FC Augsburg – Hertha BSC: Drei Schlüsselduelle

FC Augsburg – Hertha BSC: Drei Schlüsselduelle

Verlieren verboten: Früh in der Saison scheint das erste Schicksalsspiel anzustehen, wenn Hertha als Tabellenvorletzter am Sonntag beim -vierzehnten FC Augsburg spielt. Mit einem Sieg könnten beide Teams die Trendwende nach einem ernüchternden Saisonstart einläuten. Auf welche Spieler es dabei ankommen kann, lest ihr hier.

Auf gerade einmal 2,1 expected goals kommt der FC Augsburg nach den ersten vier Saisonspielen – Ligatiefstwert. Immerhin drei Tore haben die Fuggerstädter daraus erzielt, doch bis auf den schmeichelhaften 2:1-Erfolg bei Bayer Leverkusen sprang noch nichts Zählbares heraus. Von dem kreativen Offensiv-Fußball, für den Neu-Trainer Enrico Maaßen zuletzt bei Borussia Dortmund II stand, ist bis dato wenig zu sehen.

Mit Hertha gastiert derweil die geteilt mit dem VfL Wolfsburg schwächste Offensive der Liga, zwar steht man mit 3,74 expected goals klar über dem FCA, doch erst zwei Tore resultierten daraus. An den ersten beiden Spieltagen jeweils eins. Die Handschrift von Sandro Schwarz ist zwar zu erkennen, doch nach dem Pokalaus und den ersten Liga-Spielen ohne Sieg, ist ein Erfolgserlebnis langsam Pflicht, um nicht den Glauben an die gemeinsame Spielidee zu verlieren. Der Vergleich mit Augsburg wird zum echten Sechs-Punkte-Spiel.

Gouweleeuw gegen Kempf: Duell der Abwehrchefs

Der Bedeutung des Spiels geschuldet, werden beide Teams allen voran versuchen, über eine stabile Defensive zu kommen. Augsburgs Dreierkette wird dabei vom zentralen Spieler und Kapitän Jeffrey Gouweleeuw angeführt, der wegen der Verletzungen von Reece Oxford, Felix Uduokhai und Frederik WInther umso wichtiger ist.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Ins Aufbauspiel ist Gouweleeuw wenig eingebunden, er hat seine Stärken klar gegen den Ball. 1,99 Tacklings liefert er durchschnittlich pro 90 Minuten, womit er es im Positions-Vergleich in Europas Top-fünf-Ligen auf mehr als 72 Prozent gegenüber der anderen Innenverteidiger bringt. Dass er davon 1,36 gewinnt, ist ein besserer Wert als 83 Prozent seiner Kollegen. Ebenso stark sind seine 2,56 abgefangenen Bälle (top 16 Prozent) und 5,34 klärende Aktionen (top 15 Prozent).

Marc Oliver Kempf, dessen Formkurve nach oben steigt, liefert ähnliche Werte, kommt zwar nur auf 1,83 Tacklings, davon aber 1,42 erfolgreiche (top 13 Prozent). Bei den abgefangenen Bällen zählt Kempf sogar zu den besten neun Prozent (2,83 pro 90 Minuten, alle statistischen Werte beziehen sich auf die letzten 365 Tage). Welcher Abwehrchef seine Stärken besser ausspielen kann, wird entscheidend für die Partie.

Maier gegen Boëtius: Duell der Kreativen

Torgefahr aus dem Zentrum heraus haben beide Teams in dieser Saison kaum entwickelt. Maßgeblich für Herthas Tore war Flügelspieler Dodi Lukebakio, der eins selber erzielte und eins per Flanke vorbereitete. Bei Augsburgs einzigem Sieg waren indes zwei erfolgreiche Pressingmomente entscheidend. Dabei haben beide Mannschaften kreative Spieler im Zentrum, die für Gefahr sorgen können.

Herthas Neuzugang Jean-Paul Boëtius ist einer, der für mehr Gefahr sorgen soll. Seine durchschnittlich 5,62 progressiven Pässe (Pässe, die den Ball maßgeblich näher zum gegnerischen Tor bringen) pro 90 Minuten sind ein Spitzenwert im europaweiten Vergleich. Auch 1,17 Schlüsselpässe (Pässe, die unmittelbar zu einem Torschuss führen) machen ihn zu einem der gefährlicheren zentralen Mittelfeldspieler. Einen Pass spielt Boëtius durchschnittlich in den Strafraum.

Bei Augsburg soll einer für Kreativität sorgen, der in Berlin seine Ausbildung genoss. Arne Maier spielt zwar gerade einmal 2,72 progressive Pässe, doch sticht Boëtius mit 1,38 Schlüsselpässen in dieser Kategorie aus. Besonders beeindruckend: In den letzten 365 Tagen lieferte Maier 0,25 Assists auf 90 Minuten. Top fünf Prozent.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Gegen die alten Kollegen wird Maier bis in die Haarspitzen motiviert sein. Und auch Boëtius wird nach den ersten Wochen in Berlin endlich auf dem Platz vollends überzeugen wollen.

Demirovic gegen Kanga: Duell der Torjäger

Tore waren beidseitig Mangelware in dieser Spielzeit, dabei haben sowohl der FCA als auch Hertha im Sturmzentrum im Sommer nachgelegt. Bei den Augsburgern passt der im letzten Winter auch in Berlin gehandelte Neuzugang Ermedin Demirovic perfekt ins System.

Es war kein Zufall, dass Augsburg gegen Leverkusen zweimal nach Pressingaktionen zum Tor kam, genauso will es Trainer Enrico Maaßen in Phasen sehen. Und mit Demirovic hat er einen Stürmer, der genau darin glänzt. 1,9 geblockte Bälle und 1,65 geblockte Pässe sind jeweils Top-ein-Prozent-Werte. Genauso die durchschnittlichen 0,83 Tacklings im vordersten Drittel. 22,07 Mal übt er pro Spiel Druck aus (top fünf Prozent) und ist dabei 6,28 Mal erfolgreich (top vier Prozent). Werte, die wie eine Warnung an Herthas Defensive klingen: Übt Demirovic Druck aus, kann es gefährlich werden.

Auch Herthas neuer Mittelstürmer Wilfried Kanga hat sich bisher allen voran durch den Einsatz beweisen können, anders als bei Demorovic (ein Tor) hat er sich noch nicht belohnt. Doch auch auf ihn wird es ankommen, wie Schwarz jüngst betonte: “Willy hat noch kein Tor geschossen. Aber es sind wichtige Kriterien für uns, wie er für die Mannschaft arbeitet: in der Ballbehauptung, im Durchsetzungsvermögen. Wenn du so fleißig bist, wird die Belohnung kommen. Ich habe ein hohes Vertrauen in meine Offensivabteilung, dass wir die Tore schießen werden.”

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Titelbild: Daniel Kopatsch/Getty Images

Borussia Mönchengladbach – Hertha BSC: Drei Schlüsselduelle

Borussia Mönchengladbach – Hertha BSC: Drei Schlüsselduelle

Nach dem ersten Punktgewinn im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt will Hertha erstmals in der Saison dreifach punkten. Doch mit Borussia Mönchengladbach empfängt eine formstarke Mannschaft die Herthaner. Wir schauen uns an, auf welche Schlüsselduelle es im Spiel zwischen der Elf vom Niederrhein und der alten Dame ankommen kann.

Genau wie bei Hertha fand bei den “Fohlen” im Sommer ein Trainerwechsel statt. Den insgesamt eher glücklosen Adi Hütter ersetzte Daniel Farke. Und der Ex-Norwich-Coach fügte sich in Mönchengladbach gleich gut ein. Auf das souveräne Weiterkommen im Pokal folgte ein 3:1-Sieg zum Ligaauftakt gegen Hoffenheim, ehe man am letzten Spieltag gegen Schalke die drei Punkte erst in letzter Sekunde hergab. Das Team findet derzeit zurück zu alter Offensivfreude. Besonders auffällig: Farke vertraut seiner ersten Elf ungemein. In seinen beiden ersten Ligaspielen setzte er auf die selben elf Spieler in der Startformation, wechselte jeweils nur zweimal in den Schlussminuten. Hertha BSC und Sandro Schwarz wissen also worauf sie sich einzustellen haben: Einen formstarken Gegner.

Schlüsselduell: Mittelstädt gegen Hofmann

Zum Saisonbeginn nicht einmal Teil des Aufgebots, musste Maxi Mittelstädt gegen Frankfurt gleich in der Startelf ran, weil Kapitän Marvin Plattenhardt verletzt fehlte. Und Mittelstädt war direkt voll auf der Höhe, machte ein gutes Spiel. Dass er auf dem Papier ein Spieler ist, dem das System Schwarz liegen sollte, ist unbestritten. Doch bisher sollte es zwischen dem neuen Trainer und dem Linksverteidiger nicht funken. Ein gutes Spiel gegen Gladbach könnte Mittelstädt einem Stammplatz deutlich näher bringen. Doch mit Jonas Hofmann steht ihm der absolute Unterschiedsspieler der Gladbacher gegenüber.

5,59 schusskreierende Aktionen pro 90 Minuten – Mit diesem Durchschnittswert aus der Saison 2021-22 zählte Hofmann zu den besten 1 Prozent aller Flügelstürmer der Bundesliga. Dabei kam er auf einen Wert von 0,63 expected goals (ohne Elfmeter) + assists – Top 7 Prozent. Seine 3,21 direkt vorgelegten Schüsse sind ebenfalls ein Top-1-Prozent-Wert.

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(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Zahlen, die nicht nur Hofmanns Wert für Gladbach unterstreichen, auch ist er inzwischen wichtiger Teil der deutschen Nationalmannschaft. So wichtig macht Hofmann nicht zuletzt seine Flexibilität, er ist keiner, der an der Außenbahn klebt. Im Gegenteil, immer wieder zieht es ihn ins Zentrum. Es wird also nicht nur an Mittelstädt liegen, ihn in seinen Aktionen zu limitieren. Besonders im eigenen Aufbauspiel muss Hertha ein Auge auf Hofmann haben. 20,9 Mal setzte er in der vergangenen Saison durchschnittlich im Spiel einen Gegner unter Druck – so viel wie kein anderer Gladbacher. 

Ein Tor gelang Hofmann an den ersten beiden Spieltagen bereits. Nun möchte Hofmann, der seine Mitspieler so gut aussehen lassen kann wie kaum ein Zweiter in der Liga, auch erste Assists sammeln. Das zu verhindern, wird für Mittelstädt eine große Aufgabe, für die er die Unterstützung der gesamten Defensive benötigt.

Schlüsselspieler bei Gladbach: Ko Itakura

An kaum einem Spieler hatten die Fans von Schalke 04 in der vergangenen Saison so viel Freude wie an Ko Itakura. Von Manchester City ausgeliehen, hatte der polyvalente Japaner maßgeblichen Anteil an der Zweitliga-Meisterschaft. Doch im Sommer folgte die Trennung, zu hoch war die Kaufklausel. Nutznießer war Mönchengladbach, die die geforderten fünf Millionen an Manchester zahlten.

Und Itakura macht da weiter, wo er in Gelsenkirchen aufgehört hat, nämlich guten Fußball zu spielen, was zuletzt sogar die alten Kollegen zu spüren bekamen. 126 Ballkontakte, neun geklärte Bälle, acht gewonnene Luftzweikämpfe, zwei geblockte Schüsse, eine Zweikampfquote von 64 Prozent und eine Passquote von 89 Prozent: Gegen Schalke war Itakura der beste Gladbacher.

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(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Nicht nur Herthas Sturmreihe um Wilfried Kanga wird es mit Innenverteidiger Itakura zu tun bekommen. Als gelernter Sechser ist er es gewohnt, auch immer mal wieder den Raum vor der Abwehr zu beackern. Itakura ist ein Kämpfer, der seine Mitspieler mitreißt. Ihn muss Hertha stets im Auge haben.

Schlüsselspieler bei Hertha: Dodi Lukebakio

Zwei Tore hat Hertha in der Liga bisher erzielen können. Mit einem geschossenen und einem vorbereiteten war Dodi Lukebakio an beiden beteiligt. Der Leih-Rückkehrer vom VfL Wolfsburg galt lange als Verkaufskandidat, doch ist nun umso wichtiger. Gegen Frankfurt zuletzt war er der offensive Dreh- und Angelpunkt.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Und auch gegen Gladbach wird er eine wichtige Rolle einnehmen. Denn sein Gegenspieler ist Ramy Bensebaini, was zum einen verspricht, dass Lukebakio defensiv gefordert sein wird, aber sich ihm offensiv auch Räume bieten werden.

Mit 0,16 expected goals pro Spiel zählte Bensebaini in der letzten Saison nicht nur zu den torgefährlichsten zwei Prozent der Verteidiger in der Liga, auch im Erspielen von Chancen legte der Linksverteidiger (unter Hütter eher linker Innenverteidiger) Top-Werte auf. 1,16 schusskreierende (top-10-Prozent im Ligavergleich) und 0,18 torkreierende Aktionen (top-16-Prozent) standen auf seinem Zettel. Tendenz steigend, denn unter Farke scheint er wieder als reiner Flügelverteidiger gefragt zu sein. Ihn zu verteidigen muss schon vorne bei Lukebakio anfangen und darf nicht erst an Jonjoe Kenny hängenbleiben.

Doch unter dem starken Offensiv-Output Bensebainis leidet mitunter sein defensives Spiel. Bei abgefangenen Bällen zählt er zwar zu den Ligabesten, doch was erfolgreiche Tacklings und klärende Aktionen angeht, ist er im unteren Drittel zu finden. Auch übt Bensebaini auffällig selten Druck aus (10,29-mal pro 90 Minuten, weniger als 60 Prozent auf seiner Position) und das auch noch mit wenig Erfolg (30,7-Prozent Erfolgsquote, schwächste 5 Prozent der Liga). Hier können sich für einen spiel- und formstarken Spieler wie Lukebakio gefährliche Situationen ergeben.

Titelbild: Frederic Scheidemann/Getty Images

Hertha BSC – Eintracht Frankfurt: Drei Thesen

Hertha BSC – Eintracht Frankfurt: Drei Thesen

Nach doppelter Enttäuschung zum Einstand in Pokal und Liga steht für Sandro Schwarz am Sonnabend das erste Spiel vor heimischer Kulisse an. Im Olympiastadion trifft Hertha auf den amtierenden Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt. Die Hessen reisen durch die 1:6-Niederlage gegen den FC Bayern zwar als Tabellenletzter an, zeigten aber bereits im Pokal eine ansprechende Form. Wir blicken mit drei Thesen auf das Aufeinandertreffen voraus.

These 1: Schwarz rotiert kräftig

Die Leistung gegen den 1. FC Union stimmte in weiten Teilen nicht. Einmal mehr konnten Herthas Spieler aus der Derby-Atmosphäre nichts ziehen, was sich positiv auf das Spiel auswirkt. Allen voran die Offensivspieler Myziane Maolida und Davie Selke waren zu keinem Zeitpunk ein Faktor. Auch aus dem Mittelfeldzentrum fehlte es an Impulsen.

Doch Trainer Schwarz stehen Alternativen zur Verfügung. Die Neuzugänge Wilfried Kanga und Chidera Ejuke, die gegen Union bereits eingewechselt wurden und gute Ansätze zeigten, sind eine weitere Woche im Training und damit näher dran, sich der Mannschaft und den Anläufen anzupassen.

Hertha-Neuzugang Chidera Ejuke

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Im Mittelfeld hat Lucas Tousart seine Gelb-Rot-Sperre aus dem Relegationsrückspiel gegen den HSV abgesessen. Ende der vergangenen Saison zählte der Franzose zu den Lichtblicken. Dazu ist mit Jean-Paul Boëtius ein weiterer Zugang zum Team gestoßen. Herthas neue Nummer Zehn kennt Schwarz aus gemeinsamen Mainzer Zeiten bestens.

Auch in der Abwehr hat Schwarz Optionen. Auf der Innenverteidiger-Position drängen sich mit Marton Dardai und Linus Gechter zwei Eigengewächse auf. Bei sieben Gegentoren aus zwei Spielen scheint die finale Formation noch nicht gefunden, wenngleich Schwarz mit dem Wechsel von Uremovic für Boyata zwischen Pokal- und Ligaspiel auf dieser Position bereits getauscht hat und ein weiterer Wechsel womöglich zu viele Strukturen aufbrechen würde. Auf rechts ist Routinier Peter Pekarik für den bisher eher überfordert wirkenden Jonjoe Kenny eine Option.

Ein anderes Gesicht zu zeigen, ist nach dem Saisonstart alternativlos. Unsere These: Es wird in Form anderer Gesichter passieren. Schwarz tauscht gegenüber dem Spiel in Köpenick mindestens dreimal in der Startelf.

These 2: Mannschaft zeigt Reaktion

So ernüchternd die bisherigen Spiele waren, Mut macht die klare Ansprache von Trainer Schwarz. Er erkennt die Probleme klar und spricht sie an. “Was Intensität und Zweikampschärfe angeht, war das zu wenig”, benannte er nach Abpfiff der Partie gegen Union gleich die Schwachstellen, kündigte an, nun zunächst an der Basis arbeiten zu wollen.

Im Laufe der Trainingswoche vor dem Spiel gegen Frankfurt zeigte sich Schwarz dann begeistert von seiner Mannschaft. Gerade Intensität und Aggressivität scheinen zu passen. “Wenn ich die Mannschaft so erlebe wie im Training, ist das eine sehr gute Voraussetzung, Spiele erfolgreich zu bestreiten”, glaubt Schwarz.

hertha

(Photo by Mark Thompson/Getty Images)

Der neue Trainer scheint Schwachstellen zu erkennen und mit einer klaren Ansprache auch der Mannschaft zu verdeutlichen. Daher kommt These zwei: Hertha wird gegen Frankfurt gegenüber den vergangenen Spielen eine deutlich bessere Leistung zeigen.

These 3: Boëtius macht`s wie sein Vorgänger

Das Debüt Jurgen Ekkelenkamps vergangene Saison gegen Fürth war absolut vielversprechend. Eingewechselt brauchte er nicht einmal zwei Minuten, um den 1:1-Ausgleich zu erzielen und Hertha sogar noch zu einem Sieg zu führen.

Doch die Beziehung zwischen der Alten Dame und dem talentierten Niederländer sollte keine allzu lange werden. Nach einer Saison war wieder Schluss, Ekkelenkamp zog es noch am letzten Wochenende nach Antwerpen. Zu selten war die Rolle des quirligen Mittelfeldspielers gefragt.

Seinen Platz im Kader nimmt Landsmann Boëtius ein. Eine absolut sinnvolle Verstärkung, bringt der 28-Jährige, dessen ablösefreie Verpflichtung Fredi Bobic als “absoluten Glücksgriff” bezeichnet, doch einiges mit, das Hertha nun weiterhelfen kann.

hertha

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Boëtius ist “lauffreudig, auch aggressiv gegen den Ball”, wie Schwarz meint. Aus dem Zentrum heraus kann er zudem das Spielgeschehen mit dem Ball an sich reißen. “Ich habe große Lust auf Hertha und die neue Bundesliga-Saison. Dieses Team hat Potenzial und ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir zusammen guten Fußball auf den Platz bringen und den Fans Freude bereiten!”, so Boëtius.

Ob es gleich zu Tor und Sieg reicht, wird sich zeigen. Aber der erste Eindruck von Herthas neustem Neuzugang ist vielversprechend. Daher These drei: Genau wie sein Vorgänger wird Boëtius ein starkes Debüt hinlegen.

Titelbild: Maja Hitij/Getty Images

Jonjoe Kenny – Der Neuzugang im Check

Jonjoe Kenny – Der Neuzugang im Check

Gerade einmal einen Monat ist es her, dass die nervenaufreibende Spielzeit 2021/22 im Relegations-Rückspiel gegen den HSV ein dramatisches, aber positives Ende für Hertha fand. Und schon sind die Vorbereitungen für die neue Saison im vollen Gange. Der Spielplan ist veröffentlicht, Trainingsstart für Hertha ist kommende Woche. Fredi Bobic bastelt derweil fleißig am neuen Kader — und hat mit Jonjoe Kenny einen neuen Rechtsverteidiger gefunden.

Trent Alexander-Arnold, Reece James, Kieran Trippier, Kyle Walker — Zugegeben, wer an englische Rechtsverteidiger denkt, landet wohl kaum direkt bei Kenny. Dabei hat sich der 25-Jährige in der Bundesliga bereits einen Namen gemacht. In der Spielzeit 2019/20 war er vom FC Everton an Schalke 04 ausgeliehen, wo er 31 Bundesliga- und drei Pokalspiele bestritt.

Dabei kam Kenny auf drei Torvorlagen und zwei Tore. Zurück bei Everton, und auch per Leihe bei Celtic Glasgow, konnte sich Kenny nicht mehr langfristig als Stammspieler etablieren. Nun kommt er ablösefrei in die Hauptstadt.

Fanliebling auf Schalke

Seine Zeit auf Schalke war nicht nur wegen der hohen Einsatzzeiten die erfolgreichste in Kennys bisheriger Laufbahn. Bei den Königsblauen erfreute er sich größter Beliebtheit. Seine leidenschaftliche Art gefiel den Fans und er hatte großen Anteil am Aufschwung zum Saisonbeginn.

„Sollte es eine Möglichkeit geben, die Leihe zu verlängern, werden wir sprechen“, kündigte Schalkes damaliger Trainer David Wagner an. Doch die Bemühungen seitens S04 blieben unbelohnt, Kenny kehrte nach England zurück.

Jonjoe Kenny im Zweikampf mit dem Frankfurter Filip Kostic.

(Photo by Ronald Wittek/Pool via Getty Images)

Zwar stand eine Rückkehr immer mal wieder im Raum, letztlich sollte es aber nicht dazu kommen. Kenny: „Bei meinem Abschied auf Schalke war ich auf jeden Fall traurig, den Verein und die Liga zu verlassen. Ich habe die Bundesliga und die Fans in der Kürze der Zeit lieben gelernt.“ Wenig verwunderlich also, dass er nach Vertragende bei Everton nach Deutschland zurückkehrt. Bis zur Rückkehr in die Veltins-Arena muss er allerdings bis zum 28. Spieltag warten, wenn die Alte Dame zu Gast bei den Knappen ist.

Klares Profil

Die fünf Scorer in einer Spielzeit für Schalke stellen einen Ausreißer nach oben in Kennys Laufbahn dar. Bisher ist er wahrlich nicht durch Torgefahr in Erscheinung getreten. Seine Leistungsdaten lassen ein klares Profil erkennen.

Im Offensivspiel ist Kenny nicht zuhause, bereitete in der vergangenen Spielzeit für Everton in 15 Spielen nur ein Tor vor, erzielte kein eigenes. Durchschnittlich schlug er in 90 Minuten nur 1,33 Flanken und hatte 1,77 schusskreierende Aktionen. Auch mit durchschnittlich nur 0,8 Pässen in den Strafraum zählte er zu den Schwächsten auf seiner Position. Damit kam er auf gerade einmal 0,04 Expected Assists pro 90 Minuten.

Gegen den Ball indes sehen seine Zahlen besser aus. Zwar übte Kenny durchschnittlich nur 12,47 Mal Druck aus pro 90 Minuten (weniger als 56 Prozent der Außenverteidiger im Ligavergleich), doch gehörte mit seinen 36,2 Prozent dabei eroberten Bällen zu den Top-4 Prozent der Liga. Ebenfalls gehörte er bei den abgefangenen Pässen mit 2,83 zu den Top-7 Prozent der Liga. Ich mag es zu tacklen, zu verteidigen – aber auch, mich nach vorne einzuschalten”, beschreibt Kenny sein eigenes “aggressives” Spiel.

Jonjoe Kenny erobert den Ball

Photo by LINDSEY PARNABY/AFP via Getty Images)

Belebt den Konkurrenzkampf

Mit dem Ball sind von Kenny keine Wunder zu erwarten, doch gegen den Ball kann er sehr wertvoll werden. Allen voran, da er herausragend gut antizipiert und Bälle erobert. Zudem kommt er oft über seine hohe Schnelligkeit ins Spiel. Mit diesen Fähigkeiten könnte sehr gut in den Fußball von Herthas neuem Trainer Sandro Schwarz passen, der eine ständige Intensität und Aggressivität fordert.

Vom Profil her kann er Peter Pekarik gut ersetzen. Mit Julian Eitschberger lauert ein weiterer, talentierter Rechtsverteidiger auf Einsatzzeiten. Der Konkurrenzkampf ist eröffnet. Einzig Leihrückkehrer Deyovaisio Zeefuik scheint auf dieser Position außen vor zu sein.

[Titelbild: LINDSAY BARNABY/AFP/Getty Images]

Vor der Relegation: Der HSV im Gegner-Check

Vor der Relegation: Der HSV im Gegner-Check

Hertha muss nachsitzen. Wie vor zehn Jahren. Nach drei verpassten Matchbällen geht es in diesem Jahr gegen den HSV. Die Hamburger wollen ihrerseits nach vier Jahren Zweitklassigkeit ins Oberhaus zurückkehren. Wie der HSV es auf Position drei geschafft hat, welche Rolle der „Walter-Ball“ dabei spielt und warum es für beide Teams auch gegen ein Narrativ anzukämpfen geht, lest ihr im Gegner-Check.

Nach dem 34. Spieltag der regulären Saison gab es erstmals die Konstellation, dass der HSV dritter in der 2. und Hertha zeitgleich drittletzter in der 1. Liga waren. An jedem anderen Spieltag der Saison hätte das Aufeinandertreffen in der Relegation anders geheißen. 

Doch die Abschlusstabelle ist nun einmal entscheidend. Und so stehen sich in der Relegation zwei Schwergewichte des deutschen Fußballs gegenüber. Platz drei bedeutet für den HSV die beste Platzierung in ihrer Zweitliga-Geschichte. Der Erfolg ist eng verknüpft mit dem Trainer Tim Walter.

Mit “Walter-Ball” zum Erfolg

Christian Titz, Hannes Wolf, Dieter Hecking, Daniel Thioune. Der HSV hat nach dem Abstieg Trainer mit unterschiedlichsten Philosophien an der Seitenlinie gehabt. Mit Tim Walter ist man vor dieser Spielzeit dann durchaus ein Risiko eingegangen. Schließlich hatte Walter mit seiner Spielidee beim VfB Stuttgart im Unterhaus keinen Erfolg.

Dabei hat der 46-jährige ehemalige Trainer von Bayerns U23 und Holstein Kiel seine ganz eigene Idee entwickelt: den „Walter-Ball“. Sein Team tritt dabei in der Grundordnung 4-3-3 auf. Hier sind die Spieler extrem flexibel. Im Ballbesitz werden Positionen immer wieder getauscht, viel Bewegung ist der Schlüssel.

Will mit dem HSV aufsteigen: Tim Walter

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Das fängt im Spielaufbau an. Der HSV spielt keine langen Bälle, sondern sich stets flach raus. Dabei ist der Torwart der erste Aufbauspieler. Ist er im Ballbesitz, rücken die Außenverteidiger gerne mal auf, die Innenverteidiger schieben breit raus und ein Mittelfeldspieler lässt sich ins Zentrum fallen. Dabei folgt der Spielaufbau keineswegs einem Schema F. Variabilität ist auch hier der Schlüssel.

Der Vorteil des „Walter-Balls“: der HSV überbrückt schon im Aufbau, so er denn gelingt, die ersten Ketten des Gegners. Bei Ballverlusten setzt der HSV wuchtig nach, probiert den direkten Wiedergewinn zu erzwingen. Eine tiefere Analyse des „Walter-Balls“ lieferte Taktik-Experte Tobias Escher vor wenigen Monaten.

Die Schlüsselspieler

Walters anspruchsvolle Spielidee fängt beim Keeper an. Daniel Heuer Fernandes glänzt in dieser Spielzeit nicht nur als Elfmeter-Killer, sondern auch als guter Fußballer. Im Ballbesitz rückt er mitunter weit auf, um das Spiel aufzubauen. Was meistens funktioniert, birgt auch ein Grundrisiko. Wie im Spiel gegen den SC Paderborn, als ein Hamburger in der eigenen Hälfte den Ball verlor und der Paderborner Srbeny über den weit aufgerückten Heuer Fernandes einschießen konnte.

In der regulären Saison stellte der HSV mit 35 Gegentoren die beste Abwehr der Liga. Hervorzuheben ist hierbei die Innenverteidigung, bestehend aus Kapitän Sebastian Schonlau und Mario Vuskovic. Mit 64,14 Prozent gewonnener Zweikämpfe ist Vuskovic der beste Hamburger in dieser Disziplin. Auf Platz drei kommt Schonlau, der 61,21 Prozent seiner Duelle gewinnt. Mit 91,17 Prozenr angekommenen Pässen wies Schonlau in dieser Hinsicht gleich den zweitbesten Wert der gesamten Liga auf.

Im Dreier-Mittelfeld ist der defensiv starke Jonas Meffert gesetzt. Seine knapp 90 Prozent angekommenen Pässe unterstreichen seinen Wert im „Walter-Ball“, immer wieder kann er sich fallen lassen und Bälle verteilen.

Vor ihm ist neben Ludovit Reis vor allem Sonny Kittel extrem auffällig. Der polyvalente Spieler kommt in dieser Saison auf neun Tore und 16 Vorlagen. Wie die gesamte Hamburger Offensive legt er Tore besonders gern per Flanke auf.

Und am aller liebsten auf Hamburgs Zielspieler Nummer eins in der Offensive: Mittelstürmer Robert Glatzel. Mit 22 Toren spielt der 28-Jährige seine persönlich stärkste Saison. Sowohl aus dem Mittelfeld, vor allem aber über die Flügel wird Glatzel immer wieder gesucht. Zwölf seiner Tore erzielte der 1,93m-große Stürmer per Kopf. Vor allem seinetwegen stellte der HSV die drittbeste Offensive der 2. Liga.

Bester Torschütze des HSV: Robert Glatzel

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

“Walter-Ball” knacken

Die drittbeste Offensive der Liga, die beste Defensive der Liga. Klingt im ersten Moment nicht wie der typische Drittplatzierte, der in die Relegation muss. Doch der HSV ließ im Saisonverlauf immer wieder Federn.

Denn der HSV zeigte sich im Vergleich zu den Aufsteigern aus Gelsenkirchen und Bremen zu oft verwundbar. Ein Paradebeispiel, wie man den HSV knacken kann, lieferte in der Rückserie Werder Bremen. Dem variablen Spielaufbau der Hamburger setzte man ein mannorientiertes Anlaufen entgegen, setzte die HSV-Defensive unter Dauerdruck. 

Werders zentrale Mittelfeldspieler übernahmen dabei Hamburgs Außenverteidiger, die Stürmer Werders verdichteten das Zentrum. So entwickelte Werder ein extrem hohes Pressing, zwang den HSV immer wieder zu Ballverlusten.

Das funktionierte, auch weil Werder im entscheidenden Moment taktisch umstellte. Mit der Führung im Rücken stand man tiefer, überließ dem HSV den Ball. Und konzentrierte sich darauf, Glatzel aus dem Spiel zu nehmen. Fast wie ein Bewacher stand ihm Bremens Ömer Toprak an der Seite.

Ausgebremst: Werder Bremen knackte den HSV

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Der Schlüssel zu diesem Sieg widerspricht zwar allem, wofür Hertha in dieser Saison steht. Denn mit gerade einmal durchschnittlich acht ballerobernden Aktionen pro Spiel in der gegnerischen Hälfte war in dieser Disziplin in der Bundesliga niemand so ungefährlich wie Hertha. Doch Mut sollte machen, dass dieses hohe Pressing gar keine 90 Minuten durchgezogen werden musste.

Um den HSV zu schlagen, muss Hertha in jedem Fall mutiger auftreten als zuletzt. Und auch taktisch variabler. Denn überlässt man den Hamburgern den Ball dauerhaft, werden sie Mittel finden, um Glatzel ins Spiel zu bringen. Gleichzeitig muss das Risiko, selber das Spiel zu machen, oder früh zu pressen, immer wieder abgewägt werden. Denn so könnten sich Gelegenheiten für den HSV bieten und es steht viel auf dem Spiel…

Mit dem Narrativ brechen

Der HSV und die Relegation – das galt mal als die perfekte Symbiose. In den Jahren 2014 und 2015 rettete sich der einstige Bundesliga-Dino gleich doppelt über diesen Modus. Gegen Fürth half die Auswärtstorregel, gegen den Karlsruher SC ein zumindest zweifelhafter Freistoß. 2017 rette sich der HSV am letzten Spieltag spektakulär, entging einer erneuten Relegation erst in der 88. Minute.

Doch das Bild des Clubs, der in letzter Sekunde immer wieder den Kopf aus der Schlinge zieht, ist  längst verwischt. 2018 mussten die Hamburger den Gang in die Zweite Liga antreten. Es folgten drei Versuche der Rückkehr ins Oberhaus, alle endeten auf dem undankbaren vierten Platz. Teils verspielte man in der Hansestadt große Vorsprünge.

Und so tritt der HSV zum dritten Mal in acht Jahren in der Relegation an. Doch es geht nicht nur gegen Hertha, sondern auch gegen das Narrativ des Scheiterns. Aus den einst unabsteigbaren Hamburgern droht das genaue Gegenteil zu werden. Und auch der HSV weiß: Jedes weitere Jahr in der Zweiten Liga ließe die Lücke zum Oberhaus weiter wachsen.

Der HSV möchte kein weiteres Mal scheitern

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Doch nicht nur für den HSV geht es darum, eine sich selbsterfüllende Prophezeiung abzuwenden. Auch bei der Hertha würde ein Erfolgserlebnis eine Erzählweise über den Verein zumindest vorläufig verstummen. Denn nach einer Aneinanderreihung von Negativerlebnissen in den vergangenen Jahren wäre ein Abstieg, noch dazu über die Relegation, die es in den vergangenen Jahren stets gut mit dem Erstligisten meinte, der nur allzu gut ins Bild passende vorläufige Tiefpunkt.

[Titelbild: Martin Rose/Getty Images]