Das bisherige Motto von Hertha BSC in dieser Saison war „Gut gespielt, (zu) wenig Punkte“. Lange erhielt die Mannschaft von Sandro Schwarz Lob für ihr Auftreten, selbst wenn es am Ertrag häufig mangelte. In den letzten beiden Spielen gegen die Aufsteiger Schalke und Bremen stagnierte jedoch auch die Leistung, am Ende reichte es zumindest gegen die Gäste aus Gelsenkirchen zum ersten Heimsieg der Saison, inklusive Willy Kangas Premierentor. Der kommende Gegner aus dem Süden der Republik kommt daher zu einem eher ungünstigen Zeitpunkt, auf der anderen Seite hat Hertha kaum etwas zu verlieren.
Auf welche Schlüsselduelle es ankommt und wie man gegen Bayern München zu Punkten kommen kann, wollen wir in diesem Artikel diskutieren.
Oliver Christensen vs. Eric Maxim Choupo-Moting
Der Kader des deutschen Serienmeisters ist gespickt mit absoluten Topstars. Dass am Ende ausgerechnet der bisherige Ersatzspieler Eric Maxim Choupo-Moting zu einer der absoluten Schlüsselfiguren der laufenden Saison wird, dürfte den Großteil der geneigten Fußballfans überraschen. Der Deutsch-Kameruner konnte in bisher 13 Spielen mit 8 Toren und 3 Vorlagen glänzen, und dass bei gerade einmal 613 Einsatzminuten in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League zusammen. Anders formuliert: Choupo-Moting erzielt alle gut 57 Minuten einen Scorer, was den Zahlen eines Weltklassestürmers entspricht. Das wohl beeindruckendste an dieser Statistik ist jedoch, dass jede einzelne dieser Torbeteiligungen in den letzten vier Wochen erfolgte. Es dürfte schwierig sein, einen anderen Spieler zu finden, der zurzeit solch eine Form aufweist.
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Ihm gegenüber steht mit Olli Christensen der jüngste Stammtorhüter in der Bundesliga. Fredi Bobic bestätigte unter der Woche in einem Sky exklusiv Interview noch einmal, dass man mit dem Dänen ein gewisses Risiko eingegangen ist. Und dieser bestätigt das in ihn gesetzte Vertrauen bis jetzt mit soliden Leistungen. Auch wenn hier und da mal eine unsichere Situation, wie zum Beispiel der Ausflug gegen Antony Modeste gegen Dortmund oder das späte verschuldete Gegentor im Freiburg-Spiel, dabei ist, hat Christensen die Mannschaft schon das ein oder andere Mal im Spiel gehalten. Im Gegensatz zum vergleichsweise unsicheren Alexander Schwolow (derzeit an Schalke verliehen) strahlt der 24-jährige Nationalspieler eine gewisse Stabilität und Ruhe aus, von der auch die Verteidiger vor ihm profitieren.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt allerdings auch: 17 Gegentore in 12 Spielen und bisher nur einem Spiel ohne Gegentor bieten durchaus Luft nach oben, wobei dafür natürlich nicht nur der Torhüter alleine verantwortlich ist. Oliver Christensen trifft mit Eric Maxim Choupo-Moting auf einen äußerst formstarken und somit auch selbstbewussten Stürmer. Falls Hertha gegen die Bayern Punkte mitnehmen will, ist eine überdurchschnittliche Leistung und etliche gewonnene Privatduelle des Schlussmanns gegen den Mittelstürmer der Münchner notwendig.
Lucas Tousart vs. Joshua Kimmich
Herthas wichtigste Zone unter Sandro Schwarz und dessen Art Fußball spielen zu lassen ist zweifelsohne das Mittelfeld. Durch eine aktive Zweikampfweise und Ballgewinne im mittleren Drittel des Spielfeldes sowie daraus resultierende Gegenstöße soll einerseits Gefahr vom eigenen Tor gebannt und andererseits selbst in Abschlusssituationen gekommen werden. Und genau dafür ist Lucas Tousart ein eminent wichtiges Puzzleteil.
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Der von Jürgen Klinsmann verpflichtete Rekordtransfer scheint in seiner mittlerweile dritten Saison bei Hertha endlich richtig angekommen zu sein. Er geht auf dem Feld voran, macht Meter, gewinnt einen Zweikampf nach dem anderen und gibt dem Spiel der Alten Dame eine Struktur, die in den letzten Jahren regelmäßig fehlte. Mit bereits drei Saisontoren (zweimal in der Liga und einmal im Pokal) entdeckte der Franzose zuletzt zudem eine neue Torgefahr. In seiner Kernkompetenz, dem Gewinnen von Zweikämpfen, befindet Tousart sich im ligaweiten Vergleich auf Platz 17. Daneben ist er unter den besten drei Prozent in Hinblick auf geklärte Bälle – und das europaweit.
Sein Gegenpart bei den Münchnern heißt Joshua Kimmich und gehört seit Jahren zu den Besten seiner Zunft. Der ehemalige Stuttgarter ist der unumstrittene Strippenzieher im Spiel des Champions-League-Siegers von 2020. Er befindet sich im europäischen Vergleich bei den jeweils besten Prozent in Hinblick Assists, schuss-kreierende Aktionen, progressive Pässe und abgefangene Bälle. Kimmich ist somit sowohl defensiv als auch offensiv der treibende Motor der Bayern und dazu emotionaler Leader auf dem Platz. Der Mittelfeldspieler muss für ein erfolgreiches Spiel der Blau-Weißen so gut wie möglich neutralisiert werden. Genau das wird höchstwahrscheinlich Aufgabe von Lucas Tousart sein. Sollte dem Herthaner dies gelingen, erhöht sich zumindest die Möglichkeit, dass die Gastgeber nicht als Verlierer aus der Partie gehen.
Dodi Lukebakio vs. Alphonso Davies
Auf der von Hertha aus gesehen rechten Außenbahn könnte es im kommenden Spiel durchaus zu dem einen oder anderen Blitzerfoto kommen. Mit Dodi Lukebakio (Platz 33) und Alphonso Davies (Platz 3) treffen zwei der schnellsten Spieler der Bundesliga aufeinander. Der 22-jährige Außenverteidiger der Gäste schaltet sich dabei gerne in das Offensivspiel seiner Mannschaft ein. Er gehört mit über drei erfolgreichen Dribblings pro 90 Minuten zum besten Prozent Europas in dieser Kategorie, auch seine expected Assists und schuss-kreierenden Aktionen stellen Spitzenwerte dar. Lukebakio wird somit auch defensiv gefordert sein, um Jonjoe Kenny so gut es geht zu unterstützen. Spätestens seit dem überragenden Sprint des Belgiers in Richtung des eigenen Tores gegen RB Leipzig und dem damit schon sicher geglaubten verhinderten Gegentor ist klar, dass der Rechtsaußen in dieser Saison Fußball nicht nur offensiv versteht.
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Auf der anderen Seite könnten sich durch die Spielweise Davies gerade die Räume öffnen, die Herthas Flügelflitzer so liebt. Mit bereits fünf Treffern in der Liga führt Lukebakio die teaminterne Torschützenliste deutlich an. Der obligatorische Hinweis auf dessen Dreierpack gegen die Bayern noch zu Düsseldorfer Zeiten erfolgt hiermit ebenfalls. Jedes Tor des Außenstürmers würde für das Ziel der Hauptstädter, vielleicht wenigstens einen Punkt im in dieser Saison erstmals ausverkauften Olympiastadion zu behalten, Gold wert sein. Es ist klar, dass alles andere als eine Niederlage für Hertha extrem wertvoll wäre, um die Abstiegsränge über die lange Winterpause zu vermeiden. Und somit zumindest etwas Ruhe im finanziell geplagten Verein aus Charlottenburg einkehren zu lassen.
Die Statistiken beruhen auf den Angaben von fbref.com und bundesliga.com
Das erste „Finale“ hat Hertha für sich entscheiden können. Mit dem knappen 1:0 Erfolg in Augburg verbesserte die „alte Dame“ ihre Ausgangsposition gegenüber der Konkurrenz im Abstiegskampf. Doch am Wochenende wird die Partie wohl noch entscheidender, noch wichtiger. Bevor es für die Elf von Felix Magath nach Bielefeld geht, muss sie zunächst gegen den VfB Stuttgart Zuhause bestehen. Ein „Sechs-Punkte-Spiel“, ein „Abstiegskracher“ – wie auch immer man es nennen möchte: Hertha muss es unbedingt schaffen, im Heimspiel einen Schritt in Richtung Klassenerhalt zu machen.
Bevor es auf dem Platz wieder um alles geht, stellen wir nochmal 3 Thesen zum Spiel Hertha BSC – VfB Stuttgart auf.
Davie Selke steht für Hertha in der Startelf – und trifft nicht
Wenn man ehrlich ist: Herthas Sturm ist aktuell nur bedingt Bundesliga-tauglich. Herthas bester Torschütze Stevan Jovetic (6 Bundesliga-Treffer) ist mal wieder nicht fit und Ishak Belfodil wurde zuletzt aufgrund seiner fehlenden Einsatzbereitschaft vom Cheftrainer aus dem Kader geschmissen. Zwar ist der Algerier bereits zurück im Mannschaftstraining, ob er wieder in die Startelf rotiert, ist allerdings zweifelhaft.
Deshalb wird man wohl erneut Davie Selke in der Sturmspitze sehen. Der großgewachsene Mittelstürmer hat wahrlich keine grandiose Bilanz, ist mit seinen zwei Bundesligatreffern diese Saison nicht gerade eine Tormaschine. Was ihm allerdings ganz sicher nicht fehlt, ist Einsatzbereitschaft, was er auch im Spiel gegen den FC Augsburg unter Beweis stellte. Und genau deshalb wird er wohl wieder seine Chance bekommen. Nur wahrscheinlich wieder ohne Torerfolg. Was auch nicht schlimm ist … solange bei Hertha andere treffen.
Santiago Ascacibar und Lucas Tousart– die Löwen brüllen weiter
Zwei weitere Spieler, die über Einsatzbereitschaft kommen, sind Santiago Ascacibar und Lucas Tousart. Kein Wunder also, dass sie beide aktuell unumstrittene Stammspieler sind. Bisher setzte Felix Magath jedes Spiel auf das Duo. Beide tragen auch den Spitznamen „Löwe“, zumindest nannte so Pal Dardai den französischen Mittelfeldspieler, während bei Ascacibar die argentinischen Wurzeln zu „El León“ führten.
Der Turban-Träger vom Augsburg-Spiel wurde zuletzt nicht nur in den Medien für sein entschlossenes Auftreten gelobt, sondern auch vom eigenen Trainerteam. Gegen den Ex-Club sollte der Argentinier besonders motiviert und voller Tatendrang sein. Die gegen Augsburg sehr stabile Zentrale mit Ascacibar und Tousart wird wohl auch am Sonntag wieder zu sehen sein. Es bleibt zu hoffen, dass sie auch im so wichtigen Heimspiel ihrem Ruf als kämpferische Raubtiere gerecht werden.
Stuttgart bleibt im Jahr 2022 sieglos – zumindest Auswärts
Zum Abschluss lehnen wir uns mal weit aus dem Fenster und wagen eine optimistische These: der VfB Stuttgart wird die Auswärts-Sieglos-Serie in 2022 fortführen. Aus den letzten Spielen auf fremdem Platz konnten die Schwaben nur vier Punkte holen (4 Remis, 3 Niederlagen). In Bieleld spielten sie 1:1, in Mainz nur 0:0. In den letzten beiden Partien konnte Stuttgart keinen Treffer erzielen. Zugegeben: Herthas Bilanz sieht nicht viel besser aus. Doch die Berliner holten immerhin aus den letzten vier Spielen zwei Siege und erzielten jedes Mal mindestens einen Treffer.
Überhaupt schoss Hertha in dieser Saison bisher in jedem Heimspiel ein Tor oder mehr. So bleibt die Hoffnung, dass auch am Sonntag die Auswärtsmannschaft keine drei Punkte holt. Ganz klar: ein Sieg gegen Stuttgart wäre für Hertha fast schon der entscheidende Rettungsschlag. Doch auch ein Remis könnte immerhin dafür sorgen, dass die Blau-Weißen in der Tabelle auf dem rettenden Ufer bleibt. Bleibt also nur Punkten. Irgendwie. Und das Tor treffen. Sowieso.
Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?
Nachdem wir bereits die Torhüter die Innen– und Außenverteidiger ins Visier genommen haben, widmen wir uns jetzt dem zentralen Mittelfeld
Niklas Stark – über die Sechs zu mehr Sicherheit
Blicken wir zunächst an den Anfang der Saison zurück. Bruno Labbadia hatte die Aufgabe, das Team fußballerisch weiterzuentwickeln. Dazu wählte er häufig eine 4-3-3-Formation mit einem Sechser und zwei Achtern davor, ganz ähnlich zu seiner Amtszeit in Wolfsburg. Eine Schlüsselfigur in diesem System war Niklas Stark, der normalerweise eine Reihe weiter hinten in der Innenverteidigung spielt. Er sollte der Mannschaft Stabilität geben und auch selbst wieder Sicherheit gewinnen. Denn die Vorsaison war für ihn von Verletzungen und schwache Leistungen geprägt. Er sollte als „Abräumer“ vor der Abwehr für eine bessere defensive Stabilität sorgen und seine Vorderleute etwas von ihren Defensivaufgaben entlasten.
Stark machte seine Aufgabe dabei sehr solide und wurde von Spiel zu Spiel etwas sicherer. Er war nicht mehr der Risikofaktor, den er in der vorherigen Saison noch zu oft verkörperte. Robustes Zweikampfverhalten, Kopfballstärke und Ballgewinne brachte er in das Hertha-Mittelfeld. Jedoch konnte man sich auch mit Niklas Stark auf der Sechs nie defensiv stabilisieren. Das lag aber weniger an ihm selbst als an mannschaftstaktischen Nachlässigkeiten. Hinzukommt aber, dass Stark das Spiel mit dem Ball in keiner Weise positiv beeinflussen konnte. Er zeigte sich im Mittelfeld mit dem Ball am Fuß teilweise etwas überfordert. Für diesen Bereich des Spiels ist er schlicht nicht der ideale Spielertyp. So entschied sich Bruno Labbadia zum Ende der Hinrunde dazu, Stark wieder in der Innenverteidigung einzusetzen.
Lucas Tousart – Da muss noch mehr kommen
An den vielen Problemen mit und gegen den Ball in der letzten Saison konnte auch Lucas Tousart, der mit sehr hohen Erwartungen nach Berlin kam, wenig ändern. Seine persönliche Saison lief sicherlich nicht katastrophal schlecht, aber es bleibt das Gefühl, dass er ein absolutes Leistungsniveau, das auch seine hohe Ablösesumme von 25 Millionen Euro rechtfertigen könnte, noch nicht erreicht hat.
Zu Beginn der Saison merkte man ihm noch sehr stark an, dass er sich eingewöhnen musste. Ein neues Land, eine neue Sprache und eine lange Phase ohne Training werden die Gründe für diese Startschwierigkeiten gewesen sein. Nach einiger Zeit wurden die Leistungen dann zwar besser, aber immer noch nicht durchgehend zufriedenstellend.
Einsatz und Laufbereitschaft konnte man ihm definitiv nicht absprechen. Auch seine starken Ballgewinne und diagonalen Verlagerungen konnte er immer wieder zeigen. Man hatte auch über bestimmte Phasen das Gefühl, dass er von der Erfahrung, die ein Sami Khedira mitbringt, sehr profitiert. Insgesamt war aber in zu vielen Spielen zu unauffällig, um an dieser Stelle ein positiveres Fazit ziehen zu können. Kann er seine Leistung in der kommenden Saison aber steigern, kann er für Hertha der entscheidende Stabilisator im Mittelfeld werden.
Santiago Ascacibar – Erst außen vor, dann kämpferisch
Ascacibar spielte in der ersten Saisonhälfte überhaupt keine Rolle. 13 der 17 Hinrundenspiele verpasste er verletzungsbedingt, die anderen vier, weil Bruno Labbadia nicht auf ihn setzte. Mit Niklas Stark und Lucas Tousart hatte Labbadia bereits zwei defensivstarke Optionen für das Mittelfeld und so musste sich Ascacibar hintenanstellen.
Zwei entscheidende Faktoren sorgten neben seiner eigenen Fitness und Leistung dafür, dass sich das zur Rückrunde änderte. Der eine war sicherlich, dass Stark nun wieder in der Innenverteidigung gefragt war. Der andere, vermutlich noch wichtigere Punkt für Ascacibar, war die Rückkehr von Pal Dardai.
Dieser versuchte seine Mannschaft schnellstmöglich zu stabilisieren und die Zahl der Gegentore endlich zu senken. Ascacibar passte gut in dieses Anforderungsprofil. Solide bis gute Leistungen konnte er in der Endphase der Saison zeigen. Mit seiner kämpferischen Art und seiner Stärke Bälle zu gewinnen, war er mit dafür verantwortlich, dass man sich dieser Stabilität in der Rückrunde immer mehr annäherte.
Es wird spannend zu sehen sein, wo sich in der kommenden Saison Platz für den Argentinier ergeben wird. In der Rückrunde konnte sich “Santi” durchaus empfehlen, ein bedingungsloser Stammplatz wird dennoch nicht drin sein. Eins ist klar: Ascacibar darf man niemals abschreiben.
Vladimir Darida – dauerhafter Dauerläufer
Vladimir Darida ist und bleibt ein faszinierender, aber auch unterschätzter Spieler. Er ist keiner, der im Alleingang ein Spiel entscheiden kann und drei Tore schießt, aber jemand, der so viele andere Qualitäten mitbringt und sie ziemlich konstant abrufen kann. So war er in der vergangenen Saison einer der Schlüsselspieler und vielleicht der konstanteste Mittelfeldspieler.
In 28 Bundesligaspielen kam er zum Einsatz, häufiger als jeder andere Mittelfeldspieler bei Hertha. Das ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, wie intensiv Daridas Spielweise ist. Schaut man auf die gelaufenen Kilometer pro Spiel der vergangenen Saison und berücksichtigt nur Spieler, die auf mindestens 1000 Spielminuten kamen, war Darida der durchschnittlich laufstärkste Spieler der gesamten Liga. 12,88 Kilometer lief er durchschnittlich pro Spiel. Neben seiner sehr fleißigen Spielweise ist Darida aber auch ein überdurchschnittlicher Offensivspieler. In seinen Offensivaktionen ist er aber meist sehr direkt und schnörkellos, sodass das nicht unbedingt auf den ersten Blick auffällt. 6 Vorlagen (Topwert bei Hertha), die zweit meisten Torschussvorlagen und die meisten angekommen Pässe in den Strafraum spielte Darida über die letzte Spielzeit.
Da bleibt eigentlich wenig Raum für Kritik. Zwei Aspekte fehlen ihm aber wohl leider, um absolut unverzichtbar für Hertha zu sein. Einerseits ist das die Torgefahr, die ihm seit seiner Zeit bei Freiburg immer mehr verloren ging. Anderseits konnte auch die Darida nicht der tonangebende Akteur im Mittelfeld sein, den Hertha erst in Sami Khedira fand. Er ist ein Spieler, der mit guter und konstanter Leistung vorangeht, nicht aber durch verbale Führungsstärke. So fehlt ein wenig die Präsenz.
Auch unter Pal Dardai war Darida zuletzt mehr Stammspieler. Das wird in der kommenden Saison vermutlich ähnlich sein. Für die möglichst ruhige Saison, die man anstrebt, könnte Darida genau der passende Spieler sein.
Die Zehner-Position
Auf der Zehn hat Hertha mit Vladimir Darida und Matheus Cunha zwei Spieler, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der eine dribbelstark, ein guter Distanzschütze und häufig sehr verspielt, der andere mit einem riesigen Aktionsradius, einer unglaublichen Lautstärke und Disziplin sowie einem schnörkellosem, aber effektivem Offensivspiel. Der eine hatte in der vergangenen Saison eine sehr schwankende Formkurve mit vielen Formtiefs, der andere hat stets ein solides. Gemeinsam haben Cunha und Darida aber mit Blick auf die vergangene Saison aber, dass sie beide mehrfach auf den Flügel ausweichen mussten, weil Hertha dort sonst kaum Alternativen hatte. Cunha unterlag diesem Schicksal aber noch etwas häufiger als Darida, der meistens in der Schlussphase auf dem Flügel aushelfen musste.
Auch damit lässt sich sicherlich Cunhas Formtief in der Saison erklären. Auf dem Flügel kann er seine Stärken weniger gut auf den Platz bringen. Cunha bleibt der herausstechendste Spieler bei Hertha und kann das Spiel aus dem Zentrum noch mehr beeinflussen. Zu oft war Hertha auch von seiner Kreativität abhängig und erhöhte so den Druck auf den 22-Jährigen. Dennoch war Matheus Cunha in der vergangenen Saison mit acht Toren und acht Vorlagen Herthas Topscorer und hat sich so eine Vertragsverlängerung verdient. Sollte man ein entsprechendes Angebot bekommen, würde man Cunha wohl dennoch gehen lassen.
Ziel für die kommende Saison sollte hier sein, Cunha einerseits wieder in Form zu bringen, gleichzeitig aber die Abhängigkeit im Offensivspiel von ihm zu verringern. Keine einfache Aufgabe für Pal Dardai und sein Trainerteam.
Wie ist Hertha für die kommende Saison aufgestellt?
In diesem Sommer werden wohl insgesamt drei Mittelfeldspieler den Verein verlassen. Die Leihe von Matteo Guendouzi endet, Sami Khedira hat seine Karriere beendet und Eduard Löwen hat keine Perspektive bei Hertha. Den Kader verstärken werden hingegen Arne Maier, der nach seiner Leihe zu Bielefeld wohl zur Hertha zurückkehren wird und Suat Serdar, der vom Schalke 04 kommt und Kevin-Prince Boateng. Somit besteht Herthas Mittelfeld-Gerüst für die kommende Saison aus zwei defensivstarken Sechsern (Ascacibar und Tousart), einem torgefährlichen Box-to-box-Spieler (Serdar), einen guten Passgeber (Maier) und einen sehr umtriebigen Achter (Darida). Grundsätzlich ist man damit nicht schlecht aufgestellt und jede Position im zentralen Mittelfeld kann besetzt werden.
Einige Probleme der vergangenen Saison lassen sich auch mit der Kaderstruktur fürs zentrale Mittelfeld zurückführen. Anhand derer lässt sich auch ganz gut einordnen, wie Hertha aktuell für die kommende Saison aufgestellt ist und an welchen Ecken es vielleicht noch fehlt. So fehlte zum Beispiel ein Spieler, der aus dem zentralen Mittelfeld heraus sowohl gefährliche Situationen kreieren kann, aber auch selbst torgefährlich ist. Bei diesem Problem soll in der kommenden Saison Suat Serdar Abhilfe schaffen. Phasenweise konnte er genau diese Qualitäten auch bei Schalke zeigen. Es ist aber gut vorstellbar, dass Serdar zunächst etwas Zeit braucht, um wieder an frühere Leistungen, die ihm auch zum Nationalspieler gemacht haben, anzuknüpfen.
Noch viel schwerwiegender war aber, dass der Mannschaft auch ein bestimmter Spielertyp fehlte, der eine spielerische Weiterentwicklung deutlich erleichtert hätte. Ein kontrollgebender, sicherer pressingresistenter Passgeber, der das Ballbesitzspiel strukturieren kann, aber auch ein kreatives Element mitbringt. Diese Lücke im Kader könnte Rückkehrer Arne Maier schließen. Er ist jedoch aktuell der einzige Sechser, der durch spielerische Elemente herausragt. Man wünscht ihm, dass er diese Chance endlich richtig nutzen kann und an seine zuletzt guten Leistungen bei der U21-EM und bei Bielefeld anknüpfen kann. Gelingt ihm das unter seinem größten Förderer (Pal Dardai), kann er eine wichtige Rolle spielen. Man kann aber zumindest hinterfragen, ob es vielleicht nicht noch eine spielstarke Alternative bräuchte, falls sich Maier erneut verletzen sollte oder sein Leistungsniveau nicht halten kann. Es fehlt in der breite an guten Passgebern im Mittelfeld.
Außerdem fehlen Führungsspieler im Mittelfeld. Das kann auch in der kommenden Saison ein Problem werden. Sami Khedira ist nicht mehr da und hinterlässt damit vor allem als Persönlichkeit eine Lücke. Ob der 34-Jährige Kevin-Prince Boateng allein für dieses Problem eine gute Lösung sein kann, wird man abwarten müssen. So richtig scheint man diese Aufgabe aber auch aktuell keinem anderen Mittelfeldspieler zuzutrauen.
So wirklich zufrieden kann Hertha BSC mit dem Punktgewinn beim VfB Stuttgart nicht sein. Wie schon öfters in dieser Saison kamen die Berliner in der ersten Halbzeit nicht in die Partie. Nach einer grausigen Leistung in Halbzeit eins lief man lange einem Rückstand hinterher, bevor der junge Luca Netz doch noch einen Auswärtspunkt sicherte. Wie jede Woche versuchen wir etwas detaillierter auf einzelne Spielerleistungen einzugehen.
Herthas Problem ist jedoch schon länger die Tatsache, dass Individualitäten an sich nichts bedeuten, wenn die Profis sich nicht als Mannschaft verstehen. Auch unter Pal Dardai hat sich eines noch nicht verändert: Hertha BSC ist noch keine Einheit auf dem Platz. In Stuttgart war die erste Halbzeit ein kollektives Versagen. Wir versuchen trotzdem auf individuelle Spielerleistungen einzugehen.
Eigentlich sah es in den ersten Minuten nicht verkehrt aus. Hertha übte in den ersten Momenten des Spiels ein hohes Pressing auf die Stuttgarter Spieler aus, an dem sich alle Blau-Weißen beteiligten. So wurde der Spielaufbau des VfBs schon in deren Hälfte des Feldes gestört, Herthas Profis trauten sich Vorstöße zu und konnten mehrere Bälle erobern.
Doch nach etwa zehn Minuten verschwand dieses Mannschaftspressing von Hertha fast komplett. Von Minute zu Minute wurde die Defensive immer individueller geführt. Nur noch einzelne Spieler pressten die Schwaben und wurden dabei relativ einfach umspielt. Dies führte dazu, dass die Gastgeber immer besser ins Spiel kamen und deutlich dominanter auftraten als die Gäste. Herthas Verteidiger waren zunehmend im Blickpunkt. Peter Pekarik und Maximilian Mittelstädt kamen in der ersten Halbzeit nur zu wenigen Vorstößen, die auch schnell verpufften.
Herthas Innenverteidigung blieb trotz allem weitestgehend stabil und erlaubte sich nur wenige grobe Fehler. Auffällig war in beiden Halbzeiten, dass der Spielaufbau von Hinten oft von Omar Alderete übernommen wurde. Dieser hatte jedoch große Schwierigkeiten, seine Mitspieler zu finden. Immer wieder musste er lange Bälle schlagen, die nur selten ankamen. Zudem verlor er den Ball gleich zwei Mal in gefährlicher Lage vor dem eigenen Strafraum, was zu Chancen für den VfB führte.
In der wohl schlechtesten Phase, die Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit, war Pal Dardais Team insbesondere defensiv schwach. Defensivstandards wurden außergewöhnlich schlecht verteidigt. Mehrmals standen bei Eckbällen und Freistöße gleich zwei oder sogar drei gegnerische Spieler frei im Strafraum und konnten auf Jarsteins Kasten köpfen. So war es keine große Überraschung mehr, als Sasa Kalajdzic in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit völlig frei zum Flugkopfball kam und traf. Hertha ging mal wieder mit einem Rückstand in die Halbzeitpause.
Steigerung in Halbzeit zwei – Eiskalt eingenetzt
In der zweiten Halbzeit hatte Hertha BSC deutlich mehr Spielanteile. Dadurch wurde auch die Defensive entlastet und Herthas Außenverteidiger konnten etwas mehr Vorstöße riskieren. Vor allem Maximilian Mittelstädt wurde auf seiner linken Seite aktiver. Dieser versuchte einige Vorstöße und schlug einige Flanken. Dabei fehlte erneut die Präzision, sodass er trotz großen Aufwands kaum eine Chance einleiten konnte. Seine Passquote (nur 67 Prozent) war am Ende leider eine der schwächsten auf dem Platz. Auch seine Zweikampfquote war mit 42 Prozent nicht besonders zufriedenstellend. Im Vergleich wies der etwas defensiver agierende Peter Pekarik eine Passquote von 86% auf.
Beide Verteidiger wurden schließlich zehn Minuten vor Schluss ausgewechselt. Mathew Leckie und Luca Netz kamen in die Partie. Der 17-Jährige krönte sich nach nur drei Minuten zum jüngsten Torschützen der Hertha-Geschichte. Sein etwas glücklicher Treffer zum Punktgewinn kommt dabei nicht allzu überraschend. Schon in seinen ersten Einsätzen für die Profis war er insbesondere durch seine gefährlichen Vorstöße aufgefallen.
Obwohl der junge Berliner noch am Anfang seiner Entwicklung steht, wird ihn sein erstes Bundesligator sicherlich beflügeln. Seine Sorglosigkeit tat jedenfalls seiner Mannschaft in der Schlussphase gut und sorgte dafür, dass die „alte Dame“ nicht erneut mit leeren Händen nach Hause fliegen musste.
Khediras Einwechslung bringt neuen Schwung
Ausschlaggebend dafür war auch ein gewisser Sami Khedira. Der 33-Jährige schlug die Vorlage für seinen fast doppelt so jungen Mitspieler. Erst in der 58. Minute wurde er für Santiago Ascacibar eingewechselt. Der Südamerikaner zeigte sich wie schon gegen Eintracht Frankfurt und FC Bayern München bissig und fleißig.
Allerdings ging er genauso wie seine Mitspieler in der ersten Halbzeit komplett unter. Ascacibar gewann nur wenige Zweikämpfe (Zweikampfquote 29 Prozent) und stand oft nicht richtig. Außerdem erlaubte er sich Foulspiele in Strafraumnähe, die zu gefährlichen Freistöße für seinen Ex-Klub führten. Auch Matteo Guendouzi hatte große Schwierigkeiten, auf der offensiven zentralen Mittelfeldposition für Aufsehen zu sorgen. Das tat der Franzose vielmehr im negativen Sinne, da er sich einige schmerzhafte Ballverluste erlaubte.
Die Einwechslung von Sami Khedira brachte sofort eine spürbare Dominanz und Ruhe zurück in das zentrale Mittelfeld. Der Weltmeister hatte fast genauso viele Ballaktionen wie Ascacibar (mit weniger Spielzeit) und zeigte sich dafür zweikampfstark und passgenau. Einige Bälle des VfBs konnte er abfangen. Seine fehlende Spritzigkeit und Geschwindigkeit machte er mit gutem Stellungsspiel wieder wett. Hinzu kommt seine so wichtige, aber auch etwas zufällige Torvorlage für Netz.
Herthas Suche nach der Achse
Außerdem gab er Lucas Tousart (von Sky-Kommentatoren neuerdings “Nicolas Toussart” getauft) mehr Sicherheit. Der Franzose war bis dahin im Vergleich zu seinen Mitspielern im zentralen Mittelfeld einer der aktivsten. Er führte viele Zweikämpfe und unterbrach einige Angriffe der Schwaben.
Er steigerte sich aber nach der Einwechslung von Khedira nochmal spürbar und konnte mehr Akzente nach vorne setzen. In der Schlussphase (85.) beispielsweise, als er einen Konter mit einleitete und Nemanja Radonjic in die Spitze schicken konnte. Am Ende war er mit 12,87 gelaufene Kilometer auch der laufstärkste Spieler auf dem Platz.
Herthas Achse steht also weiterhin nicht fest. Lucas Tousart dürfte wohl nach zuletzt drei guten Auftritten in Folge gesetzt sein. Matteo Guendouzi strahlte hingegen zuletzt weniger Frische und Spielwitz als noch vor einigen Monaten aus. Die neue Rolle von Sami Khedira könnte da ein wichtiger Faktor werden. Dessen Präsenz scheint seine Mitspieler zu beflügeln und zumindest ein wenig Ruhe in das Chaos zu bringen. Die nächsten Wochen werden zeigen, wer sich im zentralen Mittelfeld endgültig durchsetzen kann. Dardai muss mal wieder Lego spielen.
Matheus Cunha – Weiter glücklos
Endgültig durchgesetzt hat sich Matheus Cunha bei Hertha schon lange. Doch der wohl gefährlichste Spieler in den Berliner Reihen wartet mittlerweile schon seit November 2020 auf einen eigenen Treffer. Nachdem er kurz vor Ende der Partie gegen Bayern schon eine Riesenmöglichkeit vergeben hatte, bekam er auch in Stuttgart einige Möglichkeiten. Viele dieser Möglichkeiten leitete er selbst ein.
Der Brasilianer war erneut ein Aktivposten, war für seine Gegenspieler nur sehr schwer zu halten und zeigte sich auch im Pressing und in Defensivzweikämpfen sehr fleißig. Er gewann die meisten Berliner Zweikämpfe (22) und war erneut mit Abstand der Spieler auf dem Platz mit den meisten erfolgreichen Dribblings (8). Was bei ihm erneut fehlte, war der Glück im Abschluss.
Lob gab es diese Woche dafür vom neuen Mitspieler Sami Khedira: „Matheus Cunha ist ein unfassbarer Fußballer“. Doch gerade im Abstiegskampf wird seine Qualität auch zu Toren führen müssen. Die Enttäuschung über die vergebenen Chancen war Matheus Cunha immer wieder anzumerken. Gegen den Ex-Club Leipzig bekommt der 21-Jährige die nächste Chance, die Durststrecke zu beenden.
Nemanja Radonjic – noch kein Durchbruch
Ebenfalls enttäuscht von der eigenen Leistung dürfte Nemanja Radonjic sein. Der Neuzugang war wie schon im ersten Einsatz gegen Bayern in einigen Szenen zu sehen. Dass Geschwindigkeit allein nicht zum Erfolg führt, ist selbstverständlich. Warum der junge Flügelstürmer allerdings auf seine stärkste Waffe im entscheidenden Moment verzichtete, bleibt ein Rätsel. Gleich zwei Mal lief der Serbe gegen Stuttgart mit dem Tempo eines Windhundes seinen Gegenspielern davon, beide Male stoppte er jedoch völlig unerklärlich ab und ging ins Dribbling.
Somit gab er seinen Vorsprung freiwillig auf und schaffte sich unnötige Hindernisse. Dazu verstolperte er mehrere Bälle und war mitverantwortlich dafür, dass Herthas Angriffe in der Schlussphase zu oft nicht zu Ende gebracht wurden. Womöglich bremste ihn auch eine leichte Verletzung. Über die vergebenen Chancen dürfte er sich trotzdem tierisch ärgern.
Lukebakio mehr Flamingo als Känguru
Wer „tierisch“ liest, musste diese Woche schnell an Pal Dardai denken. Dieser gab in der Pressekonferenz einen kleinen Exkurs über Kängurus und erklärte, welche Gemeinsamkeiten dieses Tier mit Dodi Lukebakio hat. Ähnlich wie ein rotes Känguru also, soll Dodi Lukebakio sein. Da müssen wir ihm leider widersprechen. Auch wir bei Hertha BASE sind nämlich echte Tierexperten.
Kängurus sind kräftige Tiere, die sich nur schwer aus dem Gleichgewicht bringen lassen und zum Teil auch durch ihre Körpergröße bedrohlich wirken können. Was die Physis angeht, ähnelt Dodi Lukebakio in der Tierwelt vielleicht eher dem Flamingo, der mit einem Fuß sein ganzes Körpergewicht hält. Ein solches kann man durch einen kleinen Schubser schon aus dem Weg räumen. Wie auch in so vielen Partien in dieser Spielzeit konnte sich der Belgier nämlich körperlich nie gegen seine Gegenspieler durchsetzen.
Die vom Cheftrainer gelobte Geschwindigkeit des Angreifers konnte dieser ebenfalls nur selten unter Beweis stellen. Zu oft stand am Ende eines Vorstoßes nur ein einfacher Ballverlust. Zu oft war schnell die Enttäuschung in seinem Gesicht zu lesen. Allgemein war die Körpersprache von Dodi Lukebakio wieder alles andere als inspirierend. Seine Mitspieler wird er damit sicher nicht mitreißen können. Ob Flamingo oder Känguru: der belgische Nationalspieler spielt bisher eine höchst enttäuschende Saison.
Alligatoren oder Schafe und Lämmer – Hertha braucht einen Leitwolf
Lukebakio ist nicht der Einzige, der bisher in dieser Saison seine Charakterstärke vermissen lässt. Pal Dardai muss nicht wie befürchtet „20 Alligatoren“ managen, doch eine Mannschaft voller Schafe und Lämmer möchte ein Trainer sicherlich auch nicht haben. Momentan ist die blau-weiße Truppe noch ein bunter Haufen völlig unterschiedlicher Spieler und Charakter, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Die fehlende Kohäsion der Spieler untereinander war in der ersten Halbzeit gegen Stuttgart stark zu spüren. Dabei sah das Team weniger nach einer hungrigen Wolfsmeute und eher wie die Arche Noah aus.
Vielleicht kann ein Alpha-Tier, ein Leitwolf diese Meute doch noch vereinen. Die Hoffnung auf eine zufriedenstellende Saison ist nach den letzten Ergebnissen jedenfalls verschwunden. Jetzt bleibt noch die Hoffnung, den kompletten Absturz zu verhindern. Dafür wird die „alte Dame“ auch im schweren Programm der nächsten Wochen punkten müssen.
Es geht wieder los. Endlich! Endlich? Die Aussicht auf weitere Bundesligaspiele vor leeren Rängen lässt anders als in bisherigen Sommerpausen nicht unbedingt das Wasser im Munde zusammenlaufen, doch die Welt dreht sich weiter und König Fußball regiert noch immer. So stand am Freitagnachmittag auch für unsere Hertha in Vorbereitung auf die Saison 2020/21 das erste (externe) Testspiel an. Gegner im Amateurstadion war die Viktoria aus Köln.
Und wie immer heißt Vorbereitung und Transferphase auch neue und altbekannte Gesichter auf dem Platz begrüßen – einige haben wir für euch bei diesem Damenduell in den Fokus genommen.
Deyovaisio Zeefuik – Die Lösung auf rechts?
Der niederländische Rechtsverteidiger kam in der Sommerpause nach längerem Hickhack vom FC Groningen und soll die bisherige Schwachstelle in der Viererkette beheben. Und nach zaghaften Anfangsminuten zeigte „Deyo“ auch wofür man ihn geholt hat. Im Zusammenspiel mit Dodi Lukébakio schaltete sich der Abwehrmann mehrmals mit in die Offensive ein und konnte mit seiner Schnelligkeit den Kölner Linksverteidiger vor Probleme stellen.
Zwar fehlte ihm bei seinem Flankenversuch in der 15. Minute noch ein wenig die Übersicht, doch schon in Minute 29 wurde es nach einem Doppelpass mit Lukébakio gefährlich bis ihn schlussendlich ein eigener Stolperer stoppte. Zwei Zeigerumdrehungen später war der Niederländer schon wieder am rechten Kölner Strafraumeck unterwegs und brachte mit einem schönen Pass in den Rückraum Krzysztof Piątek in Position, der sich aber ein wenig festlief. Schnurstracks nahm sich „Deyo“ selbst der Sache an, setzte nach und konnte die Chance am Leben erhalten, wenngleich Piąteks anschließende Flanke auf Jessic Ngankam zu ungenau kam.
Vor defensive Aufgaben wurde Zeefuik zu keiner Zeit gestellt, da werden naturgemäß ganz andere Kaliber auf ihn zukommen. Aber die angekündigten Offensivläufe, die Hertha in der letzten Post-Lazaro-Saison so vermisst hat, blitzten schon jetzt immer wieder auf und wurden im Laufe der Halbzeit immer koordinierter und vielversprechender. Trainer Bruno Labbadia war mit seinem neuen Rechtsverteidiger durchaus zufrieden, monierte aber das Zusammenspiel mit Lukébakio: “Das lag aber zum Teil auch an Dodi, weil er sich nicht gut bewegt und zu wenige Räume aufgemacht hat. Hinten hat Deyo seinen Laden im Griff, das Spiel nach vorn müssen wir entwickeln.”
Der Mann hat jedenfalls Lust auf Ausflüge und dabei reden wir nicht vom Sonntagspicknick. Es wird spannend, wie er sich in den nächsten Wochen und in der Bundesliga präsentieren kann.
Ondrej Duda – Neuer Trainer, Altes Glück?
Nach der starken Vorsaison kam Ondrej Duda in der Spielzeit 2019/20 nicht mehr wirklich zum Zug und „floh“ im Winter vor Renovator Klinsmann, der bei seiner „Fußballidee“ keine Verwendung mehr für den Slowaken fand, zum englischen Abstiegskandidaten Norwich City. Nachdem Norwich schließlich auch rechnerisch sicher den Gang in die englische Zweitklassigkeit antreten musste, kam Duda vorzeitig von der Leihe zurück, um rechtzeitig mit Hertha in die Vorbereitung zu starten und sich unter dem für ihn neuen Trainer Labbadia präsentieren zu können.
Und so durfte er in der zweiten Halbzeit im 4-2-3-1 die Zehnerposition übernehmen und war dabei einer der auffälligsten Spieler. Anders als seine Kollegen in Halbzeit eins suchte er auch mal vor dem Sechzehner den Abschluss und war dabei in bester Duda-Manier in Minute 55 nach einem kleinen Haken und in der 83. Minute mit einem Volley nach abgewehrter Flanke äußerst gefährlich.
Auch sonst war der 25-Jährige überall präsent, holte sich Bälle wahlweise zwischen den Innenverteidigern oder auf der Linksaußen-Position ab und suchte immer wieder schnell den Weg in die Spitze, was in der 77. Minute mit dem Hackenpass auf Javairo Dilrosun im Strafraum fast zum Erfolg führte. Dessen Hackenverlängerung auf Daishawn Redan versiegte aber irgendwo in den Kölner Abwehrbeinen. Auch bei Duda sah Labbadia noch Verbesserungsbedarf – “Ondrej muss noch ein Stück präsenter werden und das Spiel im vorderen Drittel noch mehr leiten – und noch mehr Tempowechsel drin haben” – allerdings verbuchen wir das mal unter den Motivationstricks.
Denn insgesamt hinterließ Duda einen sehr ordentlichen Eindruck und zeigte sich in passabler Frühform. Es bleibt zu hoffen, dass Labbadia anders als Klinsmann Verwendung für den Hertha-Topscorer 2018/19 findet und Duda sich weiter mit Lust und Laune dem Konkurrenzkampf um die offensiven Positionen stellt. Vielleicht lässt sich ja einer der Teamkollegen dazu bewegen, Duda für zehn geschossene Tore eine frische Rolex in Aussicht zu stellen.
Arne Maier – Jetzt oder Nie
Herthas Top-Talent, das im Winter noch überraschend mit Wechselabsichten in die Schlagzeilen geriet und in der Rückrunde nach längerer Verletzungspause nicht so richtig in Tritt kam, durfte sich in der Startelf an der Seite von Santiago Ascacíbar als offensiver Part der Doppelsechs beweisen.
Im Wechsel mit dem Argentinier schob Arne Maier bei Spielaufbau des Drittligisten aus dem 4-2-3-1 vor bis auf den gegnerischen Sechser, um diesen ordentlich unter Druck zu setzen, sodass Hertha im Pressing teilweise im 4-1-4-1 auf die Kölner Defensivreihen zukam. Schon früh versuchte Maier das Spiel an sich zu reißen, forderte einige Pässe, war ruhig und souverän am Ball und spielte mehrere sehenswerte Seitenverlagerungen in die Spitze, wie in der 14. Minute, als sein gut getimter Ball von Torunarigha nicht gut kontrolliert werden konnte und so die Kölner Abwehr genügend Zeit zum Formieren bekam. Auch später blieb auffällig, dass Ascacíbar und Maier sich sowohl im Pressing als auch im eigenen Spielaufbau häufig abwechselten, wobei dem Herthaner Eigengewächs dabei die „spektakuläreren“, raumbringenderen Pässe überlassen blieben.
Grundsätzlich funktionierte die Absprache und das Zusammenspiel auf der Doppelsechs ordentlich, Köln geriet aber durch die beiden nicht wirklich unter Druck, was vielmehr aber auch damit zusammenhängen mag, dass Matheus Cunha auf der 10 bis zur 40. Minute einen schwachen Auftritt hinlegte und sowohl offensiv als auch defensiv kaum etwas zustande brachte.
Arne Maier hingegen arbeitet sich so langsam aber sicher wieder an seine Form heran, die ihn vor seiner Verletzung im Frühling 2019 zum Stammspieler bei Hertha machte. Die Verantwortlichen um Michael Preetz, Arne Friedrich und Labbadia scheinen ihm aufgezeigt zu haben, mit ihm weiter geduldig auf seine Topform hinarbeiten zu wollen und in ihm noch immer ein wichtiges Puzzleteil für Herthas Zukunft zu sehen. Zumindest sind keine neuen Abwanderungsgedanken publik geworden, die anderes vermuten lassen.
Nichtsdestotrotz steht Maier vor einer wichtigen Saison. Es liegt an ihm, trotz seines noch jungen Alters jetzt den nächsten Schritt zu gehen und den Talent-Status abzustreifen, um sich bei Hertha zu etablieren und vielleicht auch für größere Vereine interessant zu machen, wie es sein Karriereplan wohl vorsieht. Sofern er verletzungsfrei bleibt, könnte er trotz der großen Konkurrenz im Mittelfeld und den Transfergerüchten um einen weiteren zentralen Mittelfeldspieler genau diesen Schritt gehen und dem Spiel der Hertha neben einem defensiveren Abräumer wie Ascacíbar oder Lucas Tousart offensiv seinen Stempel aufdrücken.
Mit Labbadia hat Arne Maier einen selbsterklärten Förderer der Jugend an der Seitenlinie. Die oft zitierte Tür steht also auf – und Maier muss durch – jetzt oder vielleicht nie.
Und dann war da noch:
Dodi Lukébakio, der mit seinen Dribblings in Halbzeit eins für die meisten der wenigen kreativen Offensivmomente im letzten gegnerischen Drittel sorgte. Das Zusammenspiel mit Neuzugang Zeefuik hakte noch hier und da, dieses Duo sollte man aber aufgrund der immensen Dynamik im Auge behalten. In der 41. Minute drosch er die Kugel nach Vorarbeit von Cunha frei vor Mielitz zum 1:0 ins kurze Eck.
Matheus Cunha, der mit seiner ersten gelungenen Aktion direkt das Tor von Lukebakio vorbereitete. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte traf er dann nach Vorlage von Piątek beinahe selbst. Insgesamt dieses Mal trotzdem weniger Genie als Wahnsinn.
Alexander Schwolow, der mit einer nahezu 100 %-igen Passquote bestach. Seine Torwarthandschuhe hätte er für den Einsatz aber zuhause lassen können.
Daishawn Redan, der stets bemühte Stürmer, der sich in der 79. Spielminute nach starkem Labbadiola’schem Pressingballgewinn durch Dilrosun über die Zwischenstation Leckie mit dem 2:0-Schlusstreffer in die Torschützenliste eintragen durfte.
Lucas Tousart, der dritte „Leihrückkehrer“, der defensiv kaum gefordert wurde, offensiv mit einigen Seitenwechseln seine Übersicht bewies und sich kaum anmerken ließ, dass er zurzeit vielleicht doch lieber gegen Juve und ManCity spielen würde. Ein ordentlicher Ersteindruck, auch aufgrund des Faktes, dass der Franzose zuvor vier Monate nicht mehr Fußball gespielt hatte. Sein erwachsenes Spiel und der Drang, auch mal in den gegnerischen Strafraum zu stürmen, gefielen.
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