Vorschau: 1. FC Köln – Hertha BSC: Hauptsache kein 0:0

Vorschau: 1. FC Köln – Hertha BSC: Hauptsache kein 0:0

Der großen Erleichterung nach dem Heimsieg gegen den FC Schalke 04 folgte die herbe Enttäuschung auf der Bielefelder Alm. Anstatt mit einer Siegesserie beginnt das Jahr 2021 also für Hertha BSC erneut mit großen Schwierigkeiten. Am Samstag ist die Elf von Bruno Labbadia beim 1.FC Köln zu Gast, wo sich zwei Teams in chaotischen Lagen treffen. Beim abstiegsgefährdeten „Effzeh“ wird wie schon gegen Arminia Bielefeld ein Sieg der „alten Dame“ erwartet, doch Optimismus macht sich angesichts der Form und der personellen Ausfälle in Berlin nicht wirklich breit.

Wir werfen einen Blick auf die Ausgangslage beider Clubs. Dabei werden wir wieder von Thomas Reinscheid, Chefredakteur von effzeh.com unterstützt, der seine Expertise über den 1. FC Köln mit uns teilt.

Große Abstiegssorgen in Köln, Debakel in Freiburg

Das Jahr 2021 fängt für den 1. FC Köln alles andere als gut an. Erst die 0:1 Heimspielniederlage gegen den FC Augsburg, dann ein 0:5 in Freiburg. Den letzten Bundesligasieg holten die Kölner Mitte Dezember, beim knappen 1:0 beim FSV Mainz 05. Dort erzielten sie auch ihren letzten Bundesligatreffer. So richtig läuft es also nicht, und die Sorgen am Geißbockheim werden größer.

Foto: IMAGO

Wir haben unseren Experten gefragt, wie groß denn die Abstiegssorgen beim „Effzeh“ nun wirklich sind: „Groß. Sehr groß. Was aber weniger an der aktuellen Tabellensituation liegt, sondern vielmehr an den unfassbar schwachen Auftritten, die sich durch die ganze Saison ziehen. Es ist auch nach 15 Saisonspielen noch nicht erkennbar, wie der FC Tore erzielen will.“ Der negative Höhepunkt kam bereits im zweiten Spiel in 2021, als der 1. FC Köln in Freiburg mit 0:5 unterging. „Ein gebrauchter Tag letztlich. Ohne die Leistung der Freiburger schmälern zu wollen: Alle fünf Tore hat sich der FC praktisch selber ins Tor gehauen, da war keinerlei Gegenwehr zu spüren“, sagt unser Experte.

Dabei sei auch die mangelnde Qualität in der Offensive ein Problem: „Die Mannschaft ist fußballerisch nicht gerade mit Leistungsträgern gesegnet, kommt im Offensivspiel kaum Bundesliga-tauglich daher. Irgendwann schlägt sich dies natürlich auch auf die Stabilität im Abwehrverbund durch, wenn jeder Ball postwendend zurückkommt. Zumal der FC selbst in den erfolgreichen Spielen Glück hatte, dass die Gegner nachlässig in der Chancenverwertung waren. Diesen Gefallen hat Freiburg dem Team nicht getan.“

Großes Vertrauen in die eigene Mannschaft hatten die Fans schon vor dem Freiburg-Spiel nicht mehr, und so hilft nur der Blick auf andere schwächelnde Clubs : „So ist eigentlich nur zu hoffen, dass es zwei, wenn nicht sogar drei dümmere in der Bundesliga gibt.“ Letztes Wochenende zeigte jedoch, dass die Konkurrenz im Abstiegskampf durchaus noch punkten kann. So brauchen die Kölner dringend eigene Punkte, auch für Trainer Markus Gisdol.

Gisdol unter Druck, Zurückhaltung bei der Clubführung

Kölns Chefcoach steht nämlich stark in der Kritik, der Rückhalt der Mannschaft wird schwächer: „Sollte es stimmen, dass die Mannschaft irritiert war, die Trainingsinhalte aus der Woche vor dem Freiburg-Spiel nicht in der Herangehensweise an die Partie wiederzufinden, dann kann der Rückhalt nicht mehr allzu groß sein.“ Kein Wunder also, dass nach einer so deutlichen Niederlage wie gegen Freiburg, in einer ohnehin brenzlichen Lage, der Trainer infrage gestellt wird.

Foto: IMAGO

Doch ein Rauswurf scheint nicht so simpel zu sein, wie sich das viele Außenstehende vorstellen. Thomas erklärt: „Eigentlich, das muss deutlich gesagt werden, hätte dieses Debakel mit den anschließenden Äußerungen Gisdols Folgen haben müssen. Eigentlich müsste auch eine Niederlage gegen die Hertha Folgen haben. Wir reden aber immer noch über den 1. FC Köln. Und da das Schicksal des Sportchefs sehr eng mit dem des Trainers verknüpft ist, der Club aufgrund miserablem Wirtschaften arm wie eine Kirchenmaus ist, die Verantwortlichen im Vorstand eher auf Tauchstation gehen, dürfte zumindest in der Englischen Woche nichts passieren.“

Einigen Hertha-Fans sollte diese Beschreibung, bis auf die der wirtschaftlichen Lage, bekannt vorkommen. Tatsächlich gibt es einige Parallelen zwischen beiden Clubs, wo nicht nur der Trainer oder die Spieler für die sportliche Lage verantwortlich gemacht werden. Das sieht auch unser Köln-Experte: „die Gründe der Misere sind vermutlich die Gleichen. Bescheidene Kaderzusammenstellung, viel Geld für wenig Leistung und schwache Entscheidungsträger. (…) von außen betrachtet scheint mir das Team und dessen vermeintliche Leistungsfähigkeit von den Verantwortlichen ähnlich überschätzt zu sein wie am Geißbockheim.“

Bekannte Gesichter in der Kölner Startelf

Wie also will der 1. FC Köln im Heimspiel gegen Hertha BSC das Spiel angehen? Wie ist die taktische Organisation? „Das ist eins der Hauptprobleme derzeit: Der FC wechselt zwischen Vierer- und Fünferkette, zwischen einer Formation mit zwei „falschen Neunen“ und einer mit Stoßstürmer hin und her, ohne sich auch nur in einer dieser taktischen Marschrouten wirklich wohlzufühlen“, meint unser Experte.

Foto: IMAGO

„Viel Wert wurde zumindest zuletzt auf die defensive Stabilität gelegt, was bis zum Freiburg-Spiel auch größtenteils funktionierte. Jedoch ging das massiv auf Kosten der Offensivbemühungen – so richtig gefunden hat der FC seine Identität in dieser Saison noch nicht.“ Wenig helfen konnten dabei zuletzt die Ex-Herthaner Ondrej Duda und Marius Wolf, die am Samstag zum ersten Mal gegen die „alte Dame“ spielen werden. Bei beiden sei noch ordentlich Luft nach oben, sagte uns Thomas.

Dabei tue ihm Ondrej Duda sogar ein wenig Leid: „denn er zeigt immer wieder in Ansätzen, welch feiner Fußballer er doch sein kann. Leider deckt sich dieser Eindruck nicht mit den Befunden bei seinen Mitspielern. Dieses „Hoch und weit“, das unter Gisdol einen Großteil des Spielaufbaus ausmacht, kommt ihm dabei wahrlich nicht entgegen. Er müht sich trotzdem nach Kräften und ist definitiv einer der Besseren in dieser Saison.“

„Das gilt auch für Marius Wolf, der auf der rechten Seite schon jede Position übernehmen musste.“, fügt er hinzu. „Als Rechtsverteidiger war das wenig überzeugend, nach vorne macht er aber ordentlich Druck und zeigt sich auffälliger als seine Pendants auf der anderen Seite.“ Thomas sieht im Hinblick auf das Samstagsspiel ohnehin weniger die Individualitäten im Mittelpunkt: „Es wird in meinen Augen weniger darauf ankommen, ob ein einzelner Spieler die Hoffnungen erfüllt, sondern ob es der Mannschaft gelingt, im Kollektiv stabiler zu agieren. Und vielleicht sogar anfangen, etwas auf den Rasen zu bringen, das annähernd an Fußball erinnert.“

Personelle Sorgen bei Labbadia – eine Chance für Luka Netz?

Dasselbe wird wohl auch für den Hauptstadtclub gelten. Schließlich wird man aufgrund von vielen Ausfällen gerade nicht auf alle Individualitäten zählen können. Neben den ohnehin verletzten Dedryck Boyata und Javairo Dilrosun sind auch Leistungsträger wie Matheus Cunha oder Vladimir Darida fraglich. „Das bedeutet für uns, noch enger zusammenzurücken”, meinte Bruno Labbadia in der Pressekonferenz vor der Partie.

Auch Marvin Plattenhardt wird nicht zur Verfügung stehen, was allerdings dem jungen Luca Netz Hoffnungen machen dürfte, zum ersten Mal in der Startelf stehen zu dürfen. Da Maximilian Mittelstädt wohl als linker Verteidiger spielen muss, könnte Netz auf die linke offensive Außenbahn rutschen. „Wir haben keine Scheu davor“, meinte Herthas Chefcoach, „er macht einen guten Eindruck.“

Eine weitere Option wäre ein Einsatz von Jordan Torunarigha auf der linken Verteidigerposition. Der 23-Jährige stand bisher in 2021 keine Spielminute auf dem Platz. Als linker Innenverteidiger spielte stattdessen Neuzugang Omar Alderete, der jedoch gegen Arminia Bielefeld eine schwache Leistung zeigte. Ob als linker oder als Innenverteidiger: ein erster Einsatz von Torunarigha in 2021 scheint jedenfalls am Samstag wahrscheinlich.

Sollten sowohl Matheus Cunha als auch Vladimir Darida ausfallen, hätte Labbadia auf die zentral offensive Position keine Option mehr und wäre zum Systemwechsel gezwungen. Es wird also bis kurz vor der Partie ein großes Rätsel bleiben, wie die Startaufstellung von Hertha BSC tatsächlich im Rhein Energie Stadion aussehen wird.

Schützenfest oder 0:0?

Während im Hintergrund auf Herthas Führungsebene einiges in Bewegung gesetzt wird, steht weiterhin die sportlich gefährliche Lage im Vordergrund. Wie bereits festgestellt, sieht es bei unseren Gegnern aus Köln ähnlich aus. Keine besonders guten Vorzeichen für attraktiven Fußball am Wochenende. Die beiden geschwächten Teams im Geisterspiel werden es nicht leicht haben, wieder ein Schützenfest abzuliefern. Dabei ging es vergangene Saison im Hin- und Rückspiel ordentlich rund: das Heimteam ließ sich jeweils vor eigenem Publikum abschießen, ganz zur Freude der Auswärtsfahrer.

Foto: IMAGO

Auch unser Köln-Experte erwartet dieses Mal nicht gerade ein hohes Ergebnis: „Das Duell wirkt tatsächlich wie der Krisengipfel des kommenden Wochenendes. Viel Erbauliches ist da in meinen Augen nicht zu erwarten. Dazu dürfte der Druck auf beiden Seiten die Beine und Köpfe zu schwer machen. Ich tendiere daher tatsächlich Richtung 0:0.“  Ein 0:0 wäre dabei eigentlich für beide Seiten kein gutes Ergebnis und würde weder etwas an der schwierigen Lage verändern noch handfeste Gründe für eine Trainer- oder Managerentlassung liefern.

Auf einen Spieler wird Hertha leider nicht aufbauen können, der in der Vergangenheit öfters in Köln die Punkte für die „alte Dame“ durch seine Tore sicherte. „Immerhin besteht diesmal nicht die Sorge, dass einen Vedad Ibisevic zum x-ten Mal abschießen wird“, stellt Thomas fest. Im Gegenzug wird Jhon Córdoba nicht mehr für Köln treffen können. Stattdessen könnte er der Spieler sein, der dafür sorgt, dass das Spiel doch nicht mit 0:0 endet.

*Titelbild: IMAGO

Wie lange noch, Michael?

Wie lange noch, Michael?

Der Zustand von Hertha BSC ist erschreckend. Eine Glosse.

Es läuft nicht in der Hanns-Braun-Straße. Der Lutter & Wegner Sekt, Mampe und der Kaviar aus dem KaDeWe – nach dem Einstieg Tennors noch in rauen Mengen geordert – sind längst aufgebraucht. Die neue Lieferung, die eigentlich für die Herbstmeisterschaftsfeier ankommen sollte, wurde heimlich still und leise abbestellt. 16 Punkte aus 15 Spielen. Nur die Bilanz von WireCard ist weiter von Anspruch und Wirklichkeit entfernt, als die der alten Dame aus Berlin.

Dass es so weit kommen konnte, ist auch der Verdienst des Michael P. Während seiner 11-Jährigen Amtszeit sind seine Haare grauer geworden. Sinnbildlich für die Entwicklung des Vereins, für den er als Geschäftsführer Sport die Verantwortung trägt. Nun kann man Haare färben, Punkte aber nicht. Seit einiger Zeit bewegt sich die technisch limitierten, aber im Strafraum hocheffektiven Stürmer-Ikone immer weiter ins Abseits. Das Berlins begabtester Shopping-King dort steht, ist auch selbstverschuldet. Mit Bruno L. und Arne F. wurden zwei kompetente Gehilfen geholt, die dem GFS nicht nur in Sachen Ausstrahlung und PK-Präsenz den Rang ablaufen, sondern ihn auch, wenn es darum geht, den attraktivsten Hertha-Funktionär zu identifizieren, auf die hinteren Plätze verweisen. Als Hertha-Fan betet man nach jedem verkorksten Spieltag und der Corona-konformen, einsam durchzechten Frustsaufnacht, zum Fußballgott, auf dass der neue starke Mann Carsten S. den erlösenden Abseitspfiff endlich ertönen lasse mögen.

Elf Jahre ohne nennenswerte Fortschritte. Findige ÖRR-Kabarettisten würden an dieser Stelle launige Vergleiche mit dem BER anstellen. Die müden Rentner in den ersten drei Reihen hätten gelacht und ihren Freunden beim Zoom-Canasta-Abend vom „Klasse Auftritt“ erzählt, den sie letztens erlebt haben. Wie schön wäre es, dieses Prädikat auch mal wieder und vor allem regelmäßig bezüglich Hertha anbringen zu dürfen. Deuteten die Vorzeichen vor neuen Saison noch auf ein Live-Spektakel à la Superbowl-Show hin, fanden sich Mannschaft und Fans schnell in einem Zustand wieder, der eher an den Auftritt von Helene Fischer beim DFB-Pokal 2017 erinnerte.

Apropos Pokal. Wunder sind möglich. Doch als Hertha-Fan klagt man den Fußball-Gott auch diese Saison wie schon so oft an, warum er einen den verlassen hat. Will man keine Affäre mit der kultigen, aber ein bisschen zu sehr nach 2,50€ Brautwurst und Berliner Pilsner riechenden, Dame von „Drüben“ anfangen, bleibt dem krisenerfahrenen Verehrer der Charlottenburger Möchtegern-GILF nur die andere Wange hinzuhalten oder der Rückzug in den Stoizismus. Vergebt ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

O Zeiten, O Sitten. Die Fans bemerken es, doch der Präsident schweigt und genießt. Wie lange unsere Geduld noch missbraucht werden soll, weiß nur er selbst. Doch eins ist sicher: Offiziell ist‘s, wenn der Lange nicht mehr twittert.

Podcast #126 Himmel, Arsch und Zwirn

Podcast #126 Himmel, Arsch und Zwirn

Langsam macht das alles keinen Spaß mehr. Auf das überzeugende 3:0 gegen ein schwaches Schalke folgte prompt die Ernüchterung. Hertha verliert 0:1 in Bielefeld. Wie konnte das schon wieder passieren? Was sind die Gründe für derart schwache Leistungen? Was ist sonst noch so passiert? Wir versuchen alle diese Fragen zu beantworten.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

Foto: (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Arminia Bielefeld – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: Arminia Bielefeld – Hertha BSC

Nach dem im Ergebnis doch recht überzeugenden 3:0-Heimsieg gegen die damaligen Tasmania-Jäger aus Gelsenkirchen in der Vorwoche wollte unsere Hertha gegen zuletzt harm- und zahnlose Bielefelder nachlegen und sich weiter von den Abstiegsrängen entfernen und auf Tuchfühlung mit den Mannschaften der oberen Tabellenhälfte gehen.

Doch davon war im Spiel nicht viel zu sehen. Nach einer unkreativen und recht ereignisarmen ersten Halbzeit verpatzte Bruno Labbadias Elf den zweiten Durchgang nach allen Regeln der Kunst und versagte eklatant auf ganzer Linie.

Wir schauen auf einige ausgewählte Herthaner bei dieser in allen Belangen enttäuschenden 0:1-Auswärtsniederlage.

Omar Alderete – Wieso Weshalb Warum?

Gegen die sieglosen Gäste aus Gelsenkirchen hatte Omar Alderete zu Beginn des Jahres noch ziemlich gut ausgesehen, sich so seine Startelfnominierung verdient und gezeigt, warum Bruno Labbadia ihn recht überraschend Jordan Torunarigha vorgezogen hatte.

Seine Zweikampfstärke mit dem richtigen Timing und der ordentliche Spielaufbau aus kreativeren und häufig vertikalen Bällen belebte das Hertha-Spiel.

Doch alles, was Omar Alderete gegen Schalke 04 ausgezeichnet hatte, ließ er nun in Bielefeld vermissen. Schon nach elf Sekunden (!) setzte er übermotiviert zu einem Roulette-Trick an und hatte Glück, dabei gefoult zu werden, um nicht direkt einem fatalen Ballverlust nacheilen zu müssen. In Sekunde 40 folgte direkt der erste unbedrängte Fehlpass ins Bielefelder Mittelfeld und ließ für das Spiel schon nichts Gutes erahnen.

Konnte Alderete in der ersten Hälfte trotz Unkonzentriertheit und Tollpatschigkeit noch einige Zweikämpfe für sich entscheiden und manche seiner langen Bälle bei Jhon Córdoba anbringen, ging es nach der Pause rapide bergab. Schon mit dem unbedrängten Fehlpass ins Seitenaus bei erstem eigenen Ballbesitz zeigte sich, dass die erste Hälfte hier wohl ein schlechtes Omen gewesen war.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In der 48. Minute war Alderete dann mit dem Kopf wohl schon wieder beim Rausrücken, als er an einem in den Strafraum gespielten Ball dermaßen vorbeisäbelte, dass der völlig freie Bielefelder Sergio Córdova komplett überrascht war und den Ball schlussendlich nur an den rechten Außenpfosten setzen konnte.

Auch in der Folge kam der Innenverteidiger in keinen Zweikampf mehr, auch im Aufbau funktionierte nicht mehr viel und es häuften sich die langen Ball, die anders als in Halbzeit Eins nicht mal mehr den Stürmer ins Kopfballduell schickten, sondern direkt beim Gegner landeten. So scheint nach den mäßig konstanten Leistungen des Paraguayers als Torunarigha-Ersatz im November das Spiel gegen Schalke nur ein (positiver) Ausrutscher gewesen zu sein und der Sommerneuzugang noch zu sehr mit seiner Inkonstanz zu kämpfen.

Kaum vorzustellen, dass Omar Alderete nach dieser maximal unglücklichen Leistung im nächsten Spiel wieder in der Startelf steht. So dürfte also Eigengewächs Jordan Torunarigha zurückkehren und versuchen, seine unsicheren Auftritte nach der Corona-Erkrankung abzuschütteln und der Hertha-Abwehr wieder die Stabilität zu verleihen, wie er dies in der Rückrunde der letzten Saison unter Labbadia schon getan hatte.

Mattéo Guendouzi – Auf Tauchstation

Wie in den letzten Spielen ließ sich Mattéo Guendouzi zu Beginn im Aufbau im Wechsel mit Lucas Tousart zwischen die Innenverteidiger oder auf die freie linke Seite fallen, trieb den Ball dann mit großen Schritten den Blick über das Feld schweifend durch die eigene Hälfte und suchte seine Anspielstation.

Doch mit der Zeit wurde Guendouzi wie auch seine Mitspieler immer unauffälliger und erlaubte sich in der Offensive viele Unkonzentriertheiten, stemmte sich aber auch nicht gegen diesen unglückbringenden Verlauf. Bezeichnend auch ein Missverständnis mit Peter Pekarik in der 32. Minute, als den beiden ein Doppelpass misslang und Guendouzi gestisch relativ unmissverständlich klarmachte, dass er sich selbst nicht für den Schuldigen hielt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In der zweiten Halbzeit war von Guendouzi dann eigentlich gar nichts mehr zu sehen. Hertha gab den Spielaufbau komplett auf und kloppte die Bälle eigentlich nur noch hinten raus in die Bielefelder Abwehrkette. Von Vladimir Darida und Guendouzi war in dieser Phase kaum etwas zu sehen.

Erst in der Nachspielzeit, als Hertha schon eine unsägliche Halbzeit hinter sich hatte, riss Guendouzi das Spiel noch einmal an sich und zeigte einen Hauch kämpferischen Willens, den man zuvor komplett vermisst hatte. Auch wenn der junge Franzose ein Neuzugang und nur zur Leihe bei Hertha ist, muss er sich hinterfragen, wo dieser Wille weite Teile der ersten und die komplette zweite Hälfte gewesen war.

Bezeichnenderweise verendete in der letzten Aktion des Spiels seine Hereingabe in der 97. Minute nach starkem Dribbling dann auch recht kläglich in den Armen des Bielefelder Torwarts. Dieser Hertha-Auftritt hätte aber auch einfach kein Unentschieden verdient gehabt.

Natürlich ist es vermessen, Mattéo Guenduozi eine Führungsrolle aufzwingen zu wollen. Trotzdessen darf man auch von ihm Kampf und Willen erwarten, wenn es mal nicht so läuft. Guendouzi wird mit seiner spielerischen Klasse dennoch auch weiter eine wichtige Stütze im Hertha-Spiel bleiben und es bleibt zu hoffen, dass sich in der Mannschaft langsam aber sicher Wortführer finden, die das Team in einer solchen Phase in Spielen aufrütteln und mitreißen kann – sei es Guendouzi oder (gern auch) jemand anderes.

Hertha Bubis Jessic Ngankam und Luca Netz – Gebrauchter Abend & leise Hoffnung

Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Matheus Cunha stellte sich schon vor Spielbeginn die Frage, ob sich Jessic Ngankam nicht langsam aber sicher einen Startelf-Einsatz verdient hatte. Bruno Labbadia vertraute zunächst aber auf die erfahrenere und defensivstärkere Variante Maxi Mittelstädt.

Nach dem harmlosen ersten Durchgang war es dann aber soweit und Jessic Ngankam ersetzte Marvin Plattenhardt, sodass Maxi Mittelstädt auf die Position des Linksverteidigers rückte und Ngankam über die linke Seite in der Offensive mehr Betrieb machen sollte.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Doch wie so häufig blieb der Wunsch Vater des Gedanken. Ngankam kam in eine verunsicherte Hertha-Mannschaft, die gerade im Begriff war, sich ihrem Schicksal hinzugeben und ließ sich von dieser Atmosphäre anstecken. So fiel er in dem ohnehin schwachen Hertha-Spiel zunächst nur durch Ballverluste und Fehlpässe auf und ließ dann in der 56. Minute in Koproduktion mit Mittelstädt nach schwacher Zweikampfführung Ritsu Doan passieren, der Alexander Schwolow zu einer Parade zwang. Zu allem Überfluss verletzte sich Jessic Ngankam kurz danach und musste in der Folge schon in der 65. Minute das Feld wieder verlassen.

Kurze Zeit später wurde mit Luca Netz ein weiterer Nachwuchsspieler gebracht, der zuletzt gegen Schalke sein Bundesliga-Debüt feiern durfte. Etwas überraschend ordnete sich Netz nicht auf seiner angestammten Linksverteidiger-Position ein, sondern spielte den offensiven Part auf der linken Seite, während hinter ihm weiterhin Maxi Mittelstädt sein Glück versuchte.

Auch an Luca Netz ging die spürbare Verunsicherung der Mannschaft nicht spurlos vorbei. Sein Einsatz begann direkt mit einem ziemlich unnötigen Hackenfehlpass, der ihm in der Folge noch etwas nachhing, was sich in zwei, drei schwächeren defensiven und offensiven Aktionen zeigte.

Das 17-jährige Toptalent biss sich aber ins Spiel und traute sich mehr als seine Vorgänger auf der linken Seite. In der 83. Minute brach er nach Zusammenspiel mit Dodi Lukébakio bis zur Grundlinie durch, versuchte sich im Dribbling und konnte so wenigstens eine Ecke herausholen – die gefährlichste Hertha-Aktion von der linken Seite in den gesamten 90 Minuten.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Seinen insgesamt ordentlichen Auftritt rundete Netz durch Einleitung einer Schusschance von Krzysztof Piątekin der Nachspielzeit ab.

Ngankam konnte seine zuletzt stärkeren Joker-Auftritte nicht bestätigen und fällt nun möglicherweise auch noch aus – ein völlig gebrauchter Tag, der für ihn schon vorbei war, bevor es richtig angefangen hatte.
Luca Netz spielt zwar nicht die Sterne vom Himmel, fiel aber gegenüber seinen Konkurrenten auf der linken Seite unter keinem Aspekt ab und dürfte somit bald weitere Minuten bekommen – ob wieder im linken Mittelfeld oder auf seiner Stammposition als Linksverteidiger, wo derzeit weder Marvin Plattenhardt noch Maxi Mittelstädt vorzeigbare Leistungen abliefern.

Kampfgeist – VERMISST  – Bitte um Hinweise und Mithilfe

In Prä-Corona-Zeiten schallte es gerne mal durchs Olympiastadion: „Wie unser Gegner heißt ist scheißegal, denn wir wollen gewinnen – jedes Mal! Jeder singt so laut wie er nur kann, wir sind Herthas zwölfter Mann!“ Die erste Zeile dieses Herthaner Fangesanges kann sich momentan zweifelsohne nicht auf die Mannschaft beziehen. Wie schon die gesamte Saison über fehlte der Hertha-Elf gestern der Biss, der Wille, die „Mentalität“, der Kampfgeist oder wie man es sonst nennen mag.

Schon von Anpfiff weg gab es unnötige Ballverluste und einen kopflosen und unkonzentrierten Aufbau – und das äußerte sich direkt in der Körpersprache. Als sich nach etwa fünfzehn Minute zeigte, dass man Bielefeld wohl nicht herspielen würde, hingen die Köpfe mit jeder missglückten Aktion minütlich tiefer. Da hätte der Elfmeter für Bielefeld nach vermeintlichem Foul von Niklas Stark an Fabian Klos perfekt ins Bild gepasst, doch der Schiedsrichter kassierte die Entscheidung nach ellenlangen vier Minuten Korrespondenz mit dem VAR wieder, sodass sich das anbahnenden Unheil in die zweite Hälfte verschob.

Dann aber war es nicht mehr zu übersehen. Nach dem üblen Bock von Omar Alderete direkt nach der Halbzeit bahnte sich ein Bielefelder Tor immer mehr an. Das Mittelfeld wurde kampflos hergeschenkt. Die eigenen Defensive prügelte den Ball weg wie ein Sechstligist im Pokal, der in der Nachspielzeit noch das Unentschieden halten möchte. Alle Zweikämpfe, die nicht in letzter Linie geführt wurden, gingen verloren, das Stellungsspiel wurde schludrig, der Spielaufbau fahrig bis non-existent.

Und Bielefeld wurde zu Chancen eingeladen. In der 54. Minute konnte Lucas Tousart den Ball noch in höchster Not per Grätsche aus der Gefahrenzone entfernen. Auch Doans Schuss in der 56. Minute wurde noch glücklich überstanden.

Und in dieser Phase war (wieder einmal) kein Herthaner zu sehen, der die anderen wachrüttelt und anführt. Etwas auszunehmen ist dabei Alexander Schwolow, der schon die ganze Saison sowohl lautstark als auch von der Körpersprache her die richtige Einstellung an den Tag legt. Von der Torwart-Position fällt es aber naturgemäß schwer, die Mannschaft mitzureißen, soweit nicht einige Spieler auf dem Feld solche Ansagen aufnehmen und verkörpern.

Doch bei den Hertha-Spielern findet sich kein Wortführer, auch niemand der in solchen Momenten mit Leistung und Kampf vorangeht. Am ehesten kann man dieses Bemühen noch Lucas Tousart zugutehalten, der sich dafür aber im Gespräch mit seinen Teamkollegen auffallend zurückhält. Das Tor in der 64. Minute fiel dann folgerichtig. Während Jessic Ngankam an der Seitenlinie behandelt wurde, schafften die restlichen zehn Spieler es nicht, einen Einwurf zu verteidigen. Schon wieder ein Einwurf – man erinnere sich an das 2:1 der Freiburger.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Passend zur Leistung des Tages gingen Lucas Tousart und Omar Alderete gemeinsam zum Kopfball, behinderten sich gegenseitig, sodass der Ball von Tousarts Kopf zu Reinhold Yabo verlängert wurde. Der stellte seinen Körper hin, ließ Peter Pekarik daran abprallen und netzte dann zu seinem ersten Bundesliga-Tor ein. Ob man hier auf Foulspiel entscheiden kann, tut mit Hinblick auf Herthas Leistung insgesamt und auch in dieser Situation eigentlich nichts zur Sache.

Auch in der Folge hatte man zu keiner Zeit das Gefühl, dass Hertha noch zum Ausgleich kommen könnte. Kein Aufbäumen in der Mannschaft zu sehen. Bielefeld überließ Hertha in den letzten Minuten zwar noch einmal den Ball, wirklich gefährlich wurde es bis auf den abgepfiffenen Zufallstreffer von Piątek aber nicht mehr

Das Team ist keine Mannschaft, man sieht kein wirkliches Zusammenspiel. Auch ein funktionierendes taktisches Offensiv-Konzept ohne Alleinunterhalter Cunha, an dem sich die Spieler festhalten und aufrichten könnten, fehlt. Ein Team bildet sich nur über Zeit. Aber Zeit hatte diese Mannschaft jetzt schon – und noch immer hat sich kein Führungsspieler hervorgetan oder sich eine Geschlossenheit entwickelt.

Das hat zwar auch die Mannschaft selbst zumindest phrasenhaft erkannt. Aber auch das nicht zum ersten Mal. Und bisher hat sich da noch nicht viel getan. Besserung ist also nicht wirklich in Sicht. Kommt Zeit, kommt Rat? Wir können nur abwarten – und hoffen.

Und da war da noch:

Jhon Córdoba, der in Hälfte Eins noch einige Male zeigen konnte, dass er als Zielspieler in Labbadias System mehr taugt als sein polnischer Sturmkumpane. Blieb in der zweiten Halbzeit mangels Anspielen komplett unsichtbar. Der Kolumbianer kam nach der Einwechslung von Krzysztof Piątek häufiger über links und agierte noch unsichtbarer als vorher. Baute wie das gesamte Team mit fortschreitender Spielzeit immer weiter ab und konnte so seine ordentliche Leistung aus dem Schalke-Spiel nicht bestätigen.

Krzysztof Piątek, der nach seiner Einwechslung für den verletzten Jessic Ngankam in der 65. Minute im Rahmen des grauenhaft schlechten Offensivspiels noch so etwas wie Gefahr ausstrahlte. Traf nach einem abgefälschten Mittelstädt-Abschluss zum vermeintlichen Ausgleich. Nachdem der insgesamt wenig überzeugende Schiedsrichter noch auf Abseits entschieden hatte (war es nicht), konnte der VAR ein Handspiel Piąteks ausfindig machen, sodass das Tor regelkonform aberkannt wurde. Hertha hatte aber bei aller Liebe den Ausgleich in keinster Weiser verdient. Kurz später kam Piątek noch zu zwei Schusschancen, die aber das Tor nicht mehr ernsthaft gefährdeten.

Dodi Lukébakio, der nach dem verletzungsbedingten Cunha-Ausfall als Kreativspieler der Herthaner Offensive besonders im Fokus stand – und wieder einmal nicht abliefern konnte. Weder konnte Lukébakio die Offensive mit klugen Seitenverlagerungen steuern noch die Bielefelder Abwehr mit Tempodribblings vor Probleme stellen. Lukébakios Formtief nimmt trotz der unzweifelhaft vorhandenen Anlagen beängstigende Ausmaße an.

Maxi Mittelstädt, der Cunha auf dem linken Flügel vertrat und naturgemäß nicht ersetzen konnte. Das war auch nicht zu erwarten, nichtsdestotrotz hätte offensiv mehr von ihm kommen müssen. Immerhin konnte er sich in der ersten Hälfte mit zwei Ball-Rückeroberungen auszeichnen. Im zweiten Durchgang rückte er für Marvin Plattenhardt auf die Linksverteidigerposition, wurde dort von Gegenspieler Ritsu Doan immer wieder vor Probleme gestellt und reihte sich so nahtlos in die schwer enttäuschende Leistung der Hertha ein.

[Titelbild: (Photo by Stuart Franklin/Getty Images]

Vorschau: Arminia Bielefeld – Hertha BSC: Auf Mission Wiedergutmachung

Vorschau: Arminia Bielefeld – Hertha BSC: Auf Mission Wiedergutmachung

Neues Jahr, neues Glück. Im ersten Spiel in 2021 widerlegte Hertha all jene, die befürchteten, die „Alte Dame“ könnte zum wiederholten Male als Aufbaugegner für angeschlagene Teams in die Bresche springen. Stattdessen gelang es dem Team von Bruno Labbadia, nach überschaubarer Leistung in den ersten 25 Minuten im Anschluss daran etwas mehr als eine Stunde das Spiel gegen Schalke 04 zu dominieren und sich letzten Endes mit einem für den Gegner sogar noch schmeichelhaften 3:0 durchzusetzen. So wohltuend dieser Sieg für die nach den schwachen Spielen gegen Mainz und Freiburg geschundene Fanseele war, so sehr muss jedoch gefragt werden, wieviel dieser Sieg tatsächlich über die drei Punkte hinaus Wert ist. „War Hertha so gut oder Schalke so schlecht?“, wird nach derartigen Auftritten gern gefragt. Ob es sich nun tatsächlich um eine nachhaltige Leistungssteigerung handelt und es doch noch Grund für Optimismus in Bezug auf den Rest der Saison gibt, wird sich am Sonntagabend zeigen, wenn Hertha den Spieltag gegen Arminia Bielefeld beschließt.

Um einen detaillierten Einblick rund um den Aufsteiger zu bekommen, haben wir mit Arminia-Expertin Eva-Lotta Bohle, unter anderem bekannt aus „The 2. Bundesliga Podcast“, gesprochen und sie gefragt, wie sich ihre Mannschaft bisher im Oberhaus schlägt.

Mit langem Anlauf endlich wieder Bundesliga

Seit dieser Saison ist Bielefeld, nach 11 Jahren zweiter und dritter Liga, wieder Bundesligist. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Im Juni 2020 hatte die Leidenszeit endlich ein Ende: Nach elfjähriger Abwesenheit war Arminia Bielefeld die Rückkehr in die Bundesliga nicht mehr zu nehmen. Trotz der starken Konkurrenz aus Stuttgart und Hambung, die als Aufsteiger gesetzt schienen, waren es die Bielefelder, die sich als Zweitligameister ab dem 15. Spieltag an die Tabellenspitze setzten und seither nicht mehr von dort zu verdrängen waren. Zehn Punkte Vorsprung auf Mitaufsteiger Stuttgart, die meisten erzielten und die wenigsten kassierten Treffer – an der Verdientheit dieses Aufstiegs kann es keinerlei Zweifel geben. Insbesondere dann nicht, wenn man berücksichtigt, wie viel Anlauf die Arminia und deren Anhänger für diesen Erfolg nehmen mussten.

Nachdem Bielefeld 2009 den Gang in die zweite Liga antreten musste, hielten sie es dort lediglich ein Jahr aus und verabschiedeten sich 2011 gar in die Drittklassigkeit. Zwar gelang im zweiten Anlauf die Rückkehr in Liga Zwei, doch nur ein Jahr später musste man auf die tragischst mögliche Weise erneut Vorlieb mit der dritten Liga nehmen. Ein Gegentreffer in der 122. Minute im Rückspiel der Relegation gegen Darmstadt verhinderte den Klassenerhalt. Doch auch davon ließ sich Bielefeld nicht beirren und konnte sich seit dem unmittelbaren Wiederaufstieg in der zweiten Liga etablieren.

Dass es nun, nach dieser schier endlosen Leidenszeit, gar für die Bundesliga gereicht hat, wird eng mit Trainer Uwe Neuhaus verknüpft, der seit Dezember 2018 als Cheftrainer agiert und seither mit offensivem, attraktivem Fußball der Arminia neues Leben eingehaucht hat. In der für ihn ersten Bundesliga-Saison steht er nun vor der Herausforderung, genau diesen Spielstil wieder anzupassen.

Mit Pragmatismus zum Klassenerhalt

Fabian Klos konnte aufgrund veränderter Rolle seine Torgefahr erst selten unter Beweis stellen. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Denn ebenjener dominante Fußball lässt sich nun in der ersten Liga nicht mehr umsetzen. Zu groß sind die Unterschiede in der individuellen Qualität zum Rest der Konkurrenten. Zum Vergleich: Der Marktwert des Kaders der Bielefelder liegt laut transfermarkt.de bei knapp 45 Millionen Euro, der von Mitaufsteiger VfB bei etwa 103 Millionen.

Dementsprechend geht es für das Team, wie für alle „klassischen“ Aufsteiger, in erster Instanz darum, in der Defensive möglichst kompakt zu stehen und das eigene Spiel mit dem Ball hinten anzustellen, wie es Eva beschreibt: „Zunächst ist der ruhige Spielaufbau, den Uwe Neuhaus bei Arminia etabliert hat, nicht mehr so ohne weiteres möglich: Gerade in Spielen gegen den VfL Wolfsburg oder, aktueller, gegen Borussia Mönchengladbach hat man gesehen, dass die zentralen Spieler für das Aufbauspiel (Innenverteidiger und Sechser), starke Probleme mit dem hohen Pressing der gegnerischen Spieler hatten. Auch das Passspiel zwischen Torhüter Stefan Ortega Moreno und den beiden Innenverteidigern (meistens Mike van der Hoorn und Amos Pieper) musste im Laufe dieser Saison immer weiter zurückgefahren werden, spätestens nach dem Missverständnis zwischen Pieper und Ortega gegen Leipzig. Daher werden doch vermehrt lange Bälle nach vorne gewählt als ursprünglich von Neuhaus vorgesehen.“

Auch personelle Probleme führen dazu, dass die in Liga Zwei so starke Offensive bislang (lediglich Schalke erzielte in der laufenden Saison weniger Tore) nur sehr selten zum Tragen kommt. Fabian Klos, der mit 21 Treffern und 10 Vorlagen maßgeblich für den Aufstieg im vergangenen Jahr verantwortlich war, hat aktuell „eher die Rolle als „Ballfestmacher“ dieser langen Bälle […]. Das Hauptproblem hierbei ist, das sich Klos‘ Sturmpartner Andreas Voglsammer erneut verletzt und Leihspieler Sergio Cordova bisher noch nicht vollständig als Goalgetter erwiesen hat. Daher fehlt ein Abnehmer dieser gewonnen Bälle im Sturm, die Klos logischerweise nicht auch noch einnehmen kann. Klos kann sich ebenfalls gegen die Verteidiger der Bundesliga nicht mehr so einfach durchsetzen, wie es in der 2. Liga noch der Fall war“, ordnet Eva ein.

Bielefeld holt die Pflichtsiege

Auf ihn muss Hertha besonders aufpassen: Bielefelds Flügelläufer Ritsu Doan. (Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Trotz der klaffenden Lücke hinsichtlich des Budgets im Vergleich zum Rest der Liga sind es beispielsweise zu Hertha lediglich sechs Punkte Unterschied. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Arminia die sogenannten Sechs-Punkte-Spiele gewinnt. Alle drei bisherigen Saisonsiege wurden gegen Schalke, Mainz und Köln, die allesamt Tabellennachbarn sind, eingefahren.

Gegen den Rest der Liga sieht die Bilanz dagegen finster aus: „Das einzige Spiel gegen ein Topteam, wo man Bielefeld gewisse Chancen auf einen Punktgewinn hätte zutrauen können, war das Spiel gegen RB Leipzig. Das war eines der wenigen Spiele, wo man selbst von Anfang an gut ins Spiel reinkam und mit Doan sogar die erste Chance des Spiels hatte. Gegen Bayern, Leverkusen, Dortmund, Union Berlin und Gladbach, die für mich bisher die stärksten Gegner waren, fehlte vor allem der Zug zum Tor, gegen Union fehlte über 90 Minuten komplett die Zuordnung und der Zugriff“, sagt Eva. Gerade die „mangelnde Torgefahr“ werde den Bielefeldern in diesen Spielen zum Verhängnis, so Eva.

Als Lichtblick in Bezug auf die fehlende Durchschlagskraft im Offensivspiel darf Ritsu Doan bezeichnet werden: „Doan hat bisher 2 Tore und 2 Assists in 14 Spielen, außerdem bringt er gewisse Fähigkeiten mit, beispielsweise seine Dribblingstärke, die Bielefeld bis jetzt gefehlt haben. Einziger Nachteil ist bei ihm, dass man ihm manchmal sowohl sein Alter als auch seinen Status als Leihspieler anmerkt: In einigen Situationen fehlt Doan das Auge für seine Mitspieler beziehungsweise er ist zu egoistisch und sucht selbst den Abschluss. Überwiegen tun jedoch die Qualitäten, die er mitbringt, die ihm auch bereits zwei Nominierungen als Rookie of the Month eingebracht haben“, beschreibt Eva den Neuzugang aus Eindhoven. Ein anderer Leihspieler, in Berlin bestens bekannt, schlägt bislang jedoch nicht ein: Arne Maier ist in Bielefeld noch nicht angekommen.

Aus Berliner Sicht wird es also vor allem darauf ankommen, den spielfreudigen Japaner in den Griff zu bekommen und gegen eine kompakt verteidigende Defensive Ideen zu entwickeln.

Herthas Chance auf Wiedergutmachung

Für Hertha ist das Spiel auf der Alm vor allem eine Möglichkeit, das verkorkste Ende von 2020 und das insgesamt schwer zu ertragende letzte Kalenderjahr ein Stück weit ertragbarer zu machen. Der Auftritt gegen Schalke muss nun als Startpunkt für eine Serie dienen, will man in dieser Spielzeit noch etwas erreichen und nicht nur Schlimmeres verhindern. Mit Bielefeld, Köln, Hoffenheim und Bremen stehen nun vier Gegner auf dem Programm, die gemäß dem eigenen Selbstverständnis allesamt geschlagen werden können.

Dedryck Boyata und Javairo Dilrosun werden für diese Mission, wie auch schon in der vergangenen Woche, verletzungsbedingt nicht zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund und auch, weil insbesondere Torunarigha-Vertreter Omar Alderete seine Sache gegen Schalke außerordentlich gut gemacht hat, sind zunächst keine Änderungen in der Startelf zu erwarten. Womöglich kehren aber Santiago Ascacibar und Eduard Löwen zurück in den Kader.

*Titelbild: Clemens Bilan – Pool/Getty Images