Eine kleine Berliner Derbygeschichte – Die heißesten Spiele

Eine kleine Berliner Derbygeschichte – Die heißesten Spiele

Seit 2010 hat Berlin ein richtig feuriges Profifußball-Derby. Doch die Paarung Hertha BSC gegen Union ist nicht das erste spannende Hauptstadt-Duell. Vielmehr hat es nach dem Zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten der Stadt tolle Derbys gegeben. Union feierte kurz nach seiner Gründung gegen das vom DDR-Regime protegierte Vorwärts Berlin einen großen Erfolg und Hertha war an einer Zweitligasaison mit drei (!) Berliner Klubs beteiligt. Ein kleiner Rückblick auf wichtige Berlin-Duelle.

22. Mai 1968, Union Berlin vs. Vorwärts Berlin (2:1)

Den 1. FC Union gibt es in seiner jetzigen Form erst seit 1966. Zuvor hatte es in Oberschöneweide mehrere Fusionen, Zusammenschlüsse aber auch Trennungen von Vereinen gegeben, die heute als Vorgänger-Klubs von Union gelten. Leicht hatte es der Verein in der DDR nicht, denn das Regime unterstützte mit aller Kraft Vorwärts Berlin. Die meisten begabten Spieler endeten in der Kaderschmiede von Vorwärts. Ohnehin mischte sich der Staat regelmäßig in den Profifußball ein – so wurden die protegierten Klubs einige Male einfach in eine andere Stadt verlegt. Vorwärts startete beispielsweise in Leipzig, wurde dann nach Berlin verlegt und später nach Frankfurt (Oder). Der heutige BFC Dynamo geht aus einem Ableger von Dynamo Dresden hervor.

Hertha Union Berlin
Mannschaftsfoto des FC Vorwärts Berlin in der Oberliga-Saison 1966/67 (Foto: imago/Werner Schulze)

Union hingegen galt in der DDR von vorn herein als Verein des Volkes, als Anti-Establishment. Allerdings etablierten sich die Köpenicker schnell in der DDR-Oberliga und nur zwei Jahre nach der Klubgründung kam es zu einem der größten Erfolge der Vereinsgeschichte – dem Gewinn des DDR-Pokalwettbewerbs (FDGB-Pokal). Im Finale besiegte man den amtierenden DDR-Meister Carl-Zeiss-Jena. Zu einem Berlin-Derby kam es aber schon im Halbfinale, als Union gegen den Staatsklub Vorwärts im Halbfinale 2:1 gewann. Bis heute feiern die Köpenicker ihre Pokalhelden.

In den folgenden Jahrzehnten kam es in der DDR-Oberliga zu zahlreichen Derbys zwischen Union, dem BFC Dynamo sowie Vorwärts. Die meisten der Spiele wurden jedoch von Dynamo dominiert. Insbesondere in den 1970er und 1980er-Jahren profitierte Dynamo von der Unterstützung des Regimes und wurde quasi zum Serien-Meister der DDR. Union gelang es dagegen nie, die DDR-Oberliga zu gewinnen.

16. November 1974, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (0:3)

Auf westberliner Seite wurde Hertha in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg zur stärksten Berliner Mannschaft. In 1970er-Jahren kam es dann allerdings zum einzigen Berliner Derby auf Bundesliga-Ebene bis zum Unioner Aufstieg vor ein paar Jahren. In der Saison 1973/1974 hatte Tennis Borussia damals noch über die zweitklassige Regionalliga den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Das erste Aufeinandertreffen der beiden Teams sollte zum Spektakel werden: Eigentlich hätte TeBe ein Heimspiel gehabt, doch das Interesse in der Bevölkerung an dem Match war riesig – und so wurde die Partie ins Olympiastadion verlegt und fand vor 75.000 Zuschauern statt.

Hertha Union Berlin
Foto: imago/Werner Otto

Gegen die in der Saison 1974/1975 extrem stark aufspielende Hertha hatte der Aufsteiger jedoch keine Chance – Hertha gewann 3:0, „Ete“ (Erich) Beer erzielte zwei der Treffer. Hertha hatte damals einen schlagkräftigen Kader zusammen: Neben Beer gehörten dem Team auch Spieler wie Wolfgang Sidka oder Uwe Kliemann an. Die Mannschaft wurde in dieser Saison sogar Zweiter hinter Borussia Mönchengladbach. TeBe stieg als Vorletzter ab. Allerdings verbrachte die Mannschaft nur ein Jahr in der damals neu gegründeten 2. Bundesliga: Die Saison 1975/76 schloss TeBe als Tabellenführer ab, und so kam es 1976 und 1977 zu zwei weiteren Bundesliga-Derbys zwischen Hertha und Tennis Borussia – eines davon (16. April 1977) konnte Tennis Borussia sogar für sich entscheiden. Aber auch nach dieser Saison reichte es für TeBe nicht für den Klassenerhalt.

18. Februar 1984, SC Charlottenburg vs. Hertha BSC (1:0)

Nach der Saison 1982/1983 stieg auch Hertha aus der Bundesliga ab. Die kommenden Zweitliga-Jahre wurden für Westberliner Fußball-Fans ein reines Derby-Festival. Denn nicht nur Hertha und Tennis Borussia trafen mehrfach aufeinander. Vielmehr sorgte in den 80er-Jahren auch Blau-Weiß 90 für Aufsehen. Und – wer hätte es gedacht? – auch der SC Charlottenburg verbrachte ein Jahr in der 2. Bundesliga.

Gegen die frisch abgestiegenen Herthaner kam es im August 1983 zum ersten Derby der beiden Charlottenburger Teams, das 1:1 unentschieden endete. Im ausverkauften Mommsenstadion gab es in der Rückrunde dann die riesige Überraschung: Der SCC besiegte Hertha mit 1:0. Übrigens: Im Tor des SCC stand damals ein gewisser Andreas Köpke, der nach dem direkten Abstieg der Charlottenburger zu Hertha wechselte.

16. März 1985, Blau-Weiß 90 vs. Hertha BSC (0:2)

In der Saison 1984/1985 deutete sich dann erstmals die zwischenzeitliche Wachablösung im westberliner Fußball an. Das Mariendorfer Team Blau-Weiß 90 war zuvor in die 2. Liga aufgestiegen. Hertha war im zweiten Zweitliga-Jahr immer noch eines der finanzstärksten Teams der Liga und hatte mit Spielern wie beispielsweise Andy Köpke und Horst Ehrmanntraut auch einen absolut bundesligatauglichen Kader zusammen. Doch die Charlottenburger setzten sich während der Saison im Tabellenmittelfeld fest.

In der Rückrunde kam es dann im schlecht besuchten Olympiastadion zu einem der letzten Siege der Herthaner dieser Saison, als Blau-Weiß mit 2:0 besiegt wurde. Für die Mariendorfer ging es anschließend bergauf, für Hertha bergab. Auf Platz 14 konnte man den Abstieg nur knapp vermeiden, Blau-Weiß wurde Siebter. In der darauffolgenden Saison sollte aber alles noch viel schlimmer kommen für Hertha.

8. Mai 1986, Blau-Weiß 90 vs. Tennis Borussia (1:2)

Drei Berliner Mannschaften in einer Profiliga – das hat es bislang nur in der Saison 1985/1986 gegeben. Tennis Borussia war zuvor gerade wieder aus der Regionalliga aufgestiegen, Hertha und Blau-Weiß 90 waren schon vorher in der 2. Liga. Blau-Weiß-90 war inzwischen aus der Mariendorfer „Rathausritze“ ins Olympiastadion gezogen, das man sich im 2-Wochen-Takt mit Hertha teilte. Tennis Borussia spielte im Mommsenstadion, wobei auch einige Derbys mit TeBe-Beteiligung ins Olympiastadion verlegt wurden.

Hertha Union Berlin
Foto: imago/Kicker/Eissner

Was sich in der Vorsaison bereits angedeutet hatte, wurde in dieser Saison bitte Wahrheit. Hertha spielte eine schlechte Runde, obwohl man kein einziges Derby verlor. Blau-Weiß hingegen wurde im Saisonverlauf immer stärker und hatte am letzten Spieltag gegen Tennis Borussia die Chance, den direkten Aufstieg in die Bundesliga zu sichern. Das Spiel gegen das schon abgestiegene Team von TeBe verlor man zwar 1:2 – weil aber Fortuna Köln gegen den Karslruher SC nicht über ein Unentschieden hinauskam, stieg Blau-Weiß 90 direkt auf. Hertha hingegen kämpfte mit Freiburg im Fernduell um den Klassenerhalt. Da das eigene Spiel in Aachen allerdings mit 0:2 verloren ging, brachten alle Rechenbeispiele nichts mehr – Hertha war fortan drittklassig.

Allerdings: Auch für Blau-Weiß 90 sollte das Abenteuer Bundesliga schnell wieder zu einem bitteren Ende kommen. Mit einer miserablen Punktebilanz von 18:50 wurde man Letzter. Für viele Jahre musste die Bundesliga in der Folge wieder ohne Berliner Teams auskommen. Hertha jedenfalls blieb zwei Saisons lang drittklassig. Erst im Juni 1988 folgte der Wiederaufstieg in Liga 2, wo es erneut zu einigen Duellen mit Blau-Weiß 90 kam. Das folgende Youtube-Video gibt die Fußball-Stimmung im damaligen Westberlin ganz gut wieder:

27. Januar 1990, Hertha BSC vs. Union Berlin (2:1)

Eigentlich haben wir uns hier bislang nur Pflichtspielen gewidmet. Es gibt allerdings ein Derby, das sowohl aufgrund seiner Geschichtsträchtigkeit als auch wegen der aktuellen Rivalität zwischen Hertha und Union erwähnt werden muss. Ende Januar 1990, nur wenige Wochen nach dem Fall der Mauer, trafen sich Hertha und Union zu einem symbolischen Freundschaftsspiel im Olympiastadion vor rund 52.000 Zuschauern. Schon in den letzten Jahren vor der Wende hatte sich zwischen Hertha und Union über die Grenze hinweg eine tiefe Fan-Freundschaft entwickelt. Das Unioner Fanlager leibäugelte wohl nicht zuletzt wegen seiner Ablehnung gegenüber dem DDR-Regime mit dem West-Klub. Als Hertha Ende der 1970er-Jahre Europapokal-Spiele in Osteuropa bestritt, reisten teilweise sogar Unioner an, um die Blau-Weißen zu unterstützen.

Das Spiel am 27. Januar geriet somit zur Nebensache. Fans beider Lager lagen sich in den Armen und feierten die Zusammenführung Berlins.

8. Juni 1991, Union Berlin vs. FC Berlin (1:0)

Union hatte es schwer in den Jahren vor und nach der Wende. Aus der aufgelösten DDR-Oberliga gingen nur zwei Teams in die Bundesliga, die meisten Ost-Teams aus der Oberliga und der DDR-Liga (2. Liga) mussten in einer Qualifikationsrunde um insgesamt sechs Plätze in der 2. Bundesliga kämpfen. Union belegte in der letzten DDR-Liga-Saison den ersten Platz und sicherte sich somit die Beteiligung an der Relegation zur 2. Bundesliga. Im Juni 1991 folgten dann die Relegationsspiele, unter anderem trat Union gegen den FC Berlin an, die Nachfolger-Mannschaft des BFC Dynamo. Das erste Spiel gewann Union zwar knapp mit 1:0, im Rückspiel verloren die Köpenicker allerdings. Aufsteigen konnte keines der beiden Berliner Teams, vielmehr belegte Stahl Brandenburg Platz 1 der Relegationsgruppe.

Die restlichen 1990er-Jahre waren eine harte Zeit für den FCU – sportlich und auch wirtschaftlich. Mehrfach verpasste man den Aufstieg in die 2. Liga. Trotz einer drohenden Insolvenz konnte sich das Team aber stetig in der Regionalliga halten, wo es in den 1990er Jahren zu mehreren Berlin-Duellen mit dem BFC Dynamo kam, der dann auch wieder seinen alten Namen trug. Erst 2009 stiegen die Köpenicker dann in die 2. Liga auf.

28. Oktober 1998, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (4:2)

In Westberlin deutete sich Ende der 1990er-Jahre für kurze Zeit nochmals eine neue, spannende Stadtrivalität auf Augenhöhe an. Tennis Borussia war in der Saison 1997/1998 mit Trainer Hermann („Tiger“) Gerland in die 2. Bundesliga aufgestiegen und spielte dort eine starke Saison. Im Oktober 1998 belegte TeBe zwischenzeitlich Platz 1 der 2. Liga – und genau zu dieser Zeit kam es im Achtelfinale des DFB-Pokals zum Berlin-Derby. Hertha war zu dieser Zeit ebenfalls gut unterwegs in der Bundesliga, am Ende der Saison belegte das Team von Jürgen Röber sogar Platz 3 und qualifizierte sich direkt für die Champions League.

hertha union berlin
Foto: IMAGO

Doch an jenem 28. Oktober 1998 war TeBe schlichtweg zu gut für Hertha. Gerlands Mannschaft (u.a. mit Spielern wie Ilja Aracic und Francisco Copado) führte schon zur Halbzeit 2:1 und brachte den Sieg vor einer begeisterten Kulisse im Olympiastadion und nach einem Feuerwerk zu Beginn des Spiels sicher über die Ziellinie. Hertha musste allerdings nur ein Jahr warten, um sich zu revanchieren: Auch in der darauffolgenden DFB-Pokalsaison traf man auf Tennis Borussia, dieses Match entschied Hertha jedoch nach einer Nachspielzeit 3:2 für sich.

17. September 2010, Union vs. Hertha BSC (1:1)

Weil Hertha nach einer dramatisch schlechten Saison 2009/2010 abstieg, kam es im Herbst 2010 zum ersten Pflichtspiel zwischen Hertha und Union. Nach einer frühen Führung durch ein Kopfballtor von Peter Niemeyer entwickelte sich ein offenes, rassiges Spiel. Kurz vor Schluss erzielte Union dann per Fernschuss doch noch das 1:1. Das Rückspiel ging im Olympiastadion sogar 1:2 verloren. Bis heute kam es in Liga eins und zwei zu insgesamt sieben Derbys zwischen den Köpenickern und Hertha: drei Siege für Hertha, zwei für Union und zwei Unentschieden. Wie und woher sich die heute existierende tiefe Abneigung zwischen den beiden Fanlagern ergeben hat, kann wohl niemand vernünftig erklären.

Foto: imago/Contrast

Schon im ersten Spiel, im Herbst 2010, war von der tiefen Freundschaft, die noch während der Wende-Jahre existierte, keine Spur. Herthas Anhänger zündelten mit Feuerwerkskörpern und nach dem Rückspiel feierte sich Union als „Stadtmeister“, was angesichts der Tabellensituationen der beiden Klubs natürlich eine reine Provokation war. Denn: Hertha stieg direkt in die Bundesliga auf, die Köpenicker mussten noch einige Jahre in der 2. Liga verweilen, bis es dann am 2. November 2019 zum ersten erstklassigen Duell der beiden Vereine kam.

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Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Bayer Leverkusen

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Bayer Leverkusen

Herthas Trainer Pal Dardai bemüht des Öfteren die Schach-Metapher, wenn er von seiner favorisierten Spielweise spricht. Im Spiel gegen Bayer Leverkusen ging Hertha genauso vor: Mit jeweils ein, zwei genialen Spielzügen nutzte Hertha die Fehler des Gegners aus und stach effizient zu. Das lag auch daran, dass Lucas Tousart, Deyovaisio Zeefuik und Dodi Lukebakio heute ihre bislang stärkste Saisonleistung zeigten. Die Herthaner im Fokus.

Lucas Tousart – Herthas wertvoller Spieleröffner

Um ein Schachspiel zu gewinnen, muss man seinen Gegner in eine Situation versetzen, in der er sich nicht mehr wehren kann. Oft gelingt dies nicht mit einem Spielzug, sondern erfordert eine Vorbereitung, an der mehrere Figuren beteiligt sind. Immer aber gibt es eine Figur, die einen Angriff durch eine brillante Aktion einleitet. Der Ausgangspunkt für Herthas Schachmatt-Situationen war heute oft Lucas Tousart.

In seinem bislang besten Spiel für Hertha leitete er mit immens wichtigen, gewonnen Zweikämpfen Herthas offensive Spielzüge ein. Beispiel – das 2:0: Zusammen mit Landsmann Matteo Guendouzi gewinnt der Ex-Lyoner den Ball in der eigenen Hälfte, um dann Dodi Lukébakio über die rechte Seite zum entscheidenden Spielzug in die Tiefe zu schicken. Beispiel – das 3:0: Tousart gewann hier den Ball gegen den Leverkusener Wirtz und gab ihn an Matheus Cunha weiter, der wiederum den entscheidenden Spielzug über einen Pass an Deyovaisio Zeefuik vorbereitete.

Hertha Leverkusen
Foto: nordphotoxGmbHx/xEngler/IMAGO

Dank Tousarts Dominanz (Zweikampfquote bei 80 Prozent) im defensiven Mittelfeld war der erst kürzlich für die Nationalmannschaft nominierte Florian Wirtz, derzeit eine von Bayers schärfsten Waffen, das ganze Spiel über abgemeldet. Es gab lediglich eine Phase, in der Herthas zentrales Mittelfeld drohte, wieder in das alte, lethargische Verhalten zu verfallen, nämlich nach den frühen 1:0, nach dem Leverkusen insbesondere über Herthas linke Abwehrseite oft zum Flanken kam.

Gerade in dieser Spielphase ermahnte Dardai aber oft Tousart und Guendouzi, dass sie früher „Druck, Druck, Druck“ machen sollen, was die beiden Franzosen dann auch erfolgreich taten. Es ist beeindruckend, welchen Wert Tousart mittlerweile für die Mannschaft hat.

Zeefuik und Lukébakio  – Die gefährlichen Läufer

Wie beim Schach dienen auch beim Fußball die Läufer dazu, zumeist über diagonale, längere Spielzüge den Gegner in bedrohliche Lagen zu bringen. Deyovaisio Zeefuik setzte am heutigen Sonntag durch seine überraschenden Läufe in Leverkusens Strafraum immer wieder solche Nadelstiche.

Ganz abgesehen von seinem Traumtor, das er von halbrechts aus nach ein paar Minuten unter die Latte setzte, sorgte er auch immer wieder für gefährliche Hereingaben – wie etwa vor dem 3:0, als er den Ball von rechts außen ins Strafraumzentrum spielte und somit Jhon Cordobas Tor vorbereitete. Kurz vor der Halbzeit ließ er zudem den Leverkusener Demirbay stehen, der anschließende Pass kam dann aber leider nicht an.

Hertha Leverkusen
Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Gleiches gilt erfreulicherweise für Dodi Lukébakio. Denn seien wir ehrlich: In den bisherigen Spielen dieser Saison war es keine große Wonne, dem Belgier beim Fußballspielen zuzusehen. Fehlpässe, aufgehobene Abseitsfallen und mangelnder Einsatz prägten sein Spiel. Am Sonntag zeigte Lukébakio ein ganz anderes Gesicht: Fast alle seiner Pässe (81 Prozent Passquote) kamen an und er sorgte immer wieder für Torgefahr. Der 23-Jährige spielte auffällig zielstrebig und schnörkellos.

Vor dem 1:0 legte Lukébakio klug auf Zeefuik zurück, anstatt den Ball ins übervölkerte Zentrum zu spielen. Auch das 2:0 legte der Belgier vor, als er auf der rechten Seite den zentral mitgelaufenen Cunha sah und den Ball zu ihm in die Mitte spielte. Das Bild von Lukebakio und Cunha, die sich nach ihrer Auswechslung auf der Tribüne gemeinsam freuten und abklatschten, ließ jedes Hertha-Herz höher schlagen. Später folgte übrigens eine ähnliche Szene zwischen Pal Dardai und Arne Friedrich auf der Bank. Ein schöner Tag für alle Herthaner.

Matheus Cunha – Der Schachmatt-Spieler

Die gefährlichsten Situationen in einem Schachspiel entstehen, wenn die Dame ihre volle Kraft entfaltet. Für sie gelten Regeln, die für keinen anderen Spieler gelten und ein übergroßes Maß an Freiheit. Die Dame ist an den meisten Schachmatt-Situationen beteiligt. Matheus Cunha ist Herthas „Dame“. Er genießt im offensiven Mittelfeld alle Freiheiten, holt sich die Bälle teils auf den Außen, teils am eigenen Strafraum ab und sorgt dann entweder selbst für Gefahr oder leitet diese ein.

Hertha Leverkusen
Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Nach einer etwas schwächeren Saisonphase (auch wegen Verletzungen) hat Cunha am heutigen Sonntag genau diese Eigenschaften wieder gezeigt. Wie der Brasilianer vor dem 2:0 den oben beschriebenen Pass von Lukébakio mitnimmt und mit einer kleinen Hüftbewegung zwei Leverkusener stehenlässt, ist einmalig und Gold wert für Hertha. Immer wieder imponierend ist sein Drang zum Tor.

Selbst wenn Cunha Bälle auf Höhe der Mittellinie holt, zieht er Richtung Tor. Dabei lässt er auch gerne mal mehrere Gegner stehen und schießt dann selbst. Mit etwas mehr Trefferglück schießt Cunha im heutigen Leverkusenspiel auch noch zwei Tore mehr und Hertha gewinnt 5:0. Fünf Schüsse, ein Schlüsselpass, drei Dribblings und dazu noch drei Tacklings wie zwei abgefangene Bälle – die Berliner “junge Dame” ist zurück.

Und dann war da noch…

Marton Dardai: Liebe Kolleg/-innen von der Fußball-Fachpresse. Ihr müsst Pal Dardai nicht mehr fragen, warum gerade sein Sohn derzeit sehr viel Einsatzzeit bekommt. Papa Dardai hat mehrfach gesagt, dass Marton eher mehr machen muss als seine Teamkameraden, um spielen zu dürfen. Nachdem Pal Dardai diese Frage unter der Woche gefühlt zum 20. Mal beantworten musste, wurde er das auch vor dem Spiel am Sky-Mikro wieder gefragt. Das war dann das eine Mal zu viel – Dardai senior rastete aus und wurde deutlich.

Hertha Leverkusen
Foto: nordphotoxGmbHx/xEngler/IMAGO

Die Frage erübrigt sich auch, weil Marton einfach extrem sicher in Herthas Abwehr steht. Wenn Marton Dardai in der 21. Minute nicht mit einer extrem gut getimeten Grätsche dem Leverkusener Bailey den Ball abgenommen hätte, wäre womöglich das 1:1 gefallen und das Spiel ganz anders verlaufen. Es fühlt sich so an, als ob der junge Dardai schon seit zehn Jahren für Sicherheit in Herthas Abwehr sorgt. Seine Werte (86 Prozent Passquote, 75 Prozent Zweikämpfe) sprechen für sich.

Fazit: Dreimal Schachmatt

Eigentlich gehörte das Leverkusen-Spiel noch zur schwierigen Saisonphase Herthas, in der nach und nach alle Spitzenteams abgeklappert werden. Im Gegensatz zu den vorherigen Spielen gegen die besten Teams dieses Landes waren am heutigen Sonntag aber zwei Faktoren anders. Erstens war Hertha extrem effizient und nutzte fast alle Nadelstiche gezielt aus. Zweitens war Leverkusen auch einfach nicht gut. Die Werkself lief zum Beispiel zwei Kilometer weniger als Hertha (112 vs. 114 km).

Hertha Leverkusen
Foto: Andreas Gora/IMAGO

Insbesondere der Fakt, dass Leverkusen nur einen einzigen Schuss aufs Tor abgab, zeigt aber, dass Bayer heute nicht den nötigen Druck auf den Platz brachte. Endlich mal wieder gehen wir Herthaner mit einem guten Gefühl in eine (sinnlose) Länderspielpause. Gerade mit der heutigen Leistung wächst die Vorfreude aufs Derby in zwei Wochen von Tag zu Tag.

[Titelbild: xMatthiasxKochx/IMAGO]

Kaderplanung – Hat Hertha ein Problem mit Sprachen?

Kaderplanung – Hat Hertha ein Problem mit Sprachen?

Wenn man eine Fußballmannschaft neu zusammenstellt, muss eines stimmen: die Kommunikation. Denn das berühmte „blinde Verständnis“ kommt erst nach jahrelanger Abstimmung von Laufwegen. Bei Hertha BSC hat man es in einer neu aufgebauten Mannschaft offenbar versäumt auf die sprachliche Abstimmung auf dem Platz zu achten. So zumindest könnte sich das teils chaotische Vorgehen im Spiel erklären. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht gäbe es aber einen Ausweg.

Fehlpässe ins Nichts, Gegentore durch Fehlabstimmungen beim Rauslaufen und Spieler, die gleichzeitig zum Kopfball gehen. Welcher Herthaner hat diese Situationen in der laufenden Saison nicht kennen und lieben gelernt? Ironie beiseite. Es gab Spiele in den vergangenen Monaten, in denen man sich fragen musste, ob diese Mannschaft überhaupt schon einmal miteinander trainiert hat. Aus sportlicher Sicht kann man hier sicherlich die verkorkste Kaderplanung der Herren Preetz, Klinsmann und später Labbadia verantwortlich machen.

Denn nach der vergangenen Saison wurden einige wichtige, erfahrene Spieler mit jungen Neueinkäufen ersetzt und somit tragende Säulen aus dem Team entfernt. Insbesondere im zentralen Mittelfeld zeigt sich, dass Herthas Kaderplanung der Weitblick seit Jahren fehlt. Denn weder Marko Grujic noch Matteo Guendouzi sind/waren langfristig an Hertha gebunden und auch die Entscheidungen in den Fällen Arne Maier und Eduard Löwen hinterlassen einige Fragezeichen.

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Aber das teils chaotische, unabgestimmte Auftreten der Mannschaft könnte noch eine weitere, nicht-sportliche Komponente haben. Denn klar ist: Das sind ja alles eigentlich sehr gute Fußballer, die Hertha da verpflichtet hat. Bei ihren Ex-Vereinen zeigten Lucas Tousart, Krzysztof Piatek oder auch Matheus Cunha großartige Leistungen – warum funktionieren sie nicht zusammen? Zumindest ein Teil der Antwort könnte in der Kommunikation liegen, also in der Sprache. Pal Dardai stellte zu Anfang seines erneuten Engagements als Hertha-Profitrainer fest: “Als ich in die Kabine kam, haben manche weder Deutsch noch Englisch gesprochen.” Ohne Teamgeist und gemeinsame Sprache habe es aber gar keinen Sinn ergeben, über Taktik zu sprechen.

Herthas neuer Sprachfokus

Denn mit dem neuen Kader hat Hertha nicht nur einen bunten Mix an Fußball-Erfahrungen sondern auch ein komplett neu besetztes Sprachen-Orchester zusammengestellt. Für Sprachwissenschaftler und aus Zwecken der Völkerverständigung mag dies zwar toll sein. Aber wenn man innerhalb von Wochen eine Bundesliga-taugliche Fußballmannschaft aufbauen muss, kann dies hinderlich sein – insbesondere, wenn man seitens des Trainerteams den falschen, sprachlichen Ansatz wählt.

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht wäre es gut gewesen, sich zu Saisonbeginn wenigstens kurz mit der neuen Sprachstruktur der Mannschaft zu beschäftigen. Dann wäre Herthas Oberen aufgefallen, dass das Team inzwischen einen beachtlichen romanischen Sprach-Fokus hat. Die romanischen Sprachen gehören, wie beispielsweise die germanischen Sprachen, zur indogermanischen Sprachfamilie. Zu den romanischen Sprachen gehören beispielsweise Spanisch, Italienisch, Portugiesisch oder Französisch. All diese Sprachen haben gemein, dass sie gewissermaßen eine Weiterentwicklung des (Vulgär-)Lateins sind. Zu dieser Sprechergruppe gehören in Herthas neuem Kader unter anderem Matheus Cunha, Lucas Tousart, Omar Alderete, Dodi Lukebakio, Santiago Ascacibar und Mattéo Guendouzi.

Nicht nur für Manager wichtig: Positive Transfers

Wie hätte diese Erkenntnis Hertha helfen können? In der Fremdsprachenforschung gibt es den Begriff des positiven Sprachtransfers (interlinguale Interferenz). Eine solche positive Übertragung zwischen zwei Sprachen liegt vor, wenn beispielsweise ein spanischer Muttersprachler wie Omar Alderete einen französischen Muttersprachler wie Mattéo Guendouzi versteht, wenn er „bon“ (deutsch: „gut“) sagt, denn die spanische Version („bueno“) ist dem nicht allzu fern. Kurzum: Selbst wenn Alderete in der Schule nie Französisch hatte, wird er Guendouzi oder Lukébakio verstehen, wenn sie auf dem Platz Wörter wie „bon“ oder „bien“ (als Adverb) benutzen.

Foto: nordphotox/xEngler/IMAGO

Solche positiven Transfers gibt es nicht nur im lexikalischen Bereich, also auf Wortebene, sondern auch auf grammatikalischer. Deutsche Muttersprachler lernen diese gutartigen Übertragungen kennen, wenn sie beispielsweise einzelne Worte im Niederländischen oder Englischen wiedererkennen – schließlich gehören diese Sprachen wiederum allesamt zur germanischen Sprachfamilie.

Natürlich wäre es falsch gewesen, zu Saisonbeginn Spanisch als Amtssprache auf Herthas Trainingsplatz einzuführen. Erstens wären dann alle anderen Mannschaftskameraden benachteiligt worden, zweitens muss es das Ziel sein, dass die Mannschaft zumindest auf dem Feld in einer Sprache kommuniziert und ihren Trainer versteht. Doch genau daran haperte es bei Hertha unter Bruno Labbadia. Labbadias Anweisungen (derzeit ja gut hörbar) waren konsequent deutsch. Spieler wie Tousart oder Guendouzi hatten vorher wenig bis gar keinen Kontakt zur deutschen Sprache – vielleicht ließ sich Labbadias Spielidee auch aus sprachlichen Gründen nicht so leicht in der Mannschaft verankern.

Labbadia scheiterte (u.a.) an der Kommunikation

Dabei hätte Labbadia als Sohn italienischsprachiger Eltern die besten Voraussetzungen gehabt, während des Spiels wichtige Anweisungen auch der romanischen Sprechergruppe bei Hertha verständlich zu machen. Denn das Italienische ist in der romanischen Sprachfamilie die Sprache, die der Ursprungssprache Latein noch am nächsten ist. So kommt es, dass spanisch-, französisch- oder portugiesisch Sprechende Italiener meistens ganz gut verstehen. In einem Interview mit dem NDR hat Labbadia allerdings vor vielen Jahren schon berichtet, dass er schon als Kind aufhörte Italienisch zu sprechen, weil ihn die deutschen Mitschüler dafür hänselten. Mal ganz davon abgesehen, dass das widerlich ist, ist es aus oben beschriebenen Gründen auch schade für den Fußballtrainer Labbadia, dem seine Muttersprache sicherlich in manchen Situationen helfen könnte.

Foto: IMAGO

Als Labbadia noch Herthas Trainer war, wurde Michael Preetz von einem Journalisten sogar auf ein mögliches Sprachenproblem bei Hertha angesprochen. Herthas Ex-Manager wischte die Frage aber vom Tisch, indem er darauf verwies, dass Fußball doch die Macht habe auch ohne sprachliche Gemeinsamkeiten Menschen zu vereinen. Natürlich ist das richtig. Aber so wie der Fußball haben auch Sprachen eine vereinende Wirkung und vielleicht hat Hertha diese etwas unterschätzt. Pal Dardai hat nun kürzlich erklärt, dass bei ihm ebenfalls konsequent deutsch gesprochen werde im Training.

Mittlerweile dürften sich Herthas Neuzugänge auch die wichtigsten sprachlichen Signale beim Training und im Spiel in deutscher Sprache eingeprägt haben. Wenn nicht, wäre es bei Dardais Ansatz aber unabdingbar, dass die Profis abseits des Trainings ihr Deutsch in zusätzlichem Sprachunterricht verbessern.

Khedira als verbindendes Element

Klar ist, dass Dardai mit seiner Muttersprache keine positiven Sprachtransfers erzeugen kann. Denn Ungarisch gehört zu einer äußerst kleinen Sprachfamilie, den finno-ugrischen Sprachen. Zu dieser Familie gehören neben dem Ungarischen nur noch Finnisch, Estnisch und ein paar in Russland gesprochene Dialekte.

Allerdings macht eine andere Personalie Hoffnung, was eine mögliche Verbesserung der Kommunikation betrifft. Sami Khedira spielte in den vergangenen elf Jahren zunächst in Spanien, dann in Italien. Khedira dürfte nach diesen Auslandsaufenthalten ein nahezu perfektes Fußball-Spanisch bzw. -Italienisch sprechen. Als erfahrener Spieler und Weltmeister gilt er im Kader ohnehin als Ansprechpartner. Für Herthas neue Romanisten-Fraktion könnte er nun auch eine linguistische Brücke bauen.

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: VfL Wolfsburg – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: VfL Wolfsburg – Hertha BSC

Dass der VfL Wolfsburg eigentlich keine richtige Torchance im Heimspiel gegen Hertha hatte und trotzdem gewinnt, ist nicht nur Pal Dardai negativ aufgefallen. Es ist einfach unfassbar, wie viel Hertha richtig gemacht hat und das Spiel trotzdem wegen einiger unglücklicher Aktionen verliert. Allerdings hat auch das Wolfsburg-Spiel wieder gezeigt, welche strukturellen Probleme Hertha hat. Die Herthaner im Fokus.

Lukas Klünter – Pechvogel und Leistungsträger zugleich

Lukas Klünter steht symbolisch für das, was Hertha am heutigen Samstag in Wolfsburg passiert ist. Erneut hat Klünter insbesondere durch seine Schnelligkeit für extrem viel Stabilität in Herthas Abwehr gesorgt. Wolfsburgs Konterspiel war auch und vielleicht gerade wegen Klünter quasi tot. Renato Steffen, Weghorst und Ottavio wurden auf dem Weg zum Tor mehrfach von Klünter eingeholt und gestoppt. Im Gegensatz zum Leipzig-Spiel setzte Klünter am heutigen Samstag sogar einige wenige Akzente nach vorne.

Foto: IMAGO

Und trotzdem wird der Ex-Kölner mit einem schlechten Gefühl in den ICE Richtung Heimat steigen, weil er in der 38. Minute ein extrem unglückliches Eigentor erzielte. Ohne jeglichen Gegnerkontakt lief Klünter bei einem Tempo-Gegenstoß der Wolfsburger wieder einmal in den Strafraum ein und lenkte eine Flanke von der rechten Angriffsseite unhaltbar ins Tor. Dass Klünter auch beim 2:0 unter dem Ball durchsprang und Lacroix nach einer Ecke so ein Tor ermöglichte, befleckt seine eigentlich sehr gute Leistung. Es hat Symbolcharakter.

Maxi Mittelstädt – Es wird langsam

Grundsätzlich wünschen wir natürlich allen Hertha-Spielern Erfolg. Aber bei Maxi Mittelstädt freut man sich in diesen Tagen ganz besonders über Positivmeldungen. Nach teils schlechten Leistungen unter Bruno Labbadia wurde der gebürtige Potsdamer in den „sozialen“ Netzwerken teils widerlich beleidigt. In dieser Woche meldete er sich mit anderen Fußballprofis in einem bewegenden Video-Statement zu Wort, in dem die Spieler auf das Hatespeech-Problem im Internet aufmerksam machten.

Mittelstädts Leistungen sind unter Pal Dardai in den vergangenen Wochen konstant besser geworden – im Wolfsburg-Spiel war Maxi heute einer der besten Herthaner. Ähnlich wie Klünter war Mittelstädt in einigen wichtigen Situationen einfach immer einen Tick vor dem grün-weißen Angreifer am Ball – wie beispielsweise kurz vor dem ersten Gegentreffer, als Yannick Gerhardt einen gefährlichen, öffnenden Pass in Richtung Weghorst spielte. Maxi war allerdings vor Weghorst am Ball und klärte. Ganze sechs Bälle fing der 23-Jährige ab – Topwert aller in dem Spiel eingesetzten Spieler. Hinzukommen drei Klärungen und zwei erfolgreiche Tacklings. Mittelstädt war stets auf der Höhe und damit ein absoluter Sicherheitsfaktor.

Foto: IMAGO

Auch bei Mittelstädt wäre es aber schön, wenn mehr Offensivszenen kämen. Eines von Herthas größten Problemen ist der Mangel an Flanken – mit Cordoba und Piatek hatte Hertha in der zweiten Hälfte zwei klassische Strafraumstürmer auf dem Feld, es kamen aber nur sehr wenige Flanken in den 16er. Mittelstädt darf in den kommenden Spielen gerne helfen, das zu ändern. Schafft sich Mittelstädt auch das noch drauf, ist er nicht mehr wegzudenken.

Vladimir Darida – Fehlende Genauigkeit

Ebenfalls symbolisch stand Vladimir Darida heute Nachmittag für ein weiteres Problem, das Hertha seit Wochen plagt: die fehlende Präzision. Insbesondere in der ersten Halbzeit – ab der gegnerischen Hälfte – kamen so unglaublich viele Bälle wegen schlampig gespielter Pässe nicht an.

(Photo by Focke Strangmann – Pool/Getty Images)

Dass Darida mit einer Passquote von nur 52 Prozent fast 20 Prozent unter der Quote des gesamten Teams liegt, zeigt zudem, wie viel beim Tschechen heute daneben ging. Selbst bei Herthas größter Chance in der 58. Minute kann man Darida ankreiden, dass er nicht genau genug vorgegangen ist. Denn seine Flanke von der linken Seite auf einen eigentlich komplett freistehenden Zeefuik wird nur gefährlich, weil der Wolfsburger Pongracic diese unglücklich umleitet.

Und dann war da noch …

Matheus Cunha und Sami Khedira: Es passt leider zu diesem Spiel, dass sich mit Cunha und Khedira heute zwei wichtige Herthaner verletzt haben. Khedira machte sein erstes Spiel von Anfang an im Hertha-Dress und half dabei, die Defensive zu stabilisieren. Dass er nun eine muskuläre Verletzung hat, weist möglicherweise darauf hin, dass er nach seiner langen Fußballpause körperlich noch nicht auf Bundesliganiveau ist.

Auch Cunha blieb in der 2. Halbzeit ohne Gegnereinwirkung auf dem Boden sitzen und fasste sich an den Oberschenkel. Beide werden, wie bereits bestätigt, gegen den FC Augsburg fehlen. Die einzig positive Botschaft: Auch ohne Cunha schaffte es Hertha in der zweiten Halbzeit Druck auf Wolfsburg auszuüben.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Jhon Cordoba: Dieser Druck in Halbzeit zwei geht eigentlich alleine auf das Konto von Jhon Cordoba. Wurde es gefährlich, war Cordoba in fast allen Fällen irgendwie mit dabei. Schön ist, dass Cordoba mit einigen gefährlichen, tiefen Bällen aus dem zentralen Mittelfeld versorgt wurde. Klar ist aber, dass der Kolumbianer mehr Bälle braucht, insbesondere über die Außen. Auf den Mittelstürmer wird es gegen Augsburg ankommen.

Fazit: „Ohne große Torchance gewinnen die 2:0“

Es klingt komisch, aber auch im fünften Spiel unter Pal Dardai hat Hertha wieder einen Fortschritt gemacht. Die Mannschaft hat also in den letzten Spielen den Top drei der Bundesliga zumindest phasenweise Paroli bieten können und hätte sich eigentlich Punkte aus diesen Spielen verdient gehabt.

Insbesondere die Defensive steht mit Niklas Stark, Marton Dardai und Lukas Klünter derzeit recht stabil. Sowohl bei der Zweikampfquote (51 Prozent) als auch bei der Laufleistung (114 Kilometer) lag Hertha vor Wolfsburg. Und dass die Blau-Weißen mit neun Torschüssen nur zwei Mal weniger aufs gegnerische Tor geschossen haben als der Sieger dieser Partie, zeigt, wie nah die Leistung der Herthaner an der von Wolfsburg war. Und so trifft Dardais Zitat aus der Überschrift leider voll zu – das Ergebnis spiegelt wieder einmal nicht das Spiel wieder.

Neben den oben beschriebenen Problemen mit Flanken und Fehlpässen hat das heutige Spiel aber eine weitere Schwäche Herthas weiter zementiert: die Standardsituationen. Hertha ist nicht nur die einzige Mannschaft der Liga, die im Angriff in dieser Situation noch kein Tor nach einem Standard erzielt hat. Hinzu kommt, dass man mit 18 Gegentreffern nach ruhenden Bällen Vorletzter ist in der Tabelle der Standard-Tor-Empfänger. All das wäre an sich nicht schlimm, wenn die Mannschaft aus dem Spiel heraus treffen würde, doch auch das passiert seit Wochen nicht wirklich. Gerade deswegen sollte Pal unter der Woche dringend an den Ecken und Freistößen arbeiten. Denn wenn Mainz morgen gegen Augsburg gewinnt, Bielefeld im Nachholspiel gegen Bremen punktet und wir in der kommenden Woche keinen Dreier gegen Augsburg holen, wird es dunkel im Tabellenkeller.

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Leipzig

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Leipzig

Es ist ja nicht schlecht, was Hertha zurzeit spielt. Sowohl dem FC Bayern als auch RB Leipzig konnte man insbesondere im Mittelfeld Paroli bieten. Aber in einer entscheidenden Disziplin des Fußballspielens versagt Hertha seit Wochen: im Toreschießen. Mit Blick auf die Leistung der Einzelspieler gab es am heutigen Sonntagnachmittag erfreuliche Überraschungen, aber auch fragwürdige Personalentscheidungen. Die Herthaner im Fokus.

Marton Dardai – Viele kluge Spieleröffnungen

Es ist schon ärgerlich, dass sich Pal Dardai im Sky-Interview vor dem Spiel dafür rechtfertigen muss, dass er seinen 19-jährigen Sohn von Anfang an spielen lässt. Es war nicht Dardai, sondern Bruno Labbadia, der Marton Dardai zu seinem Debüt verhalf. Und wenn man sich die mangelhafte Spieleröffnung Omar Alderetes in den vergangenen Spielen anschaute, war es einfach Zeit für einen neuen Impuls. Glücklicherweise rechtfertigte Marton Dardai seinen Einsatz dann aber auch selbst – durch eine hervorragende Leistung.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Gerade da, wo Alderete schwächelt, punktet Dardai: Jede Spieleröffnung wirkte überlegt und sinnvoll. War ein langer Schlag entlang der Linie sinnvoll, kam der lange Schlag. Bat sich am gegnerischen Strafraum eine direkte Anspielmöglichkeit, spielte Dardai die Offensivspieler auch gerne mal flach an und leitete so Offensivaktionen ein. Dardai spielte jene Bälle auch größtenteils sehr sauber zum Mitspieler. Defensiv ließ er nichts anbrennen, ein sehr souveräner Auftritt.

Als einzige offene Frage bleibt, wieso Dardai als neuer Ecken- und teils auch Freistoßbeauftragter in Szene gesetzt wurde. Hertha hat nach wie vor null Standardtore auf dem Konto – sowohl Ecken als auch Freistöße sind frappierend schwach. Marton Dardai änderte daran nichts.

Lukas Klünter – Speedy Gonzalez (aber nur nach hinten)

Mit knapp 35,5 km/h war Lukas Klünter heute mit Abstand der schnellste Spieler auf dem Platz. Dieser Wert sagt an sich wenig aus. Allerdings sorgte Klünters Geschwindigkeit heute dafür, dass einer der besten Leipziger abgekocht wurde: Angelino. Und damit ging Pal Dardais Plan auf der rechten Abwehrseite bestens auf. Angelino war in mehreren Situationen sichtlich genervt, weil er immer wieder von Klünter überlaufen wurde. Schade ist natürlich, dass der Ex-Kölner nach vorne so gut wie keine Akzente setzte, was aber sicherlich mit seiner Rolle am Sonntag zu tun hatte.

Dodi Lukébakio – Mehr ist immer noch zu wenig

In der ersten Halbzeit gab es einige Aktionen, in denen man den Eindruck gewinnen konnte, dass Dodi Lukébakio Lust hat mitzuspielen. Einmal setzte er sich im Zweikampf über die rechte Angriffsseite durch, zwei weitere Male tauchte er im Angriffszentrum gefährlich auf. Das war’s dann aber auch schon.

(Photo by SOEREN STACHE/POOL/AFP via Getty Images)

Wenn der Belgier sich wenigstens bemühen würde, wäre ja klar, dass er früher oder später aus seinem Leistungstief wieder herauskommt. Wie schlecht Lukébakios Arbeitsmoral derzeit ist, zeigte sich symbolisch an seinem Abseitsverhalten. In aller Ruhe trabte er mehrfach aus dem Abseits heraus – sogar der Sky-Moderator bat den Belgier „sein Verhalten dringend zu ändern“. Von sechs Abseitsstellungen verursachte Lukébakio vier. Und dies nicht, weil er zu früh in eine gefährliche Situation starten wollte, sondern weil er locker-lässig in der verbotenen Zone herumjoggte und dabei nicht rechtzeitig sah, dass seine Mitspieler einen Pass in die Tiefe spielen wollte.

Man fragt sich, was Dardai und Labbadia in den Trainingseinheiten von Lukébakio sehen, das ihm jede Woche einen Startelfeinsatz einbringt. Ja, er zeigte mehr als noch zuletzt, aber das ist immer noch zu wenig.

Und da war da noch …

Matthew Leckie – Auch die Zuneigung von Herthas Übungsleitern für Matthew Leckie ist unergründlich. Im Gegensatz zu Lukébakio scheut der Australier keinen Zweikampf und hat auch heute wieder einige wichtige Mittelfeldduelle gewonnen. Seine Zweikampfquote (67 Prozent) belegt das. Aber gerade auf den Außenbahnen benötigt eine wettbewerbsfähige Bundesligamannschaft kreative Spieler, die auch mal auf Verdacht in die offenen Räume auf den Flügeln laufen. All das tat Leckie nicht. Die Anzahl seiner Flanken: Null. In 72 Spielen für Hertha erzielte Leckie acht Treffer und legte sechs weitere vor. Das ist zu wenig, um einem Gegner wie Leipzig gefährlich werden zu können, auch wenn Dardais Taktikplan mit Leckie als Angelino-Bewacher gut aufging.

(Photo by ANNEGRET HILSE/POOL/AFP via Getty Images)

Matheus Cunha – Auch mit einer mittelmäßigen Leistung ist Cunha immer noch der beste Fußballer in Herthas Reihen. Auch heute gingen fast alle gefährlichen Situationen über den Brasilianer. Cunha hat einen Zug zum Tor, den kein anderer Herthaspieler derzeit vorweisen kann. Schön ist auch, dass er Ex-Leipziger mit Ball am Fuß nicht sofort fallen lässt, wenn er Gegnerkontakt in der Nähe des Strafraums hat. Allerdings hat auch Cunha derzeit die Krätze am Fuß. So wie schon gegen den FC Bayern tauchte er auch heute wieder in mehreren Szenen alle vor Leipzigs Torhüter Gulaszci auf, konnte aber nichts Zählbares umsetzen. Das ist einerseits traurig, weil Hertha einfach so sehr von Cunhas Toren lebt und zweitens weil er in der Hinrunde aus komplexeren Situationen heraus Tore erzielte. Wie sehr ihm die derzeitige Situation zusetzt, zeigte sich in der Halbzeit, als er mit seinem ehemaligen Trainer Julian Nagelsmann auf der Rolltreppe stand. Nagelsmann versuchte offensichtlich Konversation zu betreiben. Cunha antwortete nicht und blickte deprimiert auf den Boden.

Fazit – Einfach zu wenig

Gegen Bayern „ordentlich gespielt“ zu haben und im heutigen Leipzig-Spiel „viele Strafraumszenen herausgearbeitet“ zu haben, ist einfach zu wenig. Seit Jahresbeginn erzielte Hertha in acht Spielen sechs Tore – drei davon gegen taumelnde Schalker. War es unter Labbadia immer wieder die Abwehr, die Gegentore herschenkte, ist es derzeit der Angriff der bestenfalls glücklos agiert – wenn man auf Dodi Lukébakio schaut, ist das Adjektiv „lustlos“ sogar angebrachter. Die sich verschiebenden Schwächen in Herthas Mannschaftsteilen zeigen einfach, wie unausgewogen das Team zusammengestellt wurde. Herthas Ineffizienz macht Angst – auch weil die Abstiegskonkurrenten Mainz, Bielefeld und Kökn in den vergangenen Wochen insbesondere gegen die starken Teams der Liga punkteten.

[Titelbild: Pool/Filip Singer – Pool/Getty Images]