Kaderanalyse 2020/2021 – Herthas Torhüter

Kaderanalyse 2020/2021 – Herthas Torhüter

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Den Anfang machen wir mit der Torhüter-Position. Wie verlief die Saison unserer Keeper und wie gestaltet es sich für die neue Spielzeit? Spoiler-Alert: eine echte Torhüterdiskussion wird es bei Hertha diesen Sommer mit großer Sicherheit nicht geben.

Alexander Schwolow – Feuertaufe in der ersten Herthasaison

Foto: IMAGO

Wie alle Neuzugänge von Hertha BSC im letzten Sommer muss es sicher auch bei Alexander Schwolow Phasen gegeben haben, in denen er sich gefragt hat: „Warum habe ich mir das angetan?“. Seine erste Spielzeit verlief ein wenig wie eine „Feuertaufe“. Nichts lief im Team, eine echte Katastrophen-Saison. Immerhin wird Herthas Nummer „1“ sich seinen Fast-Arbeitgeber aus Gelsenkirchen anschauen und feststellen, dass es ihn auch deutlich schlimmer hätte erwischen können.

Die erfolglose Saison seines Teams hat Schwolow wahrlich nicht zu verantworten. Der 29-Jährige zeigte kaum schlechte Spiele, hielt auch in Herthas schlechten Phasen ordentlich und war nie schuld an einer Niederlage. So gab es vom Neuzugang keine schweren Böcke wie sie noch in der Saison 2019/2020 von Rune Jarstein zu sehen waren.

Zu oft allerdings musste er hinter sich greifen, zu oft musste er seine Mitspieler schütteln, die sich mal wieder nicht an taktische Vorgaben hielten. Dass er charakterstark und mannschaftsdienlich ist, zeigte er auch, als er nach Pal Dardais Rückkehr als Cheftrainer zunächst wieder auf der Bank Platz nehmen musste. Vom ehemaligen Freiburger war nur positives zu hören, er akzeptierte die Entscheidung und lieferte nach Rune Jarsteins Erkrankung wohl seine besten Saisonleistungen ab. Auch der Torwarttrainer-Wechsel beunruhigte den gebürtigen Wiesbadener nicht.

Foto: IMAGO/Ottmar Winter pool via Fotoagentur SVEN SIMON

Am Ende konnte er acht Mal in der Saison seine weiße Weste behalten, hatte mit 63,9% Paradenquote allerdings eine eher unterdurchschnittliche Bilanz. Individuell konnte er zwar nur in wenigen Spielen wirklich glänzen, zeigte jedoch auch, dass er kein Unsicherheitsfaktor ist. In Herthas starken Phase nach dem „Re-Start“ war auch zu spüren, dass der 29-Jährige zum Leistungsträger wurde.

Bereits in der neuen Saison könnte Schwolow also zum Führungsspieler werden. Jedenfalls geht er zweifellos als Stammkeeper in eine Spielzeit, die hoffentlich auch ihm mehr Glücksmomente schenken wird.

Rune Jarstein – Die Krake bleibt Hertha treu

Die Saison wird Rune Jarstein sicher nicht schnell wieder vergessen. Auch für den Norweger gab es einige Höhe- und Tiefpunkte. Dabei sprach nach der Verpflichtung von Alexander Schwolow im Sommer 2020 eigentlich einiges dafür, dass Jarstein die Saison auf der Bank verbringen würde. Auch sollte es wohl die letzte Saison bei Hertha BSC werden: als 36-Jähriger Ersatzkeeper mit auslaufendem Vertrag war mit einem Verbleib nicht wirklich zu rechnen. So begann auch tatsächlich die Bundesligaspielzeit. Schwolow wurde Stammkeeper, Jarstein nur Nummer zwei.

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Im Winter folgten von Boulevard-Zeitungen schon die Gerüchte, er sei unzufrieden mit seiner Rolle als Reservist und wolle Hertha verlassen. Dazu sollte es aber nicht kommen. Wir hatten bereits in unserer Kaderanalyse 2019/2020 letzten Sommer zu Jarstein geschrieben: „Abgeschrieben wurde er bei Hertha BSC schließlich schon einmal, und meldete sich eindrucksvoll zurück.“ Das sollte sich auch im Jahr 2021 wiederholen, als Pal Dardai zurückkehrte und ihn sofort wieder in den Kasten stellte. Dies erklärte Dardai damit, dass Schwolow zuletzt einfach keinen Torwartglück gehabt habe.

Rune Jarstein absolvierte acht Spiele, zeigte dabei sehr gute Paraden und bewies eindrucksvoll, dass er auch mit 36 Jahren ein bundesligatauglicher Torhüter ist. Womöglich hätte er auch die restliche Saison als erste Wahl im Tor absolviert. Leider zwang ihn seine schwere Covid-19 Erkrankung zum Saisonende. Auch die Petry-Affäre wird für den Norweger nicht leicht gewesen sein. Zsolt Petry war wohl Jarsteins größter Verteidiger. „Ich habe Zsolt viel zu verdanken, ohne ihn wäre ich nicht der Torhüter, der ich bin. Ohne ihn wäre ich nicht mehr in Berlin“, hieß es vom Torhüter noch vor nicht allzu langer Zeit.

Trotzdem endete diese schwierige Saison für Herthas „Krake“ versöhnlich. Ein neuer Arbeitsvertrag bis 2023 wurde unterschrieben. „Ich habe immer gesagt, dass ich mich bei Hertha BSC und in Berlin total wohl fühle. Das gilt nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie.“, so Jarstein selbst. Mit dieser Entscheidung will Hertha vor allem auch die Hierarchie, Struktur und Atmosphäre im Team stärken.

Arne Friedrich begründete es wie folgt: „Rune ist ein wichtiger Bestandteil unserer Mannschaft. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits. Mit seiner Erfahrung und seinem Stellenwert im Team ist er extrem wichtig für uns“. In der kommenden Spielzeit wird er allerdings auch wieder auf der Bank Platz nehmen müssen. “Alex ist die Nummer 1, ihm gehört die Zukunft“, sagte Herthas Cheftrainer dazu.

Nils Körber – Für eine Nummer drei zu gut?

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Unklar ist, wie es mit Nils Körber weitergeht. Herthas Torhütertalent bekam keinen einzigen Einsatz bei den Profis diese Saison, blieb die klare Nummer drei in der Torhüterhierarchie. Nur als Rune Jarstein aufgrund seiner Erkrankung ausfiel, war er als Ersatz für Schwolow mit im Kader. In der letzten Partie gegen Hoffenheim fiel er aus, weil er sich am Ellbogen operieren lassen musste.

Sportdirektor Arne Friedrich deutete zwar darauf hin, dass der gebürtige Berliner ebenfalls bei Hertha BSC bleiben solle. Auch soll sein Vertrag, wie zunächst angenommen, nicht schon im Sommer sondern erst 2022 auslaufen. Doch ob ein Verbleib sowohl für Hertha als auch für Körber Sinn gibt, ist unklar. Als klare Nummer drei kann er sich wohl in der neuen Spielzeit nach Jarsteins Vertragsverlängerung ebenso wenig Hoffnungen auf Einsätze machen wie in der abgelaufenen.

Dabei ist Körber zweifellos ein guter Torhüter, mit viel Talent und Entwicklungsmöglichkeiten. Nicht umsonst wurde er im Sommer von Trainer Bruno Labbadia gelobt: „Es ist ein harter Dreikampf, weil auch Nils Druck macht“. Es wäre also fast zu schade, eine weitere Saison auf der Tribüne verbringen zu müssen. Eine Vertragsverlängerung mit anschließender Leihe wäre zwar eine Lösung. Doch bei Hertha warten auch schon andere junge Torhütertalente auf ihre Chance.

So wäre Nils Körber eigentlich eher zu wünschen, dass er einen ähnlichen Weg einschlägt wie Marius Gersbeck. Der 25-Jährige ging nach seiner Zeit bei den Hertha-Profis und mehreren Leihen zum befreundeten Verein Karlsruher SC und erkämpfte sich mit der Zeit den Posten als Stammtorhüter. Zuletzt wurde er sogar nach starken Leistungen vom Kicker zum zweitbesten Torhüter der zweiten Bundesliga gekürt.

In der Hinterhand hat Hertha BSC auch Marcel Lotka (20 Jahre) und Florian Palmowski (19), dessen Vertrag langfristig verlängert wurde. Hertha BSC hat also keineswegs ein Torwart-Problem, höchstens ein Luxusproblem bezüglich der Talente: zurzeit gibt es kaum einen Weg, dass sich diese ernsthaft bei den Profis durchsetzen könnten. Immerhin ist das eine Position, die Fredi Bobic und co. diesen Sommer nicht vor allzu viel Arbeit stellen wird. Baustellen gibt es im Kader woanders. Nur ein Torwarttrainer bei den Profis fehlt Hertha noch.

Titelbild: IMAGO