Podcast #110 1 Punkt vor Klinsmann

Podcast #110 1 Punkt vor Klinsmann

Die Saison ist beendet. Dennoch noch kein Grund ein Fazit zu ziehen. Erstmal möchten die Spiele gegen Leverkusen und Gladbach besprochen werden. Außerdem geht es um unseren neuen Sportdirektor und andere Personalien rund um unseren Verein. Das Alles besprechen Marc und Lukas mit Stefan Hermanns, der seit fast 20 Jahren für den Tagesspiegel über Hertha BSC schreibt.

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www.tagesspiegel.de/hermanns-stefan/4464942.html

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Gábor Király – Der verrückte Ungar und seine graue Schlabberhose

Gábor Király – Der verrückte Ungar und seine graue Schlabberhose

Gabor Kiraly war von 1997 bis 2006 Teil von Hertha BSC, 108-facher ungarischer Nationalspieler, hat knapp 700 Profi-Spiele absolviert und gab erst mit 43 Jahren sein Karriereende bekannt. Kurzum: Der ehemalige Torhüter ist eine echte Legende des Fußballs. Unser Text zum Mann mit der Schlabberhause.

Was war ich traurig, als er uns damals nach England verließ. Ich hatte all die Jahre gehofft, wenigstens einmal seinen selbst ersehnten Abwurf gegen die eigene Latte zu sehen. Er wollte den Ball so hart und platziert gegen die eigene Torlatte schleudern, dass es wie ein „normaler“ Abwurf gewesen wäre. Von 100 Versuchen im Training gelang ihm dies 99 Mal. Das Restrisiko schien trotzdem zu hoch. 

Wegen solcher Geschichten musste man ihn einfach lieben. Der Abwurf blieb auf das Training beschränkt. Er wurde vehement daran gehindert, in einem Spiel den Ball so ins Feld zu bringen. Wahrscheinlich wurde er auch privat von Jürgen Röber oder Falko Götz bedroht, sollte er das Kunststück einmal in einem Punktspiel vollführen.

Als Unbekannter gekommen, doch schnell eine Ikone

Der ungarische Rekordnationaltorhüter spielte von 1997 bis 2004 in Berlin. Er kam mit 21 als unbekannter Spieler zur Hertha. Den Zweikampf im Tor mit dem ziemlich genau ein Jahr älteren Christian Fiedler entschied er schnell für sich. Er wurde direkt in seiner ersten Saison 1998/1999 zum besten Keeper der Bundesliga gewählt.

Foto: Elisenda Roig/Bongarts/Getty Images

Gabor Király ist kein neumodischer Torhüter, der technisch beschlagen ist und mitspielt. Man hatte dennoch nie das Gefühl der Unsicherheit, wenn der letzte Mann am Ball war. Er strahlte große Ruhe am Ball aus und das schon in jungen Jahren. Hinzu kamen seine Verletzungen – er hatte keine. Während seiner gesamten Karriere fiel er ein Spiel aus. Wegen einer Wadenverhärtung. Mit 35 Jahren.   

National in den Fokus rückte er nicht durch seine überdurchschnittlichen Leistungen, sondern durch ein spezielles Kleidungsstück: Er trug bei Wind und Wetter, Sommer und Winter immer eine Graue Baumwolljogginghose. Egal, ob sie von Wasser, Schnee oder Matsch vollgesogen war, oder ob die Außentemperatur bei 36 Grad lag. Man sah Gabor Király immer mit der grauen Baumwoll-Jogginghose durch den Strafraum hechten.

Die Jogginghose

Die Jogginghose wurde schnell zur Kulthose. Eigenen Angaben zufolge trug er die Hose erstmals 1994 in Szombathely. Der Zeugwart hatte die schwarzen Hosen vergessen und nur noch graue lange Hosen für den Keeper. Mit den Hosen im Kasten startete der Verein eine Siegesserie von 9 Spielen in Folge. Seitdem trennte Király sich nicht mehr von Schlabberhosen. Mythen besagen, er transportierte die Jogginghose in einem eigenen Koffer. Oder er trug die Hose nur, weil man ihn schlechter tunneln konnte. So oder so. Diese Hose ist auf ewig mit dem Torhüter und dem Namen Gábor Király verbunden.

Foto: Sandra Behne/Bongarts/Getty Images

Doch was machte die Hose und ihre Ausstrahlung so besonders? Wahrscheinlich, weil die Fans einen „normalen“ Menschen in Gábor sahen. Einen von ihnen. Einen, der kurz vor dem Spiel mit seiner Jogginghose von der Couch aufgestanden, aufs Klo und dann auf den Platz gegangen ist. Im Geschäft Fußball war und ist das nicht selbstverständlich.

Hertha-Ausstatter Nike jedenfalls erkannte das Potenzial um die graue Schlabberhose und nahm sie für jedermann käuflich in die Hertha-Kollektion auf. Király und seine Jogginghose waren auch über Berlin und Hertha hinaus Kult.

2004 zog der Publikumsliebling seine Trainingshose das letzte Mal für Hertha an. Unter Tränen verließ er den Verein Richtung England. Von all seinen Stationen als Torhüter war Hertha mit Abstand seine längste. Warum er Berlin damals verließ, hatte verschiedene Gründe. Seine Leistungen wurden durchwachsen. Er verlor zeitweise seinen Stammplatz und schien nicht mehr ganz frei im Kopf zu sein. Er litt an Depressionen wie es damals hinter vorgehaltener Hand hieß.

Kindheitstraum England

Király selbst klärte in einem Pressegespräch auf: „Wir hatten mit Hertha eine schlechte Hinrunde gespielt. Am Morgen nach dem letzten Spiel gegen Köln, es war der 19. Dezember, wollte ich nicht mehr aufstehen. Ich hatte Angst. Ich wollte die Leute nicht enttäuschen. Von einer Depression sollte man nicht sprechen, es war eine sportliche Krise. Ich war nie bei einem Arzt, ich habe auch nie eine Tablette genommen.“ 

Zur Überwindung der Krise sagte er: „Ganz entscheidend war meine Frau. Sie hat mir damals gesagt, ich solle doch zum jährlichen Weihnachts-Treffen der ehemaligen Nationalspieler nach Budapest fahren. Das war am 21. Dezember. Dort habe ich zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute getroffen, mich lange mit Sandor Grosics (Ungarns WM-Torwart von 1954) und Peter Disztl (Nationaltorwart 1986) unterhalten. Das hat mir sehr geholfen.“

Dann bekam Király ein Angebot von Crystal Palace aus der englischen Premier League. Ein Kindheitstraum! Also zog er mit 28 nach London. Sein sympathisches und offenes Wesen kam hervorragend bei den Briten an und so avancierte er auch in England innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling. Bereits nach einer Saison galt er als einer der besten Torhüter der Liga. Leider konnte er den Abstieg des Londoner Clubs nicht verhindern.

Ihm gefiel es in der Premier League so gut, dass er sich 2006 zu West Ham United verleihen ließ, 2007 dann zu Aston Villa und 2009 wurde er vom FC Burnley dann fest verpflichtet.

Die Rückkehr nach Deutschland

2012, im Alter von 32 Jahren kehrte er das Kind der Bundesliga zurück nach Deutschland. Genauer genommen verpflichtete ihn Bayer Leverkusen als Ersatztorwart für René Adler. Die Rückkehr von Király wurde zunächst belächelt. In der Folgesaison schwang er sich jedoch in Liga zwei bei 1860 München zum unumstrittenen Stammspieler auf. Bis 2014 sollte er noch das Tor der Löwen hüten, bevor er 2015 bei seinem Heimatverein Haladás Szombathely anheuerte und sich ein Kreis schloss.  

Foto: JEAN-PHILIPPE KSIAZEK/AFP via Getty Images

Seine internationale Karriere hat Király mit 40 Jahren und nach 108 Länderspielen für Ungarn beendet. Bei der EM 2016 in Frankreich avancierte er zum ältesten Teilnehmer einer Europameisterschaft und löste Lothar Matthäus ab.

Schon vor Karriereende war Király Besitzer und Betreiber eines großen Sportzentrums. Es umfasst Hallen, Plätze, eine kleines Rehazentrum und natürlich eine Torwartschule. Insgesamt beschäftigt er 20 Trainer. Außerdem besitzt er einen eigenen Verein, den Kiraly Szabadidösport Egyesület, welcher in der 4. Liga spielt, der Regionalliga Ungarns.

Mittlerweile vermarktet der tüchtige Ungar auch seine Merchandising-Artikel selbst. Von T-Shirts über Pullover und Trikots gibt es natürlich auch Torwartzubehör wie Handschuhe, Trikots und – natürlich – seine graue Schabberhose. Das Label heißt „K1raly“ mit einer 1 als i.

Einer von uns

Kontakt nach Berlin hat Gábor Király auch noch. Er telefoniert oft mit Landsmann Pál Dárdai und Torwarttrainer Zsolt Petry. Auch mit Nello di Martino und seinem alten Torwarttrainer Enver Maric hält er Kontakt. Gabor selbst sagte über seine Zeit bei Hertha: „Ich bin mit 21 Jahren nach Berlin gekommen und mit 28 gegangen. Das war meine erste Station im Ausland, die ich nie vergessen werde. Ich habe viel gelernt bei Hertha und mit tollen Profis gespielt. Hertha war ganz wichtig für mich.“ Das ist Musik in den Ohren aller Berliner Fans.

Als Herthaner blickt man immernoch wehmütig auf unsere ehemalige Nummer 1 zurück. Nicht nur wegen seiner glanzvollen Leistungen. Er war eine Attraktion. Er war immer ehrlich. Auf und neben dem Feld. Er war einer von uns.

Podcast #109 Immer noch vor Union!

Podcast #109 Immer noch vor Union!

Steven, Marc und Lukas besprechen die Spiele gegen den BVB, die Frankfurter Eintracht und den SC aus Freiburg. Leider war uns kein Sieg vergönnt. Warum doch nicht alles schlecht ist, erklären wir in dieser Folge.

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Photo by TOM WELLER/POOL/AFP via Getty Images)

Zurück zum Glück? – Herthas Talente unter Labbadia

Zurück zum Glück? – Herthas Talente unter Labbadia

Zwei Spieltage vor dem Ende der Bundesliga-Saison ist Hertha BSC wieder angekommen an einem Punkt, den man so gerne verlassen würde: Das tabellarische Nirvana, irgendwo zwischen Europa-Cup-Plätzen und Abstiegskampf. Am Ende einer turbulenten Saison dürfte man in Berlin trotzdem froh sein, dass Hertha sich bereits deutlich vor Saisonende aus dem Abstiegskamp verabschiedet hat. Die letzten beiden Spieltage bieten für Coach Labbadia nun auch die Möglichkeit, ein wenig zu experimentieren – und so vielleicht dem einen oder anderen Talent das Bundesliga-Debüt bzw. weitere Spielpraxis in Herthas Profi-Team zu ermöglichen.

Der Kinderriegel, „Jugend forscht“, “Aus Berlin – für Berlin”: Mittlerweile scheint eine kleine Ewigkeit vergangen zu sein, seit solche Begriffe zuletzt mit Hertha BSC in Verbindung gebracht wurden. Aus einem finanziell chronisch klammen Bundesligisten ist ein Investorenverein geworden, der in seiner ersten Saison als neureicher Club keinen Skandal ausließ. Mit Bruno Labbadia hat man jetzt – nach drei vergeblichen Anläufen – wohl erstmal den richtigen Trainer für die neuen Ambitionen gefunden. Und gleichzeitig kehrt mit dem Ex-Stürmer auch ein Stück Prä-Windhorst-Hertha zurück, plötzlich erhalten blau-weiße Eigengewächse wieder die Chance, sich zu beweisen. Wurde der Kader unter Jürgen Klinsmann im Zweifelsfall mit Kaderspielern wie Alexander Esswein oder Pascal Köpke aufgefüllt, standen unter Labbadia im Spiel gegen den SC Freiburg gleich acht Eigengewächse im Kader, darunter die 18-Jährigen Marton Dárdai und Omar Rekik.

Die Zukunft gehört Berlin

Vor Windhorsts Einstieg und insbesondere dem Klinsmann-Chaos hatte man es sich bei Hertha zur Aufgabe gemacht, eine hohe Durchlässigkeit für eigene Talente zu schaffen. Die graue Maus der Liga wollte sich über die Nachwuchsforderung einen Namen machen, Trainer Pal Dárdai war gewissermaßen die Galionsfigur dieses Weges. Die Hertha-Ikone sah Hertha durch die “sehr gute Akademie” als eine “Art Mini-Ajax” an. Zahlreiche Talente feierten unter dem Ungarn ihre Bundesliga-Debüts für Hertha, drei von ihnen gehören mittlerweile zum erweiterten Stammpersonal (Mittelstädt, Torunarigha, Maier). Dass Bruno Labbadia diesen in den vergangenen Monaten verloren gegangenen Faden nun wieder aufgreift, ist aber keinesfalls verwunderlich. Bereits vor dem Re-Start äußerte Labbadia sich zum Thema Eigengewächse: „Wir wollen sie fordern und fördern, […] und jeder, der den Weg mitgehen möchte, ist herzlich Willkommen.“ Hertha ist durchaus für eine gute Jugendarbeit bekannt, vor zwei Jahren wurde man sogar zum ersten Mal deutscher Meister bei den A-Junioren. Und auch in den aktuellen Jugendjahrgängen findet sich das eine oder andere große Talent.

Bruno Labbadia – (auch) als Jugendförderer bekannt

Und auch für den neuen Coach selbst ist der Ansatz, auf vereinseigene Talente zu setzen, keinesfalls neu. Die beiden deutschen Nationalspieler Antonio Rüdiger und Timo Werner verdanken ihm ihre Bundesliga-Debüts, letzteren hätte der Trainer gerne schon mit 16 Jahren in der Bundesliga eingesetzt – wenn es die Regularien erlaubt hätten. Beim Hamburger SV debütierte Gideon Jung unter Labbadia, bei seiner letzten Station, dem VfL Wolfsburg, spielte sich der Deutsch-Kosovare Elvis Rexhbecaj in der Bundesliga fest. Bei Hertha verspricht Labbadia den Akademie-Talenten, „jeden [zu] fördern, der einfach auch Bereitschaft mitbringt“. Die Tür ist offen – nur durchgehen müssen die Hertha-Jugendspieler selbst, mit Fleiß, Ehrgeiz und harter Arbeit.

Neben einer fußballerischen Idee, die der Trainer über die Jahre für seine Teams entwickelt hat, gehört also auch eine Förderung der jeweiligen Vereinsjugend zum Profil des Ex-Stürmers. Und somit scheint nach Monaten des Chaos neben dem sportlichen Erfolg auch ein kleines bisschen der Hertha-Identität nach Berlin zurückzukehren.

Jessic Ngankam – treffsicher und begehrt

Gleich im ersten Spiel wurde Labbadia seinem Ruf als Förderer der Jugend gerecht: Jessic Ngankam, der zuvor noch nie im Hertha-Kader gestanden hatte, kam direkt im ersten Spiel unter Leitung des neuen Coaches zum Bundesliga-Debüt. Kurz zuvor war der 19-Jährige mit einem Wechsel zum FC Bayern oder Borussia Mönchengladbach in Verbindung gebracht worden – mit der TSG Hoffenheim soll er sich im Winter sogar bereits einig gewesen sein, bis sein Vater den Wechsel unterband – mit elf Toren und elf Vorlagen in 22 Regionalliga-Spielen hat sich das Hertha-Talent für höhere Aufgaben empfohlen.

Foto: Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images

Sein Stellenwert scheint unter dem neuem Trainer aber höher als zuletzt, auch im Auswärtsspiel in Leipzig wurde er in der Schlussphase eingewechselt. Gegen Borussia Dortmund kam Ngankam schon zur Halbzeitpause für Dodi Lukébakio in die Partie, er bekam so die Chance, erstmals so richtig in einem Bundesligaspiel anzukommen. Das Trainerteam begründete diesen Wechsel nicht etwa mit einer Verletzung Lukébakios – man hätte eher den Eindruck gehabt, dass Ngankam in der zweiten Halbzeit mehr Einfluss auf das Spiel nehmen könnte. Und auch wenn dem Youngster nicht alles gelang, gaben einige Dinge Grund zur Freude: So scheint Ngankam nur wenige Anpassungsprobleme an das physische Niveau der Bundesliga zu haben. Ein Punkt, an dem zuletzt unter anderem Julius Kade oder Pálko Dárdai scheiterten.

Ngankam wird meistens als Mittelstürmer eingesetzt, kam in der vierten Liga aber auch schon auf beiden Flügeln zum Einsatz, ihm wird eine gute Einstellung nachgesagt. Die meisten seiner Tore erzielt er mit dem stärkeren rechten Fuß, gerne auch mal von außerhalb des Sechzehnmeterraums. „Wenn er weiter kommen will“, so Bruno Labbadia, „gibt es keinen Grund, Hertha BSC zu verlassen.“ Mit ausführlichen Gesprächen und (bisher) drei Joker-Einsätzen in der Bundesliga gelang es somit, den gebürtigen Berliner zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen. Hinter Krzysztof Piatek, möglicherweise auch Matheus Cunha oder Lukébakio wird Ngankam sich zunächst wohl meist mit Joker-Einsätzen begnügen müssen. Hierbei muss auch die Rückkehr von Daishawn Redan miteinberechnet werden, welcher die gleichen Positionen wie Ngankam spielt.

Lazar Samardžić – Herthas „Next Big Thing“?

Auch Lazar Samardžić durfte (beim Derbysieg gegen Union) erstmalig Bundesliga-Luft schnuppern, nachdem er auch schon unter Ex-Coach Alexander Nouri den Sprung in Herthas Spieltagskader geschafft hatte. „Laki“ gilt als das aktuell größte Talent aus Herthas Jugendakademie, gewann im vergangenen Jahr die bronzene Fritz-Walter-Medaille. Der 18-Jährige ist meistens als Zehner oder Achter unterwegs und zeichnet sich besonders durch seine brillante Ballführung und Schusstechnik aus, erzielte in 56 Spielen in der A- und B-Jugend-Bundesliga starke 54 Tore – einige davon auch von außerhalb des Sechzehners. Außerdem stehen in den beiden Junioren-Ligen auch 23 Assists für den Deutsch-Serben zu Buche, Samardžić verfügt über eine gute Entscheidungsfindung, kann kreative Akzente setzen und mit seinem Spielwitz den Gegner vor große Probleme stellen. “Er ist ein total spannender Spieler, der sehr viel Fantasie in uns weckt”, sagte Nouri über das Eigengewächs. “Ein toller Service-Spieler, der mich mit seiner guten räumlichen Wahrnehmung, seinem peripheren Sehen – also seinen Pässen in gewisse Räume für die Mitspieler – ein Stück an Max Kruse erinnert.”

Foto: Charles McQuillan/Getty Images for DFB

Seine Qualitäten haben aber auch außerhalb Berlins Begehrlichkeiten geweckt, unter anderem wird Juventus Turin, dem FC Barcelona und Atlético Madrid Interesse an einer Verpflichtung nachgesagt. Mit Ondrej Duda verfügt Hertha zwar bereits über einen ähnlichen Spielertypen, trotzdem ist zu erwarten, dass Samardžić sich langfristig in Herthas erster Elf fest spielen dürfte. Labbadia scheint derweil die Erwartungen noch ein wenig bremsen zu wollen: „Auf alle Fälle hat er eine Anlage, keine Frage […]. Jetzt ist es die Frage, arbeitet er mit dem Talent, bleibt er dran, entwickelt er sich weiter?“

Auch beim Auswärtsspiel in Dortmund kam Samardžić in der Schlussphase zu einem weiteren Bundesliga-Kurzeinsatz. Gegen Frankfurt brachte Labbadia ihn schon nach 34 Minuten für den verletzten Skjelbred, musste ihn nach Boyatas roter Karte aber kurz nach der Pause wieder auswechseln – zu Herthas extrem defensiver Ausrichtung in der zweiten Halbzeit passte „Laki“ mit seinen herausragenden, aber eher offensiven Anlagen weniger gut. Wenig verwunderlich sorgte die Wieder-Auswechslung für Frustration bei Samardžić, der via Instagram aber Zuspruch von u. a. Matheus Cunha und Krzysztof Piątek bekam, gewissermaßen den „Stars der Mannschaft“. Das Talent ist vorhanden, Geduld und Unnachgiebigkeit werden sich nun entwickeln müssen.

Ein neuer „Kinderriegel“?

Drei der nächsten Kandidaten für ein baldiges Bundesliga-Debüt haben es unter Labbadia (auch verletzungsbedingt) zumindest schon mal in den 20-Mann-Kader geschafft: Luca Netz und Marton Dárdai standen beide bereits gegen den FC Augsburg bzw. gegen Hoffenheim im Kader, eingewechselt wurden sie aber nicht. Mit Omar Rekik kommt noch ein dritter Kandidat dazu (erstmals im Kader gegen Freiburg) – allesamt sind sie Abwehrspieler.

Foto: Andreas Schlichter/Getty Images for DFB

Doch die Konkurrenz ist groß: Der gerade 17 gewordene Netz sieht sich auf der Linksverteidigerposition einem Konkurrenzkampf mit Marvin Plattenhardt und Maximilian Mittelstädt ausgesetzt, kam allerdings in diversen Juniorenteams auch schon als linker Mittelfeldspieler zum Einsatz. Zudem ist die Saison für Netz nach einem Fußbruch bereits beendet. Marton Dárdai muss sich aktuell unter den linksfüßigen Innenverteidigern bei Hertha nur hinter Jordan Torunarigha einsortieren – allerdings wird auch Karim Rekik zurückkehren und einen Platz für sich beanspruchen. Der 18-Jährige war Kapitän der deutschen U17-Nationalmannschaft, überzeugt besonders durch seine starke Spieleröffnung und seine mentale Stärke. Beim Spiel gegen RB Leipzig wäre Dardai aufgrund des personellen Engpasses beinahe eingewechselt worden, Labbadia wäre hierbei nicht bange geworden: “Gestern hätten wir sicher Márton reingebracht. Das Potenzial sehen wir bei ihm, deswegen trainiert er mit. Wenn es die Situation erfordert hätte, hätten wir ihn auch als Linksverteidiger eingesetzt. Wir hätten ihn definitiv reingeworfen.”

Omar Rekik, rechtsfüßiger Innenverteidiger, muss sich mit Dedryck Boyata und Niklas Stark im Kampf um den anderen Platz in Herthas Innenverteidigung auseinandersetzen. Keine einfache Aufgabe für den jüngeren Rekik-Bruder, der allerdings als äußerst talentiert galt und erst im Winter wohl Angebote vom FC Barcelona, Real und Atlético Madrid vorliegen hatte. Ähnlich wie Netz könnte auch er von seiner Polyvalenz profitieren, der Niederländer kann auch als Sechser eingesetzt werden. Für alle drei Talente dürfte es aufgrund der Konkurrenzsituation zunächst schwierig werden, Spielzeit in Herthas Bundesligateam auf ihren Paradepositionen zu bekommen. Gerade für die Innenverteidiger-Position hat Labbadia bereits durchblicken lassen, dass er – anders als seine Vorgänger – auf mehr Konstanz und weniger Personalrochaden setzen möchte.

Die Lehren der Vergangenheit

Außerdem ist äußerst fraglich, wie viel Spielzeit die Talente in der neuen Saison wirklich bekommen, wenn auch die beiden zusätzlichen Wechseloptionen voraussichtlich wieder wegfallen. Dabei begünstigt die neue Regel den Einsatz von mehr Eigengewächsen enorm, nicht nur bei Hertha. Unabhängig davon ist es aber eine spannende Frage, wie man in Berlin mit der nächsten Generation junger Spieler umgeht. Aus dem „goldenen“ 99-er Jahrgang hat bisher nur Arne Maier den Durchbruch bei Hertha geschafft – das Modell, die Spieler über die eigene U23 langsam heranzuführen, hat in mehreren Fällen (bisher) nicht funktioniert (Friede, P. Dárdai, Jastrzembski, Baak, Kiprit). Gut denkbar, dass man Talente, die es aufgrund der aktuellen Konkurrenzsituation schwer haben dürften, dieses Mal in die dritte oder zweite Liga verleiht – für Spielpraxis auf einem etwas höheren Niveau als in der Regionalliga. Den mittlerweile im Profikader etablierten Eigengewächsen Jordan Torunarigha und Maier half bei ihrem Durchbruch übrigens die Dreifachbelastung durch die Europa League und die damit verbundene Rotation. Im Hinblick auf Herthas aktuellen Talente-Pool wäre es also tatsächlich der perfekte Moment, sich in der kommenden Saison wieder für das internationale Geschäft zu qualifizieren.

Podcast #108 10 aus 4

Podcast #108 10 aus 4

4 Spiele – 10 Punkte. Wir erleben gerade eine völlig verwandelte alte Dame. Die Spiele gegen Leipzig und Augsburg besprechen Marc und Lukas ausführlich in dieser Podcast-Folge. Außerdem besprechen wir eure Fragen von Twitter und was sonst noch so los ist.

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(Photo by Hannibal Hanschke/Pool via Getty Images)