Kaderanalyse 2020/2021 – Herthas offensive Flügelspieler

Kaderanalyse 2020/2021 – Herthas offensive Flügelspieler

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Im nächsten Teil unserer Kaderanalyse widmen wir uns den offensiven Flügelspielern der Hertha. Bekanntlich wurde die Kaufoption für Nemanja Radonjic nicht gezogen, hinter den Kulissen arbeitet man wohl aber dennoch an einem Transfer des 25-jährigen Flügelstürmers. Auch in seinem zweiten Jahr konnte Dodi Lukebakio nicht vollends überzeugen. Und was passiert mit dem jungen Javairo Dilrosun?

Flügelfokus unter Dardai

Vieles deutet darauf hin, dass Hertha BSC in der kommenden Saison vornehmlich in einem 4-3-3 auflaufen wird. Dafür wurde mit Suat Serdar ein spielstarker „Achter“ verpflichtet, der das Mittelfeld im Offensivspiel gefährlicher gestalten soll. Arne Maier kehrt nach seiner Leihe zu Arminia Bielefeld nach Berlin zurück. Lucas Tousart scheint gesetzt zu sein.

Für eine 4-3-3-Formation sind spielstarke Außenspieler unabdingbar. Sie müssen auch ohne klassischen „Zehner“ stark genug sein, per Dribbling an ein oder zwei Gegenspielern vorbei zu kommen und den Stürmer mit Flanken oder präzisen Pässen vor den Fünfmeter-Raum füttern. Wie steht es um die offensiven Außenspieler, die Hertha aktuell im Kader hat?

Mathew Leckie – er wird nicht vermisst werden

Trotz seiner überwiegenden Rolle als Reservist, hat sich der Australier nie lauthals beschwert. Er gilt als Musterprofi, der keine Unruhen in einen Verein bringt. Pal Dardai ist das bekanntlich sehr wichtig. Auch deshalb – vor allem aber wegen der Schnelligkeit von Mathew Leckte – wird Dardai ihn insgesamt 17 Mal in der Bundesliga eingesetzt haben. Doch spielerisch in Szene gesetzt hat er sich dabei nie.

hertha flügelspieler
Foto: IMAGO

Das bekräftigt auch seine Startelf-Quote von nur mageren 15 Prozent. In seinen 17 Einsätzen, die wenigsten von Beginn an, schoss er kein Tor und legte lediglich eines auf. Und viel mehr ist über ihn eigentlich auch nicht sagen, außer: Inzwischen ist Mathew Leckie in seine Heimat gewechselt, zum Melbourne City FC. Menschlich sicher ein wichtiger Teil der Mannschaft, wird man ihn rein sportlich wohl weniger vermissen.

Dodi Lukebakio – kriegt er noch eine Chance?

Hertha hat mit Dodi Lukebakio und Javairo Dilrosun lediglich zwei etatmäßige Außenspieler in den eigenen Reihen. Damit könnte Lukebakio eine noch letzte Chance bekommen. Womöglich gelingt noch ein kostengünstiger Transfer von Nemanja Radonjic und sicher wird Hertha generell noch auf der Suche nach einem oder zwei Außenspielern sein. Doch mindestens vier Spieler braucht es auf den Außenbahnen, tritt man mit einem 4-3-3 an. Auch in etlichen anderen Spielsystemen sind mindestens vier offensive Außenspieler im Kader Pflicht. Besser wären gar fünf Spieler. Ein Abgang Lukebakios scheint demnach unrealistisch, auch wenn sportlich vieles dafür spricht.

Denn auch in seinem zweiten Jahr konnte sich Dodi Lukebakio nicht nachhaltig positiv empfehlen. Es sind altbekannte Probleme, die einen Durchbruch verhindern. Seine fehlende Spannung zeigt sich auf dem Spielfeld zu oft, seine mangelnde Defensivarbeit ist weiterhin ein Problem. Bekanntlich ist Dardai ein Freund von Spielern, die auf dem Platz arbeiten, kämpfen und leidenschaftlich sind. Taktische Disziplin ist ihm sehr wichtig. Vor allem auch die unnötige gelb-rote Karte im so wichtigen Spiel gegen Schalke, hat Dardai (zurecht) auf die Palme gebracht.

hertha flügelspieler
Foto: SVEN SIMON/ Ralf Ibing/firo Sportphoto/pool/IMAGO

Hertha braucht in der kommenden Saison Konstanten, keine Unsicherheitsfaktoren. Kontinuierlich wäre es, dem launigen Außenspieler noch eine dritte und letzte Chance zu geben. Sein Talent blitzte auch in der vergangenen Saison auf. Fünf Tore und fünf Vorlagen in 29 Spielen – in einer spielerisch verkorksten Saison – bestätigen das. Und auch die Hertha-Verantwortlichen werden wissen, dass Lukebakio weiterhin Potenzial hat, sich zu steigern. Doch wie lange reicht die Geduld noch?

Mit 13 Millionen Euro hat Lukebakio auch keinen geringen Marktwert. Und so konstant es wäre, ihn zu behalten – so könnte sich auch ein kostengünstiger Spieler finden lassen, der weitaus weniger Unsicherheiten verkörpert und dessen Leistungen nicht so sehr schwanken. Gerüchte gibt es bisher keine – doch der Transfermarkt ist noch lange auf.

Javairo Dilrosun – der verletzte Wunderknabe

Wie Lukebakio konnte auch Javairo Dilrosun sein ungeheures Talent zu selten zeigen. Das liegt weniger an schwankenden Leistungen, als vielmehr daran, dass der schüchterne Niederländer häufig von Verletzungen geplagt ist. Vornehmlich auch deshalb kam er in der vergangenen Saison lediglich auf zwölf Bundesliga-Einsätze. Selten spielte er jedoch von Beginn an, weil er nach seinen Verletzungen immer wieder leicht herangeführt wurde. In den zwölf Spielen schoss er kein Tor, steuerte aber immerhin zwei Vorlagen bei.

Medial wurde bereits über eine Leihe von Dilrosun spekuliert. Aber auch er könnte davon profitieren, dass es kaum offensive Außenspieler im Verein gibt. Es ist ähnlich wie bei Lukebakio – will man nicht alles wieder auf den Kopf stellen, muss auch er gehalten werden. Lediglich einer von ihnen könnte verkauft werden. Wenn jedoch Beide gehalten werden und Lukebakios Leistungen auch in der kommenden Saison so stark schwanken, könnte Dilrosun davon profitieren.

hertha flügelspieler
Foto: IMAGO

Um auf den offensiven Außenbahnen gefährlich zu sein, hilft es, zwei inversive Spieler auf den Positionen zu haben. Sollte Radonjic noch verpflichtet werden, könnte er auf der linken Außenbahn nach innen ziehen und mit seinem starken rechten Fuß den Torabschluss suchen. Ähnlich wie Dilrosun, der bekanntlich einen starken linken Fuß hat – und dann von der rechten Seite aus agieren könnte. Zudem scheint es bei Dilrosun realistischer zu sein, dass er sein Potenzial voll ausschöpfen kann, als bei Lukebakio. Denn an seiner Einstellung scheitert sein Spiel bisher nicht – dafür muss er aber verletzungsfrei bleiben.

Nemanja Radonjic – der launige Wirbelwind

Lange sah es in der vergangenen Saison nicht danach aus, als würden die Hertha-Verantwortlichen Nemanja Radonjic verpflichten. Erst im Schlussabschnitt, allen voran nach der Quarantäne, zeigte er, was in ihm steckt. Doch die Kaufoption in Höhe von zwölf Millionen Euro war den Verantwortlichen zu teuer – spekuliert wird aber, dass Hertha weiterhin an ihm interessiert ist, zu kostengünstigeren Konditionen. Und auch Radonjic bekannte sich nach der Saison zu Hertha und lies verlauten, dass er gerne in Berlin bleiben würde.

Zu Beginn ist er vor allem dadurch aufgefallen, sich zu oft zu verzetteln – ihm fehlte im letzten Drittel die Durchschlagskraft. Dennoch war er in seinen zwölf Einsätzen einer der wenigen aus dem Berliner Kader, der es auch mal mit zwei oder drei Gegenspielern aufnehmen konnte. Dadurch riss er immer wieder Lücken in die gegnerische Abwehr – und konnte am Ende der Saison ein Tor und zwei Vorlage verbuchen. Sein Mut war in den letzten Saisonspielen von großem Wert.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Doch wie es oft so ist mit den spielstarken Kreativen – mit seiner Einstellung zeigte er sich nicht immer von seiner besten Seite. Oft war man bei ihm an Cunha erinnert. Denn wenn etwas nicht klappte, wirkte Radonjic zunehmen frustriert und gelangweilt. Etwas, dass Dardai nicht leiden kann. Und sich Hertha in der kommenden Saison eigentlich nicht mehr leisten will.

Das Genie, welches er hingegen zeigte, würde eine Verpflichtung – zu einem einstelligen Millionenbetrag – aber rechtfertigen. Inzwischen kennt er die Stadt und das Team, seinen Leistungen wird das sicher helfen. Sicher wären nicht wenige Hertha-Fans enttäuscht, ihn in der kommenden Saison auf den Außen wirbeln zu sehen.

Fazit – Hertha braucht neuer Flügelspieler

Davon ausgehend, dass Hertha in der kommenden Saison mit fünf offensiven Außenspielern starten wird, scheint die Lage für die Verantwortlichen knifflig. Verkauft man Lukebakio oder Dilrosun, müssen direkt fünf neue (Radonijic mitgezählt) gekauft werden – eher unwahrscheinlich. Selbst wenn nur einer von Beiden gehen sollte, müssen dennoch vier neue geholt werden. Insbesondere wenn Lukebakio verkauft wird und der verletzungsanfällige Dilrosun bleibt.

Bleiben jedoch beide und kommt Radonjic, müssten lediglich zwei neue Spieler für die Außenbahnen geholt werden. Dann könnte man für einen auch tiefer in die Tasche greifen. Sollten die Transfers einschlagen und die Spieler frei von Verletzungen bleiben, bietet sich in der Winterpause – oder auch nach der Saison – immer noch die Gelegenheit, etwa Lukebakio abzugeben. Fest steht aber: Hertha hat hier dringenden Bedarf.

[Titelbild: IMAGO]

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas zentrales Mittelfeld

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas zentrales Mittelfeld

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Nachdem wir bereits die Torhüter die Innen– und Außenverteidiger ins Visier genommen haben, widmen wir uns jetzt dem zentralen Mittelfeld

Niklas Stark – über die Sechs zu mehr Sicherheit

Blicken wir zunächst an den Anfang der Saison zurück. Bruno Labbadia hatte die Aufgabe, das Team fußballerisch weiterzuentwickeln. Dazu wählte er häufig eine 4-3-3-Formation mit einem Sechser und zwei Achtern davor, ganz ähnlich zu seiner Amtszeit in Wolfsburg. Eine Schlüsselfigur in diesem System war Niklas Stark, der normalerweise eine Reihe weiter hinten in der Innenverteidigung spielt. Er sollte der Mannschaft Stabilität geben und auch selbst wieder Sicherheit gewinnen. Denn die Vorsaison war für ihn von Verletzungen und schwache Leistungen geprägt. Er sollte als „Abräumer“ vor der Abwehr für eine bessere defensive Stabilität sorgen und seine Vorderleute etwas von ihren Defensivaufgaben entlasten.

hertha zentrales mittelfeld
Foto: IMAGO

Stark machte seine Aufgabe dabei sehr solide und wurde von Spiel zu Spiel etwas sicherer. Er war nicht mehr der Risikofaktor, den er in der vorherigen Saison noch zu oft verkörperte. Robustes Zweikampfverhalten, Kopfballstärke und Ballgewinne brachte er in das Hertha-Mittelfeld. Jedoch konnte man sich auch mit Niklas Stark auf der Sechs nie defensiv stabilisieren. Das lag aber weniger an ihm selbst als an mannschaftstaktischen Nachlässigkeiten. Hinzukommt aber, dass Stark das Spiel mit dem Ball in keiner Weise positiv beeinflussen konnte. Er zeigte sich im Mittelfeld mit dem Ball am Fuß teilweise etwas überfordert. Für diesen Bereich des Spiels ist er schlicht nicht der ideale Spielertyp. So entschied sich Bruno Labbadia zum Ende der Hinrunde dazu, Stark wieder in der Innenverteidigung einzusetzen.

Lucas Tousart – Da muss noch mehr kommen

An den vielen Problemen mit und gegen den Ball in der letzten Saison konnte auch Lucas Tousart, der mit sehr hohen Erwartungen nach Berlin kam, wenig ändern. Seine persönliche Saison lief sicherlich nicht katastrophal schlecht, aber es bleibt das Gefühl, dass er ein absolutes Leistungsniveau, das auch seine hohe Ablösesumme von 25 Millionen Euro rechtfertigen könnte, noch nicht erreicht hat.

Zu Beginn der Saison merkte man ihm noch sehr stark an, dass er sich eingewöhnen musste. Ein neues Land, eine neue Sprache und eine lange Phase ohne Training werden die Gründe für diese Startschwierigkeiten gewesen sein. Nach einiger Zeit wurden die Leistungen dann zwar besser, aber immer noch nicht durchgehend zufriedenstellend.

hertha zentrales mittelfeld
Foto: Andreas Gora/IMAGO

Einsatz und Laufbereitschaft konnte man ihm definitiv nicht absprechen. Auch seine starken Ballgewinne und diagonalen Verlagerungen konnte er immer wieder zeigen. Man hatte auch über bestimmte Phasen das Gefühl, dass er von der Erfahrung, die ein Sami Khedira mitbringt, sehr profitiert. Insgesamt war aber in zu vielen Spielen zu unauffällig, um an dieser Stelle ein positiveres Fazit ziehen zu können. Kann er seine Leistung in der kommenden Saison aber steigern, kann er für Hertha der entscheidende Stabilisator im Mittelfeld werden.

Santiago Ascacibar – Erst außen vor, dann kämpferisch

Ascacibar spielte in der ersten Saisonhälfte überhaupt keine Rolle. 13 der 17 Hinrundenspiele verpasste er verletzungsbedingt, die anderen vier, weil Bruno Labbadia nicht auf ihn setzte. Mit Niklas Stark und Lucas Tousart hatte Labbadia bereits zwei defensivstarke Optionen für das Mittelfeld und so musste sich Ascacibar hintenanstellen.

Zwei entscheidende Faktoren sorgten neben seiner eigenen Fitness und Leistung dafür, dass sich das zur Rückrunde änderte. Der eine war sicherlich, dass Stark nun wieder in der Innenverteidigung gefragt war. Der andere, vermutlich noch wichtigere Punkt für Ascacibar, war die Rückkehr von Pal Dardai.

hertha zentrales mittelfeld
Foto: IMAGO

Dieser versuchte seine Mannschaft schnellstmöglich zu stabilisieren und die Zahl der Gegentore endlich zu senken. Ascacibar passte gut in dieses Anforderungsprofil. Solide bis gute Leistungen konnte er in der Endphase der Saison zeigen. Mit seiner kämpferischen Art und seiner Stärke Bälle zu gewinnen, war er mit dafür verantwortlich, dass man sich dieser Stabilität in der Rückrunde immer mehr annäherte.

Es wird spannend zu sehen sein, wo sich in der kommenden Saison Platz für den Argentinier ergeben wird. In der Rückrunde konnte sich “Santi” durchaus empfehlen, ein bedingungsloser Stammplatz wird dennoch nicht drin sein. Eins ist klar: Ascacibar darf man niemals abschreiben.

Vladimir Darida – dauerhafter Dauerläufer

Vladimir Darida ist und bleibt ein faszinierender, aber auch unterschätzter Spieler. Er ist keiner, der im Alleingang ein Spiel entscheiden kann und drei Tore schießt, aber jemand, der so viele andere Qualitäten mitbringt und sie ziemlich konstant abrufen kann. So war er in der vergangenen Saison einer der Schlüsselspieler und vielleicht der konstanteste Mittelfeldspieler.

In 28 Bundesligaspielen kam er zum Einsatz, häufiger als jeder andere Mittelfeldspieler bei Hertha. Das ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, wie intensiv Daridas Spielweise ist. Schaut man auf die gelaufenen Kilometer pro Spiel der vergangenen Saison und berücksichtigt nur Spieler, die auf mindestens 1000 Spielminuten kamen, war Darida der durchschnittlich laufstärkste Spieler der gesamten Liga. 12,88 Kilometer lief er durchschnittlich pro Spiel. Neben seiner sehr fleißigen Spielweise ist Darida aber auch ein überdurchschnittlicher Offensivspieler. In seinen Offensivaktionen ist er aber meist sehr direkt und schnörkellos, sodass das nicht unbedingt auf den ersten Blick auffällt. 6 Vorlagen (Topwert bei Hertha), die zweit meisten Torschussvorlagen und die meisten angekommen Pässe in den Strafraum spielte Darida über die letzte Spielzeit.

hertha zentrales mittelfeld
Foto: Koepsel/Witters/Pool/Witters/IMAGO

Da bleibt eigentlich wenig Raum für Kritik. Zwei Aspekte fehlen ihm aber wohl leider, um absolut unverzichtbar für Hertha zu sein. Einerseits ist das die Torgefahr, die ihm seit seiner Zeit bei Freiburg immer mehr verloren ging. Anderseits konnte auch die Darida nicht der tonangebende Akteur im Mittelfeld sein, den Hertha erst in Sami Khedira fand. Er ist ein Spieler, der mit guter und konstanter Leistung vorangeht, nicht aber durch verbale Führungsstärke. So fehlt ein wenig die Präsenz.

Auch unter Pal Dardai war Darida zuletzt mehr Stammspieler. Das wird in der kommenden Saison vermutlich ähnlich sein. Für die möglichst ruhige Saison, die man anstrebt, könnte Darida genau der passende Spieler sein.

Die Zehner-Position

Auf der Zehn hat Hertha mit Vladimir Darida und Matheus Cunha zwei Spieler, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der eine dribbelstark, ein guter Distanzschütze und häufig sehr verspielt, der andere mit einem riesigen Aktionsradius, einer unglaublichen Lautstärke und Disziplin sowie einem schnörkellosem, aber effektivem Offensivspiel. Der eine hatte in der vergangenen Saison eine sehr schwankende Formkurve mit vielen Formtiefs, der andere hat stets ein solides. Gemeinsam haben Cunha und Darida aber mit Blick auf die vergangene Saison aber, dass sie beide mehrfach auf den Flügel ausweichen mussten, weil Hertha dort sonst kaum Alternativen hatte. Cunha unterlag diesem Schicksal aber noch etwas häufiger als Darida, der meistens in der Schlussphase auf dem Flügel aushelfen musste.

Foto: IMAGO

Auch damit lässt sich sicherlich Cunhas Formtief in der Saison erklären. Auf dem Flügel kann er seine Stärken weniger gut auf den Platz bringen. Cunha bleibt der herausstechendste Spieler bei Hertha und kann das Spiel aus dem Zentrum noch mehr beeinflussen. Zu oft war Hertha auch von seiner Kreativität abhängig und erhöhte so den Druck auf den 22-Jährigen. Dennoch war Matheus Cunha in der vergangenen Saison mit acht Toren und acht Vorlagen Herthas Topscorer und hat sich so eine Vertragsverlängerung verdient. Sollte man ein entsprechendes Angebot bekommen, würde man Cunha wohl dennoch gehen lassen.

Ziel für die kommende Saison sollte hier sein, Cunha einerseits wieder in Form zu bringen, gleichzeitig aber die Abhängigkeit im Offensivspiel von ihm zu verringern. Keine einfache Aufgabe für Pal Dardai und sein Trainerteam.

Wie ist Hertha für die kommende Saison aufgestellt?

In diesem Sommer werden wohl insgesamt drei Mittelfeldspieler den Verein verlassen. Die Leihe von Matteo Guendouzi endet, Sami Khedira hat seine Karriere beendet und Eduard Löwen hat keine Perspektive bei Hertha. Den Kader verstärken werden hingegen Arne Maier, der nach seiner Leihe zu Bielefeld wohl zur Hertha zurückkehren wird und Suat Serdar, der vom Schalke 04 kommt und Kevin-Prince Boateng. Somit besteht Herthas Mittelfeld-Gerüst für die kommende Saison aus zwei defensivstarken Sechsern (Ascacibar und Tousart), einem torgefährlichen Box-to-box-Spieler (Serdar), einen guten Passgeber (Maier) und einen sehr umtriebigen Achter (Darida). Grundsätzlich ist man damit nicht schlecht aufgestellt und jede Position im zentralen Mittelfeld kann besetzt werden.

Einige Probleme der vergangenen Saison lassen sich auch mit der Kaderstruktur fürs zentrale Mittelfeld zurückführen. Anhand derer lässt sich auch ganz gut einordnen, wie Hertha aktuell für die kommende Saison aufgestellt ist und an welchen Ecken es vielleicht noch fehlt. So fehlte zum Beispiel ein Spieler, der aus dem zentralen Mittelfeld heraus sowohl gefährliche Situationen kreieren kann, aber auch selbst torgefährlich ist. Bei diesem Problem soll in der kommenden Saison Suat Serdar Abhilfe schaffen. Phasenweise konnte er genau diese Qualitäten auch bei Schalke zeigen. Es ist aber gut vorstellbar, dass Serdar zunächst etwas Zeit braucht, um wieder an frühere Leistungen, die ihm auch zum Nationalspieler gemacht haben, anzuknüpfen.

Foto: IMAGO

Noch viel schwerwiegender war aber, dass der Mannschaft auch ein bestimmter Spielertyp fehlte, der eine spielerische Weiterentwicklung deutlich erleichtert hätte. Ein kontrollgebender, sicherer pressingresistenter Passgeber, der das Ballbesitzspiel strukturieren kann, aber auch ein kreatives Element mitbringt. Diese Lücke im Kader könnte Rückkehrer Arne Maier schließen. Er ist jedoch aktuell der einzige Sechser, der durch spielerische Elemente herausragt. Man wünscht ihm, dass er diese Chance endlich richtig nutzen kann und an seine zuletzt guten Leistungen bei der U21-EM und bei Bielefeld anknüpfen kann. Gelingt ihm das unter seinem größten Förderer (Pal Dardai), kann er eine wichtige Rolle spielen. Man kann aber zumindest hinterfragen, ob es vielleicht nicht noch eine spielstarke Alternative bräuchte, falls sich Maier erneut verletzen sollte oder sein Leistungsniveau nicht halten kann. Es fehlt in der breite an guten Passgebern im Mittelfeld.

Außerdem fehlen Führungsspieler im Mittelfeld. Das kann auch in der kommenden Saison ein Problem werden. Sami Khedira ist nicht mehr da und hinterlässt damit vor allem als Persönlichkeit eine Lücke. Ob der 34-Jährige Kevin-Prince Boateng allein für dieses Problem eine gute Lösung sein kann, wird man abwarten müssen. So richtig scheint man diese Aufgabe aber auch aktuell keinem anderen Mittelfeldspieler zuzutrauen.

[Titelbild: IMAGO]

Boateng: Die Rückkehr des Königs

Boateng: Die Rückkehr des Königs

KPB. Drei Buchstaben, die Fan-Herzen höherschlagen lassen. Hertha bekommt eine Identifikationsfigur und Kevin-Prince Boateng nochmal die große Bühne. Was kann der neue alte Herthaner seinem Verein noch geben?

Zu welcher Leistung sich ein 34-jähriger, erfahrener Spieler aufraffen kann, konnte man in der Saison 18/19 an Vedad Ibisevic sehen. In 28 Spielen traf der Bosnier zehn mal und legte drei weitere Treffer vor. Doch in diesem Text geht es nicht um Ibisevic. Es geht um einen anderen 34-Jährigen. Es geht um einen verlorenen Sohn, der nach langer Reise zurück nach Hause kommt. Es geht um einen ehemaligen Straßenfußballer, der Hertha eine Portion Berlin verabreichen soll.

Die zwei Brüder

Manche würden Kevin-Prince Boateng für einen glücklosen Glücksritter halten. Ein Suchender, der in seiner Profikarriere für nicht weniger als 14 Vereine gespielt hat und selten mehr als 30 Spiele gemacht hat. Er konnte zwar einige Erfolge und Titel vorweisen, in Sachen Konsistenz blieb er aber immer hinter seinem nicht minder begabtem Bruder Jérôme zurück.

Zwei Brüder, beide in den Stahlkäfigen und Häuserschluchten Berlins aufgewachsen. Beide bei Hertha ausgebildet und zum Profi gereift. Beiden ist der Verein nicht groß genug, beide zieht es hinaus in die Welt. Doch während Jérôme bei Bayern den ersehnten sportlichen Erfolg gefunden zu haben scheint und sich ständig wieder ins Rampenlicht spielt, sogar Weltmeister wird, bleibt Kevin-Prince ein getriebener und rastloser. Nun, 14 Jahre nach seinem Abschied soll sich der Kreis schließen, seine Reise endlich zu Ende gehen. Die Erfahrung hat ihre Früchte getragen. Aus dem einstigen Prinzen ist so ein König geworden, der in der Stadt zurückkehrt, in der alles angefangen hat, und wo es auch enden soll.

Kevin Prince li. weist seinen jüngeren Bruder Jerome Boateng beide Hertha auf etwas hin

Die Gefährten

Dass es gerade jetzt soweit kommt, ist sicherlich kein Zufall. In Berlin warten zahlreiche Bekannte auf Boateng, allen voran seine ehemaligen Mannschafts- und Teamkollegen Pál Dárdai, Arne Friedrich, Zecke Neuendorf und Fredi Bobic. Während alle inzwischen die Stollenschuhe gegen die bequemen Buisness-Sneaker getauscht haben, will Boateng es nochmal auf dem Platz wissen. Ich habe es schon mal an anderer Stelle geschrieben:  Um Hertha zu helfen, verordnet sich Hertha eine Kur Hertha. In diesem Fall gibt es noch einen Berlin-Bonus mit drauf.

Hertha, so hat Fredi Bobic richtig festgestellt, spielt momentan nur um einen Titel: die Nummer eins in der Stadt zu werden. Derby-Siege sind das eine, Sympathie und Fankultur das andere. Während Union sich mit allerhand Neuzugängen eindeckt, die wenig bis gar keine Verwurzlung im Verein, geschweige denn der Stadt haben, hat Hertha hier einen echten Coup gelandet. Den Namen Boateng muss kein Hertha-Fan mehr lernen. Er sitzt tief verankert zwischen dem Text der Hymne und der Erinnerung an das Tor von Marcelinho gegen Freiburg.

Das Risiko

Bei aller Euphorie, bei allem Lob. Die Gretchenfrage bleibt: Was kann Kevin-Prince Boateng sportlich bei Hertha verbessern. Um das zu beantworten müssen wir uns verdeutlichen, dass Fußball auch mit dem Kopf gespielt wird und zwar nicht nur mit denen der Spieler, die gerade auf dem Platz stehen, sondern auch die die auf der Bank sitzen oder zuhause schmoren, weil sie im Kader nicht berücksichtigt wurden. Zum Anfang der letzten Saison gab es ein großes Leadership-Problem bei Hertha. Boateng kokettierte schon damals mit einer Rückkehr. Die damaligen Verantwortlichen lehnten ab. Das Problem erledigte sich allerdings nicht wie erhofft von selbst, sodass im Winter Sami Khedira als Stütze der Mannschaft verpflichtet wurde. Auch wenn der Weltmeister von 2014 nur acht Spiele im blau-weißen Dress absolvierte, war er zu jeder Zeit im Stadion und beim Training präsent. Den Anteil, den Khedira am Klassenerhalt hatte, er lässt sich nicht wegdiskutieren.

Sami Khedira (Juventus) Kevin Prince Boateng (Sassuolo) during the Italian Serie A match between Juventus 2-1 Sassuolo at Allianz Stadium on September 16 , 2018 in Torino, Italy. NOxTHIRDxPARTYxSALES. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY (85861648)

Boateng soll jetzt genau diese Rolle einnehmen. Der Leitwolf, der dem Rudel zeigt wo es lang geht, sie bei der Ehre packt und als verlängerter Arm des Trainers fungiert. Die Erfahrungen der letzten zwei Saisons haben uns nochmal vor Augen geführt, dass Geld und Talent alleine nicht ausreichen. Teure, hochbegabte Spieler mögen zwar das ein oder andere Tor schießen, gewinnen kann aber nur ein fest zusammengeschweißtes Team.

Über die von hohen Zäunen umrahmten Betonbolzplätze Berlins ranken sich viele Geschichten. Viele Spieler berichten stolz davon, dass man sich das Recht mitzuspielen teuer verdient haben müssen. Kevin-Prince Boateng muss sich nicht mehr verdienen mitzuspielen. Es sind die anderen Spieler, die sich verdienen müssen mit ihm zu spielen. Nicht für Geld, sondern für die Fans, für Hertha und für ganz Berlin.

[Titelbild: xEnricxFontcubertax/IMAGO]

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Außenverteidiger

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Außenverteidiger

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Nachdem wir bereits die Torhüter und die Innenverteidiger ins Visier genommen haben, widmen wir uns jetzt den linken und rechten Außenverteidigern.

Maxi Mittelstädt – Wo bleibt der nächste Schritt?

Diese Saison sollte endgültig der große Durchbruch Maxi Mittelstädts in der Bundesliga werden. Doch wie eigentlich bei der gesamten Mannschaft blieb der nächste Entwicklungsschritt aus.

Zwar kam der gebürtige Berliner auf 27 Einsätze, davon 22 von Beginn an, zeigte aber sehr wechselhafte Leistungen und konnte kaum ein überzeugendes Spiel abliefern. Zu Beginn noch gesetzt, im Pokal gegen Braunschweig sogar als zentraler Mittelfeldspieler, verlor er nach enttäuschenden Ergebnissen und einem folgenschweren Patzer in der Nachspielzeit des Spiels gegen Bayern München seinen Stammplatz schnell wieder an Marvin Plattenhardt und profitierte in der Folge insbesondere von dessen diversen Ausfällen.

hertha
Foto: IMAGO

Zwar konnte sich Mittelstädt unter Pal Dárdai defensiv stabiliesieren. Das in der Vergangenheit häufiger angedeutete offensive Potenzial zeigte sich aber nur zu Beginn des Spieljahres, als Mittelstädt in den ersten drei Partien zwei Vorlagen lieferte. Im Verlauf der Saison blitzten kaum einmal Spielwitz oder fußballerischen Ideen auf, auch seine vermeintlichen Stärken gegenüber Konkurrent Plattenhardt beim Dribbling und Kombinationsspiel konnte er nicht zeigen. Seine wenigen Einsätze im linken (offensiven) Mittelfeld stellten da leider keine Ausnahme dar und machten deutlich, dass er in Zukunft keine ernsthafte Option (mehr) als Back-Up für die Offensive Außenbahn ist.

Trotzdem wird Maxi Mittelstädt auch diese Spielzeit wieder zum Ansporn nehmen, weiter an sich zu arbeiten und in jedem Spiel mit vollem Einsatz versuchen voranzugehen.

In der nächsten Saison wird Maxi Mittelstädt wieder mit Marvin Plattenhardt, der unter Dárdai seine fußballerisch beste Zeit erlebte, in einen offenen Zweikampf um den Stammplatz auf der linken Abwehrseite treten. Es bleibt zu hoffen, dass Dárdai bei beiden die richtigen Stellschrauben ausmacht und dieser sportliche Zweikampf nicht wie in der letzten Saison beide zu lähmen scheint, sondern sie sich gegenseitig zu guten Leistungen antreiben – und möglicherweise hat ja auch Luca Netz in der nächsten Spielzeit schon ein Wörtchen mitzureden.

Marvin Plattenhardt – Renaissance unter Pal Dárdai?

War Marvin Plattenhardt zu Beginn der Saison unter Bruno Labbadia noch zweite Wahl, durfte er nach fünf sieglosen Partien ab dem siebten Spieltag als vermeintlich defensivstärkere Alternative auf der Linksverteidiger-Position beginnen und spielte sich trotz wechselhafter Leistungen zunächst fest.

Plattenhardt machte seine Sache defensiv nicht schlecht, konnte aber auch kaum positive Akzente setzen. Offensiv ging kaum etwas – seine Standardstärke scheint komplett verloren, seine Flanken fanden selten einen Abnehmer. Dazu kam das Verletzungspech, was Plattenhardt mit drei verschiedenen Blessuren durch die Saison begleitete. Nachdem mit Pal Dárdai sein Förderer zurück an der Seitenlinie war, stieg die Formkurve des Linksfußes wieder leicht an. Die Flanken kamen wieder etwas genauer, das Offensivspiel wurde etwas lebendiger. So konnte Plattenhardt – zwischenzeitlich noch einmal von einer Corona-Erkrankung ausgebremst –  in den letzten drei Spielen immerhin noch zwei Vorlagen verbuchen.

hertha
Foto: IMAGO

Nichtsdestotrotz war die Saison für Marvin Plattenhardt mit nur 16 absolvierten Spielen und drei langfristigen Ausfällen eine Spielzeit zum Vergessen. Abhaken und unter Dárdai nochmal angreifen! Pal Dárdai kennt Plattenhardt gut, hat ihn in seiner ersten Amtszeit vom Ergänzungs- zum Nationalspieler geformt. Nicht unwahrscheinlich, dass Dárdai “Platte” wieder auf die Sprünge hilft und hoffentlich in die Nähe des Niveaus führt, dass Plattenhardt damals die Nationalelf-Nominierungen einbrachte. Insbesondere dessen Standards waren damals eine Waffe – und Hertha fiel in dieser Saison durch absolute Ungefährlichkeit nach Standards auf, erzielte bei 152 Ecken kein einziges Tor.

Gerade unter diesem Aspekt wäre ein Wiedererstarken des ehemaligen Nürnbergers also ganz besonders wichtig. Nichtsdestotrotz ist der Zweikampf mit Mittelstädt durch Förderer Dárdai noch nicht entschieden. Soweit beide in Form kommen, könnten sich die Einsätze auch an der gesamttaktischen Herangehensweise entscheiden – gegen tiefstehende Gegner könnte Mittelstädts offensive Flexibilität und Variabilität gefragt sein, während Plattenhardt möglicherweise gegen dominierende Gegner einen defensiv stärkeren Part einnehmen und mit einer spielentscheidenden Standardsituation für Punkte sorgen könnte.

Luca Netz – Der vielversprechende Herausforderer

Das Zukunftsversprechen  aus der Hertha-Akademie hat in dieser Saison erste Fußspuren hinterlassen. Nachdem Luca Netz zum Ende der letzten Saison unter Bruno Labbadia schon regelmäßig mit den Profis trainiere durfte, feierte er am 14. Spieltag gegen Gelsenkirchen sein Bundesligadebüt für Hertha BSC und reihte sich so als zweitjüngster Debütant Herthas in der obersten Spielklasse in die Geschichtsbücher ein. Und schon in seinen ersten Spielminuten zeigte er, warum Hertha ihm die Rolle eines modernen Außenverteidigers zutraut. Technisch stark mit enormem Offensivdrang, positioniert sich Netz auch ohne Ball am und im gegnerischen Sechzehner und sucht selbst den Abschluss.

Folgerichtig, dass Luca Netz schon in seinem siebten Einsatz erstmals traf – als jüngster Hertha-Torschütze in der Bundesliga. Beim emotional wichtigen Punktgewinn gegen den VfB Stuttgart sicherte er den Herthanern nach drei Niederlagen seit Dárdais Re-Installation das so wichtige Erfolgserlebnis mit seinem Tor zum Ausgleich in der 82. Minute. Schon Labbadia hielt wahnsinnig viel vom jungen Berliner. Auch Dárdai bezeichnet Netz als „Riesen-Rohdiamanten“ und so kam der Linksverteidiger in seiner Debütsaison zu elf Einsätzen bis ihn ein erneuter Mittelfußbruch für den Rest der Saison außer Gefecht setzte.

Foto: IMAGO

So blieb dem Youngster nichts anderes übrig, als den Fokus auf die Zukunft zu legen. Dem Vernehmen nach gilt sein Vertrag seit seinem 18. Geburtstag bis 2023, intensive Gespräche über eine Verlängerung laufen aber bereits seit geraumer Zeit. Ein Versprechen für die Zukunft ist aber nunmal auch nicht zwingend ein Versprechen für die Gegenwart. Luca Netz wird auch in der nächsten Saison noch nicht der sofortige Heilsbringer sein.

So dürften Marvin Plattenhardt und Maxi Mittelstädt den Stammplatz auf der Linksverteidiger-Position zunächst unter sich ausmachen. Zwar stellen die beiden zurzeit sicherlich kein gehobenes Bundesliga-Niveau dar, Hertha wird aber mit Sicherheit Top-Talent Netz nicht den Weg verbauen und diesen Sommer somit keinen Linksverteidiger mit Stammplatzambitionen verpflichten.

Mit großen Vorschusslorbeeren ausgestattet, muss sich Luca Netz nach seiner Verletzung nun erstmal in Ruhe wieder Matchfitness erarbeiten und kann dann seine stetige Entwicklung fortsetzen, um in (einer vielleicht gar nicht so fernen) Zukunft Druck auf die beiden Etablierten zu machen und  so vielleicht sogar schon im Laufe der Saison vorsichtig bei Pal Dárdai wegen Startelfeinsätzen anzuklopfen.

Deyovaisio Zeefuik – Doch noch die Lösung?

Deyovaisio Zeefuik wurde im Sommer 2020 nach langem Hin und Her verpflichtet, um der seit dem Abgang von Valentino Lazaro brach liegenden rechten Abwehrseite neue Kreativität und Durchschlagskraft zu verleihen. Und so blickte man hoffnungsvoll auf die ersten Einsätze des niederländischen U21-Nationalspielers.

Doch Zeefuik konnte zunächst kaum überzeugen. In Labbadias Viererkette präsentierte er sich immer nervös, bisweilen hektisch und unsicher. Im Zweikampf wirkte er häufig ungeschickt oder sorglos, im Spielaufbau fahrig und unkonzentriert und wurde so zu einem Unsicherheitsfaktor in Herthas Hintermannschaft. Besonders unglücklich sein Auftritt gegen Leipzig, als er sich innerhalb von fünf Minuten nach seiner Einwechslung zur Halbzeit den gelb-roten Karton abholte.

Nach dem Trainerwechsel war Zeefuik die ersten vier Spiele unter Dárdai überraschend nicht einmal im Kader und es schien sich ein teures Missverständnis anzubahnen. Noch überraschender dann aber die Startelfnominierung am 23. Spieltag gegen Wolfsburg, bei der Zeefuik in einer 3er-, respektive 5er-Kette durchaus funktionierte. Seine Schwächen in der Defensive wurden durch die zusätzliche Absicherung durch einen dritten Innenverteidiger gemildert, seine offensiven Fähigkeiten kamen durch die höhere Positionierung auf dem Feld besser zur Geltung. Zeefuik fühlt sich mit dem Ball am gegnerischen Sechzehner deutlich wohler als an der Mittellinie.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Mit dieser für ihn wohltuenden Systemumstellung stieg Zeefuiks Formkurve langsam an und so belohnte er sich mit seinem Debüttreffer zum wichtigen 1:0 in der Partie gegen Bayer Leverkusen. Als rechter Schienenspieler blieb Zeefuik Dárdais erste Wahl. Spannend wird also, ob Dárdai bei diesem System bleibt oder in Zukunft wieder auf sein früher favorisiertes 4-2-3-1 setzen will.

Für dieses System müsste Dardai Deyo an die Hand nehmen, ihm Ruhe und Stabilität vermitteln. Und Zeefuik muss zeigen, dass er defensiv mehr drauf hat, als schnell sein. Er darf sich im Aufbauspiel auch nicht mehr andauernd verzetteln. Offensiv könnte er zusammen mit einem echten Flügelspieler durchaus für gefährliche Vorstöße sorgen, wenngleich er natürlich nicht die selben Qualitäten mitbringt wie ein spielmachender Außenverteidiger wie Valentino Lazaro.

Es ist davon auszugehen, dass Hertha Zeefuik nach der ordentlichen Rückrunde unter Dárdai nicht bereits wieder fallen lässt und ihm einen Neuzugang vorsetzt. Dennoch ist die Schonfrist jetzt vorbei und der Niederländer muss nach seinem insgesamt doch eher enttäuschenden ersten Jahr abliefern und zeigen, warum sich die Hertha-Verantwortlichen um Michael Preetz so intensiv um ihn bemüht haben.

Peter Pekarik – Der ewige Peter

Vor der Saison als Back-Up eingeplant, stand Peter Pekarik zum ersten Pflichtspiel der Saison schon wieder in der Startelf. Bei der ärgerlichen 4:5-Niederlage gegen Eintracht Braunschweig im DFB-Pokal fand er sich sogar unter den Torschützen wieder.
Und auch zum Bundesligastart stand Pekarik wieder von Beginn an auf dem Platz – und traf schon wieder. Der Slowake war in Labbadias Viererkette erste Wahl und zahlte das Vertrauen auch zurück.

Mr. Zuverlässig ließ defensiv regelmäßig nix anbrennen und spielte seine Routine aus. Er zeigte sich aber dank klugem Stellungsspiel auch offensiv ab und an gefährlich in den gegnerischen Strafräumen. Nach den beiden Treffern zu Saisonbeginn ließ Pekarik im Saisonverlauf noch zwei weitere folgen, darunter das wichtige 1:1 gegen Union Berlin beim Derbysieg.

hertha
Foto: nnordphotox/xKokenge/IMAGO

Auch unter Dárdai war Pekarik in der Viererkette weitestgehend die erste Wahl, unter dem ungarischen Cheftrainer lief Hertha aber immer öfter mit 3er- bzw. 5er-Kette auf, in der Neuzugang Deyovaisio Zeefuik regelmäßig den Vorzug erhielt.
Der mittlerweile 34-jährige Rechtsverteidiger zeigte aber eindrücklich, dass immer auf ihn Verlass ist, wenn man ihn braucht. Und so steht man nun am gleichen Punkt wie im letzten Sommer und ist in Verhandlungen, den Vertrag mit Herthas dienstältestem Spieler noch einmal um ein Jahr zu verlängern.

Pekarik wird sich auch im nächsten Jahr mit der Back-Up-Rolle zufriedengeben – soweit es denn überhaupt dabei bleibt. Denn Deyovaisio Zeefuik fremdelte zu Saisonbeginn doch sehr in einer Viererkette, die Dárdai eigentlich präferiert. Mit Neuzugängen für die Außenverteidiger-Positionen ist aber eigentlich nicht zu rechnen, sodass die beiden Außenverteidiger-Duos plus Herausforderer Netz auch in der nächsten Saison die Seitenlinien beackern dürften.

Und wenn Herthas slowakischer EM-Fahrer wieder so eine Spielzeit hinlegen sollte, heißt es vielleicht auch nächsten Sommer wieder: Hertha und Pekarik sind in Gesprächen über eine einjährige Verlängerung.

[Titelbild: IMAGO]

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Innenverteidigung

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Innenverteidigung

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Begonnen hatten wir mit der Torhüter-Position. Nun widmen wir uns der blau-weißen Innenverteidigung. Auf dieser Position hat es in der abgelaufenen Saison zahlreiche Änderungen und vielleicht sogar schon einen Generationswechsel gegeben.

Jordan Torunarigha – (wieder) viel Verletzungspech

Wie für den gesamten Verein Hertha BSC lief die Saison 2020/2021 auch für Jordan Torunarigha insgesamt enttäuschend. Als klarer Stammspieler war „Air Jordan“ in die Spielzeit gestartet, schien alles vorbereitet für den Schritt zum Hertha-Leistungsträger.

Als Nebenmann von Dedryck Boyata hatte Torunarigha gegen Ende der Vorsaison nicht nur defensiv stabile und fehlerlose Leistungen abgeliefert, sondern insbesondere mit seinem Spielaufbau für Aufsehen gesorgt. Neben vielen guten Verlagerungen und Laserpässen hatte Torunarigha mit seinen Dribblings bis tief in die gegnerische Hälfte häufig dafür gesorgt, dass Herthas manchmal arg statisches und einfallsloses Aufbauspiel an Dynamik gewann.

hertha
Foto: IMAGO

Zu Saisonbeginn schien Karim Rekik zunächst Torunarighas einziger Konkurrent im Kampf um den Platz in der linken Innenverteidigung zu sein. Mit einer enttäuschenden Leistung beim Erstrundenaus im DFB-Pokal untermauerte dieser allerdings eher den Status von Herthas Nummer 25. Nachdem er im DFB-Pokal noch seine lächerliche Sperre hatte absitzen müssen, konnte Torunarigha somit erst am ersten Bundesliga-Spieltag in Bremen in die neue Saison starten. Bei Herthas 4:1-Auswärtssieg fiel er nicht groß auf – für einen Innenverteidiger eher Kompliment als Kritik.

Bereits das zweite Spiel gegen Eintracht Frankfurt war für Torunarigha im Rückblick der „Kipp-Punkt“ der Saison. Im Spiel gegen Frankfurt verletzte sich der 23-Jährige am Syndesmoseband. Besonders schmerzte der Ausfall, weil sich Torunarigha gegen die Eintracht extrem stark präsentierte. Hertha verlor das Spiel zwar, mit seinem Aufbauspiel war der Innenverteidiger aber einmalmehr eine der Lichtblicke bei Hertha. An diesem Abend schaltete er sich auch immer wieder in der höchsten Angriffszone ein, das einzige Tor für Hertha fiel nach einer seiner Hereingaben. Mit dieser Sicherheit und spielerischen Klasse sollte man Torunarigha bis zum Saisonende nicht mehr erleben.

Leichte Formverbesserung Torunarighas unter Dardai

Kurz vor seiner Rückkehr nach dem Syndesmoseband-Anriss gab es für Torunarigha dann schon den nächsten Rückschlag in Form einer Corona-Infektion. Nicht nur sein Comeback verzögerte sich nochmals, auch seine Auftritte litten zunächst unter dieser verlängerten Pause. Zwar kehrte er im Dezember in die Hertha-Startelf zurück, allerdings war ihm sowohl die Stabilität als auch sein Spielwitz abhandengekommen – der Verteidiger wirkte blass und unsicher. In Torunarighas Abwesenheit war mit Omar Alderete ein neuer Konkurrent zu Herthas Kader gestoßen und hatte Karim Rekik ersetzt. Nach mehreren wackligen Auftritten entschloss sich der damalige Trainer Bruno Labbadia deshalb, Torunarigha wieder durch Alderete zu ersetzen.

Nach der Rückkehr von Pál Dárdai, unter dem Torunarigha einst seinen Durchbruch bei den Profis gefeiert hatte, rotierte er dann zunächst zurück in die Startelf. Zum Rückrundenbeginn lieferte er gegen Frankfurt und Bayern zumindest solide Spiele ab. Aber es kam, wie es kommen musste – Torunarigha verletzte sich erneut, dieses Mal an der Hüfte. Erst im Saisonendspurt kehrte er wieder zurück, da sich aber inzwischen mit Márton Dárdai die Überraschung der Saison auf seiner etatmäßigen Position festgespielt hatte, blieb Herthas Nummer 25 fortan nicht mehr als die Rolle als Rotationsspieler und Joker. Nur gegen Freiburg konnte Torunarigha sein volles Potenzial auf ungewohnter Position als Linksverteidiger nochmal aufblitzen lassen.

Foto: nordphotox/xEngler/IMAGO

Dass die Saison für Torunarigha absolut mies lief, illustrieren auch seine Statistiken. Seine Zweikampfquote fiel von 53 auf 34 Prozent, bei den Kopfballduellen liegen 54 Prozent deutlich unter den 74 der Vorsaison. Spielte Torunarigha 2019/2020 noch 4.3 lange Bälle pro Spiel (mit einer Erfolgsquote von 60 Prozent), waren es 2020/2021 nur noch 2.2 – und nicht mal jeder zweite Versuch kam an. Klar ist: Mit Torunarigha brach Hertha bereits am zweiten Spieltag eine wichtige Stütze aus der Defensiv-Achse weg. Mit Sicherheit war dies weder der erste, noch der einzige Grund für Herthas enttäuschende Saison. Trotzdem fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass 2020/2021 mit einem durchgehend fitten Torunarigha in Top-Form wohl anders gelaufen wäre.

Omar Alderete – eine durchwachsene Debütsaison für Hertha

Erst am spätesten Deadline-Day der jüngeren Bundesliga-Geschichte, dem 15. Oktober, stieß Omar Alderete zu Herthas Mannschaft. Der Paraguayer kam für ungefähr sechs Millionen Euro aus Basel – und wurde direkt gebraucht. Durch die Verletzung von Jordan Torunarigha und den Abgang von Karim Rekik wurde Alderete nach nur kurzer Eingewöhnungszeit schon eine knappe Woche später ins kalte Wasser geschmissen.

In den folgenden Wochen konnte man bei Alderete ein Phänomen beobachten, dass bei vielen Last-Minute-Neuzugängen auftritt: Der Neuzugang startete mit überzeugenden Auftritten im Hertha-Trikot, obwohl er Abläufe und Mannschaft zu diesem Zeitpunkt kaum kannte. Auch in seinen ersten Spielen machte der Paraguayer zwar bei weitem nicht alles richtig, trotzdem lieferte er zunächst solide ab. Beim 2:5 gegen Borussia Dortmund machte er wie auch Herthas andere Abwehrspieler ein schwaches Spiel. Tendenziell hatte man zu diesem Zeitpunkt der Saison das Gefühl, dass Alderete nach gutem Start bald in das für Neuzugänge nicht ganz unübliche Leistungsloch fallen würde.

Foto: IMAGO

Exakt zu Torunarighas Rückkehr Anfang Dezember fiel Alderete dann allerdings erstmal aus – und rückte erst in den letzten Spielen unter der Regie von Bruno Labbadia wieder in die Startelf, der ihn nach seiner Genesung wieder Jordan Torunarigha vorzog. „Jordany“ war zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit in schwacher Form. Trotzdem zeigte Alderetes Comeback, welch hohes Standing er bei Labbadia genoss.

Alderete: Zwischen Genie und Wahnsinn

Unter Pál Dárdai hatte Alderete allerdings schnell einen schweren Stand. Gegen den VfB Stuttgart durfte er zwar von Beginn an spielen, wurde im Nachgang des Spiels allerdings öffentlich von seinem Trainer angezählt. Der Grund: Alderete hatte das Spiel entgegen von Dárdais Wunsch immer wieder durch die Mitte eröffnet und sich damit nicht an die taktischen Vorgaben gehalten. Dárdai Senior beförderte als Konsequenz Dárdai Junior in die Startelf, an ihm kam Alderete bis Saisonende nicht mehr vorbei. Einzig in den finalen englischen Wochen im Abstiegskampf kam der 24-Jährige wieder zum Einsatz. Mit seinen Leistungen gegen Freiburg, Schalke und Köln stellte er unter Beweis, dass er für Hertha allemal ein guter Back-Up ist.

Seinen Ruf, dass er besonders zweikampf- und kopfballstark sei, konnte Alderete in seiner Debütsaison in Blau-Weiß noch nicht rechtfertigen. Mit 51 Prozent Zweikampfquote liegt er unter Herthas Innenverteidigern auf Platz 3. Ebenfalls 51 Prozent gewonnene Luftduelle sind gleichbedeutend mit Platz drei – vor seinen Konkurrenten Torunarigha und Dárdai. In diesem Bereich hätte der 24-Jährige mit Sicherheit besser abgeschnitten, wenn nicht auch Unkonzentriertheit und Schlampigkeit Teil seines Spiels wären. Sein Passspiel und Spielaufbau sind sehr risikofreudig. Vielen Hertha-Fans sind wohl noch einige Szenen aus der vergangenen Spielzeit in Erinnerung, in denen seine flachen Pässe durchs Zentrum fast eine Katastrophe ausgelöst hätten. Mit 80 Prozent hat Alderete passenderweise auch die schwächste Passquote unter Herthas Innenverteidigern.

Hertha
Foto: Christopher Neundorf/Kirchner-Media/pool/IMAGO

In der finalen Bewertung von Alderetes zugegebenermaßen nicht optimal gelaufener ersten Hertha-Saison darf man allerdings auch nicht vergessen, wie die äußeren Begleitumstände für den Paraguayer aussahen: Erst eine Saison hatte er zuvor in Europa gespielt, in der im Vergleich eher schwächeren Schweizer Super League. Erst am letzten Tag der Transferperiode stieß er zu einem Team, in dem zu diesem Zeitpunkt keine Hierarchie vorhanden war. Dazu die Corona-Pandemie – für Alderete war die erste Saison in Deutschland mit Sicherheit keine einfache. Sollte der Paraguayer also auch über den Sommer bei Hertha bleiben, kann man sich durchaus Hoffnung machen, dass er in der Zukunft noch bessere Leistungen als 2020/2021 zeigt.

Márton Dárdai – die Hertha-Neuentdeckung

Auf Instagram wurde er zu Herthas Spieler der Saison gewählt, kurz vor Saisonende verlängerte er seinen Vertrag. Die Rede ist, na klar, von Márton Dárdai. Seit Saisonbeginn befand sich der mittlere der Dárdai-Söhne im Dunstkreis des Hertha-Kaders, kam in der Hinrunde unter Bruno Labbadia zu zwei Kurzeinsätzen.

Die Leistungsexplosion, mit der deutsche U19-Nationalspieler im letzten Saisondrittel entscheidenden Anteil an einer erstarkten Hertha-Defensive hatte, kam für die meisten Fans eher überraschend. Nachdem Pál Dárdai ihn quasi aus dem Nichts gegen RB Leipzig in die Startelf beordert hatte, verpasste Dárdai Junior nur noch drei Spiele, zwei davon verletzungsbedingt. Von seiner ersten Startelfminute an machte Dárdai den Eindruck, keinerlei Anpassungsprobleme ans Profi-Level zu haben. Defensiv machte er stets einen souveränen und abgeklärten Eindruck, der größte Zugewinn für Hertha waren trotzdem seine Qualitäten im Spielaufbau. Auch wenn er eine andere Stilistik mitbringt als ein Jordan Torunarigha in Topform, half er Hertha mit seinen präzisen langen Bällen und Verlagerungen sehr weiter.

Foto: nordphotoxGmbHx/xEngler/IMAGO

Dabei strahlte er zudem eine Ruhe aus, die für sein Alter zumindest ungewöhnlich scheint. Nie hatte man den Eindruck, da stünde ein Spieler mit weniger als einem Dutzend Bundesliga-Partien auf dem Platz. Dárdai vollbrachte keine Wunderdinge und sorgte auch nicht mit Dribblings tief in die gegnerische Hälfte für Furore. Aber er war mit gerade mal 19 Jahren eine feste Konstante in einem Team, das mitten im Abstiegskampf steckte. Noch dazu mit der Schwierigkeit, als Trainersohn besonders kritisch beäugt zu werden – Dárdais Leistungen kann man kaum hoch genug einschätzen.

Dardai muss sein Niveau langfristig bestätigen und an Schwächen arbeiten

Als der 19-Jährige gegen RB Leipzig zum ersten Mal die Hertha-Standards trat, dürfte der eine oder andere Fan doof aus der Wäsche geschaut haben. Ein Ecken tretender Innenverteidiger? Wo gibts denn sowas? Bei Hertha, und hoffentlich noch lange. Denn in den finalen Spielen hatte man immer mehr den Eindruck, dass Dárdais Standards für Gefahr sorgten. So bereitete er zum Beispiel das wichtige Tor von Lucas Tousart in Mainz vor.

Eine der kleinen Schwächen, die Dárdai hat, ist allerdings sein Kopfballspiel. Mit nur knapp 29 Prozent gewonnener Duelle liegt er in dieser Kategorie deutlich hinter Herthas anderen Innenverteidigern zurück. Ein weiteres Argument dafür, dass er auch in Zukunft die Freistöße und Ecken schießen darf? In anderen Rubriken wie Pass- oder Zweikampf-Quote (82 bzw. 51 Prozent) liegt Dárdai im Vergleich mit seinen Konkurrenten im Mittelfeld. Bei den langen Bällen ragt er dafür heraus: Mit fünf erfolgreichen langen Pässen pro Spiel liegt er deutlich vor den anderen Innenverteidigern bei Hertha. Der Wert ist mehr als das Doppelte vor dem Jordan Torunarighas. Auch seine Quote kann sich mit 58 Prozent hier sehen lassen.

Foto: nordphotoxGmbHx/xEngler/IMAGO

Trotz einer tollen Durchbruchs-Saison tut man als Hertha-Fan aber gut daran, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben. In der Vorbereitung wird es für Dárdai zunächst einmal darum gehen, seinen Stammplatz gegen die starke Konkurrenz zu behaupten – das wird schwer genug. Bei seinem noch extrem jungen Alter ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass Dárdai irgendwann in der kommenden Saison ein kleineres oder größeres Leistungsloch haben wird. Mit Pál Dárdai steht aber der perfekte Förderer bereit, der die Eigengewächse in Herthas Kader nicht fallen lassen wird – sein Sohn Márton gehört aktuell zu den vielversprechendsten.

Niklas Stark – Saisonstart auf ungewohnter Position

“Es wäre legitim, Niklas Stark als Gesicht der vergangenen Saison heranzuziehen: Mit ordentlich Potenzial unter der Haube hoffnungsvoll in die Spielzeit gestartet, brutal aufs Gesicht gefallen, Verletzungsprobleme, mehr Enttäuschungen als alles andere, letztendlich aber ein versöhnliches Ende, das Hoffnung für die kommende Saison macht”, lautete die Einleitung in der Vorjahres-Kaderanalyse zu Niklas Stark. Man hätte diese Worte für die abgelaufene Saison wohl nahezu kopieren können und es wäre kaum jemanden aufgefallen.

Denn erneut hatten sich Hertha und Stark für diese Spielzeit viel vorgenommen. Hertha wollte die europäischen Plätze angreifen, Stark den nächsten Schritt in seiner Karriere machen und sich weiter in der deutschen Nationalmannschaft etablieren – schließlich würde eine Europameisterschaft im Sommer 2021 anstehen. Doch wie schon 2019/20 kam alles anders bzw. schlechter. In der Vorsaison hatte sich Stark in ein Formloch Marke Mariannengraben gespielt. Der Vizekapitän wurde zu solch einem Unsicherheitsfaktor, dass er den Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung gegen Torunarigha und Boyata verlor. Herthas damaliger Trainer Bruno Labbadia entschied sich daraufhin, Stark im Saisonendspurt stattdessen im defensiven Mittelfeld auflaufen zu lassen. Auf dieser Position sollte der zweifache Nationalspieler dann auch in die abgelaufene Spielzeit gehen.

hertha
Foto: IMAGO

In seinem Amt als Vizekapitän bestätigt, wurde Stark von Labbadia beinahe die gesamte erste Halbserie auf der “Sechs” eingesetzt. Elf der 13 ersten Bundesliga-Partien bestritt der gelernte Innenverteidiger vor und nicht in der Abwehr. Labbadia schätzte die defensive Stabilität, die Stark mit sich brachte. Zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison war Herthas größtes Manko die fehlende Balance im Spiel. Spielten die Blau-Weißen offensiv, ging dies sehr zu Lasten der Defensivkompaktheit. Hier leistete Stark Abhilfe. Er nahm die klassische (und mittlerweile eher veraltete) Rolle des Abräumers ein. Stark sollte sich vor allem um Defensivaufgaben kümmern, Konter abfangen, Luftduelle gewinnen und zur Not mit in die Abwehr rücken. Im Ballbesitz hielt sich Stark dafür sehr zurück (Mittellinie ist Lava), der Ball wurde meist sehr schnell und uninspiriert weitergeleitet.

Stark findet unter Dardai zu alter Stärke

Es war alles andere als spektakulär, Stark bei seiner Arbeit im defensiven Mittelfeld zuzuschauen. Der 26-Jährige arbeitete eben mehr als er spielte. Gegen den Ball konnten ihm kaum Vorwürfe gemacht werden, er stabilisierte das so wackelige Gebilde sichtlich. Das Spiel mit dem Ball aber ging Stark vollkommen ab, sodass wenig Kreativität aus dem Mittelfeldzentrum heraus zu erwarten war. Endlos viele lange Bälle chippte Stark in der ersten Saisonphase zum Gegner. Stark auf der Sechs spielen zu lassen, hatte allerdings den positiven Nebeneffekt, dass er nach seiner grausigen Vorsaison vorsichtig wieder an das Spiel gewöhnt wurde. Als Mittelfeldspieler konnte er all die Defensivaufgaben eines Innenverteidigers mimen, ohne aber das Risiko des “letzten Mannes”. Stark wuchs auf der Sechs wieder in seine angestammte Rolle des Innenverteidigers hinein.

Davon profitierte Pal Dardai nach dem Trainerwechsel. Stark hatte schon in den letzten Spielen Labbadias wieder als Teil der Abwehrreihe fungiert – Dardai machte keine Anstalten, daran etwas zu ändern. Der Ungar kennt Stark exzellent und vertraute ihm bedenkenlos, als er ihn zum festen Bestandteil der neuen Achse machte. Dardai setzte ab dessen viertem Spiel gegen RB Leipzig auf eine Dreierkette mit überraschender Besetzung: Stark, Dardai und Lukas Klünter. Die drei Defensivspieler ergänzten sich hervorragend. Dardai war vor allem für die Spieleröffnung zuständig, der so schnelle Klünter für die Laufduelle, sodass sich Stark voll und ganz auf seine Kerngebiete konzentrieren konnte. Als eine Art Schlachtturm war Stark vor allem für direkte Zweikämpfe, Luftduelle und Blocks verantwortlich. Er sollte immer einen Fuß oder Kopf in den Offensivaktionen des Gegners haben, stets nahe am Gegenmann sein.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

In diese Rolle wuchs Stark mit jedem Spiel besser hinein. Es war bemerkenswerte Entwicklung bei ihm zu beobachten. Vor nicht allzu langer Zeit schlotterten Hertha-Fans noch die Knie, wenn es darum ging, dass Stark im entscheidenden Moment da sein musste. Zu viele individuelle Fehler waren ihm über mehr als ein Jahr unterlaufen. Nun aber konnte man sich sicher sein, dass Stark die Situation unter Kontrolle bekommen wird. Der 26-Jährige war im letzten Saisondrittel endlich wieder der Rückhalt, den man so lange vermisst hatte. Darüber hinaus war auch eine menschliche Weiterentwicklung zu erkennen. Früher oftmals im Chaos mit untergegangen, agierte Stark unter Dardai tatsächlich als klarer Führungsspieler. Er wurde seinem Amt als Kapitän vollends gerecht, indem er auf dem Feld dirigierte, Mitspieler wachrüttelte, motivierte und empathische Interviews gab. Er wurde eine echte Persönlichkeit auf dem Platz. Stark schien sich nun endlich wieder voll und ganz mit Hertha zu identifizieren.

Diese enorme Leistungssteigerung und das Hineinwachsen in die Führungsrolle lassen darauf hoffen, dass Stark nun einen wichtigen Entwicklungsschritt seiner Karriere vollbracht hat – etwas, von dem er selbst und Hertha profitieren. Es scheint gut möglich, dass Stark in der kommenden Saison nicht nur Vize- sondern alleiniger Kapitän wird und damit ein nicht wegzudenkender Teil der neuen Hertha-Achse.

Dedryck Boyata – Kein geeigneter Hertha-Kapitän?

“Auch wenn zwei der vier Profi-Innenverteidiger bei Hertha eine Saison zum Vergessen hinter sich haben, ist hier keine Baustelle aufzumachen”, schrieben wir noch im vergangenen Sommer. Mit Torunarigha und Boyata schien sich nach Bundesliga-Restart ein solch starkes Innenverteidiger-Duo gefunden zu haben, dass auch in der kommenden Saison kein Weg an ihnen vorbeiführen sollte. Wie bereits bei Torunarigha angerissen, hatte das Verletzungspech einen anderen Plan und machte auch Boyata keinen Halt.

Dabei begann die Saison für den Belgier so vielversprechend. Erst vor einem Jahr wurde Boyata von Glasgow nach Berlin gewechselt, doch aufgrund seiner konstant starken Leistungen aus der Vorsaison wurde der 30-Jährige zum neuen Hertha-Kapitän gewählt. Damals erschien der Abwehrmann als logische Wahl. Schließlich ging er mit Leistung voran, zudem spricht er gleich mehrere Sprachen. Mit all seiner (internationalen) Erfahrung sollte er neu zusammengewürfelte Mannschaft anführen.

hertha
Foto: IMAGO

Dass die Entscheidung, Boyata zum Kapitän zu ernennen, allerdings nicht mit vollster Überzeugung getroffen wurde, legt allein der Zeitpunkt schon offen. Am ersten Spieltag gegen Werder Bremen war es noch der letztjährige Vize-Kapitän Stark, der die Binde trug. Trainer und Mannschaft hatten sich bis dahin immer noch nicht auf einen Spielführer einigen können. Die Saison sollte in der Retrospektive zeigen, weshalb Boyata damals als die wohl einzige, im nachhinein aber falsche Option für dieses Amt gewesen ist.

Boyata konnte seine starke Debütsaison nicht bestätigen

Diese Einschätzung ist zum einen in Boyatas Leistungskurve begründet. Eines der großen Argumente für das Kapitänsamt wird gewesen sein, dass man in dem belgischen Nationalspieler einen herausragenden Rückhalt hat. “Mit einer überragenden Konstanz und allen nötigen Werkzeugen eines Innenverteidigers hat Boyata sich seinen Stammplatz in der Innenverteidigung redlich verdient”, hieß es in unserer letztjährigen Analyse. “In einer mehr als turbulenten Saison mit teils vogelwilden Auftritten und sich immer wieder verändernden Aufstellungen war auf den 29-Jährigen stets Verlass.” Diese Bewertung lässt sich jedoch nicht auf die abgelaufene Spielzeit übertragen.

Boyata kam nämlich, wie die gesamte Mannschaft, nicht gut in die Saison. Zwar wurde das Auftaktspiel gewonnen, doch danach folgten zunächst fünf Spiele ohne einen weiteren Sieg. Dies lag auch an den schwachen Defensivleistungen der Berliner. Elf (!) Gegentore kassierte Hertha in den genannten Partien. Die Abwehr schwamm gewaltig, sie war vielmehr ein ständiger Gefahrenherd als sicherer Rückhalt. Boyata gelang es keineswegs, seiner Abwehrreihe zu stabilisieren, der Neu-Kapitän ging eher mit im Chaos unter. So verursachte er beispielsweise gegen Eintracht Frankfurt (1:3) einen Elfmeter, der zur SGE-Führung führte. In dieser Saisonphase ließ Boyata all die Eigenschaften vermissen, die ihn in der Vorsaison so stark gemacht hatten.

hertha
Foto: IMAGO

Das belegen allein die Zahlen schon eindrucksvoll, denn Boyata hat sich in sämtlichen Defensivdisziplinen – im Vergleich zur Vorsaison – verschlechtert. Von durchschnittlich 2,2 abgefangenen Bällen ging es runter auf 1,4 pro Spiel. Tackles brachte er nur noch 0,7 statt 0,9 pro Partie durch. Die Klärungen sanken sogar von 5,6 auf 3,5. Sicherlich muss auch bei Boyata das Verletzungspech berücksichtigt werden. Der Verteidiger fehlte Hertha vom 14. bis zum 28. Spieltag der vergangenen Saison. Ein Ermüdungsbruch setzte ihn für knapp drei Monate außer Gefecht. Wer weiß, wie lange Boyata schon vor dieser Diagnose mit körperlichen Problemen, die seine Leistung beeinträchtigt haben könnten, zu kämpfen hatte. Doch wie Boyata mit dieser Verletzung umgegangen ist, ist das zweite gewichtige Argument dafür, dass er seiner Kapitänsrolle nicht gerecht geworden ist.

Verlässt Boyata Hertha nach nur zwei Jahren?

Anstatt alles daran zu setzen, die Verletzung vernünftig auszukurieren und dem in Abstiegsnot befindenden Team schnellstmöglich wieder zu helfen, entschied sich Boyata dafür, voreilig zur Nationalmannschaft zu reisen. Dort kam der Routinier auch zum Einsatz, um sich dadurch aber einen Muskelfaserriss zuzuziehen. Der Körper war noch nicht bereit. Ein Umstand, der Trainer Dardai maßlos verärgerte. Man hätte Boyata bei Hertha wohl deutlich dringender gebraucht als bei Belgien. So verpasste der Abwehrspieler drei weitere Trainingswochen und zwei zusätzliche Spiele.

Foto: Poolfoto Maik Hölter/TEAM2sportphoto/IMAGO

Man kann Boyata allerdings zugute halten, dass er nach seiner Rückkehr noch einmal wichtig für Hertha wurde. In dem engen Spielrhythmus nach der Quarantäne griff Dardai auch auf den etatmäßigen Kapitän zurück, der Anfangs zwar noch ziemlich wackelte, mit jedem Spiel aber sicherer wurde. Mit seinem Tor gegen Schalke trug Boyata sogar sehr aktiv zum Klassenerhalt bei. Unvergessen ist der Moment, als Boyata nach Abpfiff völlig ausgelaugt zusammensank – er hatte alles gegeben und war seiner Führungsrolle wirklich gerecht geworden.

Doch wie geht es nun mit Boyata bei Hertha weiter? Medienberichten zufolge könnte er Berlin verlassen, der Verein soll bei einem passenden Angebot gesprächsbereit sein – sein Vertrag läuft 2022 aus. Der Zweikampf mit Stark scheint verloren, auch wenn die Karten in der Sommervorbereitung stets neu gemischt werden und Dinge wie Verletzungen immer passieren können. Dennoch scheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich Boyata bei der EM für neue Aufgaben empfiehlt und Hertha den Generationswechsel in der Innenverteidigung weiter vorantreibt. Wie so oft muss man abwarten. Die vergangene Saison lässt einen zumindest mit gemischten Gefühlen zurück.

Lukas Klünter – Comeback auf überraschender Position

Jemanden, den man bei der Kaderanalyse zuvor nicht für die Innenverteidigung vorgesehen hatte, ist Lukas Klünter. Einst wurde der Ex-Kölner für die Rechtsverteidiger-Position verpflichtet, doch dort scheint der 25-Jährige immer weniger Licht zu sehen. Deyovaisio Zeefuik ist offensiv vielseitiger, Peter Pekarik taktisch disziplinierter. Die Aussichten, in der Saison auf Einsatzminuten zu kamen, sahen also düster aus.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Dies bestätigte sich unter Bruno Labbadia auch zunächst. Bis zum 19. Spieltag – als Dardai übernahm – stand Klünter nicht eine einzige Minute auf dem Feld. “Klünti” stand sogar nur fünfmal überhaupt im Kader. Bis dahin spielte der so schnelle Abwehrspieler keinerlei sportliche Rolle für Hertha. Mit dem Trainerwechsel veränderte sich jedoch alles. Gleich im ersten Spiel unter Dardai stand Klünter in der Startelf – erstmals seit März 2020, also fast einem Jahr. Im Spiel gegen die Eintracht wurde er allerdings noch als Rechtsverteidiger eingesetzt. Sobald Dardai aber auf Dreierkette umgestellt hatte, fand sich Klünter in der Innenverteidigung wieder.

Die Aufgabenverteilung war klar: Klünter sollte Schienenspieler Zeefuik Rückendeckung für dessen Offensivläufe geben. Mit seiner herausragenden Schnelligkeit war er exzellent darin, gegnerische Konter im Laufduell abzufangen. So schenkte Klünter Herthas Defensive eine neue Stabilität, da diese deutlich seltener überspielt werden konnte. Dabei agierte Klünter wenig spektakulär, teilweise fiel in einem Spiel kaum auf (was nichts schlechtes ist). Dardai wusste, dass Klünter weniger im direkten Zweikampf und vielmehr in Laufduellen seine Stärke hat, weshalb er vor allem Stark ersteres übernehmen ließ. Klünter sollte vor allem auf sein Positionsspiel achten und Lücken in der Abwehr zulaufen. Diesen “einfachen” Auftrag erledigte er überaus diszipliniert.

Wo liegt die Zukunft von Klünter?

Nun stellt sich auch bei Klünter die Frage nach der Aussicht für die kommende Spielzeit. Auf der Rechtsverteidiger-Position wird er erneut kaum eine Perspektive haben. Zeefuik hat sich zwar noch nicht vollends etabliert, wird aber vorgezogen werden. Dazu wird Pekarik seinen Vertrag wohl noch einmal um ein Jahr verlängern. Darüber hinaus ist nicht klar, ob sich Hertha auf dieser Position nicht noch einmal verstärken will.

So bliebe eigentlich nur ein Platz in der Innenverteidigung. Doch auch dort wird es Klünter nicht leicht haben. Dardai, Torunarigha und Stark werden ihm vorgezogen werden, womöglich bleibt Boyata auch oder jemand neues kommt noch hinzu. Allerdings ist die Bewertung Klünters eine andere. Der 25-Jährige wird womöglich gar nicht an den Anspruch haben, absoluter Stammspieler zu sein – auch solche Profis braucht man im Kader.

Wenn die vergangene Saison eins gezeigt hat, dann: Jeder im Kader wird gebraucht und auf Klünter ist im Zweifelsfall Verlass. Das wird Dardai sehr an ihm schätzen, sodass Klünter wohl wieder öfter auf der Bank sitzen, aber auch auf seine Minuten kommen wird. Eigenschaften wie Teamgeist, Einsatzwille und Professionalität werden von ihm vorgelebt und genau das braucht eine Mannschaft.

Text von: Marc Schwitzky & Simon

[Titelbild: xMatthiasxKochx/IMAGO]