Herthaner im Fokus: Hertha BSC – FC Bayern München

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – FC Bayern München

Ein bisschen Hoffnung hat man ja doch immer, wenn Hertha gegen die Bayern spielt. Obwohl wir gestern 0:1 verloren haben, hat sich diese Hoffnung erfüllt. Denn insbesondere in der zweiten Halbzeit zeigte Hertha ein tolles Umschaltspiel und hätte sich ein Unentschieden eigentlich verdient. Auch in den Leistungen mehrerer Einzelspieler sieht man schon nach zwei Spielen unter Pal Dardai einen deutlichen Fortschritt. Die Herthaner im Fokus.

Nemanja Radonjic – Herthas neuer Unterschiedsspieler

Einen Tag nachdem der Serbe Nemanja Radonjic zu Hertha wechselte, verkündete sein früherer Trainer André Villas-Boas seinen Rücktritt bei Olympique Marseille. Villas-Boas begründete seinen Rücktritt öffentlichkeitswirksam unter anderem damit, dass man ihn vor der Leihe Radonjics nicht konsultiert habe – er hätte dies wohl nicht befürwortet. Obwohl Radonjic gegen die Bayern nur etwa 20 Minuten mitspielen durfte, kann man Villas-Boas‘ Ärger verstehen.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Radonjic ist wieselflink, mutig in den Zweikämpfen, zieht von seiner linken Außenbahn in Robben-Manier gerne in die Mitte und sorgt somit für ein Element, das Hertha in den vergangenen Monaten so sehr fehlte: Druck auf der Außenbahn. Radonjic erinnert ein wenig an die ersten Spiele von Javairo Dilrosun bei Hertha – der junge Niederländer glänzte damals über die linke Außenbahn, legte mehrere Tore vor und erzielte auch einige Treffer.

Es bleibt nur zu hoffen, dass Radonjic – oder “Blitzkugel”, wie ihn Dardai nach dem Spiel nannte – im Gegensatz zu Dilrosun diesen ersten Eindruck verstetigen kann. Denn: Viel Zeit zur Akklimatisierung hat der junge Serbe nicht. Es bleiben 14 Spiele, in denen Hertha mit Radonjics Hilfe unbedingt punkten muss.

Maximilian Mittelstädt – Was für ein Fortschritt

Ich muss es zugeben – obwohl mir Maxi Mittelstädt sehr sympathisch ist, war ich über seine erneute Nominierung für die Startelf etwas verärgert. Denn in den vergangenen Monaten wirkte Herthas Nachwuchsspieler oft zu behäbig, kam in vielen Zweikämpfen zu spät und verschuldete so leider auch ein paar Gegentore. Er wirkte schlicht gehemmt.

Doch am gestrigen Freitagabend zeigte Maxi ein ganz anderes Gesicht. Er hatte Selbstvertrauen. Insbesondere in Herthas Drangphase in der zweiten Halbzeit gewann Maxi im Mittelfeld mehrere wichtige Zweikämpfe und leitete so direkte Gegenangriffe ein – die einzige Art und Weise, wie man gegen die Bayern punkten kann. Auch im eigenen 16er wirkte Mittelstädt – kurz nach Beginn der Partie klärte er eine extrem gefährliche Situation gegen Serge Gnabry. Vier Tacklings, zwei abgefangene Bälle und sechs Klärungen unterstreichen seinen hervorragenden Auftritt.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Mittelstädt hatte unter der Woche seinen Instagram-Account gelöscht. Dass ihm die in den sozialen Medien geäußerte Kritik zu nah ging, ist nicht auszuschließen. In einem Video-Interview hatte er dies auch kürzlich angedeutet: auch Fußballprofis seien Menschen, sagte Mittelstädt mit Blick auf die ihm entgegen gebrachte Kritik.

Klar ist: Im Zeitalter der „sozialen“ Medien sind die Profis (leider) ungefilterter, unfairer und oft auch unflätiger Kritik ausgesetzt. Man wünscht sich für Maxi, dass ihm sein neuer Trainer weiter dabei hilft, wieder mutiger zu werden, damit er auch in Herthas Offensive wieder selbstbewusst Nadelstiche setzen kann.

Dodi Lukébakio – Nur eine kleine Verbesserung

Klar – man kann Torchancen vergeben. Das Problem ist nur, dass man gegen die Bayern nicht allzu viele bekommt. Und insofern schmerzt es mit einer Nacht Abstand schon, dass Dodi und Cunha gestern zwei Chancen vergaben, die sie einfach machen müssen.

So wir alle anderen Herthaner hat sich auch Lukébakio gesteigert. Am deutlichsten zeigte sich dies etwa zehn Minuten nach Wiederanpfiff, als Lukébakio nach einem Sprint in die Defensive auf einmal am eigenen Strafraum eine gefährliche Situation gegen Gnabry entschärfte – noch vor zwei Wochen wäre dies wohl undenkbar gewesen.

Foto: IMAGO

Trotzdem bleibt leider ein negativer Gesamteindruck – Dodi taucht in vielen Spielphasen einfach komplett ab und trabt bestenfalls mit. Pal Dardai muss Lukébakios Waffen – sein Spielwitz und seine Schnelligkeit – schnellstmöglich reaktivieren.

Und dann waren da noch …

Jordan Torunarigha: Gute Besserung, hoffentlich ist es nichts Schlimmes. Du wirst gebraucht!

Rune Jarstein: Alexander Schwolow ist ein toller Torwart, keine Frage. In seinen Spielen für Hertha hat der Ex-Freiburger auch keine Patzer eingebracht und unnötige Tore verschuldet. Aber seien wir ehrlich: Er hatte auch wenige bis gar keine Glanzparaden. Herthas Goalie-Oldie Jarstein hatte diese in den vergangenen beiden Spielen. Trotz dreier Gegentore landete Jarstein wegen mehrerer Rettungsaktionen in der „kicker“ Elf des Tages und am gestrigen Abend parierte er einen Elfmeter gegen Robert Lewandowski – ein höchst seltenes Phänomen. Kurzum: Ein weiterer genialer Schachzug von Pal Dardai war es, Jarstein zu reaktivieren!

Sami Khedira: Es ist schon ein komisches Gefühl, Sami Khedira im Hertha-Trikot agieren zu können. Khedira gehört zu den bestdekorierten deutschen Fußballspielern. Er ist Weltmeister, Champions-League-Sieger und gewann die nationalen Meisterschaften in Deutschland, Spanien und Italien. Sein Einsatz am gestrigen Abend war zu kurz, um ihn fair bewerten zu können. Klar ist aber, dass Khedira in den Tagen vor dem Bayern-Spiel glaubhaft vermittelte, dass er Hertha helfen will. Eine Hilfe, die wir gerne annehmen – auf allen seinen Erfahrungsebenen.

Fazit – Die Mannschaft lebt

Der wahre Star am gestrigen Abend war die Mannschaft. Die Statistiken zeigen, dass Hertha das Spiel gegen die Bayern nicht nur annahm, sondern auch klug gestaltete. Die Blau-Weißen liefen insgesamt knapp vier Kilometer mehr als die Bayern, hatten mit rund 80 Prozent eine gute Passquote, schossen zehn Mal aufs Tor, spielten weniger Fehlpässe als die Bayern und hatten mit rund 50 Prozent fast dieselbe Zweikampfquote wie der Gegner.

Foto: IMAGO

Aber nicht nur quantitativ machte Hertha ein gutes Spiel. Auch die Qualität überzeugte. Nach dem Rückstand ließ sich das Team nicht fallen, sondern startete in der 2. Halbzeit eine tolle Angriffsserie. Leider können wir uns von dem Spiel wenig kaufen, Hertha braucht mit Blick auf die Tabellensituation Punkte. Insofern gibt es nur ein Manko, das nach dem gestrigen Freitagabend bleibt: die Chancenverwertung!

[Titelbild: JOHN MACDOUGALL/POOL/AFP via Getty Images]

“Haben einen konkreten Plan“ – Jetzt schlägt die Stunde des Carsten Schmidt

“Haben einen konkreten Plan“ – Jetzt schlägt die Stunde des Carsten Schmidt

Nach der Trennung von Bruno Labbadia und Michael Preetz hat sich Herthas Geschäftsführer Carsten Schmidt am heutigen Sonntagvormittag zur Zukunft des Vereins geäußert. Schmidt begründete die beiden Rauswürfe mit der sportlichen Misere und kündigte an, dass er für die Trainerfrage „bereits einen konkreten Plan“ habe. Einiges spricht dafür, dass Schmidt diesen Umbau schon in den vergangenen Tagen vorbereitet hat. Beachtlich ist, dass Schmidt offenbar keine Interimslösung anpeilt.

Hertha BSC steht vor einer kleinen Revolution. Nach etwa elf Jahren ist Michael Preetz nicht mehr Geschäftsführer Sport. In einem Atemzug hat sich der Verein nach der bitteren 1:4-Pleite gegen Werder Bremen am heutigen Sonntag auch von Trainer Bruno Labbadia getrennt. Carsten Schmidt ist erst seit knapp zwei Monaten Herthas neuer Vorsitzender der Geschäftsführung. Auf dem TV-Sender „Sky Sport News“ hat sich Schmidt zu den beiden Beurlaubungen geäußert und einen Blick in Herthas Zukunft gegeben.

Der ehemalige Sky-Chef begründete die beiden Personalentscheidungen mit der sportlichen Situation – Hertha stecke jetzt im Abstiegskampf. Er habe sich nach dem gestrigen Spiel mit seinen Geschäftsführungskollegen und dem Präsidium beraten und dann die Entscheidung getroffen. Labbadia habe er gestern bereits telefonisch informiert, am heutigen Sonntagmorgen folgten dann persönliche Gespräche mit Preetz und Labbadia in der Geschäftsstelle.

Kein böses Blut

Schmidt ließ durchblicken, dass ihn insbesondere die beiden letzten Spiele gegen Hoffenheim (0:3) und Werder (1:4) zum Handeln bewegt haben. „Mit dem Spiel gegen Schalke ging es ja im Januar gut los, die folgenden Spiele waren nicht brillant, aber wir waren weiterhin optimistisch. Nach dem gestrigen Spiel kann es aber keine andere Entscheidung geben.“ Die Spiele gegen Hoffenheim und Bremen seien „kaum zu erklären“. Der neue Hertha-Boss erinnerte auch daran, dass Hertha aus diesen beiden Spielen mit einem Torverhältnis von 1:7 ging. Sowohl Preetz als auch Labbadia hätten die Entscheidung „sehr gut und professionell“ aufgenommen. Er äußerte keinerlei Kritik an den beiden Ex-Hertha-Funktionären. Ganz im Gegenteil: Labbadia lobte er sogar ausführlich für sein „Engagement und seine Akribie“, auch die Zusammenarbeit mit Preetz sei sehr gut gewesen.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Für Herthafans ist im Moment natürlich aber der Blick in die Zukunft wichtiger: Die Mannschaft steht nur zwei Punkte vor dem Relegationsplatz – wenn Köln am heutigen Sonntag gewinnt, ist Hertha punktgleich mit Bielefeld, die dann aufgrund des schlechteren Torverhältnisses auf den Relegationsplatz rutschen. In den Medien war bereits berichtet worden, dass Pal Dardai die Mannschaft als Interimslösung erneut übernehme und im Sommer ein neuer Übungsleiter präsentiert werde. Doch ist das auch Schmidts Plan?

Kein Schnellschuss bei Traineramt

Im Interview mit dem TV-Sender „Sky Sport News“ deutete Schmidt an, dass er keineswegs eine improvisierte Zwischenlösung anstrebt. „Wir haben einen klaren Plan, den wir jetzt umsetzen. Wir gehen nicht unvorbereitet in diese Aufgabe“, sagte Schmidt. Details wollte er nicht nennen – in den kommenden Tagen werde man sich dazu äußern, so Herthas Geschäftsführer. Angesprochen auf Dardai sagte er, dass der Ungar „möglich“ sei. Und: „Wir haben einen Plan für die restlichen 16 Spiele plus Zukunftsgestaltung.“

Foto: IMAGO

In diese Zeilen kann sicherlich viel hinein interpretiert werden. Man gewinnt aber den Eindruck, dass der neue Hertha-Boss in den vergangenen Tagen schon den Trainermarkt sondierte und womöglich sogar schon eine Lösung in der Hinterhand hat. Der Verweis auf die „Zukunftsgestaltung“ nach der Rückrunde lässt darauf schließen, dass Schmidt in den kommenden Tagen vielleicht sogar einen Trainer präsentieren wird, der Hertha dauerhaft übernehmen könnte.

Im Rahmen einer Pressekonferenz am heutigen Sonntagnachmittag konkretisierte Schmidt, dass man einen Trainer präsentieren werden, der „eine Mannschaft zusammenschweißen kann“. Am Dienstag werde dieser Trainer mit der Mannschaft auf dem Trainingsplatz stehen. Ob Hertha diesen Trainer als Interimslösung oder als neuen dauerhaft installierten Headcoach installiert, ließ er sich offen.

Friedrich übernimmt vorerst

Was Preetz‘ Position betrifft, so bestätigte Schmidt die Pressemitteilung, die Hertha am heutigen Sonntagvormittag ausgesendet hatte. Arne Friedrich übernimmt ab sofort die sportliche Leitung bei Hertha – vorerst allerdings nur bis zum Saisonende. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem Ex-Hertha-Spieler. Auf Herthas Homepage ist Preetz schon nicht mehr als Mitglied der Geschäftsleitung aufgeführt. Neben Schmidt gehören dem Gremium jetzt noch Ingo Schiller (Finanzen), Thomas E. Herrich (Prokurist) sowie Paul Keuter (Kommunikation, Marketing) an. Insbesondere Keuter gilt als enger Vertrauter von Preetz. Ob Preetz‘ Ende bei Hertha in den kommenden Wochen noch zu weiteren Personalveränderungen führen wird, ist aber völlig offen.

Hinweis der Redaktion: Wir haben den Text um 16.30 Uhr angereichert mit Informationen von der Pressekonferenz des Vereins.

[Titelbild: xMatthiasxKochx/IMAGO]

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – FC Schalke 04

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – FC Schalke 04

Nach einem bitteren Jahresende hat Hertha sein erstes Spiel des Jahres 2021 gegen Schalke 04 mit 3:0 gewonnen. Viel wichtiger als jede Einzelbewertung von Spielern sind die drei Punkte – Hertha löst sich von der Abstiegszone und zeigte, dass es auch einen qualitativen Abstand zum Tabellenkeller gibt. Ein Lob gilt ausdrücklich Bruno Labbadia, der insbesondere mit seinen Umstellungen im Mittelfeld wichtige Weichen gestellt hat.

Vladimir Darida – Das erfrischende Element

Etwa in der Mitte der 1. Halbzeit blendete der TV-Sender Sky erstmals die realtaktischen Formationen beider Mannschaften ein. Die Anfangsphase des Spiels gegen Schalke war aus Hertha-Sicht noch recht holprig – auch weil Schalke insbesondere über den genesenen Mark Uth einige spannende Konter fuhr.

In der Taktik-Analyse konnte man sehr gut sehen, wie Labbadia das Mittelfeld umgebaut hatte. In der defensiven Zentrale war Lucas Tousart tätig, der zwar immer noch zu wenige Akzente nach vorne setzt, aber – und das hat Herthas Siel heute extrem geprägt – weniger Zweikämpfe verliert als Niklas Stark. Cunha kam bei Kontern zwar zumeist über die linke Seite, hielt sich die meiste Zeit allerdings ebenfalls im Zentrum vor Tousart auf, was ebenfalls stabilisierend wirkte.

Der erfrischendste Faktor war jedoch Vladimir Darida, der laut Real-Taktikanalyse in den ersten 20 Minuten Herthas offensivster Spieler war. Eigentlich ist das keine gute Idee, müsste man meinen – schließlich schießt Darida als offensiver Mittelfeldspieler sehr wenige Tore. Doch der tschechische Nationalspieler wirkte extrem belebend in der Spitze – er legte sowohl das 2:0 für Jhon Cordoba als auch das 3:0 für Krzysztof Piatek mit einem genialen Pass auf und war zwischendurch immer wieder an Strafraumaktionen beteiligt.

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Einziges Manko mal wieder: Der Tscheche hat wieder einmal nicht selbst getroffen, insbesondere in der letzten Spielminute war er etwa 13 Meter vorm Tor in eine gute Schussposition geraten, die er mit seinen technischen Fähigkeiten eigentlich nutzen müsste. Sein letztes Tor erzielte der Tscheche gegen den SC Freiburg im Dezember 2019. Aber auch ohne eigene Torgefahr glänzt Darida durch seine starke Laufleistung (heute knapp 12,5 Kilometer) und somit damit, dass er ständig anspielbar ist.

Matteo Guendouzi – Herthas neues Gehirn

In der oben genannten realtaktischen Formation war die Rückennummer 8 von Matteo Guendouzi halblinks vor Tousart eingezeichnet. Doch im Gegensatz zu Darida hatte die Taktik-Analyse beim Franzosen recht wenig Aussagekraft, denn Guendouzi war gefühlt überall. Vor dem eigenen Strafraum holte er sich viele wichtige zweite Bälle und transportierte diese in die Offensive. Die Passquote von knapp 92 Prozent (mit u.a. zwei Schlüsselpässen) zeigt, wie sicher sich der junge Franzose schon in seiner Rolle fühlt.

Besonders erfreulich ist zudem, dass Guendouzi sich immer wieder am gegnerischen Strafraum in Pressing-Situationen einmischt, Überzahl-Situationen schafft und auch dort viele wichtige zweite Bälle holt. Bei einer solchen Situation landete der Ball dann in der 36. Spielminute bei Guendouzi. Anstatt blind aufs Tor zu hämmern, nahm er sich kurz Zeit, um zu schauen, wie der Schalker Torwart Fährmann stand und zirkelte den Ball klug wie unhaltbar ins rechte Eck. Auf diese Weise hatte er zuletzt schon gegen ‘Gladbach getroffen.

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In den englischen Medien war rund um Guendouzis Wechsel zu Hertha viel von seiner Unbeherrschtheit zu lesen, teils wurde ihm Disziplinlosigkeit vorgeworfen. Am Samstagabend hätte der Franzose viele Anlässe zum Kontrollverlust gehabt, weil die Schalker ihn oft abräumten – Guendouzi blieb ruhig und spielte weiter. Ein rundum toller Fußballspieler – es wird sehr schwer, ihn ab der kommenden Saison zu ersetzen.

Jhon Cordoba – Druck, Druck, Druck

Einige Wochen musste Hertha im Sturm zuletzt mit Piatek beginnen, weil Jhon Cordoba sich im Spiel gegen Augsburg verletzt hatte. Bis auf wenige Glanzmomente konnte die Hertha-Offensive in diesen Spielen keinen dauerhaften Druck auf den Gegner entfalten. Heute war das – auch wegen Cordoba – anders.

Bestes Beispiel war die Entstehung des 1:0 durch Guendouzi, das nur entstehen konnte, weil der Kolumbianer einen Flanken-Einwurf von Plattenhardt auf Cunha ablegte. Cordoba ist in den meisten Offensiv-Aktionen von Hertha einfach irgendwie beteiligt. Nicht alles gelingt ihm, aber durch die reine Quantität seiner Strafraumaktionen ist er ein wichtiger Faktor in Herthas Offensivspiel. Durch seine Robustheit und Präsenz ist er ein eigentlich kaum wegzudenkender Pfeiler des Berliner Angriffsspiels.

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Sein eigenes Tor, das 2:0, zeigt eine weitere Qualität des Kolumbianers: Sein Stellungspiel. Während Krzysztof Piatek bei vielen Kontern zuletzt ein schlechtes Timing hatte und sich beispielsweise nicht richtig fallen ließ, um in gute Schusspositionen zu kommen, tat Cordoba heute genau das: Darida kam über außen in die Box, legte zurück auf den Fünf-Meter-Raum, wo Cordoba nur noch einschieben musste.

Und dann waren da noch…

Luca Netz: Das Spiel gegen Schalke lief seit 86 Minuten und war entschieden, da machte sich an der Seitenlinie ein sichtlich aufgeregter junger Mann für seinen ersten Bundesliga-Einsatz bereit: Das 17-jährige Hertha-Eigengewächs Luca Netz wurde von seinem Trainer auf der linken Außenverteidiger-Position eingesetzt. Der Spielstand und die kurze verbleibende Spieldauer lassen keine ausführliche Bewertung zu. Doch kurz vor Schluss zeigte Netz, dass er sich nicht nur in der Defensive wohlfühlt, als er mit einem beachtlichen Sturmlauf in den Schalker 16er eindrang, dann aber den Querpass in die Mitte nicht mehr hinbekam. Dass Netz in Deutschlands U18-Mannschaft in 15 Spielen vier Tore erzielte, belegt, dass Hertha einen offensivorientierten Linksaußen in petto hat.

Krzysztof Piatek: Irgendwie ist dieser Mann ein Phänomen. In der 78. Spielminute eingewechselt, brauchte der Pole heute ganze fünf Ballkontakte, um gefühlt zwei Tore zu erzielen. Dass das zweite Tor nicht zählte, liegt wohl nur daran, dass im Kölner VAR-Keller ein neues Elektronenmikroskop ausprobiert wurde. Bei Piateks Torquote (saisonübergreifend für Hertha in 29 Spielen acht Tore, dabei einige nach Einwechslungen) wäre es eine Dummheit ihn in der aktuellen Transferphase abzugeben. Dass er aber so gar nicht zur Spielweise der anderen offensiven Herthaner passt, bleibt ein Problem.

Fazit – Hertha mal kein Aufbaugegner

Viele Hertha-Fans hatten vor diesem Spiel nur eines: Angst. Nach peinlich schlechten Spielen gegen Mainz und Freiburg war Hertha für Schalke eigentlich der perfekte Aufbaugegner, um eine Mega-Negativserie zu stoppen. Doch aufgrund einer geschickten Umstellung im zentralen Mittelfeld, aber auch von individuellen Verbesserungen und somit weniger Fehlern hat Hertha dieses Fiasko verhindern können. Es folgen Spiele gegen Bielefeld, Köln und Hoffenheim. Normalerweise – ein Adverb, das bei Hertha leider recht wenig Anwendung findet – sollte Hertha aus diesen Spielen mindestens vier Punkte holen. Der Start ins neue Jahr ist zumindest schon einmal geglückt. der Kelch, gegen Schalke zu verlieren, ging fast schon überraschend an Hertha vorbei.

[Titelbild: IMAGO]

Jahresrückblick: Teil 4 – Ein gefühlter Rückschritt

Jahresrückblick: Teil 4 – Ein gefühlter Rückschritt

Am Ende dieses verrückten Jahres blicken wir bei Hertha BASE in einer vierteiligen Serie auf die wichtigsten Ereignisse und Vorkommnisse bezüglich Hertha zurück.

Teil 1 – HaHoHe, euer Jürgen

Teil 2 – Labbadia stabilisiert Hertha

Teil 3 – Eine unmögliche Vorbereitung

Nach bestenfalls mäßigen Vorbereitungsspielen startete Hertha Mitte September in die neue Saison. Gegen gerade in die Zweite Liga aufgestiegene Braunschweiger kassierte Hertha in 90 Minuten (!) fünf Tore und schied aus. Bis heute steht dieses Pokalspiel als Sinnbild für den Rest des Fußballjahres 2020: Trotz einiger offensiver Glanzmomente wirkte die Mannschaft oft unstabil und noch viel schlimmer: nicht zusammenhängend. Der Jahresrückblick Teil 4.

Das Pokalaus

Im Gegensatz zu den Fans der meisten anderen Bundesligateams können wir Herthaner:innen nur in wenigen Erinnerungen schwelgen. Denn große Erfolge gibt es in der jüngeren Vereinsgeschichte schlichtweg nicht. Als motivierender und identitätsbildender Faktor bleibt also die Hoffnung auf einen Erfolg, konkret: auf einen Titel. Da der Gewinn der deutschen Meisterschaft eine Illusion ist, bleibt der Pokal eine solche Hoffnung. Denn: Gewinnst du fünf Spiele hintereinander, stehst du im Finale im eigenen Stadion.

Und so ging man als Herthaner:in auch vor dem diesjährigen Pokalstart mit viel Hoffnung in die Partie gegen Eintracht Braunschweig. Nach zehn Braunschweiger Torschüssen, 66 Prozent Ballbesitz und 25 Torschüssen für Hertha stand nach 90 Minuten allerdings das Ergebnis 5:4 zu Buche. Die Daten zeigen: Obwohl Hertha insbesondere in der zweiten Hälfte dauerhaft drückte und auch kreativ Chancen erspielte, war die Abwehrleistung teils erschreckend schlecht, Braunschweig musste nicht viel tun, um zu treffen. Die einzige Hoffnung, die den Herthaner:innen nach diesem Spiel noch blieb, war das noch offene Transferfenster.

Der durchwachsene Ligastart

Vor diesem Hintergrund war das erste Ligaspiel in Bremen eine positive Überraschung. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Matheus Cunha, Dodi Lukébakio und Vladimir Darida ließ auf eine erfolgreiche Bundesligasaison hoffen – immer wieder sorgten die drei für blitzschnelle, gefährliche Konter. Der Herthaner des Spiels, der eigentlich auch der einzige Gewinner der bisherigen Hinrunde ist, war Peter Pekarik. Der Slowake räumte auf seiner Defensivseite nicht nur alles ab, sondern erzielte nach gefühlten 127 Jahren auch mal wieder einen Ligatreffer. Heute ist klar: Es sollte nicht sein letzter sein.

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Schade nur, dass Hertha diesen Schwung nicht in die folgenden Partien mitnahm. Es folgten Niederlagen gegen Eintracht Frankfurt, den FC Bayern München, VfB Stuttgart und RB Leipzig. Erst am 6. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg konnte wieder ein Punkt geholt werden. Wie sich schon im Braunschweig-Spiel angedeutet hatte, zeigte sich auch in diesen Partien, dass Hertha massive Stabilitätsprobleme in der Abwehr hat. Insbesondere in spielerisch überzeugenden Partien gegen Leipzig und die Bayern zerstörte man sich die Punktemitnahme durch Torgeschenke an den Gegner. Für die Mannschaft war das auch aus psychologischer Sicht extrem frustrierend, denn man brachte sich wiederholt um den Lohn, den man sich in der Offensive erarbeitet hatte.

Die schlechteste Abwehrleistung

Man muss dazu sagen: Aus Herthas Sicht ist diese Saison einfach richtig doof strukturiert. Nach dem oben genannten Unentschieden gegen Wolfsburg folgte ein kurzer Erholungserfolg gegen Augsburg und anschließend gab es weitere schwere Spiele gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen.

Gegen besagte Dortmunder gab es dann auch die verheerendste Abwehrleistung der Saison. Aber auch in diesem Spiel war es nicht so, dass Hertha durchgehend enttäuschte. Ganz im Gegenteil: Das 2:5 war am Ende so enttäuschend, weil man zur Pause 1:0 führte und Dortmund eigentlich kontrolliert hatte. Auch in diesem Spiel hat man sich durch eine schlechte Abwehrleistung um den wohl verdienten Lohn gebracht.

Der Höhepunkt

Nach einem 0:0 in Leverkusen, bei dem man sich als Hertha-Fan einfach nur über die stabile Abwehr freute, folgte dann das wichtigste Spiel der ersten Saison-Monate: das Stadtderby. Für Hertha war das Derby nicht nur des Prestiges wegen wichtig, sondern auch aufgrund der Tabellensituation: Nach neun Spielen lag Hertha auf Rang 13, während Union bereits doppelt so viele Zähler eingesammelt hatte und auf dem sechsten Platz rangierte.

Die Vorzeichen standen also nicht unbedingt gut für unsere Hertha. Und das Spiel begann auch wieder einmal enttäuschend. Hertha kam nicht richtig in die Partei und durch einen recht einfachen Angriff ging Union in Führung. Nach einem Karate-Tritt des Unioners Andrich spielte Hertha ab der 23. Minute in Überzahl. Das schien die Mannschaft von Bruno Labbadia aber erst in der zweiten Halbzeit realisiert zu haben, weil dann erst der Druck erhöht wurde. Zum blau-weißen Derby-Helden wurde dann Krzysztof Piatek, der nach dem Treffer zum 1:1 durch Pekarik das Spiel durch zwei Aktionen drehte.

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Im Vorfeld des Spiels hatte Hertha in der Stadt noch für mächtig Aufsehen gesorgt, weil entlang der größten Straßen Berlins etwa 60.000 kleine Hertha-Fähnchen aufgestellt wurden. Gleichzeitig veröffentlichte der Verein einen neuen Fan-Song und neue Merchandise-Produkte, passend zum Derby lief alles unter dem Motto „Wo die blau-weißen Fahnen weh’n“.

Man mag von den einzelnen Elementen dieser Mini-Kampagne halten was man will, schön ist aber, dass der Verein seinen Fans vor diesem wichtigen Spiel das Gefühl gab trotz des Corona-bedingten leeren Stadions irgendwie doch mit dabei zu sein. Besonders getragen wurde dieses Gefühl davon, dass der Verein die Trikotbrust in diesem so wichtigen Spiel mit der Faninitiative “Aktion Herthakneipe” zieren ließ.

Der Tiefpunkt

Nach einem recht stabilen 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach standen dann die Spiele gegen Mainz 05 und den SC Freiburg an, die auch zum bisherigen Tiefpunkt der Saison werden sollten. Eigentlich waren wir Herthaner:innen nach dem Gladbach-Spiel froh, dass nun endlich die vermeintlich leichteren Gegner kommen.

Doch es sollten zwei extrem enttäuschende Partien folgen. Das 0:0 gegen Mainz war aus fußballerischer Sicht grausam – beide Mannschaften fabrizierten keinen einzigen Torschuss. Das hatte es in den letzten 16 Jahren Bundesliga zuvor nur zwei weitere Male gegeben. Kurz vor Weihnachten verlor Hertha dann in Freiburg 1:4 – ein Spiel, in dem Hertha erneut auffällig leicht Gegentore kassierte.

Die Fehleinschätzungen

Keine Frage, als Herthaner:in kann man mit den ersten Monaten der Saison nicht zufrieden sein. Nach den extrem unruhigen letzten Jahren einen neuen Trainer zu installieren, würde die Mannschaft wohl aber noch weiter destabilisieren. Aber das Trainerteam muss sich einige Fragen gefallen lassen.

Labbadia muss sich fragen lassen, warum er es nicht geschafft hat, die Defensive der Mannschaft zu stabilisieren. Bis zum letzten Spiel des Jahres in Freiburg gab es immer wieder Momente, in denen Hertha quasi ohne Gegenwehr Tore fing. Auch Labbadias Umstellungen und Einwechslungen sind nicht immer nachvollziehbar. Warum gab er in den letzten Spielen des Jahres beispielsweise immer wieder Matthew Leckie eine Chance und ließ gleichzeitig Nachwuchsstürmer Jessic Ngankam auf der Bank sitzen? Es gab quasi keinen Einsatz, in dem Leckie diese Entscheidung des Trainers durch gute Leistungen rechtfertigte.

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Und: Warum bevorzugte Labbadia im so enttäuschenden Mainz-Spiel den Niederländer Zeefuik vor Pekarik? Der Slowake war in fast allen Spielen positiv aufgefallen und entdeckte sogar seine Torgefahr, Zeefuik hingegen wirkt weiterhin unsicher und fiel auch durch technische Mängel auf. Schließlich hat Labbadia auch in der Zentrale ein Problem: Immer wieder setzte er auf der Position vor der Abwehr auf Niklas Stark. Der gebürtige Franke wiederum hat allerdings überhaupt keine Anbindung an seine Vordermänner im zentralen Mittelfeld. Es wirkte teilweise so, dass Stark, Tousart, Darida und teilweise auch Cunha noch nie zusammen Fußball gespielt hätten. Fehlpässe en masse sowie falsche Laufwege prägten viele Hertha-Spiele. Torchancen wollen dabei nicht herumkommen.

Die Neueinkäufe

Für Michael Preetz war es eine wahre Monsteraufgabe, den Weggang einer ganzen Reihe von erfahrenen Führungsspielern durch Neueinkäufe wettzumachen. Die ersten Liga-Monate lassen den Schluss zu, dass ihm das nur bedingt gelungen ist. Die einzigen sofort spürbaren Verstärkungen sind Matteo Guendouzi und Cordoba. Obwohl der Franzose Guendouzi nach einer Corona-Infektion und Länderspielpausen erst sehr spät zur Mannschaft stieß, drückte er dem Team sofort sein Spiel auf, übernahm die Fäden im Mittelfeld und begann sogar jüngere Spieler als echter Leader anzuweisen. Guendouzi ist ohne Kaufoption ausgeliehen – Spätestens im Sommer muss Preetz also die nächste Lücke im zentralen Mittelfeld schließen. Auch Cordoba fiel durch eine Verletzung im Augsburg-Spiel lange aus. In den Spielen, die er machte, war er jedoch stets gefährlich. Dass Preetz quasi im Tauschgeschäft Ondrej Duda an Köln abgab und somit nur etwa acht Millionen Euro für den Kolumbianer entrichten musste, ist einfach ein guter Deal.

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Die Neuzugänge Tousart, Zeefuik und Omar Alderete sind aus heutiger Sicht keine Fehleinkäufe. Insbesondere Tousart könnte mit seiner robusten Spielweise Herthas Mittelfeld mehr Sicherheit geben. Und auch Alderete hat in seinen wenigen Spielen oft gut gestanden. Alle drei Spieler hatten aber auch viele schwache Phasen: Tousart funktioniert im Offensivspiel mit Cunha und Darida nicht, Alderete verschenkte ein wichtiges Gegentor in Leipzig und Zeefuik hatte bei seinen Einsätzen auf der rechten Abwehrseite einfach viel zu wenige Offensivaktionen.

Ganz ähnlich fällt die Bewertung von Herthas neuem Schlussmann aus: Alexander Schwolow hatte keine echten, massiven Patzer in seinem Spiel. Auf der anderen Seite hat er auch kein Spiel gemacht, in dem er seiner Mannschaft durch besondere Glanztaten Punkte rettete. Allerdings: Schwolows Statistik ist eher positiv. Im Vergleich mit den anderen Torhütern in der Liga liegt der ehemalige Freiburger mit drei Zu-Null-Spielen und einer Paradenquote von knapp 57 Prozent sogar im oberen Tabellendrittel.

Die Zahlen

Ziemlich genau anderthalb Jahre nach dem Einstieg von Lars Windhorst steht Hertha nach dem 13. Spieltag mit 13 Punkten auf Rang 14. Bis zum Relegationsplatz sind es noch drei Zähler, bis zu den europäischen Plätzen – wo Hertha mittelfristig landen möchte und Union derzeit steht – sind es inzwischen 8 Punkte Abstand.

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Die Torstatistik verrät eines von Herthas Problemen: Mit 20 geschossenen Toren rangiert das Team auf dem 10. Platz der Liga. Der VFL Wolfsburg hat beispielsweise als Viertplatzierter ebenfalls 20 Tore erzielt. Bei den Gegentreffern liegt Hertha mit 24 Toren jedoch auf dem drittletzten Platz der Liga. Faulheit kann man Hertha jedenfalls nicht vorwerfen: Mit rund 1516 gelaufenen Kilometern hat Hertha die neuntbeste Laufleistung der Liga-Teams, mit Nik Stark zudem den Spieler, der in der Einzelwertung der Spieler-Laufleistungen auf Platz 5 liegt.

Zumindest leicht auffällig ist, dass Hertha nur 5 seiner 13 Punkte im Olympiastadion sammelte. Insbesondere die Spiele gegen Stuttgart und Mainz hätte man in der Retrospektive eigentlich gewinnen müssen – dann wäre nicht nur die Heimbilanz zur Weihnachtspause erträglicher gewesen. Schaut man sich die letzten beiden Herthaspiele nochmals an, fällt zudem auf, dass insbesondere im zentralen Mittelfeld viele kleine aber wichtige Zweikämpfe verloren gingen. Die Zweikampfquote belegt das: Unter den 25 Spielern mit der besten Zweikampfquote rangiert nur ein Herthaner: Rechtsverteidiger Pekarik mit knapp 62 Prozent gewonnener Duelle. Dass Matheus Cunha der Spieler mit den meisten Ballverlusten der Liga ist (77), belegt dieses Problem.

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: SC Freiburg – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: SC Freiburg – Hertha BSC

Mit einer 1:4-Niederlage in Freiburg verabschiedet sich Hertha BSC in die Mini-Winterpause. Die Niederlage an sich wäre kein Problem. Doch die sich wiederholenden Leistungseinbrüche des Teams, die lustlose bis patzige Haltung einzelner Spieler aber auch taktische Fehleinschätzungen des Trainerteams lassen nach dem Freiburg-Spiel leider nur eine Schlussfolgerung zu: Hertha hat ein systematisches Problem.

Nach dem Spiel unserer Hertha gegen Mönchengladbach ging ein lautes Entspannungsseufzen durch das ganze Fanlager. Denn erstens hatte Hertha gegen eine Mannschaft aus dem oberen Tabellendrittel eine solide Leistung gebracht und zweitens war klar, dass nun ausschließlich Spiele gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel anstehen. Zeit zum Punkten also. Doch zumindest der Anfang in diese Serie der vermeintlich leichteren Spiele ist erschreckend schlecht verlaufen. Nach einem fußballerischen Tiefpunkt-Spiel gegen Mainz (0:0) folgte nun eine krachende Niederlage gegen Freiburg, nach der sich die Verantwortlichen im Verein Grundsatzfragen stellen sollten. Eine Einzelbewertung der Spieler fällt nach dem Spiel schwer, weil aus blau-weißer Sicht nur wenige positive Momente gab. Dafür gab es einige Spieler, die besonders negativ auffielen.

Javairo Dilrosun – Warum nicht von Anfang?

Der Niederländer wurde in der Halbzeit für einen enttäuschenden Matheus Cunha eingewechselt. Dilrosun war der einzige Herthaner, der am heutigen Sonntag Lust auf Fußball hatte. Er setzte einige schnelle Läufe und Dribblings über die Außen an und sorgte am Anfang der zweiten Halbzeit dafür, dass nochmal kurz Hoffnung aufkam. Denn Dilrosun flankte kurz nach Wideranpfiff nach einem schönen Dribbling über die linke Seite an den langen Pfosten, wo Dodi Lukebakio stand und nur noch den Fuß hinhalten musste.

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Auch in der Folge war Dilrosun flexibel unterwegs, zeigte sich auf beiden Seiten anspielbar und suchte als einziger Herthaner immer wieder Eins-gegen-Eins-Situationen. Schon gegen Union war Dilrosun maßgeblich nach seiner Einwechslung für den Erfolg verantwortlich. Eine der strategischen Fragen, die sich Labbadia gefallen lassen muss, ist, warum der Niederländer derzeit nicht stets von Anfang an spielen darf.

Matheus Cunha – Setzen, sechs!

Es passiert eigentlich selten, dass Trainer ihre eigenen Spieler nach einem Spiel – auch bei schlechter Leistung – öffentlich in die Pflicht nehmen. Doch nach Cunhas Leistung und seiner Auswechslung zur Halbzeit erklärte Bruno Labbadia nach dem heutigen Spiel, dass der Brasilianer „unterirdisch“ gespielt und er ihn deswegen frühzeitig heruntergenommen habe.

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Recht hatte er. Nur: Labbadia hat auch selbst ein wenig zu verantworten, dass Cunha so schlecht ins Spiel kam. Denn das Freiburg-Spiel war ein neuer Beweis dafür, dass Cunha sich nicht als Außenspieler eignet. Der 21-Jährige kam in den ersten etwa 20 Minuten auffällig oft über links. Und in einer solchen Situation verlor auch viel zu einfach den Ball, setzte dann nicht ausreichend nach, woraus eine Flanke resultierte, die dann – nach ebenso schlechter Manndeckung in der Innenverteidigung – zum 0:1 führte.

Im Anschluss fiel der Brasilianer eigentlich nur noch durch Fouls, verlorene Zweikämpfe und Schiedsrichterbeschwerden auf. Auf Twitter hat sich Cunha mittlerweile bei den Fans für die schlechte Leistung erklärt. Es wird spannend zu sehen sein, wie der Brasilianer aus der Weihnachtspause kommen wird, denn aktuell ist klar: Cunha befindet sich seit Wochen in einem Formtief und darunter leidet das Hertha-Spiel brutal.

Maxi Mittelstädt – Gleichbleibend harmlos

Unter der Woche war zu lesen, dass Labbadia auf der linken Außenbahn ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ zwischen Maxi Mittelstädt und Marvin Plattenhardt sieht. Am heutigen Sonntag durfte Mittelstädt mal wieder von Anfang an starten. Als Hertha-Fan muss man Maxi einfach mögen – er ist ein Hertha-Urgestein und einfach ein bodenständiger, ruhiger und sympathischer Typ.

Mit Blick auf seine Leistungen muss man spätestens nach dem Freiburgspiel allerdings festhalten, dass ihm der endgültige Durchbruch bei Hertha einfach nicht gelingen will. Bis auf einen Torabschluss hatte Maxi keine einzige gefährliche Szene, setzte sich nie auf der Außenbahn durch, seine wenigen Flankenversuche kamen nicht an, zudem verlor er einfach zu viele Zweikämpfe. Auch hier muss sich Labbadia die Frage gefallen lassen, wie er zu seiner Einschätzung eines Zweikampfes kommt. Denn in den vergangenen Wochen hatte Plattenhardt zumindest ordentliche Leistungen gezeigt.

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Labbadia sollte sich bei seinen Personalentscheidungen vielleicht weniger von den Trainingsleistungen leiten lassen, sondern mehr von den Matchleistungen – siehe Matthew Leckie. Seit nun schon längerer Zeit ist festzuhalten, dass dieser Konkurrenzkampf zwischen Mittelstädt und Plattenhardt keinen von beiden wohl sonderlich pusht – sonst kämen bessere Leistungen bei herum. Und so langsam muss auch auf der Linksverteidiger-Position die Frage gestellt werden, ob hier genug Qualität vorhanden ist.

Und dann war da noch:

Die Innenverteidiger: Eigentlich hatte man das Gefühl, dass sich Herthas Innenverteidigung mit Jordan Torunarigha und Dedrick Boyata stabilisiert hat. Nach den Spielen gegen Union, Gladbach und Mainz hatte man wieder ein ausgedehnteres Sicherheitsgefühl bei gegnerischen Angriffen. Doch auch Torunarigha und Boyata machten am Sonntag wieder Fehler und schenkten dem Gegner sprichwörtlich Tore. Beim ersten Gegentreffer steht Hertha zu fünft gegen zwei Freiburger, die Flanke fliegt trotzdem, das Tor fällt trotzdem. Und beim zweiten Gegentreffer legt Jordan das Tor für Freiburg per technischem Fehler auf.

Krzysztof Piatek: Allein wegen seiner beiden Tore im Derby fällt es einem als Hertha-Fan schwer, drastische Maßnahmen gegen den dauerhaft schlecht spielenden Polen zu fordern. Aber sein wir ehrlich: Piatek war auch gegen Freiburg wieder kein Faktor in Herthas Spiel. In der zweiten Halbzeit nahm er eine Flanke gefährlich per Kopf ab – das war’s.

Fazit: Ein erschreckend schlechter Jahresabschluss

Beängstigend ist, dass Freiburg nicht einmal eine wirklich starke Leistung brauchte, um Hertha mit 4:1 zu besiegen. Eigentlich reichte den Breisgauern ein bisschen Robustheit im Mittelfeld, den Rest erledigte Hertha mit Fehlpässen und falschem Stellungsspiel. Auch die Fakten zur Tabellensituation sind alarmierend: Hertha hat nach 13 Spielen drei Punkte vor der Relegationszone und befindet sich mal wieder im Abstiegskampf, im Pokal ist man seit Runde eins nicht mehr dabei. Hertha hat inzwischen die drittmeisten Gegentore der Liga kassiert, auch im Pokalspiel gegen aufgestiegene Zweitliga-Braunschweiger kassierte man fünf Tore.

Aber auch qualitativ muss man sich Sorgen machen. Labbadia ist es nicht gelungen, die Mannschaft nach dem harten Umbruch zusammenzuschweißen – nach 14 Pflichtspielen muss es erlaubt sein, zu diesem Fazit zu kommen. Labbadia nach nicht einmal einem Jahr des Amtes zu entheben, würde die Situation wahrscheinlich noch weiter destabilisieren. Aber mit 1,18 Punkten pro Spiel hat er den schlechtesten Punkte-pro-Spiel-Wert seit Otto Rehhagel. Es liegt vieles im Argen.

[Titelbild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images]