Vor dem Wolfsburg-Spiel: Vorsicht vor Versprechen!

von Jan 14, 2022

Tayfun Korkut verspricht allen Hertha-Fans, dass individuelle Fehler in der Abwehr nicht mehr passieren werden. Schaut man sich Herthas größte Schwächen der vergangenen Jahre und die Fehlerquote an, ist das gewagt. Und: Vor dem Wolfsburg-Spiel hat Korkut die Qual der Wahl im Sturm. Dabei könnte doch alles so einfach sein …

Es ist wie in der Politik

In der Pandemie machen viele Politiker:innen gerade die Erfahrung, von zu abschließenden Aussagen und Versprechen eingeholt zu werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und andere prominente Politiker:innen versprachen noch vor wenigen Monaten, dass es keine Impfpflicht geben werde und FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner ging im Wahlkampf mit dem Versprechen auf die Straße, dass ungeimpfte Menschen keinerlei Einschränkungen erfahren würden.

Das Virus ist mutiert, die Sachlage hat sich geändert, die Politik muss reagieren, ihre Versprechen brechen und einsehen, dass einige Aussagen voreilig getroffen wurden. Letztlich kann das in Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust resultieren.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Bei Hertha BSC geht es „nur“ um Fußball. Und doch sieht man in diesen Tagen einige Parallelen zwischen diesen politischen Fehlgriffen und den Aussagen von Hertha-Trainer Tayfun Korkut. Schon nach dem Köln-Spiel reduzierte er die Niederlage vielleicht ein bisschen zu sehr auf individuelle Fehler und wiederholte dann auch bei der heutigen Vor-Spieltags-Pressekonferenz: „Diese Fehler werden so nicht mehr passieren. Wir werden viel, viel stabiler stehen im nächsten Spiel.“ Schließlich sei es im Köln-Spiel nur um „Nuancen“ gegangen, die man im Training nun abschließend ausgebessert habe. „Keine großen Themen“, so Korkut.

Die Niederlage gegen Köln war symptomatisch

Insbesondere mit Blick auf Herthas teils löchrige Abwehrarbeit in den vergangenen Jahren ist das ein sehr gewagtes Versprechen. Denn die meisten Niederlagen hatten zwei systematisch verankerte Ursachen: Erstens mangelnde Überzeugung (uninspirierte Offensive, zu große Abstände zum Gegenspieler, teils abwesende Pressing-Arbeit, reaktives Spiel, etc.) und zweitens Präzision, also genau diese individuellen Fehler.

Das erste Gegentor im Union-Hinspiel, das 1:1 in der 97. Minute gegen Augsburg, das völlig desolate Abwehrverhalten in der ersten Hälfte im Stuttgart-Spiel liefern zumindest Hinweise darauf, dass Herthas Abwehrfehler doch etwas größer sind. Aber: Wir lassen uns gerne vom Gegenteil überzeugen und hoffen darauf, dass Korkut nicht wie einige Spitzenpolitiker:innen in wenigen Tagen analysieren muss, dass er seine Vorhersage revidieren muss.

Welches Pärchen stürmt gegen Wolfsburg?

Es gibt ja auf der anderen Seite auch durchaus gute Gründe, warum man Korkut Vertrauen schenken sollte. Seine Umstellungen in Herthas Offensive haben beispielsweise dafür gesorgt, dass das Team nun viel mehr Szenen im gegnerischen Strafraum hat. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass Herthas Kader nach all den Dardai-Jahren auf eine Doppelspitze ausgelegt ist. Doch nach Korkuts ersten Spielen kann man fast festhalten, dass es fast egal ist, welches Pärchen da vorne spielt – in jedem Fall ist man gefährlicher, flexibler und agiler geworden.

Besonders aufgefallen ist allerdings die Paarung Jovetic-Belfodil. Diese wird am kommenden Wochenende allerdings nicht gemeinsam auflaufen, weil Stevan Jovetic immer noch an seinen Wadenproblemen leidet. Immerhin: Yshak Belfodil ist wieder genesen. Dass Korkut nun auf einen Ein-Mann-Sturm ausweicht, ist ausgeschlossen. Bei der heutigen Pressekonferenz philosophierte er vielmehr darüber, welches Pärchen denn am besten zum Gegner passen könnte.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Wie gewohnt, blieb der Hertha-Trainer hier aber vage, um nicht zu viel preiszugeben. Korkut wörtlich: „Ich habe noch nicht entschieden, wir haben da zum Glück Möglichkeiten. Ishak und Myziane sind sehr beweglich vorne, Davie ist eher ein zentralerer Stürmer.“ In jedem Fall sei er froh darüber, dass er in der zweiten Halbzeit einen „echten Stürmer“ einwechseln könne.

Die Zahlen der Hertha-Stürmer

Dabei könnte die Auswahl des Stürmer-Paares recht einfach sein – wenn man sich ausschließlich von Zahlen leiten lässt: Belfodil hat in den Profi-Ligen und Pokalwettbewerben Italiens, Frankreichs, Deutschlands und Japans sowie im Europapokal 64 Tore in 271 Spielen erzielt – rein rechnerisch schießt Belfodil also etwa 0,24 Tore pro Spiel, oder statistisch gesehen in jedem vierten Spiel ein Tor.

Myziane Maolida ist viel jünger, hat aber nach 2016 in 94 Profispielen in Frankreich und Deutschland elf Tore geschossen – eine Quote von etwa 0,12. Davie Selke hat in 254 Profispielen 58 Treffer erzielt – eine Pro-Tor-Quote von rund 0,22, also ähnlich wie Belfodil und ebenfalls besser als Maolida.

Natürlich spricht aber auch einiges gegen das Stürmer-Pärchen Selke-Belfodil. Belfodil hat in Verbindung mit Jovetic gezeigt, dass er von einem beweglichen, spielerisch kreativen Stürmer an seiner Seite profitiert. Diesen würde er wohl eher in Myziane Maolida neben sich haben.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

ÜBER DEN AUTOR

Benjamin Rohrer

Benjamin Rohrer

Weitere Artikel

Alles nach Plan

Alles nach Plan

In den letzten Jahren sind sämtliche Trainer bei Hertha gescheitert. Woran liegt das? Eine Analyse der fehlenden Berliner Philosophie.

Podcast #297 2:2 gegen Ulm – Hertha kommt nicht vom Fleck

Podcast #297 2:2 gegen Ulm – Hertha kommt nicht vom Fleck

Die Mitgliederversammlung sollte das reinigende Gewitter bei Hertha BSC sein, doch nach dem enttäuschenden 2:2 gegen Aufsteiger Ulm donnert es weiter in der Hauptstadt. Wir analysieren das Unentschieden, blicken auf Herthas allgemeine sportliche Lage und geben einen...