VfB Stuttgart – Hertha BSC: Drei Thesen vor dem Spiel

VfB Stuttgart – Hertha BSC: Drei Thesen vor dem Spiel

Ernüchterung trat nach der gefühlten Niederlage gegen den FC Augsburg ein. In den Schlusssekunden entrissen die Gäste den Herthanern die sicher geglaubten Punkte. Über vieles ließ sich im Anschluss diskutieren: Die Länge der Nachspielzeit, die Vorkommnisse rund um die Rudelbildung an der Eckfahne, die eigene Mentalität. Das sportliche Zustandekommen des Unentschiedens jedenfalls veranlasste die sportliche Führung um Fredi Bobic dazu, einen neuen Weg zu gehen und die zwei Amtszeit Pal Dardais als Trainer zu beenden. Tayfun Korkut ist der neue Mann an der Seitenlinie Herthas. Unsere drei Thesen vor dem Spiel in Stuttgart stehen ganz im Zeichen des Trainerwechsels.

These 1: Punkt(e) zum Einstand – Korkut bleibt sich treu

Drei Stationen kann Tayfun Korkut im deutschen Oberhaus bisher vorweisen. Für Kontinuität auf dem Trainerposten steht sein Name nicht, weshalb seine Verpflichtung bei den Fans der Blau-Weißen nicht unbedingt Jubelstürme ausgelöst hat. Doch es gibt auch gute Nachrichten, zumindest kurzfristiger Natur, denn: Korkut kann Debüts.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Bei seinem Debüt für Hannover 96 sprang gleich mal ein 3:1-Auswärtssieg in Wolfsburg rum. Sein Auftaktspiel mit Bayer Leverkusen endete immerhin noch 1:1 gegen Werder Bremen, ein verschossener Elfmeter in der letzten Sekunde verhinderte gar einen Sieg. Mit dem VfB Stuttgart startete Korkut ebenfalls beim VfL Wolfsburg und holte ein 1:1.

Besonders groß ist die sample size für Korkut-Auftaktspiele zwar nicht, aber die bisherige Ausbeute führt zur These, dass es auch am Sonntag beim VfB Stuttgart für Hertha und Korkut zu mindestens einem Punkt reichen wird.

These 2: Unter 40 Prozent Ballbesitz

Eine taktische Ausrichtung zu erahnen, ist schwierig. Schließlich stand Korkut gut drei Jahre nicht am Spielfeldrand. Es ist aber davon auszugehen, dass sich Korkut auf die Tugenden besinnen wird, die ihm bei seiner letzten Station zumindest kurzfristig Erfolg brachten.

14 Spiele lang trainierte Korkut in der Saison 2017/18 den VfB Stuttgart – und das erfolgreich. Mit einem Punkteschnitt von 2,1 führte er Herthas kommenden Gegner beinahe in die Europa League. Auffällig war, dass Stuttgart sehr laufintensiv und ohne viel Ballbesitz spielte. In 13 von 14 Spielen hatte man weniger Ballbesitz als der Gegner.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Zu Beginn der Folgesaison änderte Stuttgart sein Spiel, probierte mit dem Ball zu agieren. Es folgte eine Serie an sieglosen Spielen und für Korkut war es der Anfang vom Ende. Dass Korkut also wieder auf ein Spiel setzt, in dem man den Ball dem Gegner überlässt, ist anzunehmen.

In die Karten dürfte da spielen, dass sich der VfB Stuttgart schwer mit Gegnern tut, die den Ball nicht wollen. Arminia Bielefeld reichten in dieser Spielzeit 34 Prozent Ballbesitz, um in Stuttgart zu gewinnen, dem FC Augsburg genügten 33 Prozent. Der SC Freiburg siegte mit 36 Prozent.


Wie Tayfun Korkut mit Hertha spielen lassen will, hat er sich noch nicht ganz entlocken lassen. Auf der Pressekonferenz verriet aber zumindest Teile seines Ansatzes. Wir haben seine Aussagen analyisiert!


These 3: Altbekannt – Ascacibar wird Schlüsselspieler

Wenn im laufenden Spielbetrieb ein Trainerwechsel stattfindet, dann ist das oft für diejenigen Spieler gut, welche zuletzt außen vor waren. In der aktuellen Lage könnte etwa ein Myziane Maolida davon profitieren. Anders ist es bei Spielern, die als gesetzt galten und sich plötzlich neu beweisen und womöglich ihre Komfortzone verlassen müssen.

Ein Spieler, der seit dem Auswärtssieg bei Eintracht Frankfurt am 8. Spieltag nicht mehr aus der Startelf verdrängt wurde, ist im defensiven Mittelfeld Santiago Ascacibar. Doch auch unter Korkut dürften seine Chancen gut stehen, vielmehr dürfte ihm eine Schlüsselrolle gehören. Denn als einziger Spieler im Hertha-Kader arbeitete Ascacibar bereits mit Korkut zusammen und könnte eine Art Bonus, einen Vertrauensvorschuss genießen.

stuttgart hertha
(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Als Korkut 2017/18 den VfB Stuttgart übernahm, setzte er fortan in jedem möglichen Spiel auf Ascacibar in der Startelf. In den meisten Fällen ließ Korkut eine Doppelsechs auflaufen und stellte Ascacibar einen defensiv orientierten Spieler wie Dennis Aogo oder Holger Badstuber an die Seite. Gut denkbar also, dass Ascacibar und beispielsweise Lucas Tousart die Achse im Mittelfeld bilden werden und „Santi“ als altbekannter Wegbegleiter der verlängerte Arm Korkuts auf dem Platz sein wird.

[Titelbild: Matthias Hangst/Getty Images]

Hertha vs. Stuttgart: Ergibt Korkuts Spielerprofil-Orientierung bei Hertha Sinn?

Hertha vs. Stuttgart: Ergibt Korkuts Spielerprofil-Orientierung bei Hertha Sinn?

Nach den ersten Diensttagen und zwei Pressekonferenzen mit Tayfun Korkut als neuem Hertha-Coach ist noch vieles im Unklaren, was Herthas neue Spielweise betrifft. Eines zeigt sich aber klar: Korkut will der Mannschaft kein Spielsystem aufdrücken, sondern vielmehr ein System schaffen, das sich an den individuellen Stärken der Spieler orientiert. Ob ihm das gelingt, ist fraglich. Schließlich fehlt Hertha insbesondere eines: der rote Faden in der Kaderzusammenstellung.

Korkut ist verschlossener als Dardai

Seit wenigen Tagen ist Tayfun Korkut neuer Hertha-Trainer. In diesen Tagen hat Korkut zwei Pressekonferenzen gegeben. Schon jetzt zeigt sich: Journalisten werden es nicht mehr so einfach haben wie noch mit Pal Dardai. Denn Pal geriet auf den Pressekonferenzen, die jeweils wenige Tage vor dem Bundesligaspieltag stattfinden, regelmäßig ins Plaudern.

Sehr offen redete er beispielsweise über Schwächephase von Spielern, Inhalte von Gesprächen, die er mit Einzelspielern führte und philosophierte auch gerne über seine Rolle und Zukunft im Verein. Dass sich Krzystof Piatek beispielsweise aktiver ins Spiel einmischen soll oder Myziane Maolida zu wenig Einsatz zeigt, sind alles Einschätzungen, die Pal offen teilte.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Tayfun Korkut hingegen lässt sich nicht in die Karten schauen. Auf der heutigen Pressekonferenz äußerte er sich größtenteils in vagen Floskeln. Er sprach davon, dass sich nach den ersten Einheiten einiges bestätigt habe, was er schon vorher beobachtet hatte und dass er die einzelnen Stärken der Spieler besser kennengelernt habe. Wo genau diese liegen und welche Erkenntnisse er bislang gewinnen konnte, diese Fragen wollte Herthas neuer Coach nicht beantworten. „Wenn wir jetzt über Details sprechen, dann sitzen wir den ganzen Tag hier“, so Korkut.

Die Spielidee hänge sehr davon ab, was die Spieler können

Und so muss man wohl ab jetzt zwischen den Zeilen lesen, um zu verstehen, in welche Richtung die Mannschaft unter Korkuts Leitung geht. Auffällig war beispielsweise, dass Korkut erneut erwähnte, wie wichtig es ihm sei, die Stärken und Schwächen der einzelnen Spieler kennenzulernen. „Es geht darum, was die Jungs können, welche Qualitäten sie haben, wo sie hinpassen.”

Die Spielidee hänge sehr viel davon ab, was die Spieler können. Heißt übersetzt: Korkut hat keine sture Spielidee, die er der Mannschaft überstülpen will. Vielmehr möchte er flexibel darauf reagieren, welche Eigenschaften die Akteure mit sich bringen und daraus quasi ein Hertha-eigenes Spielkonzept basteln.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

So weit, so gut. Die Frage ist nur, ob und wie ihm das gerade bei Hertha gelingen kann. Die Blau-Weißen hatten in den vergangenen 2,5 Jahren sechs Trainer und auch in den Führungspositionen einige Personalwechsel. Viele Spieler wurden noch von Michael Preetz nach Berlin geholt, es folgte eine sehr kurze, aber sehr prägnante Einkaufsphase, in die Jürgen Klinsmann eingeschaltet war und seit einigen Monaten ist nun das Gespann Fredi Bobic/Dirk Dufner für die Kaderzusammenstellung verantwortlich.

Klar ist also: In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat es keinen roten Faden bei der Kaderplanung gegeben. Unterschiedliche Ideen wurden umgesetzt, divergierenden Plänen wurde nachgegangen. Das zeigt sich auch in Herthas Spiel: Insbesondere in der vergangenen Saison wirkte es oft so, dass es im Team an Kommunikation fehle. Erst am heutigen Freitag hat Fredi Bobic in einem Interview erklärt, dass er oft den Eindruck habe, dass „jeder für sich“ spielt und kämpft.


Er galt zwischenzeitlich als gescheitert. Doch mittlerweile spielt sich Hany Mukhtar wieder in den Fokus. Was macht das ehemalige Berliner Juwel eigentlich?


Viererkette und mehr Ballbesitz

Bei einer Sache legte sich Korkut dann aber doch fest: In der Abwehr wird er auf eine Viererkette setzen. Unter Dardai spielte Hertha auch oft mit drei Verteidigern, wobei die äußeren Mittelfeldspieler sich in die Kette zurückzogen, wenn der Gegner im Ballbesitz ist.

Korkut deutete zudem an, dass das Spiel mehr auf Ballbesitz geprägt werden solle. Es gehe ihm ums „Ball wollen“, so der neue Hertha-Trainer. Schließlich könne man nur Tore schießen, wenn man vorher den Ball erobert habe. Nötig hat Hertha Verbesserungen in diesem Bereich allemal: Kein Bundesliga-Team hat so wenige Ballaktionen im generischen Strafraum wie Hertha. Es wäre schön, wenn Korkut dies gelingt – schließlich steigert sich somit auch die Attraktivität des Spiels.

Was das Personal betrifft, gibt es gute Nachrichten. Kapitän Dedryck Boyata ist nach seiner Sperre zurück. Verletzt fehlen derzeit nur Lukas Klünter, Marton Dardai und Rune Jarstein.

[Titelbild: Alex Grimm/Getty Images]

Herthaner im Fokus: VfB Stuttgart – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: VfB Stuttgart – Hertha BSC

So wirklich zufrieden kann Hertha BSC mit dem Punktgewinn beim VfB Stuttgart nicht sein. Wie schon öfters in dieser Saison kamen die Berliner in der ersten Halbzeit nicht in die Partie. Nach einer grausigen Leistung in Halbzeit eins lief man lange einem Rückstand hinterher, bevor der junge Luca Netz doch noch einen Auswärtspunkt sicherte. Wie jede Woche versuchen wir etwas detaillierter auf einzelne Spielerleistungen einzugehen.

Herthas Problem ist jedoch schon länger die Tatsache, dass Individualitäten an sich nichts bedeuten, wenn die Profis sich nicht als Mannschaft verstehen. Auch unter Pal Dardai hat sich eines noch nicht verändert: Hertha BSC ist noch keine Einheit auf dem Platz. In Stuttgart war die erste Halbzeit ein kollektives Versagen. Wir versuchen trotzdem auf individuelle Spielerleistungen einzugehen.

Mannschaftspressing Fehlanzeige – Defensive Standardschwäche

Eigentlich sah es in den ersten Minuten nicht verkehrt aus. Hertha übte in den ersten Momenten des Spiels ein hohes Pressing auf die Stuttgarter Spieler aus, an dem sich alle Blau-Weißen beteiligten. So wurde der Spielaufbau des VfBs schon in deren Hälfte des Feldes gestört, Herthas Profis trauten sich Vorstöße zu und konnten mehrere Bälle erobern.

Doch nach etwa zehn Minuten verschwand dieses Mannschaftspressing von Hertha fast komplett. Von Minute zu Minute wurde die Defensive immer individueller geführt. Nur noch einzelne Spieler pressten die Schwaben und wurden dabei relativ einfach umspielt. Dies führte dazu, dass die Gastgeber immer besser ins Spiel kamen und deutlich dominanter auftraten als die Gäste. Herthas Verteidiger waren zunehmend im Blickpunkt. Peter Pekarik und Maximilian Mittelstädt kamen in der ersten Halbzeit nur zu wenigen Vorstößen, die auch schnell verpufften.

Foto: IMAGO

Herthas Innenverteidigung blieb trotz allem weitestgehend stabil und erlaubte sich nur wenige grobe Fehler. Auffällig war in beiden Halbzeiten, dass der Spielaufbau von Hinten oft von Omar Alderete übernommen wurde. Dieser hatte jedoch große Schwierigkeiten, seine Mitspieler zu finden. Immer wieder musste er lange Bälle schlagen, die nur selten ankamen. Zudem verlor er den Ball gleich zwei Mal in gefährlicher Lage vor dem eigenen Strafraum, was zu Chancen für den VfB führte.

In der wohl schlechtesten Phase, die Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit, war Pal Dardais Team insbesondere defensiv schwach. Defensivstandards wurden außergewöhnlich schlecht verteidigt. Mehrmals standen bei Eckbällen und Freistöße gleich zwei oder sogar drei gegnerische Spieler frei im Strafraum und konnten auf Jarsteins Kasten köpfen. So war es keine große Überraschung mehr, als Sasa Kalajdzic in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit völlig frei zum Flugkopfball kam und traf. Hertha ging mal wieder mit einem Rückstand in die Halbzeitpause.

Steigerung in Halbzeit zwei – Eiskalt eingenetzt

In der zweiten Halbzeit hatte Hertha BSC deutlich mehr Spielanteile. Dadurch wurde auch die Defensive entlastet und Herthas Außenverteidiger konnten etwas mehr Vorstöße riskieren. Vor allem Maximilian Mittelstädt wurde auf seiner linken Seite aktiver. Dieser versuchte einige Vorstöße und schlug einige Flanken. Dabei fehlte erneut die Präzision, sodass er trotz großen Aufwands kaum eine Chance einleiten konnte. Seine Passquote (nur 67 Prozent) war am Ende leider eine der schwächsten auf dem Platz. Auch seine Zweikampfquote war mit 42 Prozent nicht besonders zufriedenstellend. Im Vergleich wies der etwas defensiver agierende Peter Pekarik eine Passquote von 86% auf.

Beide Verteidiger wurden schließlich zehn Minuten vor Schluss ausgewechselt. Mathew Leckie und Luca Netz kamen in die Partie. Der 17-Jährige krönte sich nach nur drei Minuten zum jüngsten Torschützen der Hertha-Geschichte. Sein etwas glücklicher Treffer zum Punktgewinn kommt dabei nicht allzu überraschend. Schon in seinen ersten Einsätzen für die Profis war er insbesondere durch seine gefährlichen Vorstöße aufgefallen.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Obwohl der junge Berliner noch am Anfang seiner Entwicklung steht, wird ihn sein erstes Bundesligator sicherlich beflügeln. Seine Sorglosigkeit tat jedenfalls seiner Mannschaft in der Schlussphase gut und sorgte dafür, dass die „alte Dame“ nicht erneut mit leeren Händen nach Hause fliegen musste.

Hört auch im Hertha Base Podcast rein: in der aktuellen Folge besprechen wir das Auswärtsspiel in Stuttgart!

Khediras Einwechslung bringt neuen Schwung

Ausschlaggebend dafür war auch ein gewisser Sami Khedira. Der 33-Jährige schlug die Vorlage für seinen fast doppelt so jungen Mitspieler. Erst in der 58. Minute wurde er für Santiago Ascacibar eingewechselt. Der Südamerikaner zeigte sich wie schon gegen Eintracht Frankfurt und FC Bayern München bissig und fleißig.

Foto: Matthias Hangst/Getty Images

Allerdings ging er genauso wie seine Mitspieler in der ersten Halbzeit komplett unter. Ascacibar gewann nur wenige Zweikämpfe (Zweikampfquote 29 Prozent) und stand oft nicht richtig. Außerdem erlaubte er sich Foulspiele in Strafraumnähe, die zu gefährlichen Freistöße für seinen Ex-Klub führten. Auch Matteo Guendouzi hatte große Schwierigkeiten, auf der offensiven zentralen Mittelfeldposition für Aufsehen zu sorgen. Das tat der Franzose vielmehr im negativen Sinne, da er sich einige schmerzhafte Ballverluste erlaubte.

Die Einwechslung von Sami Khedira brachte sofort eine spürbare Dominanz und Ruhe zurück in das zentrale Mittelfeld. Der Weltmeister hatte fast genauso viele Ballaktionen wie Ascacibar (mit weniger Spielzeit) und zeigte sich dafür zweikampfstark und passgenau. Einige Bälle des VfBs konnte er abfangen. Seine fehlende Spritzigkeit und Geschwindigkeit machte er mit gutem Stellungsspiel wieder wett. Hinzu kommt seine so wichtige, aber auch etwas zufällige Torvorlage für Netz.

Herthas Suche nach der Achse

Außerdem gab er Lucas Tousart (von Sky-Kommentatoren neuerdings “Nicolas Toussart” getauft) mehr Sicherheit. Der Franzose war bis dahin im Vergleich zu seinen Mitspielern im zentralen Mittelfeld einer der aktivsten. Er führte viele Zweikämpfe und unterbrach einige Angriffe der Schwaben.

Er steigerte sich aber nach der Einwechslung von Khedira nochmal spürbar und konnte mehr Akzente nach vorne setzen. In der Schlussphase (85.) beispielsweise, als er einen Konter mit einleitete und Nemanja Radonjic in die Spitze schicken konnte. Am Ende war er mit 12,87 gelaufene Kilometer auch der laufstärkste Spieler auf dem Platz.

Herthas Achse steht also weiterhin nicht fest. Lucas Tousart dürfte wohl nach zuletzt drei guten Auftritten in Folge gesetzt sein. Matteo Guendouzi strahlte hingegen zuletzt weniger Frische und Spielwitz als noch vor einigen Monaten aus. Die neue Rolle von Sami Khedira könnte da ein wichtiger Faktor werden. Dessen Präsenz scheint seine Mitspieler zu beflügeln und zumindest ein wenig Ruhe in das Chaos zu bringen. Die nächsten Wochen werden zeigen, wer sich im zentralen Mittelfeld endgültig durchsetzen kann. Dardai muss mal wieder Lego spielen.

Matheus Cunha – Weiter glücklos

Endgültig durchgesetzt hat sich Matheus Cunha bei Hertha schon lange. Doch der wohl gefährlichste Spieler in den Berliner Reihen wartet mittlerweile schon seit November 2020 auf einen eigenen Treffer. Nachdem er kurz vor Ende der Partie gegen Bayern schon eine Riesenmöglichkeit vergeben hatte, bekam er auch in Stuttgart einige Möglichkeiten. Viele dieser Möglichkeiten leitete er selbst ein.

Der Brasilianer war erneut ein Aktivposten, war für seine Gegenspieler nur sehr schwer zu halten und zeigte sich auch im Pressing und in Defensivzweikämpfen sehr fleißig. Er gewann die meisten Berliner Zweikämpfe (22) und war erneut mit Abstand der Spieler auf dem Platz mit den meisten erfolgreichen Dribblings (8). Was bei ihm erneut fehlte, war der Glück im Abschluss.

(Photo by RALPH ORLOWSKI/POOL/AFP via Getty Images)

Lob gab es diese Woche dafür vom neuen Mitspieler Sami Khedira: „Matheus Cunha ist ein unfassbarer Fußballer“. Doch gerade im Abstiegskampf wird seine Qualität auch zu Toren führen müssen. Die Enttäuschung über die vergebenen Chancen war Matheus Cunha immer wieder anzumerken. Gegen den Ex-Club Leipzig bekommt der 21-Jährige die nächste Chance, die Durststrecke zu beenden.

Nemanja Radonjic – noch kein Durchbruch

Ebenfalls enttäuscht von der eigenen Leistung dürfte Nemanja Radonjic sein. Der Neuzugang war wie schon im ersten Einsatz gegen Bayern in einigen Szenen zu sehen. Dass Geschwindigkeit allein nicht zum Erfolg führt, ist selbstverständlich. Warum der junge Flügelstürmer allerdings auf seine stärkste Waffe im entscheidenden Moment verzichtete, bleibt ein Rätsel. Gleich zwei Mal lief der Serbe gegen Stuttgart mit dem Tempo eines Windhundes seinen Gegenspielern davon, beide Male stoppte er jedoch völlig unerklärlich ab und ging ins Dribbling.

Somit gab er seinen Vorsprung freiwillig auf und schaffte sich unnötige Hindernisse. Dazu verstolperte er mehrere Bälle und war mitverantwortlich dafür, dass Herthas Angriffe in der Schlussphase zu oft nicht zu Ende gebracht wurden. Womöglich bremste ihn auch eine leichte Verletzung. Über die vergebenen Chancen dürfte er sich trotzdem tierisch ärgern.

Lukebakio mehr Flamingo als Känguru

Wer „tierisch“ liest, musste diese Woche schnell an Pal Dardai denken. Dieser gab in der Pressekonferenz einen kleinen Exkurs über Kängurus und erklärte, welche Gemeinsamkeiten dieses Tier mit Dodi Lukebakio hat. Ähnlich wie ein rotes Känguru also, soll Dodi Lukebakio sein. Da müssen wir ihm leider widersprechen. Auch wir bei Hertha BASE sind nämlich echte Tierexperten.

Kängurus sind kräftige Tiere, die sich nur schwer aus dem Gleichgewicht bringen lassen und zum Teil auch durch ihre Körpergröße bedrohlich wirken können. Was die Physis angeht, ähnelt Dodi Lukebakio in der Tierwelt vielleicht eher dem Flamingo, der mit einem Fuß sein ganzes Körpergewicht hält. Ein solches kann man durch einen kleinen Schubser schon aus dem Weg räumen. Wie auch in so vielen Partien in dieser Spielzeit konnte sich der Belgier nämlich körperlich nie gegen seine Gegenspieler durchsetzen.

Foto: IMAGO

Die vom Cheftrainer gelobte Geschwindigkeit des Angreifers konnte dieser ebenfalls nur selten unter Beweis stellen. Zu oft stand am Ende eines Vorstoßes nur ein einfacher Ballverlust. Zu oft war schnell die Enttäuschung in seinem Gesicht zu lesen. Allgemein war die Körpersprache von Dodi Lukebakio wieder alles andere als inspirierend. Seine Mitspieler wird er damit sicher nicht mitreißen können. Ob Flamingo oder Känguru: der belgische Nationalspieler spielt bisher eine höchst enttäuschende Saison.

Alligatoren oder Schafe und Lämmer – Hertha braucht einen Leitwolf

Lukebakio ist nicht der Einzige, der bisher in dieser Saison seine Charakterstärke vermissen lässt. Pal Dardai muss nicht wie befürchtet „20 Alligatoren“ managen, doch eine Mannschaft voller Schafe und Lämmer möchte ein Trainer sicherlich auch nicht haben. Momentan ist die blau-weiße Truppe noch ein bunter Haufen völlig unterschiedlicher Spieler und Charakter, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Die fehlende Kohäsion der Spieler untereinander war in der ersten Halbzeit gegen Stuttgart stark zu spüren. Dabei sah das Team weniger nach einer hungrigen Wolfsmeute und eher wie die Arche Noah aus.

Vielleicht kann ein Alpha-Tier, ein Leitwolf diese Meute doch noch vereinen. Die Hoffnung auf eine zufriedenstellende Saison ist nach den letzten Ergebnissen jedenfalls verschwunden. Jetzt bleibt noch die Hoffnung, den kompletten Absturz zu verhindern. Dafür wird die „alte Dame“ auch im schweren Programm der nächsten Wochen punkten müssen.

*Titelbild: IMAGO

Vorschau: VfB Stuttgart – Hertha BSC: Sind aller guten Dinge drei?

Vorschau: VfB Stuttgart – Hertha BSC: Sind aller guten Dinge drei?

Zum Auftakt seiner erneuten Amtsführung gab es für Pal Dardai zwei Niederlagen. Weder gegen Eintracht Frankfurt, noch gegen den FC Bayern München konnte gepunktet werden. Nun steht das dritte Spiel in der Saison mit Dardai als Trainer an, gegen den VfB Stuttgart. Doch was können wir von den Schwaben erwarten – und was von Hertha?

Darüber haben wir mit den Stuttgart-Experten Sebastian Rose und Andreas Zweigle von vertikalpass.de gesprochen.

Der VfB Stuttgart spielt so, wie man es von einem Aufsteiger nicht unbedingt erwartet. Ihr Spiel ist von frischem, torhungrigem Offensivfußball durch junge Charaktere geprägt. Zurück in der ersten Bundesliga präsentieren sich die Schwaben, als wären sie nie weggewesen. Zurecht haben sie sich in der aktuellen Saison im Mittelfeld etabliert.

Starker VfB: Davor muss sich Hertha in Acht nehmen

„Viele Spieler haben den nächsten Schritt gemacht“, sagen die Stuttgart-Experten Sebastian Rose und Andreas Zweigle über ihre Mannschaft. Einige sogar den Übernächsten, finden sie. Etwa Mateo Klimowicz oder Tanguy Coulibaly, die in der zweiten Bundesliga kaum eine Rolle gespielt hätten – nun aber beide einen Dauerplatz in der Startelf inne haben.

Eine große Stärke von Stuttgart und „den jungen Wilden“ liege darin, dass die Mannschaft nie aufgeben würde. „Auch bei Rückständen nicht“, sagen die Beiden. Aber wie es oft bei einer jungen Mannschaft ist, so schwankt auch bei den Schwaben die Formkurve häufig. Als Beleg dienen dabei das letzte Spiel, eine 2:5-Niederlage gegen Bayer Leverkusen. Auch gegen Bielefeld unterlag man mit 0:3 deutlich. Wohingegen die Schwaben zu Hause gegen Gladbach einen Punkt holen und Borussia Dortmund auswärts mit 5:1 besiegen konnten.

(Photo by Focke Strangmann – Pool/Getty Images)

Der VfB spielt flexiblen Offensivfußball, mit schnellen Spielern, die immer wieder in die Tiefe stoßen und so Gegenspieler an sich binden. „Das Team such immer die spielerische Lösung und glaubt immer an den Erfolg“, sagen Sebastian Rose und Andreas Zweigle. Vom tiefstehendem Aufsteiger, welcher mit langen Bällen in die Spitze operiert, kann hier nicht die Rede sein.

„Wenn das Team Raum für sein schnelles Umschaltspiel bekommt, dann ist der VfB nur sehr schwer zu verteidigen“, sagen die Beiden. Denn dann geht es mit schnellen Pässen von hinten nach vorne – Konterfußball, der gekonnt ist. Stuttgart funktioniert vor allem als „Underdog“, wenn der Gegner den Ball hat und das Spiel zu lenken gedenkt. Dann aber grätscht das kompakte Mittelfeld der Schwaben am liebsten zu, geht aggressiv in das Pressing und erobert sich den Ball, um ihn schnell und direkt in die Spitzen zu spielen.

Für Hertha ist der VfB Stuttgart ein durchaus ungemütlicher Gegner, liegen den Berlinern doch selbst auch Mannschaften eher, die selbst das Spiel gestalten. Rückt Hertha in diese Rolle, weiß das Team zu oft zu wenig mit dem Ball anzufangen.

Was für ein Spiel werden wir also sehen?

Skeptisch betrachtet wird es ein Spiel bestehend aus dem Mittelfeld beider Teams und einer großen Portion Langeweile. Läuft es klassisch, findet Hertha nicht die Lücken in der Abwehr des Gegners und schiebt den Ball dauerhaft hin und her, von der einen Seite zur Anderen – und zum Torwart, vermutlich Rune Jarstein. Auch Stuttgart wird es dann schwer haben, gegen eine tiefe und dichtstehende Berliner Abwehr. Aber, es kann auch alles anders laufen.

„Als Problemzone hat sich in den letzten Spielen die rechte Defensivseite entpuppt“, sagen die zwei Experten. Weder Pascal Stenzel noch Dinos Mavropanos haben sich hier dauerhaft beweisen können. Und die favorisierte Dreierkette in der Abwehr könnte für die schnelle und technisch starke Offensive der Berliner wie gerufen kommen.

(Photo by STEFANIE LOOS/AFP via Getty Images)

Gespannt sein darf man in jedem Fall auf die Aufstellung von Pal Dardai. Sowohl gegen Frankfurt als auch gegen Bayern wusste er mit einigen Änderungen zu überraschen. Darüber zu spekulieren wie gespielt wird, scheint deshalb sehr (wage)mutig. Also wieder zum VfB:

Mit Nicolas Gonzales fällt der drittbeste Scorer des Teams aus. Sorgen bereitet das Sebastian Rose und Andreas Zweigle aber nicht. „Er fehlte bereits zu Beginn der Saison und die Mannschaft konnte das gut kompensieren“, sagen sie. Etwa durch Sasa Kalajdzic, der ein gänzlich anderer Spielertyp sei und vor allem durch seine hohe Körpergröße von zwei Metern und dem einergehendem Kopfballspiel auffallen würde. Bekanntlich sind die Berliner bei Standards auch durchaus anfällig. Dennoch „sollte er nicht nur auf sein Kopfballspiel reduziert werden“, sagen die beiden weiter. Kalajdzic könne vielseitig einsetzbar sein, etwa im Kombinationsspiel oder auch als „klassischer Wanderspieler“, der die Meter macht und ins Gegenpressing geht. „Acht Tore sprechen für sich“, fassen die Beiden über ihn zusammen.

Und die Beiden haben eine Warnung an die Berliner Mannschaft: „Im Prinzip aber müsst ihr auf alle aufpassen, nur unseren Keeper Kobel könnt ihr ungedeckt lassen“, sagen sie. Na dann.

Ascacibar und Khedira an alter Wirkungsstätte

Angesprochen auf die Hertha, nennen die Beiden Matheus Cunha. „Er scheint euer Unterschiedsspieler zu sein“, sagen sie. Und nach seiner verpassten Chance in den Schlussminuten gegen Bayern und weiteren Spielen, in denen Cunha eben nicht den Unterschied gemacht hat, wird er heiß darauf sein, gegen Stuttgart etwas wieder gut zu machen.

Auch Santiago Ascacibar wird vermutlich wieder spielen. Dardai steht einfach auf Kämpfer und jene, die mit Herzblut und Leidenschaft dabei sind, also auch die nötige Härte mit sich bringen. Gegen Bayern überzeugte der “junge Skjelbred”, wie ihn Dardai taufte, mit starken Tacklings, Grätschen und wusste es gut, die Lücken zu schließen. Wer weiß, was dem Ex-Stuttgarter gegen seinen alten Verein noch so einfällt.

Zu überzeugen wusste vor allem auch Neuzugang Nemanja Radonjic. Gegen Bayern wurde er zwar erst in der 63. Minute eingewechselt, überzeugte in der guten halben Stunde aber mit extrem starken Dribblings auf seiner linken Seite, welche teilweise sogar die Bayern-Defensive schwindelig werden lies. Ihm könnte gegen Stuttgart gar ein Startelfeinsatz winken. Anders als Sami Khedira, dem man die viele Zeit ohne Spiele bei Juventus Turin ansah. Gleichsam spürte man aber auch seine Präsenz auf dem Platz – die Antwort ist ja: Er kann der Leader sein, den Hertha brauchte. 99 Spiele hat er in der Bundesliga schon auf dem Buckel – 98 davon beim VfB Stuttgart. Vielleicht folgt gegen sie mit einer Einwechslung sein 100.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Schlussendlich prognostizieren die Beiden kein schönes Spiel. Eben weil beide Teams sich gegenseitig neutralisieren könnten und es beiden Teams schwer fällt, das Spiel über den eigenen Ballbesitz heraus gefährlich zu gestalten. „Am Ende wird es aber zwei zu eins für den VfB ausgehen“, glauben sie. Doch das prognostizierte Tor für Hertha, solle dabei ein ganz besonderes sein. „Den Treffer für die Hertha erzielt natürlich Sami Khedira in seinem 100. Bundesligaeinsatz.

[Titelbild: Photo by Maja Hitij/Getty Images]

Podcast #115 Ciao Cacau

Podcast #115 Ciao Cacau

Wir besprechen die bittere Niederlage gegen Stuttgart, die von außen reingegebenen Saisonziele und ob Länderspielpausen wirklich notwendig sind. Zudem sagen wir euch, warum es bei unserer Herzensdame gerade einfach noch nicht rund läuft und geben einen Ausblick auf das Spiel beim aktuellen Tabellenführer RB Leipzig.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)