VfL Wolfsburg – Hertha BSC: Spektakel im Abstiegskampf?

VfL Wolfsburg – Hertha BSC: Spektakel im Abstiegskampf?

Der letzte Spieltag in der Bundesliga lief nicht gerade zugunsten von Hertha BSC. Eine 0:4-Heimniederlage gegen den FC Bayern München gepaart mit Siegen der Konkurrenten haben die Blau-Weißen wieder stärker in den Abstiegskampf versumpfen lassen. Doch bereits am Samstagnachmittag können die Berliner die Stimmungslage ändern. Dafür müssten die Spieler der „alten Dame“ den VfL Wolfsburg auswärts bezwingen. Keine leichte Aufgabe, auch wenn die „Wölfe“ zuletzt in Köln mit 1:3 untergingen.

Wie üblich wurden wir für diesen Vorbericht durch einen Wolfsburg-Experten unterstützt. Dennis Lindner (auf Twitter @WobTikal) stand uns dieses Mal zur Seite und gab uns viele nützliche Informationen über den Gastgeber.

„Nicht euphorisch, aber ruhig bis gut“

Wie diese Saison beim VfL Wolfsburg läuft, beschreibt uns Dennis wie folgt: „Der Start in die Saison war stark, das Team wirkte nicht übermäßig offensiv, aber sehr stabil. Mit dem Ausscheiden aus dem Pokal und dem krachenden Ende der Phase, in der man in allen Wettbewerben unbesiegt war, endete auch die Stabili- und Souveränität. Erst mit dem letzten Europapokalspiel der Gruppenphase und dem damit verbundenen Wechsel zurück zur Viererkette und der Rückkehr von Xaver Schlager hatte man wieder ein besseres Gefühl, die Spielweise war deutlich besser, nur die Ergebnisse haben ein wenig gefehlt.“ Die Stimmung in Wolfsburg vor der Winterpause war also: „Nicht euphorisch, aber ruhig bis gut.“

Trifft auf seinen Ex-Club: John-Anthony Brooks (Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Der Start in der Rückrunde verlief dann umso enttäuschender. Dennis beschreibt die Niederlage in Köln: „Vorne Pech und hinten Dumm. Oder umgekehrt. Man hat sich sehr, sehr naiv angestellt, nachdem man vorne die frühen Chancen nicht genutzt und dann keine wirklichen Mittel mehr gefunden hat. Das Kölner Pressing hätte uns eigentlich keine Angst machen dürfen, aber es hat sehr gut funktioniert, unsere Abwehrspieler standen ständig unter Druck und haben dabei viele Fehler gemacht.“

Keine Ausnahme ist da der Ex-Herthaner John-Anthony Brooks: „Dass ein Spieler wie Brooks mit Cordoba solche Probleme hat, ist schon eher peinlich.“ Dennis spricht von „individuellen Fehlern“, insbesondere beim 0:2, das aus seiner Sicht „unfassbar unnötig und vor allem dumm war“.

Wie wird Wolfsburg am Samstag auftreten?

Der Frust sitzt beim Tabellenneunten also noch tief nach der Niederlage in Köln – schließlich war sie die sechste in den letzten neun Ligaspielen. Trotzdem kann unser Experte auch Stärken seines Teams benennen: „Das Zentrum im Mittelfeld ist unser absolutes Prunkstück. In Normalform sind Guilavogui, Arnold und Schlager keine Gegner, die man haben möchte. Drei sehr starke Mittelfeldspieler, die ihre Aufgaben gut aufgeteilt haben, laufstark und kreativ sind. Sein könnten. Sollten.“

In Köln unterlag der VfL Wolfsburg mit 1:3 (Foto: Jörg Schüler/Bongarts/Getty Images)

Auch im Offensivspiel läuft noch nicht alles glatt. Eine Schwäche des VfLs ist laut Dennis auch: „(…) das Generieren von Chancen aus dem Spiel. Wir haben eigentlich die Leute dafür, aber irgendwie hakt es immer. Auch gegen Köln hat man gesehen, dass mehr als einmal eine gute Idee daran scheiterte, dass nur einer sie hatte.“

Gerade in der Offensive könnte es laut Dennis auch eine Rotation geben. „Statt Ginczek und Brekalo stehen da mit Mehmedi, Steffen und mit Abstrichen Klaus zur Verfügung, die jeweils die Statik der Offensive noch mal deutlich ändern würden.“

Weghorst und Selke – Wer trifft zuerst in 2020?

Deutlich positiver schreibt Dennis über den Stoßstürmer unserer Gastgeber, Wout Weghorst. Dabei blieb der beste Torschütze der „Wölfe“ in Köln torlos. Die Schuld daran sieht Dennis jedoch woanders: „Er (Weghorst) ist ein bisschen allein da vorne. Unsere Flügelspieler sind nach wie vor keine, vor denen man Angst hat, einzig Brekalo strahlt da ein bisschen Gefahr aus. Der hat aber auch eine erschreckend schlechte Entscheidungsfindung, aktuell. Wäre es ein Playstation-Spiel, dann würde man bei seinem Controller Schuss- und Passtaste einfach austauschen, man würde auf der Stelle seine Stärke verdoppeln.“

Dass Weghorst zuletzt auch Großchancen liegen ließ, beunruhigt Dennis nicht: „Wird (…) wieder. Als Typ und Spieler ist er völlig unangefochten da vorne, das wird er auch bleiben. Und er wird auch wieder treffen, gerade mit der Unterstützung von Ginczek, der endlich wieder komplett fit ist, wird das nicht lange dauern.“

Soll endlich wieder treffen: Davie Selke. (Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Auch bei Hertha gibt es aktuell einen Stürmer, der zwar viel arbeitet und durchaus als torgefährlich gilt, der aber kein Erfolg im Abschluss hat. Davie Selke braucht dringend einen Erfolgserlebnis, und Hertha braucht dringend wieder Stürmertore. Mehr zu der Situation des 25-Jährigen gibt es in unserer Einzelkritik zum letzten Spiel zu lesen.

Auch in Wolfsburg wundert man sich darüber, dass Konkurrent Vedad Ibisevic nicht Stürmer Nummer eins ist: „Warum in der Mitte Selke statt Ibisevic spielt, verstehe ich nicht ganz, auch wenn ich Selke als Spieler auch ganz gut finde.“ Möglicherweise ist bereits am Samstag eine Umstellung im Hertha-Sturm zu erwarten. Dodi Lukebakio könnte in die Sturmspitze wechseln, der momentan beste Torschütze der „alten Dame“ (vier Treffer). Für Ihn könnte dann Marius Wolf auf der rechten Außenbahn seine Chance bekommen.

Egal wer am Ende für Hertha stürmt: Inspiration müsste dieser Spieler genug haben. Sowohl der Cheftrainer als auch der Manager waren in ihrer Zeit erfolgreiche Torjäger.

Zeigen sich die Ergebnisse der Wintervorbereitung?

Wie also muss Hertha BSC auftreten, um gegen den VfL Wolfsburg den ersten Sieg der Rückrunde zu holen? Gegen den FC Bayern wollte Hertha eigentlich kompakt stehen und mit hohem Aufwand den Spielaufbau der Gäste stören. Doch die Blau-Weißen liefen insgesamt vier Kilometer weniger als der Gegner. Die zweite Halbzeit offenbarte die Schwächen und Verunsicherung der „alten Dame“, man hatte den Eindruck, dass den Spielern neben dem Mut auch die gewisse Spritzigkeit fehlte.

Dabei wurde ja in der Winterpause genau daran gearbeitet. Die Mannschaft sollte fit in die Rückrunde starten, und Woche für Woche „frischer“ wirken. Im ersten Rückrundenspiel zeigten sich die Ergebnisse der Vorbereitung jedoch noch nicht. Die Laufstärke wird auch am kommenden Wochenende ein wichtiger Aspekt sein. Dennis teilte nämlich mit uns seine „goldene Regel“ beim VfL Wolfsburg: „Rennt der VfL deutlich mehr als sein Gegner, dann gewinnt er“.

Hertha ist also gewarnt: die Mannschaft muss deutlich mehr laufen als noch im letzten Heimspiel. Dabei helfen wird auch Neuzugang Santiago Ascacibar, der gegen den FC Bayern mit 12,58 Kilometer den besten Laufwert hatte.

Ohne Boyata nach Wolfsburg – Stark zurück in der Startelf?

Am Samstag wird die Elf von Jürgen Klinsmann jedenfalls auf Dedryck Boyata verzichten müssen. Der neue Abwehrchef holte sich im letzten Spiel die fünfte gelbe Karte ab. Für ihn könnte Niklas Stark zurück in die Startelf rotieren, wie es der Cheftrainer in der heutigen Pressekonferenz andeutete. Auch Jordan Torunarigha könnte erneut eingesetzt werden, nachdem er sich gegen den FC Bayern auffällig stark präsentiert hatte. Karim Rekik ist ebenfalls wieder fit und damit auch eine Option.

Am Samstag gelbgesperrt: Dedryck Boyata (Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images)

Gerade die Abwehr wird gegen den VfL wichtig werden, da Hertha auf der Suche nach der Kompaktheit im Abstiegskampf ist. Sollte der Knoten bei Davie Selke dann auch endlich platzen, und Hertha in Führung gehen, wäre ein Riesenschritt getan. Wie uns Dennis verrät, ist der VfL Wolfsburg “nach Rückständen irre schwach, dieses Jahr. Da wurde noch nichts geholt.“

Unser Wolfsburg-Experte erwartet am Samstag eher kein Fußballfest: „Es wird kein besonders schönes Spiel. Ich vermute, dass wir unser Heimspiel nutzen werden und knapp und mit ach und krach 2:1 gewinnen werden“. Dabei hatten es die letzten Begegnungen beider Teams in Wolfsburg in sich. Ein 2:2 und ein 3:3 gab es zuletzt, davor im Jahr 2016 sogar ein 2:3 Auswärtssieg von Hertha BSC. So viele Tore sind am Samstagnachmittag wohl nicht zu erwarten. Doch Hertha braucht dringend wieder ein Sieg, um sich im Abstiegskampf mehr Ruhe zu verschaffen.

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – VfL Wolfsburg

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – VfL Wolfsburg

Es stand anders im Drehbuch: eigentlich hätte das erste Heimspiel der Saison und damit das Olympiastadion-Debüt von Ante Covic als Hertha-Cheftrainer dazu dienen sollen, den Punktgewinn in München zu veredeln. Nach den 90 Minuten hatte aber ein äußerst ernüchterndes 0:3 auf der Anzeigetafel gestanden, das den Spielverlauf allerdings nicht treffend wiedergegeben hatte. Nach ereignisreichen zehn Minuten hatte Hertha durch einen Elfmeter 0:1 zurückgelegen, sich danach aber im ersten Durchgang formidabel präsentiert. Genützt hatte es nicht – die Tore waren ausgeblieben – und so mussten sich die Berliner nach einer dürftigen zweiten Halbzeit und zwei Wolfsburger Kontern mit 0:3 geschlagen geben.

Auch in dieser Saison wollen wir euch eine Einzelkritik zu den Spielen der “Alten Dame” bieten können, doch gehen wir dieses Format nun erstmals anders an: anstatt wie bisher jeden einzelnen eingesetzten Spieler zu bewerten, wollen wir uns auf wenige ausgewählte Akteure der Partien beschränken – auch von den Benotungen wollen wir uns trennen. Dadurch wollen wir gewisse Einzelleistungen noch genauer unter die Lupe nehmen oder aus einem anderen Blickwinkel beleuchten können, sodass die Einzelkritiken nicht zu lang/eintönig und nur die wirklich prägnanten Leistungen aufgezeigt werden. Wir hoffen, ihr versteht diese Änderungen. In der vergangenen Saison musste die Einzelkritik streckenweise aus Zeitgründen ausfallen – durch diese Anpassungen wollen wir sicherstellen, dass dies deutlich seltener passiert.

Ungewohnt fahrlässig: Vedad Ibisevic

Wie bereits gegen den VfB Eichstätt und Bayern München hatte Ibisevic am Sonntagabend den Vorzug vor Konkurrent Davie Selke erhalten. Das große Argument des 35-Jährigen: er macht die Tore, ist eiskalt in seiner Entscheidungsfindung. Diese Attribute hatte man gegen Wolfsburg allerdings nicht gesehen – im Gegenteil.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Zugegeben – die Partie gegen Wolfsburg war keine gewesen, in der es für einen Mittelstürmer einfach gewesen wäre, zu glänzen. Der Gegner stand äußerst tief in der eigenen Hälfte und hatte somit wenig aussichtsreiches in der direkten Gefahrenzone, dem Strafraum, zugelassen. Umso wichtiger wäre es gewesen, seine wenigen Möglichkeiten zu nutzen – ein Job wie gemalt für einen eiskalten Torjäger wie Ibisevic, doch Herthas Kapitän war an dem Tag nicht gut aufgelegt. In einigen Szenen hatte der Bosnier nicht wach gewirkt, so hatte er hin und wieder aussichtsreiche Flanken in den Strafraum schlichtweg verpasst. Normalerweise gehört es zu einer seiner stärksten Eigenschaften, Zuspiele zu riechen und vor dem gegnerischen Verteidiger am Ball zu sein. Am Sonntag ging im dieses Gespür ab, sodass er etwas hilflos zwischen der Wolfsburger Dreierkette wirkte.

Die Szene, die Ibisevics mangelnde Kaltschnäuzigkeit an jenem Tage am plakativsten beschreibt, hatte sich in der 54. Minute ereignet. Der Routinier hatte einen starken Steckpass von Marko Grujic erhalten, nur noch John Anthony Brooks vor sich und auf der rechten Seite Dodi Lukebakio als Anspielstation. Anstatt den Ball rüber zu seinem Sturmkollegen zu spielen, hatte sich Ibisevic für das Dribbling gegen Brooks entschieden und dieses verloren, sodass die sehr gute Torchance verpufft war. Am Ende hatte der Mittelstürmer nur einen geblockten Schuss und keinen einzigen gewonnen Zweikampf verzeichnet.

(Fast schon) gewohnt fahrlässig: Karim Rekik

Ja, die Teilüberschrift ist provokant gewählt, doch dass Karim Rekik seit seinem Wechsel zu Hertha bereits fünf Elfmeter verursacht hat, ist keine allzu überzeugende Statistik für ihn. Ebenso wenig überzeugend hatte sich der niederländische Innenverteidiger gegen den FC Bayern und nun auch gegen Wolfsburg präsentiert. Es besteht die Sorge, dass Rekik eher an seine durchwachsene vergangene Spielzeit als an seine starke Debütsaison für Hertha anknüpft.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Elfmeter Nummer fünf seiner Hertha-Laufbahn hatte Rekik in der 8. Spielminute verursacht. Vorausgehend hatte der 24-Jährige den Zweikampf mit Felix Klaus verschlafen, sodass er nur noch hinterhersprinten konnte und dann viel zu ruppig in den Zweikampf innerhalb des Strafraums ging – Konsequenz: Elfmeter. Auch sonst hatte Rekik am Sonntagabend nicht sattelfest gewirkt, so hatte er vor allem bei Wolfsburgers Umschaltaktionen immer wieder Probleme damit, VfL-Stürmer Wout Weghorst effektiv auszubremsen. Rekiks Zweikampfstatistik war dementsprechend ausbaufähig gewesen und auch in Kriterien wie angefangene Bälle, geklärte Aktionen oder Tackles hatte er im Vergleich mit Innenverteidiger-Kollege Niklas Stark hinterhergehinkt.

Im Aufbauspiel hatte sich der vierfache niederländische Nationalspieler hingegen ordentlich präsentiert. Sein Passspiel war sowohl sicher, als auch effizient gewesen. Zusammen mit Stark hatte sich Rekik im eigenen Ballbesitz sehr hoch positioniert, um die Wolfsburger einzuschnüren. Seine Seitenverlagerungen und Pässe in den Fuß der linken Außenspieler haben sich sehen lassen können, auch wenn Nebenmann Stark noch etwas dominierender aufgetreten ist. Alles in allem war es aber einmal mehr eine kritikwürdige Leistung Rekiks gewesen, der sich noch steigern muss. “Wir werden unsere Fehler analysieren und mit dem Ziel nach Gelsenkirchen fahren, drei Punkte nach Hause zu bringen”, so der Abwehrspieler selbst.

Schon mehr als Ansätze: Dodi Lukebakio

“Ich muss zugeben, dass ich gerade am Anfang überwältigt war von den Fans. Das hat mir einen richtigen Antrieb gegeben. In diesem Stadion zu spielen macht unglaublich Spaß”, hatte sich Lukebakio gegenüber der B.Z. zu seinem ersten Spiel im Olympiastadion geäußert. Den angesprochenen Spielspaß hat man dem Belgier deutlich angemerkt, auch wenn es ihm noch an der Effizienz gefehlt hatte.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Wie bereits in der Einleitung angesprochen, hatte Hertha im ersten Durchgang ohne jeden Zweifel das Zepter in der Hand. Die Blau-Weißen hatten große Spielfreude versprüht, indem sie ihren Ballbesitz mit hohem Tempo und großer Breite wie Tiefe aufgezogen hatten. Mittendrin: Neuzugang Lukebakio. Der 21-Jährige war der wohl auffälligste Herthaner im ersten Durchgang gewesen, da er an nahezu allen Offensivaktionen beteiligt gewesen war. Besonders markant waren Lukebakios Dribblings, die nicht nur schön ausgesehen, sondern auch effektiven Raumgewinn zur Folge hatten. Auch das Zusammenspiel mit Hintermann Lukas Klünter hatte bereits sehr gut funktioniert, sodass sie sich immer wieder gegenseitig in Szene setzen, teilweise mit ansprechenden Hackentricks.

Doch leider hatte sich Lukebakios Aufwand der ersten Halbzeit nicht in Tore umgemünzt und nach dem Pausentee hatte ihm nicht mehr allzu viel gelingen wollen. Die Verbindung zu Klünter war immer mehr abgerissen, sodass der Flügelstürmer oft auf sich allein gestellt war. Hatte die Nummer 28 den Ball bekommen und dann die Chance, mit Tempo auf Wolfsburgs Abwehr zuzulaufen, mangelte es ihm an guter Entscheidungsfindung. So hatte er es immer wieder versucht, anstatt den Ball auf seinen starken linken Fuß zu legen und nach innen zu ziehen, mit rechts vorbeizuziehen und die Flanke zu schlagen – doch mit seinem schwächeren Fuß waren seine Zuspiele unerreichbar gewesen. So verblasste Lukebakios Vorstellung immer mehr, seine Durchschlagskraft war immer weiter geschrumpft. Dennoch war zu sehen gewesen, welch prägendes Element der Neuzugang in Herthas Spiel sein kann.

Stetiger Lerneffekt: Ante Covic

Wer sagt denn, dass in der Einzelkritik nicht auch die Arbeit vom Cheftrainer unter die Lupe genommen werden kann? Ante Covic hatte gegen die Niedersachsen erstmals die Chance, seine Idee von Ballbesitzspiel gegen einen mindestens gleichwertigen Gegner umzusetzen und kann sowohl positives als auch Lehren aus der Partie vom Sonntagabend ziehen.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

“In der ersten Halbzeit ging es in die richtige Richtung, da haben wir uns viele Chancen aus dem Spiel heraus kreiert und gegen einen gut organisierten Gegner Gefahr mit dem Ball ausgestrahlt”, hatte Covic dem kicker seine Eindrücke geschildert. Er hatte gegen Wolfsburg im 4-3-3 aufgestellt, nachdem es in München anfangs noch ein 3-5-2 gewesen war, und wollte einen sauberen und stets nach vorne ausgerichteten Ballbesitzfußball seiner Mannschaft sehen. Denkbar ungünstig war der frühe Rückstand aufgrund eines Foulelfmeter gewesen, der ein Team schon aus dem Konzept bringen kann. Die Jungs von Covic waren aber unbeirrt geblieben und hatten die Ideen ihres Trainer umgesetzt. Covic hatte seine Mannschaft äußerst hoch aufgestellt, Herthas Innenverteidiger waren kurz hinter der Mittellinie positioniert, und dennoch vermochte sie es, viel Tempo in ihre Aktionen zu bekommen. Auffällig waren die fein abgestimmten Kombinationen im Dreieck gewesen, wie auch die vielen intelligenten Seitenverlagerungen. So hatte es Hertha geschafft, das Spielfeld in seiner Breite und Tiefe auszunutzen in Wolfsburg trotz einer Dreier- bis Fünferkette vor Probleme zu stellen.

Knackpunkt war nur gewesen, dass die Hauptstädter sich für diesen Aufwand nicht mit einem einem Treffer, der noch mehr Sicherheit und eine zweite Luft beschert hätte, belohnt hatten. Salomon Kalou und zweimal Marko Grujic hatten die Chance auf den verdienten Ausgleichstreffer gehabt, doch so war Hertha mit einem Rückstand in die Kabine gegangen. “In der zweiten Halbzeit wollten wir zu viel. Da hatten wir zu viele Spieler vorn auf einer Höhe. Nach der Umstellung auf 4-4-2 waren die beiden zentralen Angreifer und die beiden seitlichen Spieler auf einer Höhe, so dass der Gegner das relativ simpel verteidigen konnte” – auch das hatte Covic nach dem Spiel richtig analysiert, ohne sich selbst wirklich aus der Kritik auszunehmen. Das wäre auch angemessen, denn schließlich hat sich der 43-Jährige durch seine sehr offensiven Einwechslungen keinen Gefallen getan. “Die Halbfelder und Zwischenräume, wo wir immer wieder Gefahr hätten ausstrahlen können”, wurden durch dessen personelle Veränderungen und Verschiebungen kaum noch genutzt. Herthas Formation war vom 4-3-3, zum 4-4-2, zum 4-2-4, zum 3-2-5 gewandert, sodass sich die Offensivspieler immer mehr auf den Füßen gestanden waren. Eine weitere Konsequenz war die fehlende defensive Absicherung, sodass Hertha zum 0:2 und 0:3 ausgekontert wurde. “Wenn du einem Rückstand hinterherrennst, darfst du nicht kopflos wirken – das waren wir phasenweise”, sagte Covic. Das gilt sowohl für die Spieler, als auch den Trainer. Dass Covic die Probleme der letzten Partie so genau erkannt hat, macht allerdings Mut, dass er und die Mannschaft daraus lernen werden.