Jahr für Jahr schreibt der Abstiegskampf in der Bundesliga besondere Geschichten. Sei es durch spektakuläre Ergebnisse, wie bei Werder Bremen vor zwei Jahren, die durch einen 6:1-Erfolg gegen den 1. FC Köln die Relegation erreichten, oder Mainz 05, die im vergangenen Jahr mit dem Trainerwechsel auf Bo Svensson eine furiose Aufholjagd starteten. Und auch bei Hertha BSC, aktuell auf dem besten Weg das Minimalziel Ligaverbleib zu erreichen, wurden in dieser Saison Geschichten geschrieben. So wie die des nominell fünften Torwarts, der plötzlich mittendrin war und durch Leistung überzeugte. Marcel Lotka ist Hertha-BASE-Herthaner des Monats im April 2022.
Dass am Ende eines Monats gleich mehrere Kandidaten berechtigt zur Auswahl zum Spieler des Monats stehen, ist in einem insgesamt eher von Negativschlagzeilen geprägten Hertha-Jahr schon beinahe erwähnenswert. Nachdem es im März für die Alte Dame überhaupt den ersten Pflichtspielsieg des Kalenderjahrs gab, legte Hertha im April den Saisonhöchstwert von sieben Punkten aus drei aufeinanderfolgenden Spielen nach.
Zunächst Ernüchterung
Dabei begann der April ernüchternd. Zum Auftakt gab es eine knappe 1:2-Niederlage bei Bayer Leverkusen. Schon da war Lotka bester Herthaner, dabei war er gar nicht für die Partie vorgesehen. Alexander Schwolow verletzte sich allerdings nach einer Viertelstunde und Lotka, der ursprünglich als fünfter Torwart in die Saison ging und schon im Februar gegen Freiburg sein starkes Bundesliga-Debüt gab, wurde eingewechselt.
Die Woche nach der Niederlage bei Bayer 04 wurde richtig bitter. Zuhause setzte es die 1:4-Klatsche gegen den 1. FC Union. Während auf dem Feld ein kollektiver Einbruch einsetzte, verhinderte immerhin Torwart Lotka noch Schlimmeres. Bereits in den ersten 20 Minuten zeigte er drei Glanzparaden.
Dass er dann noch der erste war, der sich bei „Sky“ am Mikrofon äußerte, bewies nur: Nicht nur sportlich ist Lotka eine Bereicherung. Seine Ansage war damals klar: Wir werden die Klasse halten. Starke Worte für jemanden, der den Verein (Stand jetzt) im Sommer verlassen wird. Den Vertrag bei Borussia Dortmund II unterzeichnete Lotka zu einem Zeitpunkt, an dem er bei Hertha quasi perspektivlos war.
Die Null steht mit Lotka
Lotka ließ den Worten Taten folgen, hielt in der Folgewoche beim Sieg in Augsburg die Null. Es war der Auftakt in die wichtigste Saisonphase, denn auch in der Woche darauf, beim Heimsieg gegen den VfB Stuttgart, hielt er die Null fest.
Bezwungen wurde der 20-Jährige, der sich 2020 Hertha anschloss, erst wieder in der Nachspielzeit gegen Arminia Bielefeld. Doch immerhin reichte es zu einem Punkt und einer Serie, die Hertha im Abstiegskampf einen klaren Vorsprung einbrachte.
“Wie ein Torwart mit langjähriger Erfahrung”
Dass Lotka einen wesentlichen Anteil an dieser Serie hatte, sehen auch die Anhänger auf Twitter so. „Mit 20 Jahren bringt er wirklich viel mit. Genau das, was eigentlich gefordert wurde. Ruhe, Stabilität, Strafraumdominanz etc.“, findet etwa @dll_jackal. „Was für Paraden er rausgehauen hat. Und diese Selbstsicherheit, dieses Anspornen der Mannschaft“, hebt @tommi1892 hervor.
„Sein Kampfgeist und seine Mentalität sind einfach der Hammer“, meint @KenZ_val. „Er wirkt wie ein Torhüter mit langjähriger Erfahrung“, schreibt @DerImmoHai über den Keeper, der bis vor ein paar Wochen auf gerade einmal elf Regionalliga-Spiele im Herrenbereich kam.
Wie es für den polnischen U 21-Torwart im Sommer weitergeht, wird sich zeigen. Dortmund II spielt in der 3. Liga, Lotka hat sich jedoch unlängst für höhere Aufgaben empfohlen. Und zuletzt sickerte durch, dass eine Klausel im Vertrag einen Verbleib zumindest in Aussicht stellt.
Auch Tousart sticht hervor
Neben Lotka stach auch einer heraus, der seine wohl beste Phase im Trikot der Hertha hat: Lucas Tousart. „Aus meiner Sicht momentan unser wichtigster Spieler. Sowohl im Spielaufbau als auch in der Defensive nicht wegzudenken“, meint @LangeOlaf66 über den Franzosen. Wurde ihm lange nachgesagt, seine hohe Ablöse von 25 Millionen Euro nicht rechtfertigen zu können, scheint er seine Rolle nun gefunden zu haben. Meint auch @Freddy__42: „Hat seinen guten Monat mit einem Tor gekrönt. Hat endlich mal sein Potential aufblitzen lassen. Zweikampfstark, laufstark, spielintelligent.“
Zu nennen sind außerdem Kevin-Prince Boateng und Davie Selke. Während ersterer seit dem Augsburg-Spiel wichtiger Teil der Startelf ist und „endlich auch auf dem Platz glänzt“, wie @Pal_Palpatine findet, mag es bei Selke vielleicht nicht zum Herthaner des Monats reichen, doch wenn am Saisonende das wichtigste Tor des Jahres gekürt wird, dürfte sein Führungstreffer gegen den VfB Stuttgart ganz vorne mit dabei sein.
[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]