Herthaner im Fokus: Hertha beweist Comeback-Qualitäten in Stuttgart

von Dez 6, 2021

Mit einem 2:2 gegen den VfB Stuttgart startete Tayfun Korkut in seinen neuen Job bei der Hertha. Das Debüt gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber zeigte mal wieder übliche Schwächen des Teams und trotzdem die ersten Entwicklungsschritte seit dem Trainerwechsel. Wir schauen auf eine immer stärker werdende Offensive und die Sorgenkinder der Mannschaft.

Stevan Jovetic: Fit und in Topform eine brutale Waffe

Stevan Jovetics Körper, der in dieser Saison oft für Probleme sorgte und keine Konstanz ermöglichte, scheint aktuell auf einem hohen Level, vielleicht sogar auf seinem höchsten Level zu sein. Und so ist es mehr als erfreulich, den Stürmer endlich in Top-Verfassung zu sehen.

Das Spiel gegen den VfB Stuttgart war ein Spiegelbild der bisherigen Saison. Im von Trainer Korkut neu gebauten 4-4-2-System musste sich die Offensive finden. Zwischen Stevan Jovetic, Ishak Belfodil, Marco Richter und Myziane Maolida schien es zunächst nicht zu harmonieren. Die Laufwege wirkten zu statisch, die Durchsetzungskraft war ausbaufähig und die Pässe landeten oft beim Gegner. Die ersten Angriffsbemühungen waren eher individuelle Maßnahmen. Im Verlauf der Partie gelang es den Spielern aber, diese Mängel immer mehr abzustellen.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Und trotzdem benötigte es wieder einmal eine Einzelleistung, um auch Tore-technisch anzukommen. Als sich Jovetic in der 40. Minute von Torunarigha den Ball im Mittelfeld abholte, machte es ihm die Abwehr der Schwaben auch alles andere als schwer. Ein Solo und ein Schlenzer in das rechte obere Eck eröffneten Herthas Comeback. Mit 37 Pässen konnte er seinen Wert unterstreichen. Ihm gelang es, Chancen zu kreieren, Mitspieler in Szene zu setzen und auch sich selbst als ständigen Unruheherd zu inszenieren.

In der 73. Minute zeigte Jovetic mit einem Freistoß zusätzlich seine immense Schusskraft. Eine herausragende Aktion von Torhüter Müller verhinderte nur knapp ein Traumtor. Das Zusammenspiel der Offensive gipfelte in der 76. Minute in dem wohl am schönsten herausgespielten Tor der Herthaner in dieser Saison. Nach Plattenhardts Flanke gelang das Zusammenspiel mit Ishak Belfodil auf engstem Raum, um den Ausgleich zu erzielen.

Mit vier Toren aus acht Bundesligaspielen hat Jovetic eine akzeptable Quote und ist Herthas Toptorjäger. Seine Leistungskurve und Form steigen klar an. Der Wert für die Mannschaft ist kaum in Worte zu fassen, insbesondere wenn es ihm weiterhin gelingt das Offensivspiel auch als Vorlagengeber anzukurbeln.

Ishak Belfodil: Weiterhin in Topform und mit entscheidenden Zahlen

Ishak Belfodil knüpfte gegen den VfB Stuttgart direkt an seiner Leistung gegen den FC Augsburg an und konnte diese endlich auch in spielendscheidenden Zahlen umwandeln. Bereits nach vier Minuten kam der Algerier aus spitzen Winkel zum Schuss. Wie Stevan Jovetic gelang es ihm, sowohl Ballverteiler, als auch Anspielstation zu sein.

Belfodils persönlicher Höhepunkt gegen den VfB hätte in der 23. Minute sein sollen, als er einen sehenswerten Schlenzer vom linken Strafraumeck im Tor unterbrachte. Doch nach VAR-Eingriff wurde der Treffer wegen einer streitbaren Abseitsstellung Vladimir Daridas kassiert.

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(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Während des Spiels ließ Belfodil sich oft ins offensive Mittelfeld fallen, zog zwischendurch auf die Außen und ermöglichte der Offensive durch seine Laufwege und Aktionen viel Flexibilität. 35 Aktionen und 76 Prozent Passquote beweisen sein Auge für die Mannschaft. In seinen 85 Minuten Spielzeit bereitete Belfodil zwei Torschüsse vor, den entscheidenden in der 76. Minute für Jovetic.

Die Doppelspitze scheint eine echte Alternative und Variante für das Spiel unter Tayfun Korkut zu werden. Jovetic und Belfodil liefern momentan genug Argumente, dass sie als Doppelspitze in die nächsten Spiele gehen. Die Einbindung der Außenspieler muss bei Festigung der Spitze allerdings dringend Thema im Training werden. Die Automatismen sind noch nicht komplett vorhanden, doch mit der Zeit scheint es möglich zu sein.

Myziane Maolida: Wer bist du und was hast du mit Dodi Lukebakio gemacht?

Unter der Woche wurde bereits viel vermutet und gemunkelt. Bei Pal Dardai war der französische Neuzugang zuletzt komplett außen vor. Neben schwachen Leistungen und Verletzungen, stand er wegen mangelnder Disziplin in der Kritik. Tayfun Korkut setzte ein Zeichen und stellte den 22-Jährigen auf die linke Außenbahn. Dieser versuchte, das Vertrauen zu rechtfertigen – es gelang ihm zum Teil. Mit 40 Ballkontakten war er zwar häufig am Ball, doch Tempo aufnehmen und Chancen kreieren konnte er dabei nur selten. Seine Flexibilität in der Offensive fiel im Vergleich zu seinen offensiven Mannschaftskollegen deutlich ab.

Zu Gute kann man ihm aber halten, dass er mit einer Zweikampfquote von 60 Prozent der Stärkste in der Offensive war. Und auch er hatte die Möglichkeit, seiner Leistung einen zählbaren Stempel aufzudrücken. In der 56. Minuten fehlte es ihm allerdings an Spielintelligenz und Entscheidungsfindung, was wahrscheinlich seiner geringen Spielpraxis verschuldet war. Nachdem er von Marco Richter auf der linken Seite mit einem gechippten Ball in Szene gesetzt wurde, konnte er mit einer Mischung aus Pass und Torschuss Florian Müller aber vor keine ernsthafte Herausforderung stellen.

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Neben seinem Potential in der Offensive litt allerdings sein Einsatz in der Defensive. Unterstützung bot er seinen Mitspielern kaum. Unrühmlicher Höhepunkt war sein unmotiviertes Zurücktraben – welches er am Ende sogar abbrach – in der 19. Minute als Philipp Förster komplett unbedrängt das 2:0 für den VfB Stuttgart erzielen konnte. Anzumerken ist aber, dass auch weder Vladimir Darida noch Santiago Ascacibar in dieser Situation überzeugende Gegenwehr leisteten.

Myziane Maolidas Auftritt ließ zum Teil Erinnerungen an den im Sommer an den VfL Wolfsburg verliehenen Dodi Lukebakio aufleben. Offensiv zwar bemüht, aber mit wenig zählbaren und an Defensivarbeit nicht interessiert, scheint Maolida noch keine Hilfe zu sein. Vielleicht kann er sich über regelmäßige Einsätze empfehlen, ansonsten ist er leider kein Upgrade zum ebenfalls in der Kritik stehenden Lukebakio.

Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha: Solides Duo mit fehlendem Tempo

Kapitän Dedryck Boyata bekam von Tayfun Korkut das Vertrauen in der Startelf zu stehen. Nachdem der Belgier drei Spiele gesperrt gefehlt hatte, sollte er als Abwehrchef die Defensive zusammenhalten. Seine Leistung war nicht restlos überzeugend. Zehn Bälle konnte er klären, zwei Schüsse blockte er und mit 93 Prozent Passquote integrierte er sich durchgehend im Aufbauspiel.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Während Boyata allerdings mit nur 38 Prozent gewonnener Zweikämpfe kein bedingungsloser Sicherheitsposten in der Defensive war, konnte sein Innenverteidiger-Partner, Jordan Torunarigha, 62 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnen und dadurch Mängel seines Kapitäns ausgleichen. Auch Torunarigha war mit 52 Ballaktionen wichtiger Bestandteil im Aufbauspiel. 73 Prozent seiner Pässe fanden den Mitspieler und die Vorlage für Jovetics Tor zum 1:2 geht auf seine Kappe. Mit der Zeit wirkte Torunarigha jedoch immer unsicherer, mehrere Klärungsversuche gerieten zu kurz und Fehlpässe reihten sich aneinander. In der 72. Minute wechselte Tayfun Korkut den 24-Jährigen aus, weil die Stabilität in der Abwehr verloren gegangen war.

Das Innenverteidiger-Duo war auch an beiden Gegentoren beteiligt. In der 15. Minute gelang es ihnen nicht annähernd mit dem Tempo Omar Marmoushs mitzuhalten und mussten auf Grund schwachen Stellungspiels das 0:1 durch einen Konter hinnehmen. Nur wenige Minuten später kassierte Hertha BSC das 0:2 und auch in dieser Aktion glänzten beide mehr durch Passivität, als mit aktiven Zweikampfverhalten.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha wirken körperlich aktuell fit. Gelingt es ihnen in den nächsten Spielen, ihre Tempodefizite mit intelligentem Stellungspiel auszugleichen und mit Spielpraxis zur alten Routine zurückzufinden, hat Hertha gute Chancen, alternativ zu Niklas Stark eine sichere Verteidigung auf dem Platz zu haben.

Fazit: Stärken vertieft und Schwächen eindrucksvoll bekämpft

Es ist sicherlich nicht alles besser. Doch bei diesem Remis konnte man erste Fortschritte im Team der Hertha erkennen. Im Vergleich zu vergangenen Spielen in dieser Saison gelang ein entscheidender Fortschritt. Zwar lagen die Berliner durch altbekannte Schwächen nach einem Doppelschlag schon früh 0:2 zurück. Doch dieses Mal gelang es den freien Fall zu verhindern und sogar ein Comeback.

Unter Pal Dardai folgte nach frühen Gegentoren oft eine komplette Verkrampfung. Es ereigneten sich Klatschen wie gegen den FC Bayern und RB Leipzig. Oder uninspirierte Auftritte wie in Hoffenheim und bei Union Berlin. Inwiefern der Trainerwechsel mit diesem Punkt zu tun hat, ist rein spekulativ, doch das Comeback gegen den VfB Stuttgart lässt Hoffnung auf sehenswerte Auftritte in den nächsten Wochen zu.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Momentan wirken Angriff, Mittelfeld und Verteidigung noch nicht wie eine verschmolzene Einheit. Das Leistungsgefälle ist noch recht hoch. Auf Tayfun Korkut kommen viele Aufgaben zu. Das Gute ist, dass klar ist, an welchen Schrauben er drehen muss. Zu hoffen ist außerdem, dass Suat Serdar nur eine leichte Erkältung hat und schnell wieder ins Geschehen eingreifen kann. Seine individuelle Stärke hätte dem Team gutgetan.

[Titelbild: Alexander Hassenstein/Getty Images]

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Johannes Boldt

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