Mit einer 1:4-Niederlage in Freiburg verabschiedet sich Hertha BSC in die Mini-Winterpause. Die Niederlage an sich wäre kein Problem. Doch die sich wiederholenden Leistungseinbrüche des Teams, die lustlose bis patzige Haltung einzelner Spieler aber auch taktische Fehleinschätzungen des Trainerteams lassen nach dem Freiburg-Spiel leider nur eine Schlussfolgerung zu: Hertha hat ein systematisches Problem.
Nach dem Spiel unserer Hertha gegen Mönchengladbach ging ein lautes Entspannungsseufzen durch das ganze Fanlager. Denn erstens hatte Hertha gegen eine Mannschaft aus dem oberen Tabellendrittel eine solide Leistung gebracht und zweitens war klar, dass nun ausschließlich Spiele gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel anstehen. Zeit zum Punkten also. Doch zumindest der Anfang in diese Serie der vermeintlich leichteren Spiele ist erschreckend schlecht verlaufen. Nach einem fußballerischen Tiefpunkt-Spiel gegen Mainz (0:0) folgte nun eine krachende Niederlage gegen Freiburg, nach der sich die Verantwortlichen im Verein Grundsatzfragen stellen sollten. Eine Einzelbewertung der Spieler fällt nach dem Spiel schwer, weil aus blau-weißer Sicht nur wenige positive Momente gab. Dafür gab es einige Spieler, die besonders negativ auffielen.
Javairo Dilrosun – Warum nicht von Anfang?
Der Niederländer wurde in der Halbzeit für einen enttäuschenden Matheus Cunha eingewechselt. Dilrosun war der einzige Herthaner, der am heutigen Sonntag Lust auf Fußball hatte. Er setzte einige schnelle Läufe und Dribblings über die Außen an und sorgte am Anfang der zweiten Halbzeit dafür, dass nochmal kurz Hoffnung aufkam. Denn Dilrosun flankte kurz nach Wideranpfiff nach einem schönen Dribbling über die linke Seite an den langen Pfosten, wo Dodi Lukebakio stand und nur noch den Fuß hinhalten musste.
Auch in der Folge war Dilrosun flexibel unterwegs, zeigte sich auf beiden Seiten anspielbar und suchte als einziger Herthaner immer wieder Eins-gegen-Eins-Situationen. Schon gegen Union war Dilrosun maßgeblich nach seiner Einwechslung für den Erfolg verantwortlich. Eine der strategischen Fragen, die sich Labbadia gefallen lassen muss, ist, warum der Niederländer derzeit nicht stets von Anfang an spielen darf.
Matheus Cunha – Setzen, sechs!
Es passiert eigentlich selten, dass Trainer ihre eigenen Spieler nach einem Spiel – auch bei schlechter Leistung – öffentlich in die Pflicht nehmen. Doch nach Cunhas Leistung und seiner Auswechslung zur Halbzeit erklärte Bruno Labbadia nach dem heutigen Spiel, dass der Brasilianer „unterirdisch“ gespielt und er ihn deswegen frühzeitig heruntergenommen habe.
Recht hatte er. Nur: Labbadia hat auch selbst ein wenig zu verantworten, dass Cunha so schlecht ins Spiel kam. Denn das Freiburg-Spiel war ein neuer Beweis dafür, dass Cunha sich nicht als Außenspieler eignet. Der 21-Jährige kam in den ersten etwa 20 Minuten auffällig oft über links. Und in einer solchen Situation verlor auch viel zu einfach den Ball, setzte dann nicht ausreichend nach, woraus eine Flanke resultierte, die dann – nach ebenso schlechter Manndeckung in der Innenverteidigung – zum 0:1 führte.
Im Anschluss fiel der Brasilianer eigentlich nur noch durch Fouls, verlorene Zweikämpfe und Schiedsrichterbeschwerden auf. Auf Twitter hat sich Cunha mittlerweile bei den Fans für die schlechte Leistung erklärt. Es wird spannend zu sehen sein, wie der Brasilianer aus der Weihnachtspause kommen wird, denn aktuell ist klar: Cunha befindet sich seit Wochen in einem Formtief und darunter leidet das Hertha-Spiel brutal.
Maxi Mittelstädt – Gleichbleibend harmlos
Unter der Woche war zu lesen, dass Labbadia auf der linken Außenbahn ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ zwischen Maxi Mittelstädt und Marvin Plattenhardt sieht. Am heutigen Sonntag durfte Mittelstädt mal wieder von Anfang an starten. Als Hertha-Fan muss man Maxi einfach mögen – er ist ein Hertha-Urgestein und einfach ein bodenständiger, ruhiger und sympathischer Typ.
Mit Blick auf seine Leistungen muss man spätestens nach dem Freiburgspiel allerdings festhalten, dass ihm der endgültige Durchbruch bei Hertha einfach nicht gelingen will. Bis auf einen Torabschluss hatte Maxi keine einzige gefährliche Szene, setzte sich nie auf der Außenbahn durch, seine wenigen Flankenversuche kamen nicht an, zudem verlor er einfach zu viele Zweikämpfe. Auch hier muss sich Labbadia die Frage gefallen lassen, wie er zu seiner Einschätzung eines Zweikampfes kommt. Denn in den vergangenen Wochen hatte Plattenhardt zumindest ordentliche Leistungen gezeigt.
Labbadia sollte sich bei seinen Personalentscheidungen vielleicht weniger von den Trainingsleistungen leiten lassen, sondern mehr von den Matchleistungen – siehe Matthew Leckie. Seit nun schon längerer Zeit ist festzuhalten, dass dieser Konkurrenzkampf zwischen Mittelstädt und Plattenhardt keinen von beiden wohl sonderlich pusht – sonst kämen bessere Leistungen bei herum. Und so langsam muss auch auf der Linksverteidiger-Position die Frage gestellt werden, ob hier genug Qualität vorhanden ist.
Und dann war da noch:
Die Innenverteidiger: Eigentlich hatte man das Gefühl, dass sich Herthas Innenverteidigung mit Jordan Torunarigha und Dedrick Boyata stabilisiert hat. Nach den Spielen gegen Union, Gladbach und Mainz hatte man wieder ein ausgedehnteres Sicherheitsgefühl bei gegnerischen Angriffen. Doch auch Torunarigha und Boyata machten am Sonntag wieder Fehler und schenkten dem Gegner sprichwörtlich Tore. Beim ersten Gegentreffer steht Hertha zu fünft gegen zwei Freiburger, die Flanke fliegt trotzdem, das Tor fällt trotzdem. Und beim zweiten Gegentreffer legt Jordan das Tor für Freiburg per technischem Fehler auf.
Krzysztof Piatek: Allein wegen seiner beiden Tore im Derby fällt es einem als Hertha-Fan schwer, drastische Maßnahmen gegen den dauerhaft schlecht spielenden Polen zu fordern. Aber sein wir ehrlich: Piatek war auch gegen Freiburg wieder kein Faktor in Herthas Spiel. In der zweiten Halbzeit nahm er eine Flanke gefährlich per Kopf ab – das war’s.
Fazit: Ein erschreckend schlechter Jahresabschluss
Beängstigend ist, dass Freiburg nicht einmal eine wirklich starke Leistung brauchte, um Hertha mit 4:1 zu besiegen. Eigentlich reichte den Breisgauern ein bisschen Robustheit im Mittelfeld, den Rest erledigte Hertha mit Fehlpässen und falschem Stellungsspiel. Auch die Fakten zur Tabellensituation sind alarmierend: Hertha hat nach 13 Spielen drei Punkte vor der Relegationszone und befindet sich mal wieder im Abstiegskampf, im Pokal ist man seit Runde eins nicht mehr dabei. Hertha hat inzwischen die drittmeisten Gegentore der Liga kassiert, auch im Pokalspiel gegen aufgestiegene Zweitliga-Braunschweiger kassierte man fünf Tore.
Aber auch qualitativ muss man sich Sorgen machen. Labbadia ist es nicht gelungen, die Mannschaft nach dem harten Umbruch zusammenzuschweißen – nach 14 Pflichtspielen muss es erlaubt sein, zu diesem Fazit zu kommen. Labbadia nach nicht einmal einem Jahr des Amtes zu entheben, würde die Situation wahrscheinlich noch weiter destabilisieren. Aber mit 1,18 Punkten pro Spiel hat er den schlechtesten Punkte-pro-Spiel-Wert seit Otto Rehhagel. Es liegt vieles im Argen.
[Titelbild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images]