Hälfte ein 3:3 dabei heraus. Hätten nicht Thomas Kraft & Co. die Halbzeitansprache übernommen, sondern den lieben Alex selbst reden lassen, wäre da sicherlich noch mehr bei rumgekommen!

Unverständlicherweise war nach dem sensationellen Punktgewinn gegen die auf Platz 17 liegenden Bremer nach frühem 0:2-Rückstand für den ehrenwerten Alex Schluss auf der Trainerbank. Kein Ehrwert von Preetz, wenn ihr mich fragt.

In der Folge hat dann wohl ein anderer Trainer die Hertha übernommen. Ich habe natürlich weiterhin wahnsinnig mit der Hertha mitgefiebert, die Restsaison aber doch nicht mehr so genau verfolgt.
Und wie ich mich auf die angekündigten Begegnungen in der Stadt gefreut habe. Nur getroffen habe ich dann irgendwie doch keine:n, komisch.

Foto: IMAGO

Nun ja, am Ende dieses langen Jahres sitze ich nun wieder unter der kalifornischen Sonne am Strand und lasse meinen Blick schweifen. Ich habe hier in Kalifornien schnell realisiert, was mir an Berlin auch unterbewusst immer gefehlt hat. Kein Meerwert.
Nichtsdestotrotz wird es im nächsten Jahr sicherlich weiter bergauf gehen.
Wie man hört, hat der Lars ja mit meinem Nachfolger im Aufsichtsrat wieder ein goldenes Händchen bewiesen.

Ich wünsche euch allen eine (blau-)weiße Weihnacht und einen guten Rutsch ins neue Hertha-Jahr.
Bleibt alle vernünftig und gesund!

HaHoHe
Euer Jürgen

ÜBER DEN AUTOR

Yannik Dönnebrink

Yannik Dönnebrink

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