BVB – Hertha: Drei Schlüsselduelle

BVB – Hertha: Drei Schlüsselduelle

Die tabellarische Situation ist vor dem 34. Spieltag aus Hertha-Sicht klar und zugleich trügerisch. Bei einem Punktgewinn ist der Klassenerhalt sicher, genauso wenn der VfB Stuttgart nicht dreifach punktet. Vorteil VfB: Ein Heimspiel gegen den 1. FC Köln ist auf dem Papier zumindest die leichtere Aufgabe als ein Gastspiel beim BVB. Auf welche Duelle es im Signal-Iduna-Park ankommen kann, damit Hertha sein Schicksal in die eigene Hand nimmt, und die Klasse ohne ständigen Blick nach Stuttgart hält, lest ihr hier.

Für den BVB geht eine unruhige Saison zu Ende. Zunächst das Aus in der Champions League trotz leichter Gruppe, dann das Aus in der Europa League gegen den späteren Finalisten Glasgow Rangers. Im Pokal scheiterten die Schwarz-Gelben an Zweitligist St. Pauli. Das Meisterschaftsrennen in der Liga konnten sie nie offen halten.

Dazu die ständige Transferposse um Starstürmer Erling Haaland, der in Manchester City nun endlich einen Verein für die kommende Saison gefunden hat. Generell dürfte der Sommer in Dortmund einiges hergeben. Mit Niklas Süle, Nico Schlotterbeck und Karim Adeyemi wurden immerhin schon drei namhafte Transfers eingetütet.

Dem Saisonabschluss wird bei Borussia Dortmund also entgegengefiebert. Und nach dem etwas blamablen 3:4 im letzten Heimspiel gegen den VfL Bochum dürfte es den Spielern wohl auch daran liegen, sich mit einem Erfolgserlebnis in die Sommerpause oder gar vom Verein zu verabschieden.

Marcel Lotka: Gegen den BVB zwangsläufig im Fokus

Einer, der den BVB-Spielern den Abschied in die spielfreie Zeit vermiesen könnte, ist mit Keeper Marcel Lotka einer, der im kommenden Jahr womöglich ihr Teamkollege sein könnte. Dass der HerthaBASE-Herthaner des Monats April am Sonnabend zwangsläufig im Mittelpunkt stehen wird, steht außer Frage.

Keeper Marcel Lotka spielt aktuell bei Hertha BSC, könnte ab Sommer aber für den BVB auflaufen.
(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Und das nicht wegen seines Patzers zuletzt gegen Mainz 05. Dass Lotka es besser kann, hat er in den Wochen davor mehrfach bewiesen. Vielmehr wegen des drohenden Rechtsstreits zwischen beiden Vereinen um seine Person. Als er bei Hertha sportlich keine Perspektive hatte, unterschrieb Lotka, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, einen Kontrakt bei Dortmund. Primär für die zweite Mannschaft gedacht. Weil Lotka, als die anderen Torhüter ausfielen, dann aber mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machte, zog Hertha eine Klausel, die seinen Vertrag in der Hauptstadt über den Sommer hinaus verlängerte.

Wie die Rechtsfrage ausgeht, ist offen. Fakt ist: Beim Aufeinandertreffen beider Teams werden die Augen auf ihn gerichtet sein. Für einen 20-Jährigen eine anspruchsvolle Aufgabe. Doch Lotka strahlte, seit er die Chance bei den Hertha-Profis bekam, auch mental die nötige Reife aus.

Gegen den BVB wird er nicht nur mental, sondern allen voran sportlich gefragt sein. Mit durchschnittlich 13,3 Versuchen pro 90 Minuten gibt Dortmund die viertmeisten Schüsse der Liga ab.

Zeigt sich Lotka von den Diskussionen um seine Person und dem Patzer aus der vergangenen Woche unbeeindruckt, kann er eine wichtige Grundlage bilden, damit Hertha zumindest einen Punkt holt.

Santiago Ascacibar und Lucas Tousart: Das Zentrum dicht halten

Während die Dortmunder bei den abgegebenen Torschüssen noch ganz oben dabei sind, sind sie in einer anderen Rubrik Vorletzter: Bei den geschlagenen Flanken aus dem Spiel. Kein Grund zur Sorge für den BVB, denn das Zentrum ist außergewöhnlich stark besetzt. Hier muss Hertha präsent sein.

Bereits auf der Sechs ist Dortmund mit Jude Bellingham extrem spielstark. Der Engländer ist im Spiel durchschnittlich 65,5 Mal am Ball. Dabei kommt er auf einen überragenden Wert von 3,2 schusskreierenden (top 15% im Ligavergleich) und sogar 0,6 torkreierenden Aktionen (top 5%). Auch die expected Assists pro 90 Minuten Bellinghams (0,15) unterstreichen seine für einen Sechser außergewöhnliche Torgefahr. Ihm immer wieder Druck zu geben, wird nicht alleine Aufgabe der beiden Sechser Herthas sein, hier müssen schon die Offensiven mithelfen.

Im Hinspiel besiegte Hertha den BVB mit 3:2.
(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Denn mit Marco Reus und Julian Brandt werden Lucas Tousart und Santiago Ascacibar zwei weitere, sehr spielstarke Gegenspieler haben. Brandt ist mit neun Saisontoren (dazu acht Assists) nicht nur Dortmunds zweitbester Torschütze, vielmehr ist er eine wichtige Anlaufstelle im Offensivspiel. Sein Wert von 5,43 progressiven Pässen auf 90 Minuten ist ein top-3% in der Liga. 3,17 Pässe spielt er ins letzte Drittel (top 6%). Gibt man Brandt zu viel Raum, weiß er ihn zu nutzen. Durchschnittlich bereitet er pro Spiel zwei Torschüsse direkt vor. Hieran gilt es ihn zu hindern.

Rein von den Statistiken kann Reus zwar nicht bei allem mithalten, doch seine Spielstärke ist unbestritten. Auch er spielt 3,06 Pässe ins letzte Drittel, bereitet 1,9 Torschüsse vor und weiß mit 0,93 torkreierenden Aktionen (top 4%) definitiv zu überzeugen.

Schwere Aufgaben für Tousart, der sich immerhin in einem Formhoch zu befinden scheint, und Ascacibar, der sich gegenüber seinem Auftritt gegen Mainz 05 steigern muss.

Offensive Flügel: Mehr Mut gefragt

Bei allem Lob für die starke BVB-Offensive, die Hintermannschaft kann in dieser Spielzeit nicht mithalten. 51 Gegentore kassierte Dortmund in dieser Saison bereits, die zweitmeisten in der oberen Tabellenhälfte. Besonders gegen Bochum fiel zuletzt wieder auf: Über die Flügel ist der BVB extrem anfällig.

Linksverteidiger Raphael Guerreiro mag offensiv zu den stärksten der Liga gehören, doch defensiv mangelt es an vielem. Nur 9,87 Mal übt er pro Spiel im Durchschnitt Druck aus (schwächste 5% im Ligavergleich) und das nur 3,01 Mal erfolgreich (ebenfalls schwächste 5%). Auch seine Werte von nur 1,48 Blocks und 2,22 Tackles unterstreichen, dass er defensiv nicht seine Stärken hat. 

Etwas besser sehen die Werte bei Rechtsverteidiger Felix Passlack aus, der in dieser Spielzeit allerdings erst auf 472 gespielte Minuten kommt. An seiner Stelle könnte auch Ex-Herthaner Marius Wolf spielen, dessen Statistiken im Defensivbereich sich ähnlich wie die Guerreiros lesen. Zwar übt er 18,79 Mal Druck aus, doch kommt auch nur auf 1,46 Tackles, 1,46 Blocks und gerade einmal 0,44 klärende Aktionen.

Myziane Maolida könnte aufgrund seiner Position gegen den BVB zur Alternative werden.
(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Die Dortmunder Defensive auf den Außen zu beschäftigen, könnte Hertha also zu Chancen bringen. Denn sich alleine auf die Defensive zu konzentrieren, wäre gegen die zweitbeste Offensive der Liga naiv.

Hier scheint Felix Magath jedoch über seinen Schatten springen zu müssen, zuletzt ließ der Hertha-Trainer mit Suat Serdar und Vladimir Darida zwei zentrale Spieler auf den Außen beginnen. Stattdessen könnten Maximilian Mittelstädt und Myziane Maolida (oder ein fitter Marco Richter) ernsthafte Alternativen darstellen, um den BVB zu knacken.

[Titelbild: Boris Streubel/Getty Images]

Herthaner des Monats (April 2022): Marcel Lotka

Herthaner des Monats (April 2022): Marcel Lotka

Jahr für Jahr schreibt der Abstiegskampf in der Bundesliga besondere Geschichten. Sei es durch spektakuläre Ergebnisse, wie bei Werder Bremen vor zwei Jahren, die durch einen 6:1-Erfolg gegen den 1. FC Köln die Relegation erreichten, oder Mainz 05, die im vergangenen Jahr mit dem Trainerwechsel auf Bo Svensson eine furiose Aufholjagd starteten. Und auch bei Hertha BSC, aktuell auf dem besten Weg das Minimalziel Ligaverbleib zu erreichen, wurden in dieser Saison Geschichten geschrieben. So wie die des nominell fünften Torwarts, der plötzlich mittendrin war und durch Leistung überzeugte. Marcel Lotka ist Hertha-BASE-Herthaner des Monats im April 2022.

Dass am Ende eines Monats gleich mehrere Kandidaten berechtigt zur Auswahl zum Spieler des Monats stehen, ist in einem insgesamt eher von Negativschlagzeilen geprägten Hertha-Jahr schon beinahe erwähnenswert. Nachdem es im März für die Alte Dame überhaupt den ersten Pflichtspielsieg des Kalenderjahrs gab, legte Hertha im April den Saisonhöchstwert von sieben Punkten aus drei aufeinanderfolgenden Spielen nach.

Zunächst Ernüchterung

Dabei begann der April ernüchternd. Zum Auftakt gab es eine knappe 1:2-Niederlage bei Bayer Leverkusen. Schon da war Lotka bester Herthaner, dabei war er gar nicht für die Partie vorgesehen. Alexander Schwolow verletzte sich allerdings nach einer Viertelstunde und Lotka, der ursprünglich als fünfter Torwart in die Saison ging und schon im Februar gegen Freiburg sein starkes Bundesliga-Debüt gab, wurde eingewechselt. 

Die Woche nach der Niederlage bei Bayer 04 wurde richtig bitter. Zuhause setzte es die 1:4-Klatsche gegen den 1. FC Union. Während auf dem Feld ein kollektiver Einbruch einsetzte, verhinderte immerhin Torwart Lotka noch Schlimmeres. Bereits in den ersten 20 Minuten zeigte er drei Glanzparaden.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Dass er dann noch der erste war, der sich bei „Sky“ am Mikrofon äußerte, bewies nur: Nicht nur sportlich ist Lotka eine Bereicherung. Seine Ansage war damals klar: Wir werden die Klasse halten. Starke Worte für jemanden, der den Verein (Stand jetzt) im Sommer verlassen wird. Den Vertrag bei Borussia Dortmund II unterzeichnete Lotka zu einem Zeitpunkt, an dem er bei Hertha quasi perspektivlos war. 

Die Null steht mit Lotka

Lotka ließ den Worten Taten folgen, hielt in der Folgewoche beim Sieg in Augsburg die Null. Es war der Auftakt in die wichtigste Saisonphase, denn auch in der Woche darauf, beim Heimsieg gegen den VfB Stuttgart, hielt er die Null fest. 

Bezwungen wurde der 20-Jährige, der sich 2020 Hertha anschloss, erst wieder in der Nachspielzeit gegen Arminia Bielefeld. Doch immerhin reichte es zu einem Punkt und einer Serie, die Hertha im Abstiegskampf einen klaren Vorsprung einbrachte.

“Wie ein Torwart mit langjähriger Erfahrung”

Dass Lotka einen wesentlichen Anteil an dieser Serie hatte, sehen auch die Anhänger auf Twitter so. „Mit 20 Jahren bringt er wirklich viel mit. Genau das, was eigentlich gefordert wurde. Ruhe, Stabilität, Strafraumdominanz etc.“, findet etwa @dll_jackal. „Was für Paraden er rausgehauen hat. Und diese Selbstsicherheit, dieses Anspornen der Mannschaft“, hebt @tommi1892 hervor. 

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

„Sein Kampfgeist und seine Mentalität sind einfach der Hammer“, meint @KenZ_val. „Er wirkt wie ein Torhüter mit langjähriger Erfahrung“, schreibt @DerImmoHai über den Keeper, der bis vor ein paar Wochen auf gerade einmal elf Regionalliga-Spiele im Herrenbereich kam. 

Wie es für den polnischen U 21-Torwart im Sommer weitergeht, wird sich zeigen. Dortmund II spielt in der 3. Liga, Lotka hat sich jedoch unlängst für höhere Aufgaben empfohlen. Und zuletzt sickerte durch, dass eine Klausel im Vertrag einen Verbleib zumindest in Aussicht stellt.

Auch Tousart sticht hervor

Neben Lotka stach auch einer heraus, der seine wohl beste Phase im Trikot der Hertha hat: Lucas Tousart. „Aus meiner Sicht momentan unser wichtigster Spieler. Sowohl im Spielaufbau als auch in der Defensive nicht wegzudenken“, meint @LangeOlaf66 über den Franzosen. Wurde ihm lange nachgesagt, seine hohe Ablöse von 25 Millionen Euro nicht rechtfertigen zu können, scheint er seine Rolle nun gefunden zu haben. Meint auch @Freddy__42: „Hat seinen guten Monat mit einem Tor gekrönt. Hat endlich mal sein Potential aufblitzen lassen. Zweikampfstark, laufstark, spielintelligent.“

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Zu nennen sind außerdem Kevin-Prince Boateng und Davie Selke. Während ersterer seit dem Augsburg-Spiel wichtiger Teil der Startelf ist und „endlich auch auf dem Platz glänzt“, wie @Pal_Palpatine findet, mag es bei Selke vielleicht nicht zum Herthaner des Monats reichen, doch wenn am Saisonende das wichtigste Tor des Jahres gekürt wird, dürfte sein Führungstreffer gegen den VfB Stuttgart ganz vorne mit dabei sein.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Drei Thesen für Arminia Bielefeld – Hertha BSC

Drei Thesen für Arminia Bielefeld – Hertha BSC

Euphorie in der Hauptstadt: Nach zuletzt zwei Siegen in Serie ist der Klassenerhalt nach einer lange Zeit ernüchternden Saison plötzlich zum Greifen nah. Schon am Sonnabend kann Hertha einen großen Schritt in Richtung Ligaverbleib machen, sogar der direkte Klassenerhalt ist bereits möglich. Doch dafür ist nicht nur entscheidend, wie das Gastspiel Herthas bei Arminia Bielefeld endet.

Auf einen möglichen Verlauf der Ereignisse am Sonnabend blicken wir mit drei Thesen.

These 1: Die Null bei Hertha bleibt stehen

Dreimal spielte Hertha in dieser Saison zu null – bis Felix Magath und Mark Fotheringham das Team ab dem 27. Spieltag übernahmen. Seither folgten in fünf Spielen drei weitere ohne Gegentor. Die Abwehr zeigt sich stabilisiert und wesentlich konstanter. Es scheint ihr gut zu tun, dass statt ständiger Rotation eine klare Hierarchie gilt. In der Innenverteidigung sind Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf gesetzt, außen verteidigen Marvin Plattenhardt und Peter Pekarik. Dahinter steht Marcel Lotka zwischen den Pfosten.

Die Null hinten zu halten, sollte gegen Bielefeld oberste Priorität haben. Denn während die Arminen dringend gewinnen müssen, um eine Restchance auf den Klassenerhalt zu wahren, wäre für Hertha bei vier Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz und der Aussicht auf das anstehende Heimspiel gegen form- und auswärtsschwache Mainzer ein Unentschieden schon als großer Schritt einzustufen.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Der Druck liegt bei der Arminia, die ihrerseits nicht für Torgefahr stehen. Die wenigsten geschossenen Tore (24) sind kein Produkt des Zufalls, auch in der Tabelle der Expected Goals liegen die Ostwestfalen auf Platz 18 der Liga (33,26 xG).

Mit Fabian Klos fehlt dem Team von Interimstrainer Marco Kostmann der Zielspieler im Mittelsturm. Der beste Torschütze Masaya Okugawa wartet seit dem 19. Februar auf ein Tor.

Daher die These: Die Null zu halten, wird bei Hertha oberste Priorität haben und auch gelingen. Im sechsten Anlauf unter Magath bleibt die Alte Dame zum vierten Mal ohne Gegentreffer.

These 2: Wie im Hinspiel: Tor(e) nach der Pause

Wie man es gegen Bielefeld angehen kann, zeigte Hertha, noch unter Tayfun Korkut, in der Hinrunde. Harmlose Bielefelder hielten die Blau-Weißen weitestgehend vom eigenen Tor fern. Wie es im Abstiegskampf oft nunmal so ist, gab es seitens der Hertha allerdings auch kein Chancenfestival.

Doch nach dem Seitenwechsel war Hertha zielstrebiger und belohnte sich. Stevan Jovetic traf in der 53. Minute auf Vorarbeit von Ishak Belfodil und Davie Selke markierte in der Nachspielzeit den 2:0-Endstand.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Ein Spielverlauf, wie er auch im Rückspiel denkbar ist. Denn der Druck liegt, wie in These 1 dargestellt, bei den Gastgebern. Hertha kann sich aufs Verteidigen konzentrieren und darauf warten, dass die Offensivbemühungen Bielefelds intensiver werden, sich dafür aber hinten auch mehr Räume bieten.

Mit fortlaufender Spieldauer muss Bielefeld mutiger werden. Hier liegt Herthas Chance. Daher die These: Offensiv werden die Herthaner zwar zu Beginn nicht viel stattfinden und nicht wie zuletzt gegen Stuttgart früh in Führung gehen, doch später im Spiel werden sie die sich bietenden Räume nutzen und treffen.

These 3: Ein großer Schritt, aber noch keine Klarheit

Treffen die ersten beiden Thesen tatsächlich ein, macht Hertha einen Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt. Bielefeld stünde dann neun Punkte hinter der Hertha – bei noch sechs auszuspielenden. Vom Relegationsplatz würde dann weiterhin der VfB Stuttgart grüßen. Und die müssten punkten, um Hertha rein rechnerisch noch überholen zu können.

Alle Augen nach Stuttgart also. Die empfangen parallel zum Spiel zwischen Bielefeld und Hertha den VfL Wolfsburg. Die Niedersachsen sind derzeit so etwas wie die Wundertüte der Liga. Spielten sie letzte Woche Mainz 05 regelrecht an die Wand und führten zur Pause bereits mit 5:0, waren es in der Woche zuvor die Wölfe, die sich in Dortmund katastrophal präsentierten und mit einem 0:5-Rückstand in die Pause gingen. Davor siegte das Team von Trainer Florian Kohfeldt mit 4:0 gegen Bielefeld, verlor jedoch 0:3 gegen Augsburg.

BERLIN, GERMANY – APRIL 24: Ishak Belfodil of Hertha Berlin celebrates their side’s win with teammates after the final whistle of the Bundesliga match between Hertha BSC and VfB Stuttgart at Olympiastadion on April 24, 2022 in Berlin, Germany. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Welches Gesicht sie am Sonnabend gegen den VfB zeigen, steht in den Sternen. Doch der Druckabfall nach den wichtigen Punkten gegen Mainz dürfte groß sein. Gleichzeitig ist ein Sieg für Stuttgart beinahe Pflicht, um Bielefeld nicht an sich rankommen zu lassen. Denn in der Woche darauf spielt der VfB bei den Bayern, während es Bielefeld mit Bochum zu tun bekommt. Sich darauf zu verlassen, dass dann die wichtigen Punkte geholt werden, wäre wohl fatal.

Daher die These: Der Hertha-Sieg gegen Bielefeld wird zwar ein großer Schritt, doch weil der VfB parallel ebenfalls gewinnt, wird der Klassenerhalt rechnerisch nicht klar gemacht. Eine mögliche Party muss noch verschoben werden.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Hertha BSC – VfB Stuttgart: Drei Schlüsselduelle

Hertha BSC – VfB Stuttgart: Drei Schlüsselduelle

Gegen den VfB Stuttgart geht es für Hertha um die nächsten Big Points im Abstiegskampf. Um im heimischen Olympiastadion etwas Zählbares mitzunehmen, muss das Team von Felix Magath an die Leistung aus dem Augsburg-Spiel anknüpfen. Gleichwohl erwartet sie ein ganz anderes Spiel. Denn anders als die Bilanz der Stuttgarter von erst sechs Siegen und 28 Punkten vermuten lässt, ist der größte Trumpf der Schwaben, dass sie guten und gradlinigen Fußball spielen.

Insgesamt verläuft die Saison des VfB enttäuschend. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg überzeugte die Elf von Pellegrino Matarazzo mit offensivem Fußball und hielt ungefährdet die Klasse. Im zweiten Jahr im Oberhaus, dem bekanntlich schwersten für Aufsteiger, wollte Stuttgart seinen Stil fortsetzen, doch besonders durch viele Verletzungen bekam der VfB nie die gewünschte Konstanz rein und findet sich vier Spieltage vor Saisonende auf dem Relegationsplatz wieder. Auf welche Duelle es beim Aufeinandertreffen mit der Alten Dame ankommen kann, lest ihr hier.

Stuttgarts Erfolgs-Duo: Borna Sosa und Sasa Kalajdzic

Eine der größten Waffen Stuttgarts ist das Zusammenspiel von Linksverteidiger Borna Sosa und Mittelstürmer Sasa Kalajdzic. Das ist in der Liga schon seit letzter Saison bekannt, als Sosa zehn Tore vorbereitete, am Liebsten auf Kalajdzic, der auf 16 Saisontore kam. In dieser Saison wurde der zwei Meter große Stürmer lange von einer Schulterverletzung ausgebremst, kommt bisher auf vier Tore in elf Partien. Sosa steht derweil immerhin schon wieder bei sieben Vorlagen.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Ein Blick auf die Zahlen des fleißigen Linksverteidigers zeigt, was ihn so gefährlich macht. 4,8 Flanken schlägt er durchschnittlich in 90 Minuten, ein Top-5%-Wert aller Außenverteidiger der Bundesliga. Dabei kommt er auf 0,2 Expected Assists. Er ist ins Offensivspiel des VfB elementar eingebunden, kommt im Durchschnitt auf 66,38 Pässe pro Spiel. 6,15 progressive Pässe spielt er und 1,89 in den Strafraum. Alles Offensivwerte, die im Liga-Vergleich für seine Position top sind. Darunter leidet sein Defensivverhalten allerdings mitunter. Nur 1,26 Tackles übt er pro Spiel aus und kommt nur auf 1,81 klärende Aktionen. Nur 1,31 Bälle fängt Sosa im Durchschnitt ab. Alles Werte, mit denen er zum unteren Drittel der Liga gehört. Ihn defensiv zu fordern, könnte für Hertha eine Chance darstellen.

Kalajdzic im Sturm derweil ist trotz seiner Größe nicht auf sein Kopfball-Spiel zu reduzieren. Auch mit dem Fuß ist er sehr gefährlich. Sein Durchschnittswert von 0,48 Expected Goals pro 90 Minuten unterstreicht seine permanente Torgefahr. Am liebsten knipst er im Strafraum, seine durchschnittliche Distanz bei Torschüssen liegt bei 11,8 Metern. Ihn zu verteidigen wird also allen voran eine Aufgabe für…

Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf: Endlich konstant?

Mit bereits sage und schreibe 15 verschiedenen Konstellationen in der Innenverteidigung hat es Hertha in dieser Bundesliga-Saison probiert. Doch die Zeit der andauernden Rotation scheint vorbei, denn seit Magath an der Seitenlinie steht, sind Boyata und Kempf gesetzt. Und sie scheinen sich besser zu finden, zuletzt hielten sie gegen Augsburg die Null.

Dabei scheinen sich die Innenverteidiger auf die Basics zu besinnen. Boyata etwa lieferte sechs Tacklings gegen den FCA, sein Saisondurchschnittswert liegt bei vier. Ebenfalls sechs Mal übte er Druck aus, bei einem Durchschnitt von 4,21.

(Photo by UWE KRAFT/AFP via Getty Images)

Auch Kempf performte über seinen Durchschnittswerten, übte etwa 14 Mal Druck aus (Durchschnitt: 12,58). Gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, für den er bis zum letzten Winter spielte, dürfte Kempf besonders motiviert sein. Wichtig wird sein, dass er seine Motivation produktiv nutzt und performt wie zuletzt und nicht überdreht, wie teilweise zu Beginn seiner Zeit bei Hertha, etwa gegen Leipzig, als er mit Rot vom Platz flog.

Suat Serdar: Aufschwung durch Traumtor?

Die Saison von Suat Serdar ist insgesamt durchwachsen. Als offensiver Hoffnungsträger gestartet, ist die Bilanz von bisher erst drei Saisontoren und keiner einzigen Vorlage eher ernüchternd. Doch zuletzt zeigte der Neuzugang aus Schalke, was ihn so wertvoll machen kann. Nicht nur wegen seines Traumtors machte er bei Augsburg eine gute Partie und daran gilt es nun anzuknüpfen.

Durch die Gelbsperre Marco Richters könnte Serdar auf beiden offensiven Flügeln zur Option werden. Dass er es auf rechts spielend mit Sosa zu tun haben wird, der seine Stärken in der Offensive hat, dürfte Serdar eher in die Karten spielen, als wenn er auf links startet. Denn dann würde sein Gegenspieler Pascal Stenzel heißen.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Anders als sein Pendant auf links hat Stenzel seine Stärken klar in der Defensive. 2,57 Tackles leistet er im Durchschnitt, 1,85 davon erfolgreich. 2,36 Bälle fängt er pro Spiel ab und hat 1,95 klärende Aktionen. Offensiv ist er hingegen kaum aktiv, schlägt durchschnittlich nur 1,03 Flanken. Serdars Qualitäten können gegen Stuttgart ein entscheidender Faktor sein. Denkbar ist, dass er Richters Position auf rechts einnimmt, um die defensiven Schwächen Sosas auszunutzen und gleichzeitig Pekarik hinten zu unterstützen. Für den Fall wäre Mittelstädt eine Option für den linken Flügel.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Hertha BSC – TSG 1899 Hoffenheim: Drei Schlüsselduelle

Hertha BSC – TSG 1899 Hoffenheim: Drei Schlüsselduelle

Am Sonnabend steht es an: Das erste von acht Endspielen gegen den Abstieg. Zu Gast wird die TSG Hoffenheim sein. Aktuell ist das Team von Trainer Sebastian Hoeneß Tabellensechster, jedoch punktgleich mit dem Vierten RB Leipzig und damit mittendrin im Rennen um die Champions League-Plätze.

Mit welcher Formation und taktischer Einstellung Hertha die TSG empfangen wird, lässt sich nur schwer prognostizieren. Schließlich sollte Felix Magath erstmals an der Seitenlinie, sein Comeback nach über neun Jahren Bundesliga-Abstinenz und mehr als vier Jahre nach seiner letzten Trainerstation in China. Doch coronabedingt wird sich das verschieben.

Statt also zu mutmaßen, auf welche Herthaner es am Wochenende ankommen wird, lohnt sich vielmehr der Blick auf den Gegner. Bei den drei Schlüsselduellen für die Partie Hertha gegen Hoffenheim konzentrieren wir uns auf drei Hoffenheimer Schlüsselspieler, auf die auch Magaths Trainerteam Hertha vorbereiten sollte.

Schlüsselspieler eins: David Raum

Hoffenheim spielt im 5-3-2. Eine besonders wichtige Rolle nehmen die Außenverteidiger ein, die auf ihrer jeweiligen Seite als Schienenspieler sowohl offensiv als auch defensiv gefragt sind. Als wahrer Glücksgriff entpuppte sich in dieser Spielzeit auf der linken Seite der vor der Saison ablösefrei von Aufsteiger Fürth gekommene David Raum.

15 Vorlagen steuerte Raum als Linksverteidiger zum Früher Aufstieg bei. Dass er eine Liga höher bei Hoffenheim nahtlos daran anknüpfen kann, dürfte wohl selbst die kühnsten Optimisten unter den Hoffenheim-Fans überraschen. Doch Raum beweist seine Qualität in der Bundesliga Woche für Woche, steht in der laufenden Saison bereits bei neun Vorlagen und durfte im vergangenen Jahr sogar sein Debüt in der Nationalmannschaft feiern.

Ein Blick auf die Statistiken Raums unterstreichen seinen Wert für die TSG. 5,99 Flanken schlägt Raum durchschnittlich pro 90 Minuten. Er kommt dabei auch einen überragenden Wert von 0,34 Expected assists. Ebenfalls für einen Außenverteidiger herausragend: Raum hat durchschnittlich 4,22 schusskreierende Aktionen (top 2% im Liga-Vergleich) und sogar 0,59 torkreierende Aktionen (top 1%). Raum spielt überragende 2,66 Schlüsselpässe (top 2%), 2,32 Pässe in den Strafraum (top 2%) und immerhin noch 4,55 progressive Pässe.

Für Hertha wird es wichtig sein, den Flügelfokus der Hoffenheimer zu unterbinden und insbesondere Raum früh zu stören. Eine Aufgabe, die aller Voraussicht nach auf Peter Pekarik zukommen wird. Nicht nur gehört er zu den wenigen Spielern, die bei Magaths letzter Anstellung in der Bundesliga überhaupt schon in selbiger gespielt haben, in Wolfsburg haben die beiden sogar zusammen gearbeitet. Es deutet vieles darauf hin, dass der Rechtsverteidiger als verlängerter Arm von Magath auf dem Feld eine wichtige Aufgabe haben wird. Mit Raum als Gegenspieler kommt eine weitere anspruchsvolle dazu.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Schlüsselspieler zwei: Andrej Kramaric

Als eine der beiden Spitzen agiert seit Jahren einer, der im besinnlichem Sinsheim Legendenstatus genießt: Andrej Kramaric. Der Kroate beweist in dieser Saison, dass es nicht nur auf Tore ankommt (steht bei vier Saisontoren), wenn du ein herausragend guter und mannschaftsdienlicher Spieler bist.

Kramaric ist in der Hoffenheimer Offensive das Gehirn und immer dann besonders wichtig, wenn es dem Team an Ideen mangelt. 1,99 Pässe ins letzte Drittel spielt Kramaric durchschnittlich, 1,45 in den Strafraum. Generell ist der Kroate sehr aktiv, kommt auf 32,92 kontrollierte Ballaktionen pro Spiel. 35,87 Passversuche auf 90 Minuten, 27,99 davon kommen an, verdeutlichen, wie sehr er am Spiel teilnimmt. Kramatic liefert 3,03 schusskreierende Aktionen und immerhin noch 0,45 torkreierende.

Kramaric ist kein klassischer Mittelstürmer. Ihn zu verteidigen ist nicht erst Aufgabe der Innenverteidiger, sondern muss schon im Mittelfeld losgehen. Seine durchschnittliche Schussdistanz von 15,6 Metern zeigt, dass Kramaric nicht erst bis vors Tor kommen muss, um Gefahr zu erzeugen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Schlüsselspieler drei: Florian Grillitsch

Einer, der sich seit dieser Saison auf einer neuen Position eingefunden hat, ist Florian Grillitsch. Der gelernte defensive Mittelfeldspieler spielt inzwischen als zentraler Innenverteidiger in der Dreierkette und das herausragend.

Allen voran wegen seines zielgenauen Aufbauspiels. Seine durchschnittlichen 61,96 Passversuche (89,9% Passgenauigkeit) sind zwar durchaus noch ausbaufähig, doch bei Grillitsch sticht vor allem die Qualität der Pässe gegenüber der Quantität heraus.

0,77 Schlüsselpässe (Pässe, die unmittelbar zu einem Torschuss führen) spielt Grillitsch und sogar 0,96 in den Strafraum (beides top 2%-Werte im Vergleich der Innenverteidiger in der Bundesliga). 5,51 Pässe spielt der Österreicher ins letzte Drittel und 4,99 progressive Pässe. Deshalb kommt er auf einen für einen Innenverteidiger überragenden Wert von 2,11 schusskreierenden Aktionen pro 90 Minuten.

Die Defensiv-Statistiken von Grillitsch halten da nicht ganz mit, doch das können seine Nebenleute Kevin Vogt und Stefan Posch oder wahlweise Kevin Akpoguma und Benjamin Hübner auffangen. Das Ergebnis ist eine harmonierende Dreierkette.

Hertha sollte also davor gewarnt sein, dass Hoffenheim binnen weniger Stationen gefährlich wird, wenn Grillitsch in der Zentrale das Spiel eröffnet.

(Photo by UWE KRAFT/AFP via Getty Images)

[Titelbild: Alex Grimm/Getty Images]