Kann Nouri nach dem Köln-Debakel noch bleiben?

Kann Nouri nach dem Köln-Debakel noch bleiben?

Herthas Ex-Trainer Pal Dardai sagte während seiner Amtszeit immer mal wieder, dass wenn nur drei bis vier Spieler in einer Partie Normalform erreichen, er das auf seine Kappe nehme – dann muss etwas in der Trainingssteuerung und/oder Spielvorbereitung falsch gelaufen sein. Am Samstagnachmittag gegen den 1. FC Köln erreichte wohl nicht ein einziger Hertha-Spieler so etwas wie “Normalform”. Nein, die 0:5-Heimniederlage war ein Kollektivversagen und kam einem Offenbarungseid gleich. So wäre es nicht zielführend, in diesem Artikel, der sich normalerweise mit den Spielerleistungen auseinandersetzt, auf einzelne Berliner Kicker zu blicken. Stattdessen richtet sich der Fokus auf Trainer Alexander Nouri.

“Heute sag’ ich besser nix”, gab sich Manager Michael Preetz bezüglich der Frage, ob es mit Alexander Nouri weitergehen wird, vor den Berliner Medien äußert wortkarg. Auch die Vereinsführung wird sich nun intensive Gedanken über die Zukunft des Berliner Trainerstuhls machen müssen. Das 0:5-Debakel gegen einen Konkurrenten im Abstiegskampf war der Super-GAU und fühlte sich wie das prototypische letzte Spiel eines Trainers an – ein Spiel, in dem sich die Mannschaft aufgab, absolut niemand auf dem Feld seine genaue Aufgabe kannte, einfachste Dinge nicht mehr funktionierten und auch kaum bis gar keine Impulse von der Trainerbank kamen. Genau für so einen Auftritt musste Ex-Trainer Ante Covic seinen Hut nehmen: das 0:4 gegen den FC Augsburg am 12. Spieltag. Auch am 24. November implodierte das Team und zerfiel in seine Einzelteile – nur sind diese mittlerweile fußballerisch so heruntergewirtschaftet und verunsichert, dass auch das nicht mehr reichen wird, um in einem Bundesliga-Spiel zu bestehen. Es gehen einem so allmählich die Antworten auf all die Probleme aus.

Nouris Ratlosigkeit gibt zu denken

Eben auch Alexander Nouri selbst, der das Auftreten seiner Mannschaft als “unerklärlich” bezeichnete und auf die in seinen Augen so exzellente Trainingswoche verwies. Ähnlich ratlos wirkte Pal Dardai zum Ende seiner Ära, wenn er Dinge sagte, wie “da müssen sie den lieben Gott fragen”. Es lässt einen fürchten, wenn der Cheftrainer (!) keine Erklärungsansätze für die miserable Vorstellung auf dem Platz aufzeigen kann. Wer, wenn nicht er?

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Auf der Pressekonferenz kritisierte Nouri die fehlenden Tugenden seiner Mannschaft: “Sei es sich zu helfen, Präsenz in den Zweikämpfen zu zeigen, Geschlossenheit, Teamspirit.” Und ja, das Team wirkte absolut leblos, nahm Zweikämpfe im Laufe des Spiels gar nicht mehr richtig an und hatte in jeder (!) läuferischen Disziplin das Nachsehen. Das Gebilde war so fragil, das es nach dem ersten frühen Gegentreffer bereits in sich zusammenfiel und nicht wieder aufgebaut werden konnte. Es stellt sich nun halt die Frage, weshalb das so ist. Weshalb die Mannschaft absolut keine Grundlage für ihr Spiel mehr hat und bei Rückschlägen kaum in der Lage ist, wieder aufzustehen. Und diese Frage richtet sich an das Trainerteam, das nun immerhin seit drei Monaten hier ist und eine komplette Winterpause zur Vorbereitung auf die Rückrunde hatte.

Zum Vergleich: Kölns Trainer Markus Gisdol trat sein Amt eine Woche vor Jürgen Klinsmann an. Seitdem hat der Übungsleiter seiner Mannschaft eine klare Spielphilosophie – mit und gegen den Ball – eingeimpft und vor allem die Basics wieder abrufen lassen. Das Ergebnis: 19 Punkte aus elf Partien – Punkteschnitt von 1,73. Ein Verein, der ebenfalls im Abstiegkampf seinen Trainer gewechselt hat, ist Fortuna Düsseldorf. Auch Neu-Coach Uwe Rösler hat seinem Team einen klaren Plan mit auf den Weg gegeben und auch hier schlägt sich das in positiven Ergebnissen um: in fünf Partien wurden acht Punkte geholt und zudem deutlich besserer Fußball als unter Friedhelm Funkel gespielt. Beide Beispiele zeigen, wie ein Trainereffekt auf dem Spielfeld aussehen kann.

Bereits unter Klinsmann ging es bergab

Nun sind solche Vergleiche natürlich immer schwierig, weil jeder Verein anders tickt, jede Mannschaft anders anzupacken ist und jeder Trainer einen anderen Ansatz hat, aber es ist schlicht auffällig, wie planlos Hertha erst unter Jürgen Klinsmann und nun unter Alexander Nouri agiert. Sicherlich war es ein absolut legitimer Ansatz, in den ersten Wochen, in denen das neue Trainerteam übernahm, vor allem die Defensive zu stabilisieren (diese war unter Ante Covic schließlich eines der größten Probleme). Als Beobachter nahm man diese sehr pragmatische Herangehensweise zunächst einmal hin, da sie anfangs für Punkte sorgte. So wurden in den fünf Hinrundenspielen unter Klinsmann/Nouri noch acht Punkte geholt.

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Wie gesagt: die Fans akzeptierten den eingeschlagenen Weg, weil im Abstiegskampf nun einmal nichts wichtiger ist, als Punkte einzufahren. Werder Bremen beispielsweise hätte sicherlich gerne die Ausbeute von Hertha. Der Ansatz: hinten sicher stehen und vor hilft uns der liebe Gott. Für alle gab es jedoch die Prämisse, dass nach den ersten Wochen des gegenseitigen Beschnupperns und Pragmatismus’ in der Wintervorbereitung taktisch aufgestockt werden müsse. Es war klar ersichtlich, dass das reine Defensivkonzept sich nicht über die restliche Saison tragen würde und daher auch eine Idee mit dem Ball entwickeln werden muss. Nach sieben Pflichtspielen in 2020 ist mittlerweile sehr klar: es gibt diese Idee weiterhin nicht. Im Trainingslager wurde es komplett verpasst, den taktisch nächsten Schritt zu gehen und den Spielern irgendwelche spielerischen Lösungen an die Hand zu geben. Am offensichtlichsten war dies wohl gegen Mainz 05 (1:3), als man in der Rolle des Heimteams versagte, die damals schlechteste Defensive der Liga vor irgendwelche Probleme zu stellen. Gegen die Mainzer und zuvor im Pokalspiel gegen Schalke 04 (2:3) wurde jedoch auch ersichtlich, dass auch das Defensivkonzept mittlerweile massive Risse bekommen hatte und langsam auseinanderbröckelte. In den vergangenen vier Pflichtspielen hat Hertha zwölf Gegentreffer kassiert – in den fünf Ligaspielen vor der Winterpause waren es nur drei gewesen.

Nach rund zweieinhalb Monaten unter Klinsmann war die Mannschaft quasi wieder an ihren Ursprungspunkt vor dem Trainerwechsel angekommen. Der Trainereffekt war verpufft und nichts nachhaltig implementiert worden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Alexander Nouri unter Klinsmann bereits große taktische Verantwortung trug und große Teile des Trainings leitete. In den Spielen war deutlich die Handschrift des Ex-Bremen-Trainers zu erkennen: defensiv (oft in einer Dreierkette) sehr tief stehen, kaum hohes Anlaufen und offensiv möglichst auf chaotische Umschaltmomente und individuelle Klasse setzen. Doch was sich bei Werder nach einer Zeit aufbrauchte und bei Nouris nächster Station, dem FC Ingolstadt gar nicht erst funktionieren sollte, sollte auch bei Hertha allmählich keine (low hanging) Früchte mehr tragen.

Nouri wirkt überfordert

Da konnte auch der knappe 2:1-Sieg gegen SC Paderborn beim Nouri-Debüt als Herthas Cheftrainer kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Mannschaft in den letzten Wochen wieder massiv in Qualität eingebüßt hatte. Der Auswärtsdreier beim Tabellenletzten war nicht Ausdruck einer guten Leistung, vielmehr war man auch in dieser Partie die spielerisch verunsichertere Mannschaft und konnte sich bei einem Tor nach Eckstoß und der individuellen Klasse von Neuzugang Matheus Cunha bedanken, dass man als Sieger vom Platz ging. Gegen einen individuelle weitaus schlechter besetzten Gegner hat es halt irgendwie gereicht, aber auch die Partie gegen Paderborn war ein weiteres Beispiel für Herthas große Hilflosigkeit der letzten Wochen.

Die Krönung des ganzen war nun der Auftritt gegen den 1. FC Köln. Es wäre nicht einmal zielführend, jedes der fünf Gegentore isoliert zu analysieren. Alle Kölner Tore waren Ausdruck des Berliner Offenbarungseides. Es wurden immer wieder leichtfertig Bälle verloren, dieselben Räume offen gelassen, Zweikämpfe nicht geführt, Gegenspieler sträflich freigelassen – es war rundum ein Bundesliga-unwürdiger Auftritt der Blau-Weißen, der mit nichts anderem als solch einem Kantersieg zu bestrafen war. Sicherlich wird hierbei auch die schlechte Tagesform der Berliner eine Rolle gespielt haben, aber man erinnere sich an den Satz von Pal Dardai. Nouri hat in der Vorbereitung auf das Spiel und auch während der 90 Minuten massive Fehler begangen und wirkt somit überfordert, vielleicht schon gar nicht mehr tragbar.

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Die Fehlerkette begann bereits mit der taktischen Herangehensweise und Startelfstellung. Nouri ließ erneut ein 3-5-2-System auflaufen, welches sich als völlig falsche Wahl herausstellen sollte. Herthas Außenspieler, Maxi Mittelstädt und Marius Wolf, ließen durchgängig zu große Räume in ihrem Rücken frei, in die Köln konsequent spielte und dadurch immer wieder zu gefährlichen Szenen wie auch letztendlich Toren kam. Zum einen ist es die Aufgabe eines Trainers, solch offensichtliche Defizite im Vorfeld des Spiels bereits durch Studieren des Gegners auszuschließen und sein Team nicht ins offene Messer rennen zu lassen. Nun war das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen und dann ist es zum anderen die Pflicht des Coaches, während des Spiel zu reagieren und umzustellen. Es ist unerklärlich, weshalb Nouri die Dreier/Fünferkette nicht im Spiel noch auflöste und auf die stabilere Viererkette umstellte – das verdient die Bezeichnung “fahrlässig”. Selbst unter Pal Dardai, dem oftmals fehlende taktische Flexibilität vorgeworfen wurde, gab es in dessen letzter Spielzeit situativ Anpassungen an das Spielgeschehen. Auch hier lässt erkennen, wie sämtliche Basics bei Trainer wie Mannschaft verloren gegangen sind.

Apropos Basics: es war erschreckend, wie sich Hertha von Köln den Schneid hat abkaufen lassen. In sämtlichen körperlichen Aspekten des Spiels waren die Berliner unterlegen, auch in Sachen Handlungsschnelligkeit und Entschlossenheit war es ein Klassenunterschied. Das machte sich auch im Herthaner Offensivspiel bemerkbar. Herthas Vorstöße ließen einmal mehr sämtliche Systematik und Dynamik vermissen. Es gab keinerlei Abläufe, keine zentrale Idee und offensichtlich wurde sich nicht damit auseinandergesetzt, was die Schwachstellen der Kölner Defensive sind, die gegen den FC Bayern noch vier und in den vorausgegangenen vier Rückrundenspielen insgesamt zehn Gegentore kassiert hatten. Wie schon gegen Mainz wirkte Herthas Offensive absolut hilflos darin, den eigenen Ballbesitz von knapp 60% produktiv zu nutzen. Offensichtlich wurde der Angriffsabteilung nicht mehr mitgegeben als “macht mal, zur Not regelt es schon die individuelle Klasse von Cunha und Piatek”. Anders lässt sich diese Konzeptlosigkeit nicht erklären. Das Ergebnis: ein einziger Torschuss in der gesamten Partie.

Nouris eigenartige Personalentscheidungen

Taktische Herangehensweise und In-Game-Coaching Nouris verdienen also schon einmal die Note “mangelhaft”, aber auch die Personalentscheidungen des Trainer wirkten aus der Luft gegriffen. Wenn Nouri offensichtlich ein Trainer ist, der seinen Offensivspielern möglichst wenig taktische Fesseln anlegen will und auf selbstständige Entscheidungsfindung setzt, ist es fast schon paradox, dass er mit Javairo Dilrosun (seit zwei Spielen nicht im Kader) und Dodi Lukebakio (gegen Paderborn Bankdrücker, gegen Köln 45 Minuten gespielt) die zwei stärksten Instinktfußballer des Kaders nahezu konsequent ignoriert und stattdessen Mittelstädt und Wolf die offensiven Außenbahnen bespielen lässt. Diese dann in einer Doppelrolle, mit der sie offensiv wie defensiv überfordert sind. Ein Salomon Kalou und Ondrej Duda würden übrigens sehr gut in ein Angriffsspiel passen, das auf Einzelaktionen setzt, aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema. Bei Dilrosun muss man im Verein sogar aufpassen, ob man ihn durch die aktuelle Personalpolitik im Sommer nicht sogar ganz verliert.

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Ebenso mutete es mehr als irritierend an, dass Marko Grujic gegen Köln erneut eine Startelfchance erhielt. Der 23-jährige Serbe steht in der laufenden Saison komplett neben sich und zeigt seit längerer Zeit völlig inakzeptable Leistungen. Bei dessen Behäbigkeit und Phlegma ist es schon beinahe witzig, dass Nouri dessen Startelfnominierung damit begründete, gegen Köln mehr “Körperlichkeit” im Mittelfeld haben zu wollen. In diesem Unfall von Spiel auf einzelne Spielerleistungen ist natürlich nicht ganz fair, aber es lässt sich zweifellos festhalten, dass Grujic auch in dieser Begegnung keinen positiven Einfluss auf seine Mannschaft hatte und zwei Gegentreffer sogar selbst einleitete. Hier muss die Frage gestellt werden, warum Vladimir Darida, der nach seiner Einwechslung gegen Paderborn noch maßgeblich am Sieg beteiligt war, nicht von Anfang an spielte. Auch dass Karim Rekik seit zwei Spielen wieder zur Startelf gehört, lässt sich nicht erklären. Jordan Torunarigha hat sich ohne Zweifel in der Rückrunde als bester Innenverteidiger nach Dedryck Boyata herauskristallisiert und so muss man sich fragen, was er verbrochen hat, um nun wieder das Nachsehen gegen den in dieser Saison so schwachen Rekik hat. Auch gegen Köln sah Rekik in vielen Szenen unkonzentriert und fehlerbehaftet aus.

Vielleicht waren diese Personalentscheidungen Nouris nicht spielentscheidend, aber sie waren auch sicherlich nicht zuträglich. Indem der Trainer das Leistungsprinzip außer Kraft setzt, verlieren die Spieler den Halt. Immer wieder betont Nouri, dass alle Spieler herzlich willkommen seien, sich anzubieten und passiert das im Falle von Torunarigha und Darida, sitzen die beiden Spieler in der kommenden Partie dennoch auf der Bank. Das ergibt schlicht keinen Sinn und ist wie Gift für die Teamhierarchie. Die ständigen und zufällig anmutenden Personalwechsel lassen keine Ruhe in den Kader einkehren und lassen die Spieler sicherlich keine Vertrautheit mit dem Trainer aufbauen. Daran scheiterte bereits Ante Covic.

Sollte Nouri bleiben?

Kann man einen Trainer nach solch einem desaströsen Auftritt noch im Amt lassen? Eigentlich nicht. Nouri gehört zu den Architekten dieser katastrophalen Saison, da er bereits unter Klinsmann für die taktische Identität verantwortlich war und es in mittlerweile drei Monaten nicht geschafft hat, der Mannschaft eine Spielphilosophie zu vermitteln. Inzwischen hat die Mannschaft unter ihm sogar die Basics verlernt und so muss ernsthaft in Frage gestellt werden, ob eine Weiterbeschäftigung noch Sinn ergibt. Er scheint die Mannschaft offensichtlich nicht mehr zu erreichen, anders ist ein 0:5 gegen einen Abstiegskampfkonkurrenten nicht zu erklären. Das war kein Ausrutscher, sondern das letzte Loslassen nach den zuletzt so schwachen Vorwochen.

Die Antwort auf all das, also ein Trainerwechsel, würde sehr viel leichter fallen, wenn Nouri nicht bereits der dritte Cheftrainer Herthas der laufenden Spielzeit wäre. Sicherlich ist er nur die Light-Version eines Nachfolgers gewesen, da er bereits zum vorherigen Trainerteam gehörte und in diesem bereits große Kompetenzen hatte und es ist auch durchaus verständlich gewesen, zunächst einmal auf ihn zu setzen, anstatt sofort ein neues Gesicht zu präsentieren. Dieser Versuch hat sich mittlerweile als Fehlschlag herausgestellt. Nouri ist offensichtlich nicht in der Lage, der Mannschaft noch irgendetwas zu vermitteln. Offensiv war dies nie der Fall und mittlerweile ist auch die zunächst noch zusammengeflickte Abwehr davon betroffen. Vielleicht ist es eben doch kein Zufall, dass Nouri vor dem Paderborn-Spiel seine letzten 21 Pflichtspiele als Cheftrainer eines Vereins nicht mehr gewinnen konnte. Es fehlt schlicht die klare Idee und auf diesem Niveau lässt sich auf lange Sicht kein Erfolg mit diesem Weg erlangen.

Es war ein legitimer Ansatz, Nouri als Übergangslösung zu wählen, um im kommenden Sommer einen klaren Cut zu machen. Nun ist aber die Situation eine andere: die Mannschaften hinter Hertha haben wieder angefangen zu punkten, Tabellenplatz 16 ist mit sechs Punkten nicht so weit weg, wie viele vielleicht denken. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Mannschaft unter Nouri noch einmal aufbäumt und so wäre es fahrlässig, nicht noch einmal auf der Trainerbank zu reagieren – und ja, auch wenn es dann der vierte Übungsleiter dieser Saison ist. Hier müssen die Verantwortlichen ihren Stolz herunterschlucken und sich eingestehen, dass man nicht mit den sportlichen Zielen – dem Klassenerhalt – spielen sollte, nur um im Sommer die “große” Lösung zu präsentieren. Es sind noch elf Spiele in dieser Saison, genug Zeit, um noch einmal hinten reinzurutschen und dann wäre es offiziell zu spät, um noch einmal zu reagieren. Es muss sich eingestanden werden, dass Europa in der kommenden Saison eben doch noch nicht der Anspruch sein kann, weil man nicht den zweiten vor dem ersten Schritt gehen kann. Die Mannschaft muss erst einmal wieder das Laufen lernen – das können die Dardais und Labbadias dieser Welt. Vielleicht besser als jeder andere.

Podcast #103 Spezial – Talk to survive

Podcast #103 Spezial – Talk to survive

Eine weitere Woche ohne Fußball, aber keine weitere Woche ohne den Hertha Base Podcast. Da ihr sicher gerade auch mehr Zeit zu Hause verbringt, geben wir euch eine neue Podcast-Episode auf die Ohren. Weniger mit vielen Hertha-News, als mit unseren Eindrücken der aktuellen Zeit, Tipps gegen die Langeweile und natürlich euren Twitter-Fragen. Da sind dann aber doch einige Hertha-Fragen mit dabei. Falls euch nur durchgängiger Hertha-Content interessiert, erkennt ihr ab sofort am „Spezial“ im Folgentitel, ob es sich um eine etwas andere Podcastfolge handelt. Sobald es allerdings besprechenswerte News rund um unseren Lieblingsverein gibt, werden wir diese selbstverständlich in gewohnter Art und Weise für euch analysieren.

Haltet durch, bleibt zu Hause und kümmert euch um eure Mitmenschen.

(Photo by Matthias Kern/Bongarts/Getty Images)

Podcast #102 Corona Update

Podcast #102 Corona Update

Um euch in Zeiten der sozialen Distanz nicht allein zu lassen, haben sich Marc und Lukas vor die Mikrofone gesetzt und für euch eine neue Folge aufgenommen. Wie sich das gehört, natürlich remote, per Fernschalte. Auch wenn ihr es sicher alle nicht mehr hören könnt, wollen auch wir noch ein paar Worte zur aktuellen Lage in der Welt verlieren, kommen aber dann auch zu euren zahlreichen Fragen auf Twitter, die wir wie immer mit sehr viel Spaß beantwortet haben. Wir wünschen euch, dass ihr und alle die euch wichtig sind gesund bleibt sowie viel Spaß beim Hören der Folge.

(Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Podcast #101 Moral Oral

Podcast #101 Moral Oral

Marc und Lukas beweisen mal wieder Moral und besprechen die Spiele gegen Düsseldorf und Bremen. Außerdem gehts um die neue Hertha Marketing-Kampagne, wie es mit Nouri weitergehen soll und um Corona. Viel Spaß!

(Photo by Matthias Kern/Bongarts/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – SV Werder Bremen

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – SV Werder Bremen

Ein Spiel in der Bundesliga beginnt beim Stand von 0:0 und dauert 90 Minuten. Bei Hertha BSC ist es etwas anders. Ein Spiel beginnt in der Regel beim Stand von 0:2. Die katastrophalen ersten Spielminuten der Blau-weißen werden in dieser Rückrunde zur Gewohnheit. Zugegeben: die „alte Dame“ konnte gegen Werder Bremen erneut den frühen Rückstand am Ende ausgleichen und punkten. Trotzdem wird deutlich, dass es so unheimlich schwierig wird, Siege zu holen. Wären da nicht diese „Drecksminuten zu Spielbeginn…

Weil diese Wochen für Hertha-Fans schwierig zu verdauen sind, waren wir dieses Mal in unserer Bewertung vor allem auf der Suche nach positiven Aspekten. Diese fanden wir unter anderem auch Niklas Stark, Maximilian Mittelstädt und Matheus Cunha.

Thomas Kraft – Kein Spiel zum glänzen

Aufmerksame Leserinnen und Leser werden festgestellt haben: der neue Stammkeeper wurde in unserer Einleitung nicht erwähnt. Das liegt daran, dass er als einziger, der heute im Fokus stehenden Spieler nicht wegen seiner sportlichen Leistung ins Auge getreten ist. Ihn jedoch kurz anzusprechen lohnt sich, da eine Änderung auf der Torhüterposition im Laufe der Saison eher unüblich ist. Zudem wurde im Anschluss auf das Düsseldorf-Spiel sehr viel über Thomas Kraft diskutiert. Weniger aufgrund seiner sportlichen Leistung, sondern eher wegen seiner Ansprache in der Kabine. Er sei besonders wichtig für die Mannschaft, solle nervenstärker sein als sein Konkurrent Rune Jarstein und deshalb auch in dieser Situation die beste Wahl sein.

Kraft hatte gegen Bremen wenig zu tun. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Umso bitterer also, dass das Spiel gegen Werder Bremen ihm nicht wirklich die Möglichkeit gab, den Fokus auf seine sportliche Rolle zu legen. Schon nach sechs Minuten lag Hertha mit 0:2 zurück, und das Lächeln im Gesicht von Thomas Kraft war von jeglicher Freude oder Heiterkeit befreit. Auch er wird, wie alle Herthafans und -akteure geglaubt haben, im falschen Film zu sein. Beim ersten Gegentreffer konnte Kraft noch nicht viel machen, beim zweiten hingegen wirkte der Spieler mit der Nummer Eins im Rücken äußerst unglücklich. Seine Positionierung beim Kopfball von Davy Klaassen sah alles andere als Souverän aus. Trotzdem muss zu seiner Verteidigung angeführt werden, dass die gesamte Hintermannschaft ihren Keeper völlig im Stich ließen. Lukas Klünter ließ erst Milot Rashica viel Zeit und Raum zum Flanken, dann schlief die Innenverteidigung und Klaassen bedankte sich.

Nach diesen zwei Treffern bekam Thomas Kraft so gut wie gar nichts mehr auf sein Tor. Eine gute Nachricht eigentlich, allerdings konnte sich der 31-Jährige dann auch nicht mehr durch Paraden auszeichnen. Zumindest konnte er durch einzelne schnelle Abwürfe Angriffe seiner Mannschaft einleiten. Am Samstag konnte Kraft also keine Glanztaten zeigen, trotzdem ist zu hoffen, dass bis zum Ende der Saison die Torhüter-Position kein Thema mehr wird. Angesichts dieser Spielzeit ist allerdings noch alles vorstellbar.

Niklas Stark – Nach Gelbsperre zurück ins Rampenlicht

Niklas Stark gehört sicherlich zu den Spielern, die diese Saison weit unter ihren Möglichkeiten gespielt haben. Nach seiner Gelbsperre kehrte er am Samstag zurück in die Startelf und ersetzte dort Dedryck Boyata, der aufgrund von Muskelproblemen ausfiel. Direkt war Stark im Mittelpunkt des Geschehens, und war auch mitverantwortlich für den erneuten Katastrophenstart von Hertha.

Niklas Stark köpft zum 1:2 Anschlusstreffer. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Beim 0:1 machte er seinem Gegenspieler Joshua Sargent zu wenig Druck, sodass dieser ungestört abschließen konnte. Auch beim 0:2 war er schuldhaft beteiligt: der 24-Jährige verlor Davy Klaassen aus den Augen, der dann einköpfen konnte. Keine gute Rückkehr also. Sichtlich verunsichert spielte Stark auch im Anschluss zunächst sehr hektisch und unpräzise. Durch einen gefährlichen Fehlpass in der 24. Minute hätte er sogar einen weiteren Gegentreffer einleiten können.

Er selbst fand poetische Worte, um den Frust der Anfangsphase zu beschreiben: „wir beißen uns selber in den Arsch“. Doch zumindest schaffte es Niklas Stark, die passende Antwort schon in der ersten Halbzeit zu finden. Wie auch die restliche Mannschaft der „alten Dame“ wurde der junge Verteidiger im Verlauf der Partie sicherer. Dadurch, dass sich Hertha auch mehr Kontrolle sicherte, traute er sich auch mehr im Spielaufbau zu, wie zum Beispiel in der 37. Minute, als er nach einem Vorstoß Krzysztof Piątek in Szene setzte. Diese Leistungssteigerung krönte er dann selbst in der 41. Minute, als er den so wichtigen Anschlusstreffer per Kopf erzielte.

In der zweiten Halbzeit war Stark deutlich sicherer, sein Treffer gab ihm sichtlich Selbstvertrauen. Auch war spürbar, dass er hundert Prozent gab, auch wenn manchmal die Abstimmung mit seinen Mitspielern nicht perfekt funktionierte. In der 64. Minute beispielsweise ließ er noch seinen Gegenspieler frei köpfen. Zwei Minuten später warf er sich aufopferungsvoll in einer Defensivaktion rein und klärte den Ball. Der Wille war da bei Niklas Stark, das zeigt sich auch in seiner Statistik. Er klärte nicht nur 7 Bälle (der beste Wert im Hertha-Team), er konnte auch 75 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnen und lief sogar mehr als 10 Kilometer. Es war ihm anzumerken, dass er seiner schwachen Form der letzten Wochen zum Trotz ein gutes Spiel machen wollte. Seine erste halbe Stunde warf letztlich einen Schatten auf sein ansonsten ordentliches Spiel.

Maximilian Mittelstädt – Mittendrin statt nur dabei

Ein weiterer Spieler durfte sich, nach den vielen Wechsel der letzten Wochen, wieder von Beginn an zeigen. Maximilian Mittelstädt übernahm die linke offensivere Seite bei den Blau-weißen. Er nutze die Tatsache, dass er mit Marvin Plattenhardt einen sehr defensiv aufgestellten Verteidiger hinter sich hatte, um sich in den meisten Angriffen von Hertha mit einzuschalten.

Torschütze und Vorbereiter zum 2:2 (Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images).

Der 22-Jährige war sehr präsent im Berliner Spiel und schien unermüdlich zu sein. Ganze 11,55 Kilometer lief er, der beste Laufwert hinter Vladimir Darida und Santiago Ascacibar. Dazu kommen 26 Sprints und 78 intensive Läufe: in beiden Werten ist er damit auf Platz drei bei Hertha. Sein Einsatz zeigte sich unter anderem auch in der 28. Minute, als er den weiten Weg bis in den eigenen Strafraum zurück sprintete, um einen Bremer Angriff zu vereiteln. Besonders interessant wird es, wenn man sich die sogenannten „Heatmaps“ anschaut. Während Marius Wolf vor allem auf seiner rechten Seite blieb war Maximilian Mittelstädt fast überall zu sehen, was sich in der 69 Minute zeigte, als er komplett die Seite wechselte, um einen Ball wegzugrätschen.

Auffällig war auch, dass es ihn auch immer öfter in die zentrale Position zog. Auch durch die Passivität der Bremer nach der Anfangsphase hatte er mehr Freiheiten, probierte vieles nach vorne. Dieser Offensivdrang sorgte auch für den 2:2 Ausgleichstreffer: in der 60. Minute kam Mittelstädt im Strafraum zum Abschluss. Der abgewehrte Ball wurde dann von Matheus Cunha ins Tor geschossen. Auch in der 78. Minute glänzte der gebürtige Berliner, als er einen langen Ball per Vollsprint noch erreichte und in die Mitte auf Vladimir Darida spielte. Dessen Schuss sorgte für den, später zurückgenommenen, Handelfmeter für Hertha.

Es war nicht alles gut, was der junge Berliner am Samstag zeigte. Vor allem seine hohen Hereingaben waren oft zu ungenau, doch insgesamt weist er eine gute Passquote auf (85 Prozent, im Vergleich: Marius Wolf hatte eine Passquote von 52 Prozent). Nach Matheus Cunha (20) und Ludwig Augustinsson (19) ist Mittelstädt außerdem der Spieler, der die meisten Zweikämpfe gewann. Sein Einsatz, seine Flexibilität und seine Entschlossenheit beim 2:2 waren für das Berliner Spiel sehr wertvoll. Auch deshalb ist davon auszugehen, dass Maximilian Mittelstädt in der nächsten Partie gegen die TSG Hoffenheim erneut von Anfang spielen wird.

Matheus Cunha – Dauergast bei „Herthaner im Fokus“

Aktuell führt in unserer „Herthaner im Fokus“-Rubrik kein Weg an Matheus Cunha vorbei. Da er auch gegen Bremen der auffälligste Spieler auf dem Platz war, können wir erneut nicht auf eine Bewertung verzichten. Cunha war wie auch in der zweiten Halbzeit in Düsseldorf omnipräsent, verlor kaum Bälle, glänzte durch Dribblings und mit einer guten Übersicht. Kein Wunder also, dass er der Spieler ist, der für Hertha in der 20. Minute den ersten Ausrufezeichen setzte, indem er einen Konter im Vollsprint anführte und dann selbst kurz vor dem gegnerischen Strafraum abschloss. Der etwas zu unplatzierte Schuss war das erste Zeichen, dass sich Hertha anfing zu wehren. Dies sollte nur einer von zahlreichen Schüssen werden: Cunha gab mit neun (!) Torschüssen mit großem Abstand die meisten Schüsse von allen Spielern auf dem Platz ab.

Der Brasilianer schießt das so wichtige 2:2 (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images).

In der 34. Minute zog der junge Stürmer erneut aus der Distanz ab und zwang Keeper Stefanos Kapino zu einer starken Parade. Kaum vier Minuten später war er wieder im Mittelpunkt, setzte sich gegen mehrere Gegenspieler im Strafraum durch und sorgte für den nächsten gefährlichen Angriff. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit hätte er auch mit mehr Glück einen Elfmeter für Hertha rausholen können. Auch mit starken Pässen konnte er glänzen, wie zum Beispiel in der 53. Minute, als er Marvin Plattenhardt sehenswert in Szene setzte, der allerdings durch eine schwache Hereingabe den gefährlichen Angriff verschwendete.

In der 60. Minute war es dann soweit: der Brasilianer belohnte seine erneut starke Leistung und traf zum 2:2. Auch im Anschluss seines Treffers hängte er sich rein. Was auch auffiel: der 20-Jährige lief von allen Berliner Feldspieler am wenigsten, nur 9,27 Kilometer. Seine Läufe waren jedoch intelligent und effektiv. Dies zeigt sich daran, dass er trotz des geringen Laufumfangs an fast allen Berliner Kontern und Angriffen beteiligt war. Zudem gewann er auch die meisten Zweikämpfe (20) und hatte die meisten Sprints (34) und Dribblings.

Auch hier muss bei allen Lobeshymnen festgestellt werden, dass ihm in einigen Situationen die letzte Präzision und Ruhe fehlte. Bestes Beispiel dafür ist die Szene in der 70. Minute, als der junge Stürmer den wunderbar von Jordan Torunarigha eingeleiteten Konter in aussichtsreicher Position nicht gut nutzen konnte. Sein Pass auf Krzysztof Piątek war dann zu ungenau, und eine gute Chance vergeben.

Der laut Werder-Trainer Florian Kohfeldt „beste Spieler auf dem Platz“ Matheus Cunha belebt zweifellos das Berliner Offensivspiel, und sorgt für besondere Momente. In wenigen Spielen hat sich der Brasilianer eigentlich schon komplett unverzichtbar gemacht. Auf ihn wird Hertha in den nächsten Spielen ganz sicher hoffen. Bisher hat er diese Hoffnung nicht enttäuscht.