Herthaner im Fokus: Nullnummer vor dem Saisonhighlight

Herthaner im Fokus: Nullnummer vor dem Saisonhighlight

So richtig entscheiden konnte man sich am Samstagabend nicht: war das 0:0 gegen den VfL Wolfsburg jetzt ein Rückschlag oder eher eine leichte Verbesserung? Am Ende holt Hertha Auswärts immerhin einen wichtigen Punkt und hält den dünnen Abstand zum Tabellenkeller. Da bei dieser Partie gerade in der Offensive wenig passiert, werfen wir einen Blick auf Herthas Hintermannschaft.

Schwolow – Endlich wieder weiße Weste

Die Kritik an Alexander Schwolow wurde zuletzt etwas lauter. Zu viele Gegentore, zu wenig Spiele zu Null. Dabei hatte es Herthas Keeper diese Saison mit seiner Defensive nun wirklich nicht leicht und wurde immer wieder in Stich gelassen, wie auch am vergangenen Wochenende im Heimspiel gegen den 1. FC Köln.

Wahr ist: gerade die Konkurrenz auf dieser Position ist aktuell eher gering. Rune Jarstein trainiert noch individuell und Oliver Christensen fällt aufgrund einer Covid-19 Infektion aus. So saß am Samstag Nils Körber als Ersatzkeeper auf der Bank. Doch große Sorge sollte nicht aufkommen: Schwolow zeigte sich von Beginn an besonders aufmerksam und hellwach.

Foto: Stuart Franklin/Getty Images

Das extrem hohe Pressing des Heimteams zum Beispiel erkannte der Keeper früh und wechselte von kurzen zu langen Abstößen, um seine Mannschaft zu entlasten. Zudem war er bei den Wolfsburger Torchancen zur Stelle, erlaubte sich keine Fehler. Auch beim Rauslaufen, wie in der 80. Minute gegen Dodi Lukebakio, bleib er konzentriert.

Ganz besonders Schwolow sollte sich darüber freuen, dass am Ende Hertha endlich wieder zu Null spielte. Es war nur das dritte Mal diese Saison, dass der 29-Jährige mit einer weißen Weste ein Bundesligaspiel zu Ende bringen konnte. Nur in den Heimspielen gegen Borussia Mönchengladbach (1:0) und Arminia Bielefeld (2:0) musste er nicht hinter sich greifen.

Maximilian Mittelstädt – „Under Pressure“

Bereits vergangenes Wochenende war Maximilian Mittelstädt bei uns im „Fokus“. Wie auch gegen Köln konnte der 24-Jährige in Wolfsburg Offensiv kaum Akzente setzen. Dieses Mal jedoch wurde er ganz besonders gefordert und musste gerade in der Anfangsphase hohe Konzentration und Nervenstärke beweisen.

Foto: Stuart Franklin/Getty Images

Die Offensive des VfL presste in den ersten 20 Minuten der Partie extrem hoch und lief Herthas Defensive früh an. Gerade Mittelstädt wurde von seinen Gegenspielern Baku und Steffen oft unter Druck gesetzt. Er durfte sich keinen Fehler erlauben. So ist es kein Wunder, dass er laut „Bundesliga.com“ der Spieler war, der am häufigsten unter Druck gesetzt wurde (ganze 48 Mal). Diesem Druck hielt Mittelstädt allerdings stand, gewann viele Zweikämpfe (17, bester Wert bei Hertha) und fing drei wichtige Bälle ab.

Im Ergebnis war die linke Seite der Blau-Weißen in der ersten Halbzeit deutlich weniger anfällig für Wolfsburgs Angriffe. Wie auch seine Mitspieler traute er sich im Laufe der zweiten Hälfte etwas mehr zu, hatte dabei jedoch genauso wenig Erfolg. Der Linksverteidiger lieferte insgesamt eine solide Leistung ab und hatte seinen Anteil daran, dass Hertha am Ende zu Null spielte.

Lukas Klünter – Einsatz in Notfalllage

Ob es viele gibt, die vor einigen Wochen darauf gewettet hätten, dass am 19. Spieltag Lukas Klünter in Herthas Startelf stehen würde, ist zu bezweifeln. Doch Herthas Personallage sorgte dafür: nach dem Wechsel von Deyovaisio Zeefuik und der kurzfristigen Covid-19 Infektion von Peter Pekarik stand nur noch ein gelernter Rechtsverteidiger zur Verfügung. Der 25-Jährige absolvierte im Auswärtsspiel in Wolfsburg die kompletten 90 Minuten.

Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass er drei Monate aufgrund einer Schulter-Operation ausfiel, erst vor kurzem wieder ins Mannschaftstraining einstieg und sein letzter Startelf-Einsatz Mitte September war. „Ich kann meinem Körper in solchen Situationen nach Verletzungen vertrauen, auch nach dem Muskelbündelriss 2018 war ich recht schnell wieder fit“, sagte Klünter noch Anfang Januar zu seiner Rückkehr.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Dass die lange Verletzung nicht spurlos an ihm vorbei gegangen ist, merkte man allerdings zu Beginn der Partie. Herthas rechte Seite war besonders anfällig, gerade Jérôme Roussillon stellte Klünter vor großen Schwierigkeiten. Klünter selbst hatte Anfangs Probleme mit den Abständen, war oft ein Schritt zu spät oder zu weit vom Gegenspieler weg. Im Laufe der Partie steigerte er sich allerdings. So nahm Wolfsburgs Druck über die rechte Seite ab.

Der 25-Jährige hatte dann gegen Ende der Partie erneut Schwierigkeiten. Es war zu spüren, dass der Tank langsam leer wurde. So musste er öfter zu Fouls greifen und hatte am Ende Glück, nicht mit gelb-rot vom Platz zu fliegen. Mit 33,44 km/h war er immerhin der schnellste Spieler bei Hertha und ackerte unermüdlich auf der rechten Seite bis zum Abpfiff. Seine Rückkehr kommt zum richtigen Zeitpunkt, im Hinblick auf Herthas Personallage. Es bleibt zu hoffen, dass auch für Klünter die Rückrunde besser läuft als die Hinrunde.

Santi Ascacibar – Defensiv unermüdlich, Offensiv un-inspiriert

Wie die gesamte Mannschaft von Hertha BSC war auch von Santiago Ascacibar am Samstag offensiv wenig zu sehen. Zwar gab er zu Beginn der zweiten Halbzeit einen Schuss per Direktabnahme ab, dies war aber die einzige Aktion, die einen Hauch von Torgefahr mit sich brachte. Auch konnte er seine Mitspieler in der Offensive kaum in Szene setzen und fokussierte sich auf die Defensivarbeit.

Dies gelang ihm recht ordentlich: zwei Bälle konnte er abfangen und zwei weitere klären. Besonders auffällig war jedoch seine Passgenauigkeit: 87% seiner 73 Pässe fanden den richtigen Mitspieler (Höchstwert bei Hertha). Auch wenn diese meistens nach Hinten gespielt wurden, konnte er damit immerhin das Spiel beruhigen und vermied unnötige Ballverluste.

Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

In einzelnen Szenen zeigte er sich auch mal unkonzentriert und überhastet, wie in der 45. Minute, wo er mit beiden Beinen am Gegner vorbei grätschte und damit überspielt wurde. Auch bei Luftzweikämpfen konnte er in der Zentrale wenig Bälle behaupten – bei einer Körpergröße von nur 1,68m aber keine große Überraschung.

Der 24-Jährige Argentinier zeigte gegen Wolfsburg, warum er in solchen Spielen wertvoll sein kann. Es zeigte sich aber auch, dass das Duo Darida-Ascacibar im zentralen Mittelfeld nur sehr begrenzt dafür geeignet ist, durch die Zentrale eine Offensive anzukurbeln. Die Abwesenheit von Suat Serdar war dabei besonders stark zu verspüren.

[Titelbild: Stuart Franklin/Getty Images]

Hertha BSC – VfL Wolfsburg: Van Bommel vs. Dardai

Hertha BSC – VfL Wolfsburg: Van Bommel vs. Dardai

Auch wenn man als Hertha-Fan dicke Haut hat, nicht zuletzt aufgrund der zwei letzten Spielzeiten, war die Enttäuschung nach der Niederlage am ersten Spieltag in Köln groß. Jetzt ist im ersten Heimspiel der „alten Dame“ am Samstag ausgerechnet eine starke Mannschaft zu Gast, die aus einer großartigen Saison kommt. Doch wie gut ist denn der VfL Wolfsburg wirklich?

Ein Trainerwechsel, einige Neuzugänge, eine verrückte Episode im Pokal und ein erster Bundesligasieg gegen den Aufsteiger Bochum: Gesprächsstoff gab es rund um die Wolfsburger Mannschaft genug! Gerade deshalb haben wir uns mit Dennis (@WobTikal auf Twitter ) unterhalten. Er konnte unsere Fragen ausführlich und detailreich beantworten und mit ihm blicken wir auf die kommende Partie im Olympiastadion.

Ein Wechsel zu viel – Wolfsburg fliegt trotz Sieg aus dem Pokal

Hertha Base: Wir stellen direkt die unangenehme Frage, aber was ist deine Meinung zum kuriosen Pokalaus der Wolfsburger?

Dennis: „Kurios ist charmant formuliert – es ist halt vor allem sackdumm. Da muss man nicht groß drum herumreden, das muss in einem Verein funktionieren. Ein Ausscheiden wäre verdient.“

„Dass der VfL trotzdem Einspruch gegen das Urteil einlegt, kann ich trotzdem gut verstehen. Der 4. Offizielle wurde diverse Male gefragt, hat jedes Mal bestätigt, dass man noch mal wechseln dürfe, nur um direkt nach dem Wechsel (während des Wechsels war er zu sehr auf die Ecke konzentriert) darauf zu kommen, dass es doch anders ist. Also schreibt er es auf einen Zettel – den er dann verliert.“

„Das alles klingt sehr holperig und gerade die Tatsache, dass man im Urteil die Offiziellen komplett aus der Verantwortung genommen hat, was dem Regelwerk einfach widerspricht, sollte man noch mal besprechen. Weiterkommen sehe ich kritisch, aber ich fände es gut, wenigstens eine gute Begründung zu bekommen … Und wenn man mal ehrlich ist: Ich glaube nicht, dass man so ein Urteil bekommen hätte, wenn der betroffene Bundesligist Bayern München heißen würde.“

Van Bommel – warum der neue Coach eine faire Chance verdient

Foto: IMAGO

HB: Der Wechsel auf die Trainerposition hat ja für sehr viel Gesprächsstoff gesorgt. Jetzt ist Mark van Bommel als Coach bei euch, und einige Fans in Deutschland sehen ihn schon diese Saison wieder fliegen. Was stimmt dich optimistisch, dass es unter van Bommel eine erfolgreiche Zeit wird?

Dennis: „Ich gehe eigentlich immer optimistisch in eine Saison, auch was die Trainer angeht. Wenn man mal guckt – Labbadia, Glasner, die wurden auch zu Beginn nicht geliebt. Einer war sowieso falsch, der andere nur die B- oder C-Lösung. Am Ende war es dann wieder falsch, sich zu trennen. Jetzt dann also van Bommel. Ich kann mich nicht erinnern, wann zuletzt ein Trainer mit so einem negativen Bild in der Bundesliga debütiert ist. Selbst bei Stefan Effenberg hieß es “wart’s mal ab, der fuchst sich da richtig rein”. Und bei van Bommel reden alle vom Untergang, dass Wolfsburg vielleicht sogar in Abstiegsgefahr geraten würde.“

„Ich verstehe das nicht. Ich bin echt gespannt, was er aus dem VfL macht, wie seine Ideen greifen und wie sich das Team verändert. Selbstverständlich kann das schief gehen, keine Frage. Wir haben mit der Champions League jetzt einen Riesen-Belastungsfaktor dazubekommen, das kann sich in der Liga schon mal negativ auswirken. Aber eine Chance sollte man ihm geben. Sein Auftreten bisher finde ich sehr angenehm, selbst diese Blödheit aus dem Pokal wurde gut kommuniziert.“

Nach der Hammer-Saison – Wie sieht es beim VfL in 2021/22 aus?

Foto: IMAGO

HB: Was hat sich unter van Bommel spielerisch verändert? Wie will Wolfsburg diese Saison das Spiel gestalten?

Dennis: „Wolfsburg will vor allem das Spiel gestalten. Die Idee ist es, die Stärken des Teams zu nehmen (hervorragende Abwehrarbeit, stark im Pressing und Umschalten) und dieses um ein durchdachteres, ballorientierteres Offensivspiel zu ergänzen. Es werden wesentlich mehr Pässe gespielt, um Chancen zu generieren, am offensiven Positionsspiel wird gearbeitet. Das ist noch lange nicht abgeschlossen, aber man merkt, dass die Mannschaft daran Spaß hat.“

HB: Ihr habt ja im Sommer ordentlich viel Geld ausgegeben, für Spieler wie Nmecha, Bornauw, Phlipp usw. Ist Wolfsburg bereit für die Doppelbelastung mit der CL?

Dennis: „Noch nicht. Die geholten Spieler sind bisher dafür geholt wurden, um die Spitze etwas breiter zu machen, etwas flexibler zu sein. Phillip war ja ohnehin schon da und hat am Ende der letzten Saison gezeigt, dass er angekommen ist, Bornauw, Nmecha und auch Vranx sind alternativen zu Spielern, die letzte Saison praktisch durchgespielt haben.“

„Trotzdem fehlt es vor allem auf den offensiven Flügelpositionen noch an Möglichkeiten und vor allem Geschwindigkeit, gerade wenn man neben Joao Victor jetzt auch noch Brekalo abgeben sollte, wonach es aktuell aussieht. Hier kann ich noch nicht einschätzen, inwiefern die beiden Nmechas oder auch Marmoush da helfen können, ich denke aber schon, dass da noch wer kommen sollte. Davon ab denke ich, dass der Kader gerüstet ist.“

Wolfsburgs stabile zentrale Achse und Torgarant Wout Weghorst

Foto: IMAGO

HB: Casteels im Tor, Lacroix, Brooks und Bornauw in der IV und Gerhardt, Arnold, Schlager, Guilavogui im ZM: eure zentrale Achse kann sich echt sehen lassen! Wird der VfL dadurch wieder so stabil wie letzte Saison?

Dennis: „Schön wär’s, nix hätte ich lieber. Aber: Ganz so einfach wird es nicht. Letzte Saison hat die Mannschaft praktisch jedes Spiel komplett gleich gespielt. Spiel für Spiel. So sehr, dass es unter den Reservespielern für Unmut gesorgt hat, den die Mannschaft aber intern geklärt hat, was ich echt beeindruckend finde. Das wird dieses Jahr nicht funktionieren, allein die intensiven Champions League Spiele werden das verhindern.“

„Und so müssen auch mal andere Spieler spielen und selbstverständlich sorgt das für den Verlust an Stabilität und Souveränität. Damit muss man umgehen lernen, da werden sicher auch ein paar Punkte auf der Strecke bleiben, das ist aber für einen Club dieser Größe normal und kein Stück dramatisch. Das Gerüst steht und ist einfach sehr, sehr gut, kennt sich seit Jahren und wird immer weiter gut ergänzt.“

HB: Weghorst ist vorne natürlich eure beste Waffe. Traust du ihm diese Saison wieder 20 Tore zu?

Dennis: „Na sicher. Wout ist eine Waffe, nicht nur durch seine Tore sondern auch durch seine unglaubliche Nervigkeit. Dieses ständige Anlaufen und Pressen nimmt jedem Gegner den Spaß. Und wenn er seine Chancenverwertung aus dem ersten Spiel gegen Bochum ein bisschen optimiert, dann wird es wieder eine ganze Menge Tore geben (…).”

Welche Schwächen hat Wolfsburg? Kann Hertha punkten?

HB: Hat eure Mannschaft denn überhaupt Schwächen? Was könnte Hertha tun, um Wolfsburg doch noch vor Schwierigkeiten zu stellen?

Dennis: „Nein. Eine Mannschaft ohne Schwächen 😀 Na sicher hat sie das. Die erste Elf ist sehr, sehr homogen, zweikampfstark und körperlich kann sie voll dagegenhalten. Was ihr ein wenig abgeht, ist das Tempo, dazu sind unsere Außenverteidigerpositionen durch die Verletzungen von William und Paolo “die Schere” Ottavio dünn besetzt. Gerade hinten links ist der wieder aufblühende Roussillion konkurrenzlos.“

„Die Hertha kann und wird vor allem versuchen, über Ballgewinne schnell hinter die Abwehr zu kommen, die traditionell sehr hoch steht. Lacroix und Brooks sind sehr schnelle Innenverteidiger, trotzdem ist es natürlich möglich, sie zu überlaufen. Das ist ne gute Chance. Sonst sind Standards immer ne gute Sache, die man gut nutzen kann.“

HB: Zum Abschluss: was ist dein Tipp für Samstag?

Dennis: Ich glaube, dass es kein besonders hübsches Spiel wird, dass der VfL 1:0 gewinnen wird.

Vielen Dank an Dennis für das Interview!

Der Blick auf Hertha BSC

Foto: IMAGO

Eine schwierige Aufgabe also, die auf Pal Dardais Mannschaft im Olympiastadion wartet. Umso ärgerlicher, dass noch viel Ungewissheit im Kader herrscht. Ob Matheus Cunha noch im Hertha-Dress auflaufen wird, ist unklar. Zudem warten Hertha-Fans sehnsüchtig auf weitere Spielerzugänge für die Außenpositionen. Immerhin wird „Dachschaden“-Davie Selke wieder zur Verfügung stehen, sowie Kapitän Dedryck Boyata. Auch Neuzugang Marco Richter, der in Köln eingewechselt wurde, könnte eine größere Rolle spielen.

Trotzdem scheinen die Blau-Weißen aktuell noch weit entfernt von der Stabilität zu sein, die gerade die Wolfsburger ausstrahlen. Hertha muss gegen die Wolfsburger mit allen Mitteln versuchen, irgendwie zu punkten, um einen Fehlstart zu vermeiden. Null Punkte aus drei Spielen würden nämlich drohen: der nächste Gegner heißt … FC Bayern München.

Mit einer großartigen Kulisse im Olympiastadion wird wohl nach den letzten Schätzungen und mit dem Fehlen der Ultras nicht zu rechnen sein. Man kann jedoch hoffen, dass sich die Mannschaft von Pal Dardai anders präsentiert und sich insbesondere kämpferischer zeigt als noch vergangenes Wochenende in der Domstadt. Inspirieren lassen können sich die Spieler am Samstag sicherlich von ihren Trainern: sowohl Van Bommel als auch Dardai mussten sich diesbezüglich in ihrer Spielerkarriere nicht verstecken. Ob das Trainerduell zwischen den Beiden auf der Seitenlinie genauso kämpferisch ablaufen wird, wie damals auf dem Platz, werden wir beobachten können.

(Titelbild: IMAGO)

Vorschau: Ein Hauch Optimismus gegen bissige Wölfe

Vorschau: Ein Hauch Optimismus gegen bissige Wölfe

Vierte Niederlage in Folge, dazu eine gelb-rot-Sperre von Zeefuik und das Gefühl, dass eigentlich mehr drin gewesen wäre. Der Auftritt in Leipzig war in Bezug auf den Ertrag wahrlich einer zum Vergessen. Spielerisch hingegen wusste Hertha durchaus zu überzeugen und mit ein bisschen mehr Konzentration und weniger Missgeschick im eigenen Strafraum wäre für die „Alte Dame“ ein Punktgewinn durchaus im Bereich des Machbaren gewesen. So stehen am Ende zwar nur drei Punkte nach fünf Spielen, aber immerhin auch die Erkenntnis, dass die Mannschaft zweifelsohne die Qualität hat, an guten Tagen sogar mit den Großen mitzuhalten. Diesen Schwung gilt es nun, gegen Wolfsburg mitzunehmen.

Um den bestmöglichen Einblick in die Lage beim VfL zu bekommen, haben wir mit Wolfsburg-Expertin Becci gesprochen und sie unter anderem gefragt,  woher die neu gewonnene defensive Stabilität der „Wölfe“ kommt.

Ungeschlagen und doch unzufrieden?

Am Sonntag gab es für Wolfsburg gegen Bielefeld den ersten Saisonsieg. (Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Zusammen mit Leipzig und Leverkusen ist der VfL nach fünf Spieltagen das einzige ungeschlagene Team der Liga. Zudem stellt das Team von Oliver Glasner mit drei Gegentoren die zweitbeste Defensive.

So viel zur einen Seite der Medaille. Auf der Kehrseite stehen hingegen Platz 10 und überschaubare vier selbst erzielte Tore. Becci konstatiert die Situation wie folgt: „Es fehlen einfach die Tore. Wenn man sich auf das Spiel gegen den Ball konzentrieren will, dann muss wenigstens die Chancenverwertung stimmen, und die stimmt hinten und vorne nicht. Vor diesem Hintergrund sehe ich wenig Gründe, mich über ein uninspiriertes 0-0 zu freuen. […] Es ist wie so oft beim VfL: Was auf den ersten Blick eigentlich ganz ok aussieht, hinterlässt auf den zweiten einen faden Beigeschmack.

Ich hoffe wirklich sehr, dass das Spiel gegen die Arminia auch in der Art, wie es lief, ein Weckruf war, der die Mannschaft auch spielerisch auf den richtigen Weg zurückgeholt hat. Gefühlt sind wir jetzt so richtig in der Bundesligasaison angekommen und es sollte bergauf gehen. Bis zum Spiel gegen die Bayern im Dezember warten sechs absolut schlagbare Gegner auf uns. In den nächsten Wochen wird sich also zeigen, wie viel der Funken von Zufriedenheit und Optimismus, den die letzten Wochen in mir entzündet haben, wert ist.“

Was nicht gerade förderlich für die Zufriedenheit und den Optimismus ist, ist das Abschneiden des VfL in der diesjährigen Europa League-Saison, in der man in den Playoffs gegen AEK Athen ausschied. Doch wie so viele Aspekte bei den Wolfsburgern lassen sich auch hier zwei Sichtweisen erkennen: Zum einen natürlich die Enttäuschung ob der blamablen Vorstellung, zum anderen aber auch die Erkenntnis, „dass wir uns aufgrund des Pandemiegeschehens ja ohnehin schon in einer unglaublich eng getakteten Saison befinden [und deswegen] auch eine gewisse Erleichterung über den Wegfall der Doppelbelastung wahrnehmen. Dadurch, dass in der Liga ja lange der erste Sieg fehlte, bestand schon früh die Sorge, wieder in die abstiegsbedrohten Gefilde der Saisons 16/17 und 17/18 zu geraten – und das will wirklich niemand, zu schwer wiegen die Erfahrungen und aus zwei Mal Relegation. Wenn man das Ausscheiden also von der positiven Seite aus betrachten will, dann lässt sich festhalten, dass es gerade in diesem Jahr vielleicht wichtigeres gibt als die Europa League.“

Die Abkehr vom Ballbesitzfußball

Wolfsburg-Coach Oliver Glasner verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz als Vorgänger Labbadia. (Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)

Wenn Hertha am Sonntagabend auf Wolfsburg trifft, ist das für Bruno Labbadia eine Reise in die Vergangenheit. Bis zum Sommer 2019 leitete der jetzige Hertha-Trainer die Übungseinheiten in der Autostadt und ließ viele seiner Kritiker verstummen. War er nach seiner Zeit beim HSV vor allem als „Retter“ abgestempelt worden, zeigte er in Wolfsburg eindrucksvoll, dass er sehr wohl in der Lage ist, ein Team spielerisch weiterzuentwickeln. Als eines von wenigen Teams wollte der VfL den Ball haben und wusste damit etwas anzufangen.

Schaut man sich die Spiele der Wolfsburger heute an, wirken diese Eindrücke, als seien sie aus einer anderen Zeit. Der Ansatz von Oliver Glasner ist ein gänzlich anderer. Der Fokus liegt auf schnellen Kontern und defensiver Stabilität. Die Zahlen belegen das Ganze eindrucksvoll. Selbst im Heimspiel gegen Aufsteiger Bielefeld kamen die „Wölfe“ nur auf 49 Prozent Ballbesitz.

Das Spiel mit dem Ball ist eindeutig nicht das Kerngeschäft der Mannschaft. Daher spielt es eine große Rolle, dass die Arbeit gegen den Ball funktioniert – und das tut sie, wie Becci sagt: „Umso froher bin ich, dass die Defensive sich so stabil gezeigt hat in den letzten Wochen. Spieler wie John Anthony Brooks – vergangene Saison aufgrund seiner Leistungen noch oft das Ziel von Häme und Ärger – zeigen plötzlich gute Leistungen, und unser Kapitän Josuha Guilavogui hält die Mannschaft im Spiel gegen den Ball zusammen. All das passt zum defensiven, auf Konter ausgerichteten Fußball von Oliver Glasner, und sorgt dafür, dass Gegentore aktuell wirklich nicht unser Problem darstellen.“

Offensiv dagegen drückt der Schuh, trotz eines Stürmers wie Wout Weghorst, den wohl die Mehrheit aller Bundesligisten gern im Kader hätte: „Das höchste aller Gefühle sind offensive Anstrengungen zu Spielbeginn bis ein erstes Tor fällt. Spätestens dann verfällt die Mannschaft wieder in eine reine Verteidigungshaltung, die alles andere als souverän wirkt. Aus der Kombination von allgemein wenig Zug nach vorne und der miserablen Chancenverwertung der letzten Wochen speist sich dann eben eine Zahl wie vier Tore aus fünf Spielen.“, sagt Becci.

Herthas Hoffen auf Guendouzi

Auch in Herthas Spiel läuft in dieser frühen Phase der Saison längst noch nicht alles rund. Eine Baustelle soll nun Neuzugang Matteo Guendouzi beheben. Auf seinem – aufgrund von Corona verspätetem – erhoffen sich viele einen Schub für die gesamte Mannschaft. Davon abgesehen kann Labbadia mit Ausnahme des Gesperrten Zeefuik sowie der Langzeitverletzten Torunarigha und Ascacibar aus dem Vollen schöpfen, um den zweiten Saisonsieg ins Visier zu nehmen.  

*Titelbild: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Warum Labbadia der Richtige für Hertha ist

Warum Labbadia der Richtige für Hertha ist

Trainer Nummer vier in der aktuell noch ruhenden Saison: Bruno Labbadia ist neuer Hertha-Chefcoach. Am Montag ist der 54-Jährige bei der Pressekonferenz in Berlin offiziell vorgestellt worden. Für zunächst zwei Jahre soll er die Profi-Mannschaft von Hertha BSC leiten. Eine große Überraschung ist die Nachricht nicht völlig: der Name „Labbadia“ geisterte bereits bei der Entlassung von Ante Covic im vergangenen Winter, und sogar als die Amtszeit von Pal Dardai zu Ende war, durch die Medien. Traineralternativen, die Arbeit des Managers oder den Zeitpunkt der Verpflichtung soll zunächst kein großes Thema sein: an diesem Ostersonntag wollen wir uns darauf konzentrieren, was für ein Trainer Bruno Labbadia überhaupt ist. Was er bisher geleistet, in seinen letzten Clubs für Spuren hinterlassen hat und wie seine Ausgangslage bei der „alten Dame“ aussehen wird.

Zur Seite standen uns dazu Sven als HSV- und Dennis als VfL Wolfsburg-Experte. Sven (auf Twitter @SvenGZ) ist HSV-Blogger und -Podcaster beim „HSV-Talk”, wo er auch über Bruno Labbadia in einer kurzen Podcastfolge sprach. Dennis (auf Twitter @WobTikal) half uns bereits im letzten Vorbericht gegen den VfL, die Wolfsburger besser einzuschätzen.

Vorgezogene Sommerpause als Wechsel-Gelegenheit

Labbadia kommt also zu Hertha BSC, zusammen mit seinem Staff bestehend aus Eddy Sözer, Günter Kern und Olaf Janßen. Und das nicht erst im Sommer, sondern bereits in der Corona-bedingten Ruhephase der Saison, die Michael Preetz als „vorgezogene Sommerpause“ bezeichnet. Der neue Coach soll also auch in der kommenden Saison Hertha trainieren. Dass Interimstrainer Alexander Nouri nur noch die „Lame Duck“ war, war kein Geheimnis. Von der Klubführung wurde bereits deutlich gemacht, dass im Sommer ein anderer Fußballlehrer die Mannschaft leiten würde.

Zum Teil lassen sich auch aus Spielerinterviews Zeichen herauslesen, dass der Nouri nicht mehr zu hundert Prozent bei der Sache war. Beispielsweise behauptete Maximilian Mittelstädt, sein Trainer hätte ihn während dessen Quarantäne nicht einmal kontaktiert. Jetzt herrscht wieder Klarheit und die Trennung mit Jürgen Klinsmanns Team ist endgültig vollzogen – bis auf Arne Friedrich ist kein Mitarbeiter mehr bei Hertha beschäftigt, der zusammen mit Klinsmann kam. Torwarttrainer Zsolt Petry, die Athletiktrainer Henrik Kuchno und Hendrik Vieth bleiben dem Hertha-Stab erhalten. Labbadia bei seiner ersten Pressekonferenz bei Hertha: “Hertha war mein Wunschverein im Sommer, jetzt auch. Ich sehe in der Mannschaft und im Verein Potenzial. In meiner Situation ist mir wichtig, mit welchen Menschen ich arbeite. Ich muss nicht mehr alles machen. Die Gespräche mit Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer haben mir richtig gut gefallen. Auch die Menschen, die ich bisher hier getroffen habe.”

Noch lange bevor die Zusammenarbeit offiziell wurde – kurz nach dem Abgang von Jürgen Klinsmann – wurde der Manager auf der danach stattfinden Pressekonferenz befragt, ob nun einer der in der Bundesliga üblichen Verdächtigen nun übernehmen würde, wie beispielsweise ein Labbadia. Preetz’ etwas genervte Antwort lautete damals: „Entschuldigung, aber wir sprechen über einen Kollegen, der in den letzten Jahren in der Bundesliga sehr, sehr gute Arbeit geleistet hat.“ Ein Schelm, wer hier eine Verbindung erkennen will. Die Aussage vom Hertha-Manager wollen wir aber überprüfen: Wie ist Labbadias Arbeit in den letzten Jahren zu bewerten? Hier wechseln wir unsere Hamburger und Wolfsburger Experten ein.

Eine Dino-Rettung in zwei Akten

Beim HSV hatte Bruno Labbadia sogar zwei Amtszeiten. Sven fasst diese für uns zusammen: „In der ersten Amtszeit (2009/10) spielte der HSV zu Anfang einen wunderbaren, vielleicht sogar seinen besten Fußball der 2000er Jahre. Top motiviert und auch taktisch gut aufgestellt. Im Frühjahr 2010 verlor die Mannschaft jedoch das Vertrauen in Bruno, der mit Rückschlägen schlecht umgehen konnte und so wurde er entlassen, obwohl man im Halbfinale der Europa League, deren Finalort in diesem Jahr Hamburg war, stand. Ehrlich gesagt blutet mir bei dem Gedanken daran immer noch das Herz.“

Einige Jahre später kehrte der gebürtige Darmstädter nach Hamburg zurück: dieses Mal in einer ganz anderen Rolle. Er habe seine Geschichte beim HSV als „unvollendet“ gesehen und versuchte sich dieses Mal als Feuerwehrmann. „In der zweiten Amtszeit (April 2015 bis September 2016) schaffte Labbadia ein kleines Wunder. Sechs Spieltage vor dem Saisonende war der HSV quasi abgestiegen, die Mannschaft tot und die Lage hoffnungslos. Bruno hauchte dem Team den Glauben an sich selbst ein und man schaffte noch die Relegation gegen Karlsruhe und schlussendlich den Klassenerhalt.“

Und trotz dieses Erfolgs genoss Labbadia kein allzu großes Vertrauen beim ehemaligen Bundesliga-Dino. „Eine Mannschaft zu stabilisieren, spielerisch und taktisch zu formen war nicht sein Ding und auch wenn die Saison 2015/16 auf Platz 10 (41 Punkte) abgeschlossen wurde, mehrten sich die Zweifel an seinem Wirken und so wurde er nach einem Fehlstart in die Saison 2016/17 (1 Punkt aus 5 Spielen) beurlaubt“, erinnert sich Sven.

Stärken und Schwächen in Hamburg

Dennoch hat Labbadia damals seine Stärken aufzeigen können, zu denen Sven folgende zählt: „Motivation und Zusammenhalt erzeugen! 2015 hat er binnen kürzester Zeit aus den Spielern eine Einheit geformt, hat ihnen positives Denken eingeimpft und so den Klassenerhalt ermöglicht. Übrigens sehen das die Spieler auch so (…). Die Veränderung war also weniger taktischer, denn moralischer Natur.“

Die damaligen Defizite des Ex-Trainers hingegen schätzt Sven folgendermaßen ein: „Vielleicht kann man herauslesen, wie sehr mir diese Rettung 2015 in Erinnerung geblieben ist, allerdings kann sie auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Labbadia es nicht geschafft hat, das Team nachhaltig zu stabilisieren, oder gar weiterzuentwickeln.“ Allerdings ordnet Sven seine Aussage auch im chaotischen HSV-Kontext ein und führt aus: „Wie weit dies zu dieser Zeit in Hamburg überhaupt möglich war, ist allerdings mehr als fraglich, da sich am HSV seit Jahr und Tag die Trainer die Zähne ausbeißen.“

Die Eindrücke unseres HSV-Experten bestätigen zunächst das, was allgemein über Labbadia gesagt wird. Er sei ein Arbeiter, Motivator und Feuerwehrmann, der seine Stärken vor allem im Aufbau einer soliden Mannschaft hat, seine Grenzen jedoch in der spielerischen Weiterentwicklung seiner Mannschaft findet. Ob sich das auch in Wolfsburg bewahrheitet hat, besprechen wir mit unserem VfL-Experten Dennis. Auch er beschreibt die Zeit beim VfL unter Bruno Labbadia:

„Wir steigen ab, wir kommen nie wieder…“

„Bruno kam zu uns, nachdem Martin Schmidt für Außenstehende sehr überraschend nach einem knappen 1:2 gegen die Bayern zurückgetreten ist”, erinnert sich Dennis an den Februar 2018, “Er hatte früh in der Saison von Andries Joncker übernommen, man war vorsichtig optimistisch, umso erschreckender war der Rücktritt. Und dann holt man Bruno Labbadia. Es wirkte wie eine reine Verzweiflungstat, roch nach purer Panik.“

„Die Abstiegsränge kamen immer näher und die Stimmung wurde nicht besser, dauerte es doch sechs Spiele, bis der erste Sieg eingefahren werden konnte. Das größte Problem bekam er auch erstmal nicht in den Griff: Die Lethargie, die diese Mannschaft ausstrahlte, war erschreckend. So kam es auch zum Bruch mit den Fans (“wir steigen ab und kommen nie wieder, denn wir ham Bruno Labbadia”). Es folgten noch einige Niederlagen, teilweise schlimme Spiele, bis dann am letzten Spieltag gegen die mausetoten Kölner der “rettende” Sieg geholt wurde. Relegation. Schon wieder.”

“Die wurde dann, den Umständen entsprechend, ganz okay überstanden und es ging in die neue Saison. Einen völlig unausgereiften Kader reorganisieren, neu motivieren, vorantreiben”, beschreibt Dennis die damalige Aufgabe Labbadias. Wie also verlief die Wandlung von der knappen Rettung in der Relegation zu einer offensivstarken Mannschaft mit europäischen Ambitionen?

Von der Relegation zur Europa League

Auch das erklärt uns Dennis: „Das erste war: Fitness. Gemeinsam mit Eddy Sözer wurde die Mannschaft getrimmt, eine Sache, die ihr ganz schön abging. Der Kader wurde analysiert, einige Spieler aussortiert oder, wie im Falle von Divock Origi, gehen gelassen und so wurde viel am Zusammenhalt geschraubt. Das hat toll funktioniert. Die Mannschaft funktionierte ganz anders, fightete, war erfolgreich.“ Einmal mehr hatte es Labbadia also geschafft, eine Mannschaft zu einer Einheit zu formen, welche die wichtigsten Tugenden des Fußballs lebte.

„Die Spielweise selbst war gar nicht so anders, als sie es unter Schmidt war. Aber mit Weghorst war ein anderer Stürmer involviert, der durch seine Laufstärke und Nervigkeit zum Spiel passte. Das war erfolgreich, man kam in einen positiven Lauf und plötzlich klappte fast alles. Auch unter Labbadia gab es schlechte Spiele, aber in Summe hat er eine Mannschaft genommen, die am Boden lag und hat sie aufgebaut, Motiviert, zusammengeschweisst und die Spielweise optimiert, ohne sie umzuwerfen. Das hat ein bisschen gedauert, aber es hat geklappt. Es war längst nicht alles Gold, was glänzt – das wird in Anbetracht des 8:1 an seinem letzten Spieltag gerne übersehen. Aber es war positiv.“

Am Saisonende lief der Vertrag von Labbadia aus und wurde nicht verlängert. Auch da hatte es verschiedene Gründe, ein wichtiger Grund war jedoch der längere Konflikt mit dem Geschäftsführer Sport Jörg Schmadtke. Doch was blieb nach seinem Abgang noch übrig?

„Ich finde, der Zusammenhalt im Team ist deutlich gewachsen. Das Gefühl, ein mündiges Team zu haben, das hält heute noch an. Als Glasners Taktik einfach nicht mehr richtig funktionieren wollte, stand die Mannschaft auf und diskutierte mit dem Trainer – der Schritt zurück zum erfolgreichen 4-3-3 aus der Vorsaison funktionierte prima. Ich glaube nicht, dass es das vorher so gegeben hätte. Er nahm einen Kader, der offensichtlich nicht funktionierte, zu viele Eigenbrödler (Origi, Didavi…) besaß und formte gemeinsam mit Schmadtke daraus ein Team. Er erreichte die Mannschaft immer und hatte oft gute Lösungen für den Gegner.“

Über 4-3-3 und Offensivfußball

Unsere Experten haben also unterschiedliche Situationen mit demselben Trainer erlebt. Die knappe Rettung beider Klubs als einzigen Erfolg zu sehen, würde allerdings zu greifen. Auch Labbadia zeigte mehr Qualitäten, als nur die eines „Feuerwehrmannes“. Doch was für ein Fußball wird er in Berlin wohl spielen lassen?

Wie bereits von Dennis angesprochen, lässt Labbadia am liebsten im 4-3-3 spielen. Dieses System versuchte er mit überdurchschnittlich viel Ballbesitz und einer offensiven Grundausrichtung zu leiten. Gerade beim VfL Wolfsburg funktionierte es phasenweise sehr gut und es ist davon auszugehen, dass er eine ähnliche Spielweise auch bei der „alten Dame“ einbringen wird. Da Hertha eigentlich schon seit den Zeiten unter Jos Luhukay bereits an ein 4-3-3/4-2-3-1 gewöhnt ist, sollte die Ausrichtung Labbadias gut nach Berlin passen.

An dieser Stelle empfehlen wir die Folge des “Immerhertha”-Podcast zu Bruno Labbadia. Dort sprechen die Journalisten unter anderem auch über die Qualitäten von Bruno Labbadia als “Offensivtrainer”.

„Mein Team und ich freuen uns total auf diese Aufgabe“, sagte Labbadia, nachdem seine Verpflichtung offiziell wurde, und ergänzte: „Es liegt viel Arbeit vor uns“. Arbeit ist ein gutes Stichwort, denn gerade als Arbeiter ist der gebürtige Darmstädter bekannt. Auch die Spieler bei Hertha BSC sollten gewarnt sein. Gerade auf fleißige, hart arbeitenden Mentalitätsspieler legt der 54-Jährige viel Wert.

Für Statistiken- und Zahlen-Liebhaber lohnt sich natürlich ein Blick auf die historische Punkteausbeute des neuen Hertha-Coaches. In seinen zwei kompletten Spielzeiten in der Bundesliga holte er 2015/2016 mit dem HSV im Durchschnitt 1,21 Punkte pro Spiel, 2018/2019 mit dem VfL dafür 1,62 Punkte pro Spiel.

Im Vergleich dazu bietet sich in den letzten Jahren die Bilanz von Pal Dardai an: 2015/2016 holte er 1,47 Punkte pro Spiel, 2016/2017 noch 1,44. 2017/18 und 2018/2019 waren es nur noch 1,26. Die letzten drei Hertha-Trainer diese Saison holten nicht mehr als 1,25 Punkte pro Spiel (Alexander Nouri in vier Partien).

Mit Labbadia eine Wiederauferstehung für Hertha?

Gerade die Kritik, Hertha könne die notwendigen Schritte für seine Ambitionen nicht einfach mit Millionen-Beträgen von Lars Windhorst und großen Sprüchen überspringen, war zuletzt oft zu lesen und zu hören. Eine kaputte, verunsicherte und womöglich auch schlecht zusammengestellte Mannschaft wieder aufzubauen ist der Schritt, den Hertha BSC jetzt braucht. Gerade ein solcher Schritt dauert bekanntlich länger als eine Saison. Die zwei Jahre Vertrag, die Bruno Labbadia zunächst als Cheftrainer bei Hertha BSC bekommt, könnten allerdings genau dieser „kleinere“, wichtige Schritt sein, die der Haupstadtklub beschreiten muss, um nach höheren Sphären zu greifen.

Der gebürtige Darmstädter scheint für so etwas genau der Richtige zu sein. Gerade in Wolfsburg hat er bewiesen, dass genau das seine Stärke ist. Auch seine Vorliebe für Offensivspiel könnte die Sehnsucht der „alten Dame“ nach attraktiverem Fußball befriedigen. Die große Frage bleibt: wird man ihm in Berlin die Zeit lassen? Gerade die Wunschvorstellung von Investor Lars Windhorst, mit Hertha bereits in den nächsten Jahren europäisch vertreten zu sein, könnte problematisch werden. Fehlende Geduld der Vereinsführung hatte bereits in Hamburg und Wolfsburg zu Spannungen mit dem Trainer geführt, und auch in Berlin wäre ordentlich Konfliktpotenzial vorhanden.

Doch zunächst kann an der Spree ein Stück weit Vertrauen zurückkehren: der neue Cheftrainer von Hertha BSC bringt alles mit, um die Mannschaft aufzurichten, sie als Team zu besserem Fußball zu führen und vor dem Abstieg zu bewahren. Quasi eine Wiederauferstehung des Berliner Klubs also. Sollte ihm das gelingen, wäre das bereits ein großer Erfolg. Mit Labbadia ist der Realismus nach Berlin zurückgekehrt, ein Schritt nach dem anderen gehen zu müssen und nicht bereits vom fünften zu reden, während man beim dritten noch droht zu stolpern.

Labbadia will’s wissen

Und während Hertha gewillt ist, aus seinen Fehlern der Vergangenheit zu lernen, scheint Labbadia das bereits getan zu haben. Der 54-Jährige soll bei seinen ersten Stationen menschlich noch als recht schwierig gegolten haben, hinzu kamen seine taktischen Defizite. Labbadia ist allerdingsein immer größerer Teamplayer geworden (immerhin haben Schmadtke und er die Saison trotz ihrer Differenzen noch gemeinsam zu Ende gebracht) und hat auch fußballerisch dazugelernt. In den Zeiten, in denen er ohne Traineramt war, hat er sich bei anderen Vereinen weitergebildet und so ließ er bei Wolfsburg schon einen deutlich besseren Fußball spielen als noch bei seinen vorherigen Stationen. Bei Hertha will Labbadia nun endgültig den Imagwechsel vollziehen – weg vom Feuerwehrmann, hin zum Entwickler.

Wenn man es so formulieren will, vereint Labbadia das beste aus den letzten Hertha-Trainern in sich: er bringt die Akribie und lange Bundesliga-Erfahrung eines Pal Dardai mit sich, zusätzlich den fußballerischen Anspruch eines Ante Covic und schlussendlich die Gelassenheit eines Jürgen Klinsmann, der bereits alles im Fußball gesehen hat und daher eine gewisse Gelassenheit ausstrahlt. Labbadia ist zwar “schon” 54 Jahre alt, was bei den Nagelsmännern und Kohfeldts dieser Liga bereits rüstig daherkommen könnte, aber der Mann hat noch nicht fertig – im Gegenteil, Labbadia will es allen beweisen, dass er mehr kann, als nur zu retten. “Unser Spiel bedarf vieler Sprints und Tempoläufe. Wir werden in allen Bereichen arbeiten: Athletik, Organisation, Taktik. Das findet nicht nur auf dem Platz statt. Das wird sehr intensiv. Einige sagen, es ist zu intensiv. Aber das ist unser Spiel. Für mich ist es ein geiles Spiel. Ich habe Bock auf Fußball. Ich lasse mir die Freude am Fußball nicht mehr nehmen. Ich will das leben”, gab sich Labbadia bei seiner Antritts-PK hoch motiviert.

Dieses Feuer kann Hertha sehr gut nutzen, auch weil der neue Trainer durch seine Ambitionen sicherlich nicht als Ja-Sager auftreten und somit Michael Preetz Paroli bieten wird. Schaffen es Geschäftsführer und Trainer, diese potenziellen Reibungen konstruktiv zu nutzen, kann etwas entstehen. Hier sind beide Seiten gefordert. “Ich habe Michael Preetz sofort zu dieser sehr guten Lösung gratuliert”, berichtete Frankfurts Sportvorstand und Ex-Hertha-Profi Fredi Bobic der BamS, “Bruno ist menschlich eine Eins mit Sternchen, ein total gerader Typ, extrem motiviert. Er gehört sicher zu den Top-3-Lösungen, die der Markt gerade zu bieten hat.” Auch Bobic kann bezeugen, dass Labbadia an sich gearbeitet hat: “Er will immer den totalen Erfolg, das treibt ihn an. Er ist sehr erfahren, aber nicht mehr ganz so verbissen wie früher.“ Von einem abgehalftertem Verwalter kann bei Herthas neuem Übungsleiter also keinesfalls die Rede sein.

„Bittersüße“ Abschiedsgrüße

Gerade bei Fußballtrainern zählt auch die Art und Weise des Abschieds eine Rolle. Genauso wichtig, wie die reinen sportlichen Zahlen, ist der Eindruck, den Trainer in alter Wirkungsstätte hinterlassen. Deshalb haben wir unsere Experten gefragt, was sie Ihrem Ex-Trainer heute noch sagen würden.

Sven würde folgendes loswerden: „Ich würde Bruno darauf hinweisen, dass er es bei seinem ersten Versuch nicht geschafft hat mit einer guten Mannschaft (Vereins-) Geschichte zu schreiben, ihm dies fünf Jahre später jedoch gelungen ist. Dafür würde ich ihm danken und ihm das Versprechen abnehmen, es nicht noch einmal zu versuchen!“

Auch die Abschiedsbotschaft von Dennis an Labbadia ist eher in der Kategorie „Bittersüß“ einzuordnen: „”Danke.” Und auch – da werden einige VfL-Fans aber lautstark einer anderen Meinung sein: “Ist besser so gewesen, für alle”. Denn wenn Bruno Labbadia in seiner Karriere was gezeigt hat, dann, dass er Mannschaften retten kann, zusammenraufen, das Beste herausholen. Woran er häufig scheiterte, war der nächste Schritt, weg vom Optimieren, hin zum Entwickeln. Und ich hatte gegen Ende seiner Zeit hier und da schon das Gefühl, dass es knirschte, die Zusammenarbeit mit Schmadtke war offenkundig kein großes Vergnügen für ihn, deswegen: Vielen Dank Bruno. Alles Gute.”

Bei beiden Experten ist trotz der Trennung auffällig, dass eine gewisse Dankbarkeit bleibt, was nicht selbstverständlich und eher ein gutes Zeichen ist. Die meisten Hertha-Fans würden beispielsweise bei Jürgen Klinsmann gar keine Worte mehr brauchen. Eine simple Handgeste wäre sicher ausreichend.

Die Messlatte wurde also durch Klinsmann so dermaßen tief gesetzt, dass dem neuen Hertha-Trainer etwas Druck abgenommen wird. Als neuer Trainer wird Labbadia zum Start trotz vieler Vorurteile ein gewisses Grundvertrauen von Fans und Umfeld erhalten – vielleicht auch, weil dieser Artikel aufzeigt hat, dass die Ressentiments einiger Anhänger gegenüber Labbadia unbegründet sind. Zumindest so lange, wie er nicht plötzlich anfängt Facebook-Live Sitzungen zu organisieren und sich mit „Hahohe, euer Bruno“ zu verabschieden.

Herthaner im Fokus: VfL Wolfsburg – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: VfL Wolfsburg – Hertha BSC

Nein, es war kein schönes Spiel, welches sich am Samstagnachmittag in Wolfsburg zugetragen hatte. Doch hält man es mit der “alten Dame” aus Berlin, wird einem das “wie” aufgrund des Endergebnisses einigermaßen egal gewesen sein. Mit 2:1 haben die Blau-Weißen die Begegnung mit dem VfL Wolfsburg in nahezu letzter Minute für sich entschieden, sodass man nach den Niederlagen der Konkurrenz mit immerhin fünf Punkten auf den Relegationsrang etwas aufatmen kann. Es folgen Herthaner, die wir in den siegreichen 90 Minuten besonders beobachtet haben.

Maxi Mittelstädt – Chance genutzt?

Das Trainerteam wartete am Samstag mit einigen Überraschungen in der Startelf auf, so gab unter anderem Maximilian Mittelstädt nach knapp zwei Monaten sein Comeback in Herthas Anfangsformation. Mehr Dampf über die linke Seite versprach man sich von dieser Entscheidung, da Aushilfskapitän Marvin Plattenhardt diesem Anspruch zuletzt nicht genügte. Der Plan sollte aufgehen.

Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images

“Wir haben gespürt, dass  Maxi dran war, weil er klasse trainiert hat in den letzten Wochen. Er war wirklich richtig frisch. Und so hat er auch gespielt. Er hat ein überragendes Spiel gemacht. Auf der linken Seite war richtig Leben drin”, war Jürgen Klinsmann gegenüber dem Berliner Kurier angesichts der Leistung Mittelstädts voll des Lobes. Mehr Zug nach vorne hatte im Vergleich zum Bayern-Spiel von den Außenverteidigern gebraucht und vor allem da war der Unterschied zwischen Plattenhardt und Mittelstädt zu erkennen. Herthas Eigengewächs war vor allem im ersten Durchgang der heimliche Spielmacher seiner Mannschaft – nahezu jeder Angriff wurde über ihn eingeleitet. Mittelstädt forderte die Bälle und stand im Vergleich zu Lukas Klünter auffällig hoch, um das Spiel anzukurbeln.

Auch die Zahlen belegen, welch großen Einfluss der 22-Jährige auf die Begegnungen genommen hatte: mit 85 Ballkontakten sammelte Mittelstädt mit Abstand die meisten bei Hertha, hinzu kommen drei Torschussvorlagen und ein direkter Assist. Diesen sammelte der Linksverteidiger beim 1:1-Ausgleichstreffer, den er per Ecke für Jordan Torunarigha aufgelegt hatte. Mittelstädt betrieb großen Aufwand, um ein ständiger Faktor zu sein: er lief die fünftgrößte Strecke aller Herthaner, verzeichnete die viertmeisten intensiven Läufe und niemand in blau-weiß zog so viele Sprints wie er an. Es war auffällig, wie oft Mittelstädt bis an den gegnerischen Strafraum oder in die Tiefe lief, um eine weitere Anspielstation zu bieten oder den Ballbesitz einfach nur etwas länger in der gegnerischen Hälfte halten zu können. Besonders im ersten Durchgang war der Druck immens, den Mittelstädt auf Wolfsburg ausübte. In der zweiten Hälfte flachte das Spiel des Außenverteidigers etwas ab, allerdings ohne aufkommende Nachlässigkeiten, denn auch defensiv überzeugte der Abwehrspieler: eine positive Zweikampfbilanz, neun Ballsicherungen, vier Tackles, zwei klärende Aktionen und drei abgefangene Bälle sprechen auch hier eine klare Sprache.

Eine insgesamt mehr als ordentliche Vorstellung Mittelstädts, der seine Startelfchance eindeutig genutzt hat und in dieser Form kaum wegzudenken ist. Der Konkurrenzkampf zwischen ihm und Plattenhardt geht also in die nächste Runde.

Ascacibar vs. Skjelbred – blau-weiße Doppelgänger?

Aufgrund des kurzfristigen Ausfalls von Vladimir Darida (erkältet) und dem Mangel an Alternativen hatte sich das Trainerteam dazu entschieden, Per Skjelbred gegen Wolfsburg starten zu lassen. Dieser hatte gegen den FC Bayern noch auf der Bank sitzen müssen, da Neuzugang Santiago Ascacibar ihm den Platz als alleiniger Sechser in Herthas System abgerungen hatte. Ohnehin war bei der Verpflichtung des Argentiniers klar, dass man ihn und den routinierten Norweger nur selten zusammen auf dem Platz sehen würde, teilen sich die beiden Mittelfeldzerstörer doch sehr viele Attribute. Doch wie hat es gegen Wolfsburg ausgesehen?

Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images

Nun, wirklich schockierende Ergebnisse kamen bei diesem Feldversuch nicht heraus. Tatsächlich mutet das Spiel von Ascacibar und Skjelbred recht identisch an, nur in Nuancen sind Unterschiede zu erkennen. Für das Spiel als solches war aber positiv festzuhalten, dass Hertha mit solch zwei akribischen Arbeitern im Mittelfeld ein würdiges Gegengewicht zu Wolfsburgs Schlager, Guilavogui und Arnold bildete. Sowohl Ascacibar als auch Skjelbred wiesen eine positive Zweikampfbilanz auf, hinzu kommen auch sonst ziemlich ähnliche Werte: Ascacibar fünf Ballsicherungen, Skjelbred drei; Ascacibar vier Tacklings, Skjelbred drei; ein zu eins klärende Aktionen. In der Laufdistanz lag der junge Argentinier rund einen halben Kilometer vor Herthas Nummer drei. Zwar betrieben beide großen Aufwand, um Wolfsburgs Mittelfeld in Schacht zu halten und in einigen Phasen des Spiels klappte dies auch gut, doch ist ihnen anzukreiden, dass der Sechserraum vor Herthas Sechszehner zu oft ungedeckt blieb, sodass Wolfsburg dort hineinstoßen konnte – so entstanden gefährliche Schussgelegenheiten für Arnold und Guilavogui. Vor allem Ascacibar steht in diesen Szenen noch zu tief und verteidigt mit im Strafraum als dass er den Rückraum deckt.

Wirkliche Unterschiede zwischen den beiden ließen sich im Spiel mit dem Ball ausmachen: Skjelbred war durchschnittlich höher als Ascacibar positioniert, sodass er zu mehr Szenen in der Wolfsburger Spielhälfte kam – so auch in der 90. Minute, als der 32-Jährige den Ball noch einmal nach vorne trug und ihn zu Marko Grujic spielte, der den Ball, welcher dann seinen Weg ins Tor fand, in den Strafraum legte. Unterm Strich fällt es schwer, große Unterschiede in dem Spiel von Ascacibar und Skjelbred auszumachen. Beide haben ihre Stärken im Spiel gegen den Ball, im Erobern von Bällen, im laufen, kämpfen und beißen – Skjelbred wirkt mit Ball am Fuß nur noch selbstverständlicher, was aufgrund seiner großen Erfahrung und dass er bereits so lange bei Hertha spielt, aber nicht wirklich verwundert. Gegen ein ebenso kampfstarkes Mittelfeld, wie die “Wölfe” es haben, hat es einen Mehrwert, beide spielen zu lassen – gegen andere Gegner würden sich aber ein etwas spielstärkeres Element empfehlen.

Alexander Esswein – wieder eine ernsthafte Alternative?

So oft war Alexander Esswein bereits abgeschrieben, manchmal vergisst man fast, dass der 29-Jährige noch Teil des Hertha-Kader ist. Bei seiner Einwechslung gegen Wolfsburg hat der schnelle Außenbahnspieler durchaus bewiesen, weshalb man ihn weiterhin auf der Rechnung haben sollte.

Foto: Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images

Es war die 76. Minute, in der wohl viele Hertha-Anhänger verdutzt auf die Anzeigetafel blickten: das Trainerteam nahm Javairo Dilrosun vom Feld und brachte dafür Esswein in die Partie. Untergangsfantasien, Galgenhumor und großes Unverständnis füllten die Social-Media-Plattformen – auch weil es Dilrosun war, der für Esswein gehen musste und nicht der insgesamt recht glücklos gebliebene Marius Wolf. Nein, das Trainterteam entschied sich für Dilrosun und das nüchtern betrachtet zurecht, denn was hatte der junge Niederländer gegen Wolfsburg wirklich zustande gebracht? Zwar zeigte in ein paar Dribblings, welch Potenzial in ihm schlummert, doch waren diese meist unter “brotlose Kunst” einzuordnen. Keine einzige Torschussvorlage und ein völlig verunglückter Abschluss machten einen insgesamt enttäuschenden Auftritt rund. Das große Potenzial Dilrosuns ist unbestritten, doch lieferte der 21-Jährige sowohl gegen den FC Bayern als auch gegen die “Wölfe” wenig Argumente dafür, dass man ihn jede Partie 90 Minuten lang machen lassen sollte.

Das Potenzial Essweins ist ungemein kleiner, doch schaffte er in rund 15 Minuten das, was Dilrosun zuvor nicht gelungen war: eine Torschussvorlage. Eingesetzt von Grujic sprintete er die linke Seite entlang und spielte einen punktgenauen Ball auf Dodi Lukebakio, der den Ball im Fallen aber nur noch auf Torhüter Koen Casteels brachte. Der Wille, seine Einsatzzeit vollends auszunutzen und sich dem Trainer für weitere Spiele zu empfehlen, war Esswein wirklich anzusehen. Er versuchte, sich in jeden Zweikampf zu werfen und noch irgendwie ein Faktor zu sein. Beinahe wäre es noch mit einer Torvorlage geworden. Blickt man völlig neutral auf seine Leistung, hat Esswein als Joker überzeugt. Ja, er mag wesentlich geradliniger und technisch limitierter als ein Dilrosun sein, aber – wie man es im Englischen gerne sagt – he gets the job done. Vielleicht sollte man Esswein doch noch nicht abschreiben, denn in dieser Form wird er auch noch ein paar weitere Male eingewechselt werden.