Jordan Torunarigha – Einer von uns

Jordan Torunarigha – Einer von uns

Mit Jordan Torunarigha verlässt ein weiteres Eigengewächs Hertha nach vielen Jahren als Mitglied der Profimannschaft. Nachdem er, auch wegen enormen Verletzungspechs, sportlich in den letzten Jahren stagnierte und zuletzt nicht mehr erste Wahl war, hinterlässt sein Abschied vor allem emotionale Narben.

Wir schauen auf die gemeinsamen Jahre und prägendsten Momente zurück.

Nachdem er zuvor bereits vier Mal in den Spieltags-Kader berufen wurde, begann Jordan Torunarighas Bundesliga-Karriere in blau-weiß am 19. Spieltag der Saison 2016/2017 gegen den FC Ingolstadt. Noch in der selben Spielzeit ließ er sowohl sein Startelf- als auch sein Tor-Debüt folgen. Am 33. Spieltag nickte er in den ungeliebten pinken Trikots zum 2:0-Endstand gegen Darmstadt 98 ein und festigte so das spätere Erreichen der Europa League.

(Photo credit should read DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images)

Torunarighas Aufstieg zum Publikumsliebling

Schnell stieg er zum Publikumsliebling auf. Als Jugendspieler ohnehin schon beliebt, ließ seine Lúcio-eske Spielweise die Herzen der Fans schnell höher schlagen. Stark am Ball, mit der nötigen Portion fußballerischer Genialität und ungestümem (Über-)Mut, die einen Trainer schnell zur Verzweiflung, die Fans aber in Ekstase treiben kann.

Unvergessen bleibt aus seiner Anfangszeit neben seinen etlichen Dribblings in die gegnerische Hälfte vor allem die No-Look-Vorlage im Spiel gegen Hannover 96 in der Hinrunde der Saison 2018/2019. Nachdem Jordan bereits höchstpersönlich die Führung besorgt hatte, tauchte er (als Innenverteidiger!) im Anschluss an eine eigene Standardsituation plötzlich auf dem linken Flügel auf. Dort versetzte er den Gegenspieler und schlug rotzfrech mit einem demonstrativ abwendenden Blick zur Seite den Ball an den Fünfer, wo Vedad Ibisevic humorlos vollendete.

(Photo credit should read ROBERT MICHAEL/AFP via Getty Images)

Neben dem Sportlichen war es von Anfang an vor allem seine ehrliche, nahbare und immer fröhliche, echte Berliner Art, die bei den Anhänger:innen gut ankam. Er spricht die Sprache der (jungen) Fans und klopft mit einem verschmitztem Lächeln auf den Lippen Sprüche am Fließband. Auf die Frage nach dem eigenen Auto prustet er „gelbe Limousine“ in die Kamera (gemeint war die U-Bahn). “Hast du Geburtstag?“, wurde vermutlich jede:r Gesprächspartner:in früher oder später in heller Aufregung gefragt. Zudem sorgte er als Episodengast für die einzig guckbare Ausgabe der ansonsten stets unangenehmen Show von Riccardo Basile.

Sein Auftreten auf und neben dem Platz war aber auch nicht nur Grund für seine Beliebtheit, sondern auch symptomatisch für einen vermeintlichen Mangel an Professionalität und Ernsthaftigkeit, welcher möglicherweise auch eine Rolle in seiner langen Verletzungshistorie gespielt haben könnte.

Der erwartete Durchbruch

Denn eben jene Verletzungen stoppten Torunarigha in seiner Hertha-Zeit regelmäßig. Er wurde seit 2017 satte 14 Mal von kleineren Blessuren außer Gefecht gesetzt – Hauptgrund dafür, dass er sich seltenst in einen Rhythmus spielen, Konstanz aufbauen und seine prophezeite Entwicklung nehmen konnte. So pendelte er regelmäßig zwischen Bank, Startelf und Reha-Zentrum.

Ausgerechnet als er eine gesamte Hinrunde ausnahmsweise verletzungsfrei bleiben konnte, setzte Neu-Trainer Ante Covic nicht auf ihn. Und so schien er bei Hertha gescheitert. Doch wie so oft in Torunarighas Karriere folgte im ständigen emotionalen Auf und ab dem Rückschlag ein absolutes Highlight. Sein Ausgleichstreffer zum 3:3 in der Nachspielzeit der Verlängerung des Pokalspiels gegen Dresden ist eines der emotionalsten Tore der jüngsten Hertha-Vergangenheit.

In der nächsten Pokalrunde wartete dahingehend eine der traurigsten Episoden seiner Hertha-Zeit. Torunarigha wurde auf Schalke – wie leider schon öfters in seiner Karriere – Ziel rassistischer Attacken. In den aufgewühlten Emotionen griff er sich später eine Getränkekiste und warf diese wieder auf den Boden. Dafür flog er vom Platz und musste neben der tiefen seelischen Verletzung noch die unsensible Behandlung durch den Schiedsrichter Harm Osmers als auch das Pokalaus hinnehmen.

Was folgte, war eine beispiellose Welle der Solidarität aus dem Hertha-Fanlager, aber auch aus anderen Fankreisen. Im nachfolgenden Heimspiel gegen Mainz kam es neben einer gemeinsamen Gesichtsbemalungs-Aktion der Mannschaft so zu einer Fanaktion. Bei dieser wurde die Rückennummer 25 Torunarighas auf Plakate und Schilder gedruckt und aufgemalt, um sie als Zeichen der Unterstützung und des Zusammenstehens zu Spielbeginn hochzuhalten. So geriet die 1:3-Heimniederlage trotz der prekären tabellarischen Situation völlig zur Nebensache.

Sportlich zumindest lief es für Torunarigha in dieser Zeit endlich nach Plan. Aus Verletzungsgründen noch unter Jürgen Klinsmann in die Startelf gerutscht, blieb er auch unter Alexander Nouri meist erste Wahl und war schließlich nach der Corona-bedingten Wettbewerbspause unter Bruno Labbadia Leistungsträger in der Innenverteidigung und schlussendlich zusammen mit Abwehr-Partner Dedryck Boyata Klassenerhalts-Garant im Abstiegskampf.

Und so schien er endlich die ihm angedachte Rolle als Stammspieler in der Innenverteidigung einnehmen zu können.

Verletzungen und kein Vertrauen – Torunarighas Abschied naht

Doch auch diesmal machten ihm seine ständigen kleinen Blessuren einen Strich durch die Rechnung. Ohne Rhythmusaufbau und damit ohne Konstanz kam ihm der Stammplatz und das Vertrauen des Trainers schnell wieder abhanden. Nach dem erneuten Trainerwechsel hin zu Pal Dárdai fand er sich direkt in der Startelf wieder, fiel dann allerdings erneut aus und konnte sich in den restlichen Saisonspielen keinen Stammplatz mehr erkämpfen. Beim mäßigen Abschneiden der deutschen Olympiamannschaft 2021 spielte er zwar alle drei Vorrundenspiele über die volle Distanz, verpasste aber zeitgleich die Vorbereitung auf die Bundesliga-Saison. Dort kam ihm wie so oft eine Verletzung in die Quere und die Stammplatz-Ambitionen waren dahin.

Im Winter kam dann zunächst etwas überraschend, nach der Verpflichtung von Marc-Oliver Kempf aber folgerichtig, die Leihe zum belgischen Top-Klub KAA Gent, die sehr erfolgreich im Pokalsieg ihren krönenden Abschluss fand. Zunächst – denn dorthin zieht es Torunarigha jetzt wieder zurück. Seine Rückkehr zur Hertha war von Beginn an nur eine auf Zeit. Es schien, als vermisse Torunarigha seit geraumer Zeit das Vertrauen und die Wertschätzung der Hertha-Verantwortlichen, was man ihm angesichts seiner gezeigten Leistungen und seines unbestrittenen Potenzials auch nicht verdenken konnte.
Auf der anderen Seite sprachen die ausufernde Verletzungsgeschichte und auch das eben selten abgerufene Potenzial von Hertha-Seite aus sportlich gegen einen Verbleib, zumal sein Vertrag im kommenden Jahr ausgelaufen wäre.
Zuletzt habe man zwar noch einmal über eine Vertragsverlängerung verhandelt, sich aber nicht auf eine gemeinsame Perspektive einigen können.

Wieder ein Herthaner weniger

Mit Jordan Torunarigha geht ein absoluter, wenn nicht DER Publikumsliebling. Und mit ihm ein weiteres Stück Identifikation. Nachdem in den letzten Jahren nicht nur langjährige Herthaner wie Per Skjelbred, Salomon Kalou oder Fabian Lustenberger, sondern auch reihenweise vielversprechende Eigengewächse, allen voran Arne Maier, den Verein verlassen haben, reißt nun der Abgang von Torunarigha ein weiteres riesiges Loch ins Herthaherz der Mannschaft.

Und mit Maxi Mittelstädt steht offenbar ein weiterer Ur-Berliner und langjähriger Hertha-Profi vor dem Abschied. Die nachrückenden Jungprofis um Linus Gechter und Marton Dardai haben sicherlich ähnliches Identifikationspotenzial. Sie müssen sich aber insbesondere zunächst noch sportlich endgültig beweisen und standen bisher (zurecht!) auch als Menschen noch nicht so sehr im Rampenlicht. Ein Problem der letzten Jahre, die Entfremdung von den Fans, könnte so noch weiter verstärkt werden.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Umso wichtiger, dass nun unverhofft auf der Vereinsebene eine Welle an Nahbarkeit und Identifikation durch den Verein schwappt. Die Wahl des Fans und Unternehmers Kay Bernstein zum Präsidenten hat um den Verein eine Aufbruchsstimmung entfacht, die in dieser Form jahrelang nicht mehr zu spüren war.

Doch der Fokus liegt nunmal weitestgehend auf der Profimannschaft. Und da war Jordan ein nahbarer Spieler, der neben dem Platz um keinen Gag verlegen war und auf dem Platz sein Herz für Hertha gelassen hat. Ein junger, frecher Berliner. Einer von uns.

Titelbild: (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Innenverteidigung

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Innenverteidigung

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Begonnen hatten wir mit der Torhüter-Position. Nun widmen wir uns der blau-weißen Innenverteidigung. Auf dieser Position hat es in der abgelaufenen Saison zahlreiche Änderungen und vielleicht sogar schon einen Generationswechsel gegeben.

Jordan Torunarigha – (wieder) viel Verletzungspech

Wie für den gesamten Verein Hertha BSC lief die Saison 2020/2021 auch für Jordan Torunarigha insgesamt enttäuschend. Als klarer Stammspieler war „Air Jordan“ in die Spielzeit gestartet, schien alles vorbereitet für den Schritt zum Hertha-Leistungsträger.

Als Nebenmann von Dedryck Boyata hatte Torunarigha gegen Ende der Vorsaison nicht nur defensiv stabile und fehlerlose Leistungen abgeliefert, sondern insbesondere mit seinem Spielaufbau für Aufsehen gesorgt. Neben vielen guten Verlagerungen und Laserpässen hatte Torunarigha mit seinen Dribblings bis tief in die gegnerische Hälfte häufig dafür gesorgt, dass Herthas manchmal arg statisches und einfallsloses Aufbauspiel an Dynamik gewann.

hertha
Foto: IMAGO

Zu Saisonbeginn schien Karim Rekik zunächst Torunarighas einziger Konkurrent im Kampf um den Platz in der linken Innenverteidigung zu sein. Mit einer enttäuschenden Leistung beim Erstrundenaus im DFB-Pokal untermauerte dieser allerdings eher den Status von Herthas Nummer 25. Nachdem er im DFB-Pokal noch seine lächerliche Sperre hatte absitzen müssen, konnte Torunarigha somit erst am ersten Bundesliga-Spieltag in Bremen in die neue Saison starten. Bei Herthas 4:1-Auswärtssieg fiel er nicht groß auf – für einen Innenverteidiger eher Kompliment als Kritik.

Bereits das zweite Spiel gegen Eintracht Frankfurt war für Torunarigha im Rückblick der „Kipp-Punkt“ der Saison. Im Spiel gegen Frankfurt verletzte sich der 23-Jährige am Syndesmoseband. Besonders schmerzte der Ausfall, weil sich Torunarigha gegen die Eintracht extrem stark präsentierte. Hertha verlor das Spiel zwar, mit seinem Aufbauspiel war der Innenverteidiger aber einmalmehr eine der Lichtblicke bei Hertha. An diesem Abend schaltete er sich auch immer wieder in der höchsten Angriffszone ein, das einzige Tor für Hertha fiel nach einer seiner Hereingaben. Mit dieser Sicherheit und spielerischen Klasse sollte man Torunarigha bis zum Saisonende nicht mehr erleben.

Leichte Formverbesserung Torunarighas unter Dardai

Kurz vor seiner Rückkehr nach dem Syndesmoseband-Anriss gab es für Torunarigha dann schon den nächsten Rückschlag in Form einer Corona-Infektion. Nicht nur sein Comeback verzögerte sich nochmals, auch seine Auftritte litten zunächst unter dieser verlängerten Pause. Zwar kehrte er im Dezember in die Hertha-Startelf zurück, allerdings war ihm sowohl die Stabilität als auch sein Spielwitz abhandengekommen – der Verteidiger wirkte blass und unsicher. In Torunarighas Abwesenheit war mit Omar Alderete ein neuer Konkurrent zu Herthas Kader gestoßen und hatte Karim Rekik ersetzt. Nach mehreren wackligen Auftritten entschloss sich der damalige Trainer Bruno Labbadia deshalb, Torunarigha wieder durch Alderete zu ersetzen.

Nach der Rückkehr von Pál Dárdai, unter dem Torunarigha einst seinen Durchbruch bei den Profis gefeiert hatte, rotierte er dann zunächst zurück in die Startelf. Zum Rückrundenbeginn lieferte er gegen Frankfurt und Bayern zumindest solide Spiele ab. Aber es kam, wie es kommen musste – Torunarigha verletzte sich erneut, dieses Mal an der Hüfte. Erst im Saisonendspurt kehrte er wieder zurück, da sich aber inzwischen mit Márton Dárdai die Überraschung der Saison auf seiner etatmäßigen Position festgespielt hatte, blieb Herthas Nummer 25 fortan nicht mehr als die Rolle als Rotationsspieler und Joker. Nur gegen Freiburg konnte Torunarigha sein volles Potenzial auf ungewohnter Position als Linksverteidiger nochmal aufblitzen lassen.

Foto: nordphotox/xEngler/IMAGO

Dass die Saison für Torunarigha absolut mies lief, illustrieren auch seine Statistiken. Seine Zweikampfquote fiel von 53 auf 34 Prozent, bei den Kopfballduellen liegen 54 Prozent deutlich unter den 74 der Vorsaison. Spielte Torunarigha 2019/2020 noch 4.3 lange Bälle pro Spiel (mit einer Erfolgsquote von 60 Prozent), waren es 2020/2021 nur noch 2.2 – und nicht mal jeder zweite Versuch kam an. Klar ist: Mit Torunarigha brach Hertha bereits am zweiten Spieltag eine wichtige Stütze aus der Defensiv-Achse weg. Mit Sicherheit war dies weder der erste, noch der einzige Grund für Herthas enttäuschende Saison. Trotzdem fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass 2020/2021 mit einem durchgehend fitten Torunarigha in Top-Form wohl anders gelaufen wäre.

Omar Alderete – eine durchwachsene Debütsaison für Hertha

Erst am spätesten Deadline-Day der jüngeren Bundesliga-Geschichte, dem 15. Oktober, stieß Omar Alderete zu Herthas Mannschaft. Der Paraguayer kam für ungefähr sechs Millionen Euro aus Basel – und wurde direkt gebraucht. Durch die Verletzung von Jordan Torunarigha und den Abgang von Karim Rekik wurde Alderete nach nur kurzer Eingewöhnungszeit schon eine knappe Woche später ins kalte Wasser geschmissen.

In den folgenden Wochen konnte man bei Alderete ein Phänomen beobachten, dass bei vielen Last-Minute-Neuzugängen auftritt: Der Neuzugang startete mit überzeugenden Auftritten im Hertha-Trikot, obwohl er Abläufe und Mannschaft zu diesem Zeitpunkt kaum kannte. Auch in seinen ersten Spielen machte der Paraguayer zwar bei weitem nicht alles richtig, trotzdem lieferte er zunächst solide ab. Beim 2:5 gegen Borussia Dortmund machte er wie auch Herthas andere Abwehrspieler ein schwaches Spiel. Tendenziell hatte man zu diesem Zeitpunkt der Saison das Gefühl, dass Alderete nach gutem Start bald in das für Neuzugänge nicht ganz unübliche Leistungsloch fallen würde.

Foto: IMAGO

Exakt zu Torunarighas Rückkehr Anfang Dezember fiel Alderete dann allerdings erstmal aus – und rückte erst in den letzten Spielen unter der Regie von Bruno Labbadia wieder in die Startelf, der ihn nach seiner Genesung wieder Jordan Torunarigha vorzog. „Jordany“ war zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit in schwacher Form. Trotzdem zeigte Alderetes Comeback, welch hohes Standing er bei Labbadia genoss.

Alderete: Zwischen Genie und Wahnsinn

Unter Pál Dárdai hatte Alderete allerdings schnell einen schweren Stand. Gegen den VfB Stuttgart durfte er zwar von Beginn an spielen, wurde im Nachgang des Spiels allerdings öffentlich von seinem Trainer angezählt. Der Grund: Alderete hatte das Spiel entgegen von Dárdais Wunsch immer wieder durch die Mitte eröffnet und sich damit nicht an die taktischen Vorgaben gehalten. Dárdai Senior beförderte als Konsequenz Dárdai Junior in die Startelf, an ihm kam Alderete bis Saisonende nicht mehr vorbei. Einzig in den finalen englischen Wochen im Abstiegskampf kam der 24-Jährige wieder zum Einsatz. Mit seinen Leistungen gegen Freiburg, Schalke und Köln stellte er unter Beweis, dass er für Hertha allemal ein guter Back-Up ist.

Seinen Ruf, dass er besonders zweikampf- und kopfballstark sei, konnte Alderete in seiner Debütsaison in Blau-Weiß noch nicht rechtfertigen. Mit 51 Prozent Zweikampfquote liegt er unter Herthas Innenverteidigern auf Platz 3. Ebenfalls 51 Prozent gewonnene Luftduelle sind gleichbedeutend mit Platz drei – vor seinen Konkurrenten Torunarigha und Dárdai. In diesem Bereich hätte der 24-Jährige mit Sicherheit besser abgeschnitten, wenn nicht auch Unkonzentriertheit und Schlampigkeit Teil seines Spiels wären. Sein Passspiel und Spielaufbau sind sehr risikofreudig. Vielen Hertha-Fans sind wohl noch einige Szenen aus der vergangenen Spielzeit in Erinnerung, in denen seine flachen Pässe durchs Zentrum fast eine Katastrophe ausgelöst hätten. Mit 80 Prozent hat Alderete passenderweise auch die schwächste Passquote unter Herthas Innenverteidigern.

Hertha
Foto: Christopher Neundorf/Kirchner-Media/pool/IMAGO

In der finalen Bewertung von Alderetes zugegebenermaßen nicht optimal gelaufener ersten Hertha-Saison darf man allerdings auch nicht vergessen, wie die äußeren Begleitumstände für den Paraguayer aussahen: Erst eine Saison hatte er zuvor in Europa gespielt, in der im Vergleich eher schwächeren Schweizer Super League. Erst am letzten Tag der Transferperiode stieß er zu einem Team, in dem zu diesem Zeitpunkt keine Hierarchie vorhanden war. Dazu die Corona-Pandemie – für Alderete war die erste Saison in Deutschland mit Sicherheit keine einfache. Sollte der Paraguayer also auch über den Sommer bei Hertha bleiben, kann man sich durchaus Hoffnung machen, dass er in der Zukunft noch bessere Leistungen als 2020/2021 zeigt.

Márton Dárdai – die Hertha-Neuentdeckung

Auf Instagram wurde er zu Herthas Spieler der Saison gewählt, kurz vor Saisonende verlängerte er seinen Vertrag. Die Rede ist, na klar, von Márton Dárdai. Seit Saisonbeginn befand sich der mittlere der Dárdai-Söhne im Dunstkreis des Hertha-Kaders, kam in der Hinrunde unter Bruno Labbadia zu zwei Kurzeinsätzen.

Die Leistungsexplosion, mit der deutsche U19-Nationalspieler im letzten Saisondrittel entscheidenden Anteil an einer erstarkten Hertha-Defensive hatte, kam für die meisten Fans eher überraschend. Nachdem Pál Dárdai ihn quasi aus dem Nichts gegen RB Leipzig in die Startelf beordert hatte, verpasste Dárdai Junior nur noch drei Spiele, zwei davon verletzungsbedingt. Von seiner ersten Startelfminute an machte Dárdai den Eindruck, keinerlei Anpassungsprobleme ans Profi-Level zu haben. Defensiv machte er stets einen souveränen und abgeklärten Eindruck, der größte Zugewinn für Hertha waren trotzdem seine Qualitäten im Spielaufbau. Auch wenn er eine andere Stilistik mitbringt als ein Jordan Torunarigha in Topform, half er Hertha mit seinen präzisen langen Bällen und Verlagerungen sehr weiter.

Foto: nordphotoxGmbHx/xEngler/IMAGO

Dabei strahlte er zudem eine Ruhe aus, die für sein Alter zumindest ungewöhnlich scheint. Nie hatte man den Eindruck, da stünde ein Spieler mit weniger als einem Dutzend Bundesliga-Partien auf dem Platz. Dárdai vollbrachte keine Wunderdinge und sorgte auch nicht mit Dribblings tief in die gegnerische Hälfte für Furore. Aber er war mit gerade mal 19 Jahren eine feste Konstante in einem Team, das mitten im Abstiegskampf steckte. Noch dazu mit der Schwierigkeit, als Trainersohn besonders kritisch beäugt zu werden – Dárdais Leistungen kann man kaum hoch genug einschätzen.

Dardai muss sein Niveau langfristig bestätigen und an Schwächen arbeiten

Als der 19-Jährige gegen RB Leipzig zum ersten Mal die Hertha-Standards trat, dürfte der eine oder andere Fan doof aus der Wäsche geschaut haben. Ein Ecken tretender Innenverteidiger? Wo gibts denn sowas? Bei Hertha, und hoffentlich noch lange. Denn in den finalen Spielen hatte man immer mehr den Eindruck, dass Dárdais Standards für Gefahr sorgten. So bereitete er zum Beispiel das wichtige Tor von Lucas Tousart in Mainz vor.

Eine der kleinen Schwächen, die Dárdai hat, ist allerdings sein Kopfballspiel. Mit nur knapp 29 Prozent gewonnener Duelle liegt er in dieser Kategorie deutlich hinter Herthas anderen Innenverteidigern zurück. Ein weiteres Argument dafür, dass er auch in Zukunft die Freistöße und Ecken schießen darf? In anderen Rubriken wie Pass- oder Zweikampf-Quote (82 bzw. 51 Prozent) liegt Dárdai im Vergleich mit seinen Konkurrenten im Mittelfeld. Bei den langen Bällen ragt er dafür heraus: Mit fünf erfolgreichen langen Pässen pro Spiel liegt er deutlich vor den anderen Innenverteidigern bei Hertha. Der Wert ist mehr als das Doppelte vor dem Jordan Torunarighas. Auch seine Quote kann sich mit 58 Prozent hier sehen lassen.

Foto: nordphotoxGmbHx/xEngler/IMAGO

Trotz einer tollen Durchbruchs-Saison tut man als Hertha-Fan aber gut daran, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben. In der Vorbereitung wird es für Dárdai zunächst einmal darum gehen, seinen Stammplatz gegen die starke Konkurrenz zu behaupten – das wird schwer genug. Bei seinem noch extrem jungen Alter ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass Dárdai irgendwann in der kommenden Saison ein kleineres oder größeres Leistungsloch haben wird. Mit Pál Dárdai steht aber der perfekte Förderer bereit, der die Eigengewächse in Herthas Kader nicht fallen lassen wird – sein Sohn Márton gehört aktuell zu den vielversprechendsten.

Niklas Stark – Saisonstart auf ungewohnter Position

“Es wäre legitim, Niklas Stark als Gesicht der vergangenen Saison heranzuziehen: Mit ordentlich Potenzial unter der Haube hoffnungsvoll in die Spielzeit gestartet, brutal aufs Gesicht gefallen, Verletzungsprobleme, mehr Enttäuschungen als alles andere, letztendlich aber ein versöhnliches Ende, das Hoffnung für die kommende Saison macht”, lautete die Einleitung in der Vorjahres-Kaderanalyse zu Niklas Stark. Man hätte diese Worte für die abgelaufene Saison wohl nahezu kopieren können und es wäre kaum jemanden aufgefallen.

Denn erneut hatten sich Hertha und Stark für diese Spielzeit viel vorgenommen. Hertha wollte die europäischen Plätze angreifen, Stark den nächsten Schritt in seiner Karriere machen und sich weiter in der deutschen Nationalmannschaft etablieren – schließlich würde eine Europameisterschaft im Sommer 2021 anstehen. Doch wie schon 2019/20 kam alles anders bzw. schlechter. In der Vorsaison hatte sich Stark in ein Formloch Marke Mariannengraben gespielt. Der Vizekapitän wurde zu solch einem Unsicherheitsfaktor, dass er den Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung gegen Torunarigha und Boyata verlor. Herthas damaliger Trainer Bruno Labbadia entschied sich daraufhin, Stark im Saisonendspurt stattdessen im defensiven Mittelfeld auflaufen zu lassen. Auf dieser Position sollte der zweifache Nationalspieler dann auch in die abgelaufene Spielzeit gehen.

hertha
Foto: IMAGO

In seinem Amt als Vizekapitän bestätigt, wurde Stark von Labbadia beinahe die gesamte erste Halbserie auf der “Sechs” eingesetzt. Elf der 13 ersten Bundesliga-Partien bestritt der gelernte Innenverteidiger vor und nicht in der Abwehr. Labbadia schätzte die defensive Stabilität, die Stark mit sich brachte. Zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison war Herthas größtes Manko die fehlende Balance im Spiel. Spielten die Blau-Weißen offensiv, ging dies sehr zu Lasten der Defensivkompaktheit. Hier leistete Stark Abhilfe. Er nahm die klassische (und mittlerweile eher veraltete) Rolle des Abräumers ein. Stark sollte sich vor allem um Defensivaufgaben kümmern, Konter abfangen, Luftduelle gewinnen und zur Not mit in die Abwehr rücken. Im Ballbesitz hielt sich Stark dafür sehr zurück (Mittellinie ist Lava), der Ball wurde meist sehr schnell und uninspiriert weitergeleitet.

Stark findet unter Dardai zu alter Stärke

Es war alles andere als spektakulär, Stark bei seiner Arbeit im defensiven Mittelfeld zuzuschauen. Der 26-Jährige arbeitete eben mehr als er spielte. Gegen den Ball konnten ihm kaum Vorwürfe gemacht werden, er stabilisierte das so wackelige Gebilde sichtlich. Das Spiel mit dem Ball aber ging Stark vollkommen ab, sodass wenig Kreativität aus dem Mittelfeldzentrum heraus zu erwarten war. Endlos viele lange Bälle chippte Stark in der ersten Saisonphase zum Gegner. Stark auf der Sechs spielen zu lassen, hatte allerdings den positiven Nebeneffekt, dass er nach seiner grausigen Vorsaison vorsichtig wieder an das Spiel gewöhnt wurde. Als Mittelfeldspieler konnte er all die Defensivaufgaben eines Innenverteidigers mimen, ohne aber das Risiko des “letzten Mannes”. Stark wuchs auf der Sechs wieder in seine angestammte Rolle des Innenverteidigers hinein.

Davon profitierte Pal Dardai nach dem Trainerwechsel. Stark hatte schon in den letzten Spielen Labbadias wieder als Teil der Abwehrreihe fungiert – Dardai machte keine Anstalten, daran etwas zu ändern. Der Ungar kennt Stark exzellent und vertraute ihm bedenkenlos, als er ihn zum festen Bestandteil der neuen Achse machte. Dardai setzte ab dessen viertem Spiel gegen RB Leipzig auf eine Dreierkette mit überraschender Besetzung: Stark, Dardai und Lukas Klünter. Die drei Defensivspieler ergänzten sich hervorragend. Dardai war vor allem für die Spieleröffnung zuständig, der so schnelle Klünter für die Laufduelle, sodass sich Stark voll und ganz auf seine Kerngebiete konzentrieren konnte. Als eine Art Schlachtturm war Stark vor allem für direkte Zweikämpfe, Luftduelle und Blocks verantwortlich. Er sollte immer einen Fuß oder Kopf in den Offensivaktionen des Gegners haben, stets nahe am Gegenmann sein.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

In diese Rolle wuchs Stark mit jedem Spiel besser hinein. Es war bemerkenswerte Entwicklung bei ihm zu beobachten. Vor nicht allzu langer Zeit schlotterten Hertha-Fans noch die Knie, wenn es darum ging, dass Stark im entscheidenden Moment da sein musste. Zu viele individuelle Fehler waren ihm über mehr als ein Jahr unterlaufen. Nun aber konnte man sich sicher sein, dass Stark die Situation unter Kontrolle bekommen wird. Der 26-Jährige war im letzten Saisondrittel endlich wieder der Rückhalt, den man so lange vermisst hatte. Darüber hinaus war auch eine menschliche Weiterentwicklung zu erkennen. Früher oftmals im Chaos mit untergegangen, agierte Stark unter Dardai tatsächlich als klarer Führungsspieler. Er wurde seinem Amt als Kapitän vollends gerecht, indem er auf dem Feld dirigierte, Mitspieler wachrüttelte, motivierte und empathische Interviews gab. Er wurde eine echte Persönlichkeit auf dem Platz. Stark schien sich nun endlich wieder voll und ganz mit Hertha zu identifizieren.

Diese enorme Leistungssteigerung und das Hineinwachsen in die Führungsrolle lassen darauf hoffen, dass Stark nun einen wichtigen Entwicklungsschritt seiner Karriere vollbracht hat – etwas, von dem er selbst und Hertha profitieren. Es scheint gut möglich, dass Stark in der kommenden Saison nicht nur Vize- sondern alleiniger Kapitän wird und damit ein nicht wegzudenkender Teil der neuen Hertha-Achse.

Dedryck Boyata – Kein geeigneter Hertha-Kapitän?

“Auch wenn zwei der vier Profi-Innenverteidiger bei Hertha eine Saison zum Vergessen hinter sich haben, ist hier keine Baustelle aufzumachen”, schrieben wir noch im vergangenen Sommer. Mit Torunarigha und Boyata schien sich nach Bundesliga-Restart ein solch starkes Innenverteidiger-Duo gefunden zu haben, dass auch in der kommenden Saison kein Weg an ihnen vorbeiführen sollte. Wie bereits bei Torunarigha angerissen, hatte das Verletzungspech einen anderen Plan und machte auch Boyata keinen Halt.

Dabei begann die Saison für den Belgier so vielversprechend. Erst vor einem Jahr wurde Boyata von Glasgow nach Berlin gewechselt, doch aufgrund seiner konstant starken Leistungen aus der Vorsaison wurde der 30-Jährige zum neuen Hertha-Kapitän gewählt. Damals erschien der Abwehrmann als logische Wahl. Schließlich ging er mit Leistung voran, zudem spricht er gleich mehrere Sprachen. Mit all seiner (internationalen) Erfahrung sollte er neu zusammengewürfelte Mannschaft anführen.

hertha
Foto: IMAGO

Dass die Entscheidung, Boyata zum Kapitän zu ernennen, allerdings nicht mit vollster Überzeugung getroffen wurde, legt allein der Zeitpunkt schon offen. Am ersten Spieltag gegen Werder Bremen war es noch der letztjährige Vize-Kapitän Stark, der die Binde trug. Trainer und Mannschaft hatten sich bis dahin immer noch nicht auf einen Spielführer einigen können. Die Saison sollte in der Retrospektive zeigen, weshalb Boyata damals als die wohl einzige, im nachhinein aber falsche Option für dieses Amt gewesen ist.

Boyata konnte seine starke Debütsaison nicht bestätigen

Diese Einschätzung ist zum einen in Boyatas Leistungskurve begründet. Eines der großen Argumente für das Kapitänsamt wird gewesen sein, dass man in dem belgischen Nationalspieler einen herausragenden Rückhalt hat. “Mit einer überragenden Konstanz und allen nötigen Werkzeugen eines Innenverteidigers hat Boyata sich seinen Stammplatz in der Innenverteidigung redlich verdient”, hieß es in unserer letztjährigen Analyse. “In einer mehr als turbulenten Saison mit teils vogelwilden Auftritten und sich immer wieder verändernden Aufstellungen war auf den 29-Jährigen stets Verlass.” Diese Bewertung lässt sich jedoch nicht auf die abgelaufene Spielzeit übertragen.

Boyata kam nämlich, wie die gesamte Mannschaft, nicht gut in die Saison. Zwar wurde das Auftaktspiel gewonnen, doch danach folgten zunächst fünf Spiele ohne einen weiteren Sieg. Dies lag auch an den schwachen Defensivleistungen der Berliner. Elf (!) Gegentore kassierte Hertha in den genannten Partien. Die Abwehr schwamm gewaltig, sie war vielmehr ein ständiger Gefahrenherd als sicherer Rückhalt. Boyata gelang es keineswegs, seiner Abwehrreihe zu stabilisieren, der Neu-Kapitän ging eher mit im Chaos unter. So verursachte er beispielsweise gegen Eintracht Frankfurt (1:3) einen Elfmeter, der zur SGE-Führung führte. In dieser Saisonphase ließ Boyata all die Eigenschaften vermissen, die ihn in der Vorsaison so stark gemacht hatten.

hertha
Foto: IMAGO

Das belegen allein die Zahlen schon eindrucksvoll, denn Boyata hat sich in sämtlichen Defensivdisziplinen – im Vergleich zur Vorsaison – verschlechtert. Von durchschnittlich 2,2 abgefangenen Bällen ging es runter auf 1,4 pro Spiel. Tackles brachte er nur noch 0,7 statt 0,9 pro Partie durch. Die Klärungen sanken sogar von 5,6 auf 3,5. Sicherlich muss auch bei Boyata das Verletzungspech berücksichtigt werden. Der Verteidiger fehlte Hertha vom 14. bis zum 28. Spieltag der vergangenen Saison. Ein Ermüdungsbruch setzte ihn für knapp drei Monate außer Gefecht. Wer weiß, wie lange Boyata schon vor dieser Diagnose mit körperlichen Problemen, die seine Leistung beeinträchtigt haben könnten, zu kämpfen hatte. Doch wie Boyata mit dieser Verletzung umgegangen ist, ist das zweite gewichtige Argument dafür, dass er seiner Kapitänsrolle nicht gerecht geworden ist.

Verlässt Boyata Hertha nach nur zwei Jahren?

Anstatt alles daran zu setzen, die Verletzung vernünftig auszukurieren und dem in Abstiegsnot befindenden Team schnellstmöglich wieder zu helfen, entschied sich Boyata dafür, voreilig zur Nationalmannschaft zu reisen. Dort kam der Routinier auch zum Einsatz, um sich dadurch aber einen Muskelfaserriss zuzuziehen. Der Körper war noch nicht bereit. Ein Umstand, der Trainer Dardai maßlos verärgerte. Man hätte Boyata bei Hertha wohl deutlich dringender gebraucht als bei Belgien. So verpasste der Abwehrspieler drei weitere Trainingswochen und zwei zusätzliche Spiele.

Foto: Poolfoto Maik Hölter/TEAM2sportphoto/IMAGO

Man kann Boyata allerdings zugute halten, dass er nach seiner Rückkehr noch einmal wichtig für Hertha wurde. In dem engen Spielrhythmus nach der Quarantäne griff Dardai auch auf den etatmäßigen Kapitän zurück, der Anfangs zwar noch ziemlich wackelte, mit jedem Spiel aber sicherer wurde. Mit seinem Tor gegen Schalke trug Boyata sogar sehr aktiv zum Klassenerhalt bei. Unvergessen ist der Moment, als Boyata nach Abpfiff völlig ausgelaugt zusammensank – er hatte alles gegeben und war seiner Führungsrolle wirklich gerecht geworden.

Doch wie geht es nun mit Boyata bei Hertha weiter? Medienberichten zufolge könnte er Berlin verlassen, der Verein soll bei einem passenden Angebot gesprächsbereit sein – sein Vertrag läuft 2022 aus. Der Zweikampf mit Stark scheint verloren, auch wenn die Karten in der Sommervorbereitung stets neu gemischt werden und Dinge wie Verletzungen immer passieren können. Dennoch scheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich Boyata bei der EM für neue Aufgaben empfiehlt und Hertha den Generationswechsel in der Innenverteidigung weiter vorantreibt. Wie so oft muss man abwarten. Die vergangene Saison lässt einen zumindest mit gemischten Gefühlen zurück.

Lukas Klünter – Comeback auf überraschender Position

Jemanden, den man bei der Kaderanalyse zuvor nicht für die Innenverteidigung vorgesehen hatte, ist Lukas Klünter. Einst wurde der Ex-Kölner für die Rechtsverteidiger-Position verpflichtet, doch dort scheint der 25-Jährige immer weniger Licht zu sehen. Deyovaisio Zeefuik ist offensiv vielseitiger, Peter Pekarik taktisch disziplinierter. Die Aussichten, in der Saison auf Einsatzminuten zu kamen, sahen also düster aus.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Dies bestätigte sich unter Bruno Labbadia auch zunächst. Bis zum 19. Spieltag – als Dardai übernahm – stand Klünter nicht eine einzige Minute auf dem Feld. “Klünti” stand sogar nur fünfmal überhaupt im Kader. Bis dahin spielte der so schnelle Abwehrspieler keinerlei sportliche Rolle für Hertha. Mit dem Trainerwechsel veränderte sich jedoch alles. Gleich im ersten Spiel unter Dardai stand Klünter in der Startelf – erstmals seit März 2020, also fast einem Jahr. Im Spiel gegen die Eintracht wurde er allerdings noch als Rechtsverteidiger eingesetzt. Sobald Dardai aber auf Dreierkette umgestellt hatte, fand sich Klünter in der Innenverteidigung wieder.

Die Aufgabenverteilung war klar: Klünter sollte Schienenspieler Zeefuik Rückendeckung für dessen Offensivläufe geben. Mit seiner herausragenden Schnelligkeit war er exzellent darin, gegnerische Konter im Laufduell abzufangen. So schenkte Klünter Herthas Defensive eine neue Stabilität, da diese deutlich seltener überspielt werden konnte. Dabei agierte Klünter wenig spektakulär, teilweise fiel in einem Spiel kaum auf (was nichts schlechtes ist). Dardai wusste, dass Klünter weniger im direkten Zweikampf und vielmehr in Laufduellen seine Stärke hat, weshalb er vor allem Stark ersteres übernehmen ließ. Klünter sollte vor allem auf sein Positionsspiel achten und Lücken in der Abwehr zulaufen. Diesen “einfachen” Auftrag erledigte er überaus diszipliniert.

Wo liegt die Zukunft von Klünter?

Nun stellt sich auch bei Klünter die Frage nach der Aussicht für die kommende Spielzeit. Auf der Rechtsverteidiger-Position wird er erneut kaum eine Perspektive haben. Zeefuik hat sich zwar noch nicht vollends etabliert, wird aber vorgezogen werden. Dazu wird Pekarik seinen Vertrag wohl noch einmal um ein Jahr verlängern. Darüber hinaus ist nicht klar, ob sich Hertha auf dieser Position nicht noch einmal verstärken will.

So bliebe eigentlich nur ein Platz in der Innenverteidigung. Doch auch dort wird es Klünter nicht leicht haben. Dardai, Torunarigha und Stark werden ihm vorgezogen werden, womöglich bleibt Boyata auch oder jemand neues kommt noch hinzu. Allerdings ist die Bewertung Klünters eine andere. Der 25-Jährige wird womöglich gar nicht an den Anspruch haben, absoluter Stammspieler zu sein – auch solche Profis braucht man im Kader.

Wenn die vergangene Saison eins gezeigt hat, dann: Jeder im Kader wird gebraucht und auf Klünter ist im Zweifelsfall Verlass. Das wird Dardai sehr an ihm schätzen, sodass Klünter wohl wieder öfter auf der Bank sitzen, aber auch auf seine Minuten kommen wird. Eigenschaften wie Teamgeist, Einsatzwille und Professionalität werden von ihm vorgelebt und genau das braucht eine Mannschaft.

Text von: Marc Schwitzky & Simon

[Titelbild: xMatthiasxKochx/IMAGO]

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Nach einer ereignisreichen Woche konnten Hertha-Fans am Freitagabend einen sportlichen und emotionalen Höhepunkt erleben. Mit 3:1 setzte sich Hertha BSC gegen den Stadtrivalen 1. FC Union Berlin durch und holte sich so den Derbysieg. Vom Fahnenmeer über die „Aktion Herthakneipe“-Trikotaktion bis zum Erfolg im Olympiastadion: es war einfach eine sehr gelungene Woche für die Blau-Weißen! Trotzdem wollen wir die immer noch frische Derbysieg-Euphorie einen kurzen Moment lang runterdrehen, um uns wie gewohnt die Leistungen einzelner Herthaner etwas näher anzuschauen.

Peter Pekarik – zweiter Frühling als Torjäger

Den Anfang wollen wir mit dem Spieler machen, der unter Bruno Labbadia so etwas wie einen zweiten (dritten? vierten?) Frühling erlebt. 19 Pflichtspiele unter Bruno Labbadia: drei Treffer und zwei Torvorlagen. Nicht allzu lang ist es her, da galt Peter Pekarik noch mit 150 Bundesligaeinsätzen ohne Treffer als einer der torungefährlichsten Spieler der Bundesliga. Jetzt ist er so torgefährlich wie noch nie in seiner Karriere.

Noch beeindruckender ist allerdings die Tatsache, dass sich der 34-Jährige wider Erwarten bei Hertha gegen mehrere jüngeren Konkurrenten als rechter Verteidiger durchgesetzt hat. Im Derby zeigte sich der dienstälteste Herthaner (im Verein seit 2012) wieder in sehr guter Verfassung und machte ein sehr gutes Spiel. Knapp zwölf Kilometer lief er, ackerte unermüdlich auf seiner rechten Außenbahn und war dort sehr präsent. Obwohl Herthas Spiel insbesondere in Halbzeit eins eher linkslastig war, war er immer wieder zu sehen und hatte einige Aktionen nach vorne. Dazu kamen 94% seiner Pässe an.

Foto: IMAGO

Bereits in der zweiten Minute konnte Pekarik all seine Erfahrung und Ruhe zeigen, als er sekundenlang einen langen Ball von Union abschirmte und einen Abstoß für sein Team herausholte. Durch die taktische Aufstellung in der ersten Halbzeit schaltete er sich öfters in die Offensive mit ein, ohne seine defensiven Aufgaben zu vernachlässigen. In seinen Vorstößen wurde er dabei von Lucas Tousart abgesichert, der sich auf der rechten Seite fallen ließ. Doch die Taktik funktionierte gegen der gut organisierten und kompakten Abwehr der Unioner nicht wirklich. Kein Wunder also, dass Pekariks Treffer erst in der zweiten Halbzeit fiel, nachdem Bruno Labbadia sein Team zurück in ein 4-2-3-1 umgestellt hatte. Auch im bekannten System überzeugte der Slowake und ließ sich auch bei den wenigen Gegenangriffen der Unioner nicht überspielen. 

Pekarik weiß wohl am Besten im aktuellen Hertha-Kader, wie wichtig ein Derby für Fans und Umfeld ist. Er zeigte sich dabei stets auf der Höhe und macht es somit seiner Konkurrenz auf seiner Position nicht leicht. Für Hertha ist er momentan wichtiger denn je.

Mattéo Guendouzi – Like a Boss

In einer eher schwachen Partie, in der Hertha erneut große Schwierigkeiten hatte, Chancen zu kreieren, konnte Mattéo Guendouzi positiv herausstechen. Der Franzose zeigte sich von der ersten Minute an hochmotiviert und sehr präsent im Spielaufbau. Dass die linke Seite von Hertha in der ersten Halbzeit deutlich mehr bespielt wurde, als die rechte, lag auch an ihm. Links orientiert holte er sich viele Bälle aus der eigenen Hälfte und aus dem Mittelfeld. Er war immer anspielbar und deutlich bemüht, dem Spiel seinen Stempel aufzulegen, was sich auch am Laufwert zeigte (11,75 Kilometer).

Foto: IMAGO

Die bereits angesprochene Taktik von Hertha in Halbzeit eins sorgte dafür, dass sich Guendouzi oft bei Gegenangriffen von Union Berlin auf der linken Verteidigerposition wiederfand. So musste er beim 0:1 unglücklicherweise im Mittelpunkt stehen, als er nach einer Fehlerkette der Defensive Unions Stürmer Taiwo Awoniyi nicht mehr am Schuss hindern konnte. Das Offensivspiel der Blau-Weißen war trotz der Bemühungen von Arsenals Leihgabe so gut wie wirkungslos, da Union Berlin bestens auf Herthas Taktik eingestellt war.

Das änderte sich in der zweiten Halbzeit nach der taktischen Umstellung. In einer Doppelsechs bzw. Doppelacht übernahm Guendouzi den offensiven Part und überließ die Absicherung meistens Niklas Stark. Dadurch bekam er mehr Raum und zeigte immer mehr seine Qualität. Mit Javairo Dilrosun spielte er zum ersten Mal zusammen. Beide harmonierten zeitweise recht ordentlich, insbesondere in der letzten halben Stunde. Der „vorletzte“ Pass kam bei Herthas Angriffen dabei oft vom Franzosen: erst fand er Matheus Cunha beim 1:1, dann Dilrosun zum 3:1. Auch kurz vor Schluss bereitete er die Großchance des Niederländers vor.

Ab und an agierte der junge Franzose auch im Derby allerdings etwas übereifrig und hätte mit dem einen oder anderen misslungenen Risikopass auch einen gegnerischen Konter einleiten können. Es bleibt aber bei einer soliden Partie von Guendouzi, der sich langsam zum Leader im Mittelfeld entwickelt. Im Kopf bleibt auch sein Jubel vor der leeren Ostkurve, bei dem er mit imaginären Fans abklatschte und ihnen sein Trikot zuwarf. Hertha hat sich für diese Saison mit Guendouzi einen sehr guten Fußballer geholt, der darüber hinaus sofort verstanden hat, wie wichtig ein Derbysieg für Hertha-Fans und im Umfeld ist.

Javairo Dilrosun – eine überraschende Rückkehr

Seine Einwechslung kam etwas überraschend: in den letzten drei Bundesligapartien von Hertha BSC bekam Javairo Dilrosun nicht eine Minute Einsatzzeit. Schon nach 45 Minuten kam er jedoch im Derby rein, genauso wie Krzysztof Piatek. Die fehlende Spielpraxis war in den ersten 15 Minuten des Niederländers deutlich zu spüren: oftmals war er einen Schritt zu spät, traf mehrmals die falsche Entscheidung und war kaum im Spiel eingebunden. Von Minute zu Minute steigerte er sich jedoch und zeigte sich immer besser im Zusammenspiel mit Mattéo Guendouzi und Marvin Plattenhardt. Seine Einwechslung sollte darüber hinaus noch entscheidend werden: an beiden Treffern von Piatek war er unmittelbar beteiligt.

Foto: IMAGO

Dilrosun war bisher in dieser Saison so etwas wie ein Rätsel, doch im Derby konnte er insbesondere in den letzten 30 Minuten wieder zeigen, was ihn als Spieler ausmacht und wie wichtig er für Herthas Spiel werden kann. Trotz Überzahl hatten die Spieler der „alten Dame“ nämlich weiterhin Probleme, sich Großchancen zu erarbeiten, und die kompakte Defensive aus Köpenick zu knacken. Sollten sich diese Probleme auch in den nächsten Spielen zeigen, könnte ein fitter und formstarker Dilrosun eine echte Waffe sein.

Kristof Piatek – vom Problemspieler zum Derbyhelden

Last but not least wollen wir uns mit dem Spieler beschäftigen, der wohl für die größte positive Überraschung bei Hertha-Fans sorgte. Der Pole wurde seit Monaten in Medien und sozialen Netzwerken oftmals kritisiert. Trotz seiner eindeutigen Qualitäten wurden Zweifel groß, dass er nicht zum System von Bruno Labbadia passe. In der laufenden Saison konnte er leider auch nur wenig Argumente für sich sammeln, bekam zunächst wenig Einsätze und fand erst nach der Verletzung von Jhon Cordoba zurück in die Startelf. Es folgten zwei schwache Einsätze gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen und im Derby musste er zunächst auf der Bank Platz nehmen.

Foto: IMAGO

Doch um die Kritik, zumindest zeitweise, verstummen zu lassen, suchte sich der polnische Nationalspieler doch das richtige Spiel aus. Nach 45 Minuten wurde er eingewechselt, sein erster Schuss sorgte noch in der 69. Minute nicht gerade für Applaus. Doch dann war das Glück beim 2:1 auf seiner Seite, als sein Schuss unhaltbar für Luthe abgefälscht wurde. Beim 3:1 bewies „il pistolero“ seine wohl größte Qualität: sein absoluter Torriecher vor den Kasten. Auch seine gute Schusstechnik war im Derby gut zu erkennen und kurz vor Schluss hätte Piatek auch noch seinen Hattrick perfekt machen können, als er per Weitschuss den Unioner Keeper prüfte.  

Das Offensivspiel der „alten Dame“ war wie bereits angesprochen auch trotz der drei Treffer nicht gerade das gelbe vom Ei. Trotzdem konnte der Pole dabei zwei wichtige Tore im Derby erzielen, die so schnell nicht unter Hertha Fans vergessen werden: er ist schließlich der erste Doppeltorschütze dieser Konfrontation. Sicherlich räumt das nicht alle Zweifel aus dem Weg, es bleibt fraglich, ob sich Piatek langfristig in Labbadias Mannschaft etablieren kann.

Seine Werte sind jedenfalls alles andere als schlecht: in 1.415 Spielminuten für Hertha schoss er immerhin acht Tore und drei Torvorlagen. Sollte er auch in den nächsten Partien seine Tore schießen, wird es auch für die größten Zweifler schwer werden, den Wert des Spielers für Hertha BSC zu verkennen. Nach dem Spiel wurde Krzysztof Piatek noch gefragt, ob er nicht ein Wort auf Deutsch sagen wolle. Seine Antwort, breit grinsend, könnte der perfekte Abschlusssatz unserer Rubrik sein: „Alle zusammen, Hertha!“

Und dann war da noch:

Matheus Cunha: Dass es mit 21 Jahren völlig normal ist, Leistungsschwankungen zu erleben, ist klar. Auch Matheus Cunha ist davon nicht verschont. Im Heimspiel gegen Borussia Dortmund war es noch bester Herthaner auf dem Platz. Wie schon vergangene Woche in Leverkusen jedoch schaffte es der Brasilianer nicht wirklich, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Seine Einzelaktion zum 1:1, in der er sich sehenswert durchsetzte und per Weitschuss Union-Keeper Andreas Luthe zum Fehler zwang, war leider seine erste und letzte wirklich starke Aktion dieser Partie. Im nächsten Spiel, gegen Borussia Mönchengladbach, wird Hertha auf seinen besten Torschützen verzichten müssen. Der Brasilianer holte sich seine fünfte gelbe Karte und muss ein Spiel pausieren. Gut möglich, dass er nach dieser Zwangspause mit neuem Elan und Energie zurückkehrt, und wieder ein besseres Gesicht zeigt. Ein Matheus Cunha in Topform ist schließlich nicht zu ersetzen.

Jordan Torunarigha: Zurück von seiner längeren Verletzungs- und Coronabedingten Pause zeigte sich beim 23-Jährigen in der Anfangsphase noch die fehlende Spielpraxis. Etwas ungenau und überhastet agierte der Innenverteidiger, der außerdem beim 0:1 nicht besonders gut aussah. Allerdings wurde er im Verlauf des Spieles immer sicherer, eroberte seine gewohnte Stabilität zurück und profitierte auch von der Überzahl, die ihm etwas mehr Freiheiten nach vorne ermöglichte. Insgesamt eine gelungene Rückkehr für Torunarigha, der beste Chancen hat, seinen Stammplatz zurückzuerobern.

Niklas Stark: Der 25-jährige ist ebenfalls eine Erwähnung wert. Er schaltete sich nur selten im Offensivspiel mit ein und sah beim 0:1 ähnlich wie Torunarigha nicht gut aus. Doch auch er kämpfte sich in die Partie zurück und kam mit dem 4-2-3-1 System in der zweiten Halbzeit deutlich besser zurecht.

Kaderanalyse 2019/20 – Herthas Innenverteidigung

Kaderanalyse 2019/20 – Herthas Innenverteidigung

Eine turbulente Spielzeit hat am 27. Juni ihr Ende gefunden. Zwar hat COVID-19 alle Bundesliga-Teams gleichermaßen getroffen, vor der Pandemie hat Hertha BSC das Rennen als von Krisen gebeutelster Verein aber wohl gemacht. Selten ist es in der vergangenen Saison um Sportliches gegangen, doch genau diesem Thema wollen wir uns mit dieser Artikelserie widmen: In unserer Kaderanalyse wollen wir die einzelnen Positionen genauer unter die Lupe nehmen und die Frage beantworten, ob Hertha dort nach Verstärkungen für die kommende Saison suchen sollte.

Nachdem wir uns im ersten Teil dieser Artikelserie den Torhütern gewidmet haben, folgen nun die Innenverteidiger der “alten Dame”. Auch auf dieser Position haben die Spieler in der zurückliegenden Saison einige Höhen und Tiefen erlebt, hervorgegangen ist letztendlich aber ein festes Duo, das auch in der kommenden Spielzeit zunächst die besten Karten für einen Stammplatz haben wird.

Dedryck Boyata – Herthas Spieler der Saison?

Von null auf hundert. Im vergangenen Sommer ist Dedryck Boyata ablösefrei von Celtic Glasgow nach Berlin gewechselt – Der Belgier schien die Rolle des abgewanderten Fabian Lustenbergers übernehmen zu sollen: Der erfahrene Recke, der sich ohne Murren auf die Bank setzt und bei einem personellen Engpass bereit steht. Quasi der solide Unterbau für die Innenverteidigung, die eigentlich mit den jüngeren und bereits etablierten Torunarigha, Stark und Rekik besetzt werden sollte. Hinzu kam, dass heute 29-Jährige aus einer langen Verletzung zu Hertha kam, die ihn in Glasgow von Ende März bis Mitte Juli außer Gefecht gesetzt hatte. Dem belgischen Nationalspieler war ohnehin eine gewisse Verletzungsanfälligkeit attestiert worden, die auch sogleich nach seiner Ankunft in Berlin wieder zuschlug: Oberschenkelprobleme, die Boyata schon in der Vergangenheit immer wieder geplagt haben, ließen den Innenverteidiger beinahe die komplette Vorbereitung bei seinem neuen Verein verpassen.

Foto: IMAGO

Auch die ersten drei Spieltage der Saison 2019/20 verpasste Boyata verletzungsbedingt. Am 4. Spieltag bot Trainer Ante Covic gegen den FSV Mainz 05 einer Dreierkette in der Innenverteidigung auf, die Boyata sogleich in die Startelf spülte. Zwar gab es bei der 1:2-Niederlage nur wenig positives festzuhalten, Boyatas Leistung gehört allerdings dazu. Herthas Nummer 20 brauchte keinerlei Anlauf, um sofort Präsenz im Spiel der “alten Dame” zu haben, sowohl mit seinem dynamischen und robusten Zweikampfverhalten als auch in der pressingresistenten Spieleröffnung zeigte er gute Ansätze. Nach diesem Spiel war Boyata nicht mehr wegzudenken – Bis auf drei Partien, in denen er gelb-gesperrt oder verletzt fehlte, stand der Belgier die gesamte Rest-Saison in der Startelf. Boyata hatte sich vom vermeintlichen Innenverteidiger Nummer vier zur größten Konstante im Herthaner Spiel entwickelt.

Mit einer überragenden Konstanz und allen nötigen Werkzeugen eines Innenverteidigers hat Boyata sich seinen Stammplatz in der Innenverteidigung redlich verdient. In einer mehr als turbulenten Saison mit teils vogelwilden Auftritten und sich immer wieder verändernden Aufstellungen war auf den 29-Jährigen stets Verlass. Egal, welche Statistik man heranzieht – Boyata gehörte in der vergangenen Saison zu den besten Innenverteidigern der Liga, was bei Herthas phasenweise katastrophaler Saison noch um ein vielfaches höher zu bewerten ist. Zweikampfranking: Platz elf; Luftzweikampf: Platz zehn; Tacklingquote: Platz zwei; Geklärte Situationen: Platz drei; Abgefangene Bälle: Platz 14; Geblockte Bälle: Platz zehn. Gleichzeitig ist Boyata bei den begangenen Fouls pro Spiel gerade einmal Platz 190 von 258 und bei den Fehlern vor einem Gegentor auf Rang 62 von 70. Hinzu kommt eine durchschnittliche Passquote von 89,4% – Platz 14 im ligaweiten Vergleich. Kurzum: Boyata hat eine atemberaubend starke Saison gespielt, Hertha durch seine Defensivleistungen und immerhin vier Saisontore zahlreiche Punkte gerettet und sich für das interne Rennen um die Auszeichnung als “Spieler der Saison” weit nach vorne geschoben. Der Abwehrmann verfügt über keinen spektakulären Spielstil, welcher allerdings auch gar nicht nötig ist. Mit Jordan Torunarigha, mit der seit dem Re-Start der Liga ein herausragendes Duo bildete, hat Boyata jemanden an seiner Seite, der für die spielerischen Elemente sorgt. In der Form 19/20 ist Boyata keinesfalls mehr aus der Hertha-Stammelf wegzudenken – Ein Stabilisator, ein Anker, jemand, an dem sich die Mitspieler orientieren und aufrichten können. In nur einer Saison hat sich Boyata zu einer absoluten Stütze der Mannschaft entwickelt.

Jordan Torunarigha – Endlich etabliert?

Bei Jordan Torunarigha hat es nie Zweifel an dessen Talent gegeben, nur ob es den Zeitpunkt für den endgültigen Durchbruch bei Hertha geben wird. In der Saison 18/19 kam das Berliner Eigengewächs auf nur 14 Einsätze, gemessen an seinem Potenzial eine mehr als dürftige Bilanz. Und auch in der vergangenen Spielzeit sollte sich der 22-Jährige zunächst einmal hinten anstellen müssen, da sich Covic auf Rekik und Stark als primäre Varianten für die Innenverteidigung festlegte. Nachdem Torunarigha einen enttäuschenden Auftritt als Linksverteidiger in der 1. DFB-Pokalrunde hinlegte, war die Startelf erst einmal kein Thema mehr.

Foto: IMAGO

In der Hinrunde der zurückliegenden Saison ist Torunarigha nur zweimal zum Einsatz gekommen: Im bereits erwähnten Spiel in Mainz gehörte der Innenverteidiger zur Startelf, am 8. Spieltag stand er gegen Werder Bremen nur eine einzige Minute auf dem Feld. In 13 von 17 Hinrundenspielen saß er auf der Reservebank, zweimal stand er gar nicht im Kader. Am 15. Spieltag fehlte Torunarigha, weil er für die zweite Mannschaft auflief, um zumindest irgendeine Form der Spielpraxis zu erlangen. Ein großes Highlight sollte er im Jahr 2019 allerdings noch verbuchen können, als er im DFB-Pokal gegen Dynamo Dresden den so wichtigen 3:3-Ausgleichstreffer in der allerletzten Sekunde der Verlängerung erzielte und damit das so dramatische Weiterkommen ermöglichte.

Für Torunarigha sollte sich das Blatt in der Rückrunde wenden – durch Verletzungen seiner Konkurrenten in die Startelf gespült setzte er sich in eben jener fest. Ab dem 18. Spieltag war das Eigengewächs nur zweimal kein Teil der ersten Elf, endlich scheint er sich zum Stammspieler gemausert zu haben. Mit seinem Kopfballtreffer am 19. Spieltag sicherte er wichtige drei Punkte gegen den VfL Wolfsburg (2:1), ansonsten sorgte er gemeinsam mit Boyata dafür, dass Hertha möglichst wenig Treffer kassierte. Sein Leistungsniveau sollte nach dem Re-Start und mit dem Trainerwechsel von Alexander Nouri zu Bruno Labbadia aber noch einmal einen gewaltigen Sprung machen: Ab dem 26. Spieltag war die Berliner Innenverteidigung ein absolutes Bollwerk – ob am Boden oder in der Luft – Torunarigha und Boyata waren kaum zu überwinden. Dabei stehen die Statistiken der Nummer 25 im Vergleich zu Boyatas Zahlen in kaum etwas nach bzw. in manchen Disziplinen steht er sogar noch besser da: Zweikampfranking: ligaweit Platz 15; Luftzweikampf: Platz sechs; Tacklingquote: Platz 17; Geklärte Situationen: Platz 16; Abgefangene Bälle: Platz 40; Geblockte Bälle: Platz sieben.

Bei der Statistik bzgl. der Fehler vor einem Gegentor taucht Torunarigha gar nicht erst auf, bei der Passquote belegt er immerhin noch Rang 45, welcher auch deshalb merklich schlechter als der von Boyata ist, weil der 22-Jährige sich deutlich mehr lange und riskante Bälle im Spielaufbau zutraut, die von Natur aus seltener ankommen. Torunarigha pflegt einen eher aufsehenerregenden Spielstil, indem er den Ball auch gerne einmal weit in die gegnerische Hälfte trägt, viele Seitenverlagerungen spielt und den Ball im allerletzten Moment noch klärt. All diese Eigenschaften lassen den Linksfuß vollkommen zurecht in Herthas Stammelf stehen, denn niemand anderes im Team verfügt über das spielerische Talent Torunarighas. Des Weiteren hat sich der noch junge Abwehrspieler in seinen Leistungen deutlich stabilisiert, Ausreißer nach unten gibt es kaum noch. In dieser Form gibt es kein Vorbeikommen an ihm, auch wenn er sein Formhoch in der kommenden Saison erst einmal wieder bestätigen muss, um sich endgültig festzuspielen.

Niklas Stark – Erst einmal hinten anstellen

Es wäre legitim, Niklas Stark als Gesicht der vergangenen Saison heranzuziehen: Mit ordentlich Potenzial unter der Haube hoffnungsvoll in die Spielzeit gestartet, brutal aufs Gesicht gefallen, Verletzungsprobleme, mehr Enttäuschungen als alles andere, letztendlich aber ein versöhnliches Ende, das Hoffnung für die kommende Saison macht. Stark, im Sommer mit 24 Jahren an einem entscheidenden Punkt seiner Karriere angekommen, ging als neuer Vizekapitän in die Saison 19/20 – eine Funktion mit viel Verantwortung, da bereits klar war, dass Kapitän Vedad Ibisevic längst nicht alle Spiele von Anfang an machen würde, sodass seine Vertretung oftmals als Spielführer in die Partie gehen wird.

Foto: IMAGO

Es war die Saison, in der sich Stark “endgültig” in seiner Güteklasse einfinden sollte – ein Spieler der gehobenen Bundesliga-Mittelklasse oder doch ein Mann für größere Aufgaben? Nachdem Nationaltrainer Joachim Löw mit Jerome Boateng und Mats Hummels zwei verdiente Innenverteidiger in den Ruhestand geschickt hatte, war auch Stark einer der Namen, die für die Anwärter dieser Position gehandelt wurden – sicherlich nicht so hoch wie ein Niklas Süle, Antonio Rüdiger oder Matthias Ginter, aber für einen Platz auf der Bank schien es bei ansprechenden Leistungen reichen zu können. Stark startete allerdings wie die gesamte Hertha-Mannschaft möglichst unglücklich in die Saison: Nach dem 2:2-Auswärtserfolg beim FC Bayern München folgten drei Niederlagen, besonders beim 0:3 auf Schalke sah Herthas Defensive amateurhaft aus – ein Tag, an dem es eigentlich nicht einmal einen Gegner gebraucht hat, um zu verlieren, schließlich erzielte Stark das 0:1 selbst, das 0:2 steuerte Nebenmann Rekik bei. Ein katastrophaler Saisonstart, der die Blau-Weißen sofort unter Druck setzte und Stark in ein tiefes Leistungsloch fallen ließ. Zwar stand der 25-Jährige in den meisten Hinrundenpartien als Startelfspieler auf dem Platz, zufriedenstellende Darbietungen zeigte der Innenverteidiger allerdings seltenst. “Stark nicht nahe genug bei seinem Gegenspieler”, “Stark kommt nicht in den Zweikampf”, “Da lässt sich Stark zu leicht austanzen” – Diese Sätze fielen in der Hinrunde in beinahe jedem Spiel, Stark wurde immer mehr zu einem Schatten seiner selbst.

Dazu passte auch seine Odyssee beim DFB-Team: 2019 war Stark für jedes Länderspiel der Deutschen nominiert – insgesamt acht Mal – sein Debüt gab er allerdings erst Ende November gegen Nordirland, wo er für die letzten 25 Minuten eingewechselt worden war. Zuvor hatte ihn Löw sechs Mal nicht eingesetzt, doch danach angekündigt, Stark endlich sein Debüt schenken zu wollen – Dann spielte aber Starks Körper in fast schon komödiantischer Weise nicht mit. Gegen Argentinien im Oktober sollte Stark von Anfang an spielen, er fehlte jedoch aufgrund einer Schleimhautentzündung. Dann sollte der Abwehrmann wenige Tage später gegen Estland starten, doch Stark war in der Nacht zuvor im Dunkeln gegen eine Tischkante gelaufen, wobei er sich das Schienbein aufschnitt – erneut kein Debüt. Für die Länderspiele gegen Weißrussland und Nordirland wurde Stark erneut nominiert, das erste Spiel musste er allerdings auch absagen, weil er sich zuvor im Spiel gegen RB Leipzig das Nasenbein gebrochen hatte. Gegen Nordirland war es dann endlich so weit – auch wenn Stark mit einer Gesichtsmaske auflaufen musste.

Im Verein lief es für Stark ähnlich durchwachsen. Zwar begann der Vizekapitän die Rückrunde als Stammspieler, Verletzungen und eine Gelbsperre ließen ihn aber zahlreiche Spiele verpassen. Auch seine Leistungen waren erneut ein Spiegelbild der Teamverfassung. Es war die chaotische Phase, in der Jürgen Klinsmann urplötzlich hinschmiss und Nouri eine zutiefst verunsicherte Mannschaft übernahm, welche er nicht stabilisiert bekam – Hertha verlor 1:3 gegen Mainz, gewann holprig 2:1 gegen Paderborn und ging mit 0:5 gegen Köln unter – Stark dabei stets im Epizentrum: der höchst wackeligen Abwehr, der er keinerlei Stabilität verleihen konnte. Zumindest beim 2:2 gegen Werder Bremen am 25. Spieltag konnte der Innenverteidiger mit seinem einzigen Treffer der Saison zu einem Punktgewinn beitragen. Auch beim Re-Start war Stark einer der unglücklichen Protagonisten: Neben Marius Wolf war er der einzige aus dem Kader, der sich zweimal in einer 14-tägige Quarantäne begeben musste, sodass es ihm gar nicht möglich war, sich für Labbadia zu empfehlen. Die Spiele gegen Union Berlin, Leipzig und den FC Augsburg verpasste Stark aufgrund einer Adduktorenverletzung, in der Phase hatten sich Torunarigha und Boyata als Stamm-Duo in der Innenverteidigung bereits festgespielt. Doch hier folgt der versöhnliche Teil der so unglücklichen Saison Starks. Gegen Eintracht Frankfurt (31. Spieltag, 1:4) sah Boyata die rote Karte, sodass Stark aufs Feld gebracht wurde. Zwar konnte er nichts mehr an der deutlichen Niederlage ändern, aber im darauffolgenden Spiel in Freiburg stand er erste Mal seit dem 25. Spieltag wieder in der Startelf und Stark machte seine Sache sehr ordentlich. Auch in den letzten beiden Spielen der vergangenen Saison durfte Stark beginnen, aufgrund der Personallage allerdings im defensiven Mittelfeld. Auch auf dieser Position machte Herthas Nummer fünf einen guten Eindruck.

Zum Ende hin hat sich Stark bei Trainer Labbadia also noch einmal empfohlen – eventuell sogar für eine Position, für die er grundsätzlich gar nicht vorgesehen war. Es war eine mehr als nur durchwachsene Saison für Stark, der maximal unglücklich in diese gestartet ist, große Probleme unter Klinsmann hatte, zwischenzeitlich in den Medien mit einem Vereinswechsel kokettierte und nach der langen Zeit abseits des Mannschaftstraining kein Vorbeikommen an Torunarigha und Boyata sah. Nun werden die Karten jedoch neu gemischt und jeder Spieler hat in der Vorbereitung die Chance, sich aufzudrängen. Stark hat sich sehr lobend über die Art und Arbeit von Labbadia geäußert, nach einem Form -und Stimmungstief scheint er wieder angreifen zu wollen. So ist Stark zwei Wochen früher als seine Mannschaftskollegen in die Sommervorbereitung gestartet – der Konkurrenzkampf ist eröffnet.

Karim Rekik – Ein verlorenes Jahr

Zugegeben, die Reihenfolge, in der die Saison des jeweiligen Innenverteidigers besprochen wird, ist nicht zufällig gewählt. Karim Rekik ist zwar zusammen mit Niklas Stark als Stamminnenverteidigung in die Saison 19/20 gegangen, am Ende dieser aber auf Platz vier im internen Ranking durchgereicht worden. Der Niederländer, bereits in der Saison zuvor mit einer durchwachsenen Leistung, hat solch ein gebrauchtes Jahr hinter sich, dass im Sommer sogar der Abschied nach drei gemeinsamen Jahren erfolgen könnte.

Foto: IMAGO

Wie auch bei Mannschaftskollege Stark begann die Saison insofern positiv, als dass sich Trainer Covic für die linke Innenverteidiger-Position auf Rekik festgelegt hatte und diesen die ersten drei Bundesliga-Partien über 90 Minuten spielen ließ. In diesen Begegnungen sah der 25-Jährige aber genauso wie Stark sehr unglücklich aus, sodass Herthas damaliger Trainer sich gezwungen sah, etwas zu verändern und Rekik von Spieltag vier bis einschließlich sieben auf die Bank zu setzen. Genau in diesen Spielen hatte Hertha seine beste Phase unter Covic (eine Niederlage, drei Siege) und kassierte auch nur drei Gegentreffer. Die guten Leistungen Boyatas schienen einer Wachablösung in der Innenverteidigung gleichzukommen, denn der Belgier zeigte all die Eigenschaften, die vor zwei Jahren noch so sehr an Rekik geschätzt wurden: Resolutes Zweikampfverhalten, perfekt getimte Grätschen, sauberes Passspiel, kaum bis gar keine Fehler. In den beiden darauffolgenden Partien fand Rekik aufgrund der Verletzung von Stark wieder zurück in die Startelf, ohne aber wirklich zu überzeugen, sodass zunächst ein reger Wechsel zwischen Bank -und Startelfplatz stattfand.

Mit dem Wechsel von Covic zu Jürgen Klinsmann veränderte sich auch Rekiks sportliche Lage für eine gewisse Dauer. Klinsmann ließ den Niederländer in seinen ersten fünf Partien als Hertha-Coach von Anfang auflaufen, was Rekik mit zumindest soliden Leistungen in einem extrem defensiven, damit aber auch kompakten Gebilde und dem Siegtreffer gegen Bayer Leverkusen (1:0, 16. Spieltag) dankte. Zum Rückrundenbeginn musste Rekik allerdings wieder mit der Bank vorlieb nehmen, Torunarigha hatte sich zum Stammspieler entwickelt und dies mit starken Vorstellungen untermauert. So mutete es auch eigenartig an, als Interimstrainer Alexander Nouri in drei seiner vier Partien wieder auf Rekik setzte – auch weil dieser bei den Spielen gegen Paderborn (2:1), Köln (0:5) und Düsseldorf (3:3) kein gutes Bild abgab. Wie auch Stark musste Rekik beim dritten Trainerwechsel der Saison verletzt zusehen, wie sich Torunarigha und Boyata zum neuen Stammduo in der Innenverteidigung mauserten. Eine Innenbanddehnung im Knie setzte den Niederländer die ersten vier Spiele unter Labbadia außer Gefecht, doch auch nach seiner Genesung fand Rekik nicht ein einziges Mal mehr in den Kader. Am Ende der Saison verbuchte er damit lediglich 14 Spiele, zuletzt gab Labbadia sogar den Talenten Marton Dardai und Omar Rekik (Karims kleiner Bruder) den Vorzug.

Nach dieser enttäuschenden Saison soll sich Rekik ernsthaft mit einem Abschied auseinandersetzen. Demnach soll er von seinem Berater in England, Spanien und Deutschland angeboten worden sein, berichtet Bild. Der 25-jährige Niederländer hat zwar noch ein Jahr Vertrag in Berlin, im Endspurt der vergangenen Saison hat sich Rekik allerdings zu Innenverteidiger Nummer vier in der internen Hierarchie entwickelt. „Mit mir hat noch niemand gesprochen. Ich fühle mich in Berlin total wohl. Auch mit dem Trainer-Team komme ich super klar“, sagte er, aber solche Statements und ihr Wahrheitsgehalt kennt der geneigte Fußballfan zu genüge. Die Perspektive für Rekik sieht in der kommenden Saison alles andere als gut aus und so scheint es nicht unwahrscheinlich, dass er sich sportlich verändern will und Hertha in Hinsicht auf seinen auslaufenden Vertrag noch eine Ablöse einstreichen will, zumal mit Dardai und Bruder Omar Rekik zwei vielversprechende Innenverteidiger-Talente in den Startlöchern stehen. Es könnte also zum Abschied nach drei gemeinsamen Jahren kommen.

Fazit

Auch wenn zwei der vier Profi-Innenverteidiger bei Hertha eine Saison zum Vergessen hinter sich haben, ist hier keine Baustelle aufzumachen. Mit Jordan Torunarigha und Dedryck Boyata hat sich möglicherweise eins der besten Innenverteidigerduos der Liga gefunden, zudem wird Niklas Stark höchst motiviert sein, seinen Platz zurückzugewinnen, sodass ein lebendiger Konkurrenzkampf zu erwarten ist. Selbst wenn Karim Rekik den Verein im Sommer verlassen sollte, ist nicht mit einer Neuverpflichtung für diese Position zu rechnen, da Labbadia mit einer Viererkette, als nur zwei Innenverteidigern spielen lässt und mit Marton Dardai (18, vergangene Saison sechs Mal im Profikader dabei gewesen) wie auch Omar Rekik (18, dreimal dabei gewesen) zwei verheißungsvolle Talente in die erste Mannschaft drängen. Hertha ist in der Innenverteidigung für die kommende Saison als gut aufgestellt, die Baustellen des Kaders liegen woanders.

Herthaner im Fokus: Fortuna Düsseldorf – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: Fortuna Düsseldorf – Hertha BSC

Als Hertha-Fan hat man das Gefühl, so langsam alles (negative) im Fußball erlebt zu haben. Viel kann es da eigentlich nicht mehr geben, dass einen fassungslos macht. Wie Hertha am Freitagabend jedoch eine katastrophale erste Halbzeit spielte und mit 0:3 zurücklag, um dann im zweiten Durchgang noch per furioser Aufholjagd noch ein 3:3 zu erkämpfen, war wohl auch für jede*r blau-weißen Anhänger*in etwas neues. Zwei so unterschiedliche Halbzeiten für sich einzuordnen und daraus konkrete Bewertungen für die einzelnen Spieler herauszufiltern, scheint nahezu unmöglich, aber wir versuchen uns mal daran.

Jordan Torunarigha – verkappter Linksaußen?

Dass Jordan Torunarigha trotz seiner angestammten defensiven Position stets “geil” auf Offensivausflüge hatte, ist schon lange bekannt. Mindestens einmal pro Spiel probiert sich der Innenverteidiger an Läufen in die gegnerische Spielhälfte. Gegen Fortuna Düsseldorf führte Torunarigha seinen Offensivdrang jedoch auf die Spitze, als er im zweiten Durchgang quasi als Linksaußen auftrat.

Foto: INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Überraschend stand Torunarigha am Freitagabend in der Berliner Startelf, nachdem er zuletzt zwei Partien auf der Bank Platz nehmen musste. Ebenfalls überraschend: das Herthaner Eigengewächs lief nicht als Innen- sondern als Linksverteidiger auf, mit Maxi Mittelstädt und Marvin Plattenhardt saßen die zwei angestammten Spieler für diese Position auf der Bank. Trainer Alexander Nouri wird sich davon größere Stabilität in der Abwehr versprochen haben, aber wie die erste Halbzeit mit drei Gegentoren bewies, ging dieser Plan nicht auf. Auch Torunarigha war an einem Gegentreffer direkt beteiligt, als er beim 0:3 Vorlagengeber Zimmermann völlig aus den Augen verlor und so den Weg ebnete. So wie seine Mannschaftskollegen hatte der 22-Jährige große Probleme damit, seine Seite zu schließen – hier scheiterte es immer wieder in der Abstimmung mit Flügelpartner Dilrosun. Zudem verlor der Linksverteidiger immer wieder Bälle im Vorwärtsgang, was Düsseldorf zu Umschaltaktionen einlud. Im ersten Durchgang ging Torunarigha mit seiner Mannschaft unter, einzig seine zwei Torschussvorlagen (9. und 12. Minute) waren positiv hervorzuheben.

Doch wie so viele bei Hertha erlebte Torunarigha in den zweiten 45 Minuten eine unvorhergesehene Leistungssteigerung. Hierfür war auch die Hereinnahme von Maxi Mittelstädt verantwortlich – das Zusammenspiel der beiden Berliner Eigengewächse, die sich seit so vielen Jahren kennen, funktionierte sehr geschmeidig und verpasste Herthas linker Seite nicht nur neue Stabilität, sondern auch mehr Offensivdrang. Hierbei war auffällig, dass Torunarigha mit jeder Minute offensiver wurde und rund um die 60 Minute herum die Rollen mit Mittelstädt tauschte, welcher nun den Linksverteidiger gab. So ergab sich auch, dass die durchschnittliche Positionierung Torunarighas während des Spiels höher verortet war als die Mittelstädts. Dass Torunarigha nun so offensiv agierte, hatte den Vorteil, dass er sich mit seinem wuchtigen Körper sehr gut behaupten und Bälle festmachen konnte. Dadurch schenkte er seinen Kollegen Zeit, die linke Außenbahn zu überladen und somit durchbrechen zu können. So kreierte Hertha im Dreieck mit Mittelstädt, Torunarigha, Cunha oder wahlweise Darida sehenswerte Dreiecks-Situationen, was für Gefahr sorgte. Auch das hohe Pressing Torunarighas im Verbund mit Mittelstädt sorgte für viel Druck, sodass sich Düsseldorf oftmals gar nicht befreien konnte.

Sicherlich gab ein paar Situationen, in denen man sah, dass Torunarigha eben kein kleiner, wieseliger Dribbelkönig wie ein Dilrosun ist – hier und da versprangen Bälle oder kamen Flanken nicht an – aber das war in dieser Partie auch gar nicht von Nöten. Torunarigha ist ein technisch überdurchschnittlich begabter Innenverteidiger, der ein Gespür für Offensivaktionen hat (war in der Jugend lange Mittelstürmer) und mit seinem robusten Körper für Ballsicherheit und Raumgewinn sorgen kann. Ob du die Umstellung von Torunarigha auf die linke Außenbahn tatsächlich Nouris Idee war, werden wir wohl nie erfahren und es ist auch nicht wirklich wahrscheinlich, aber umso imponierender wäre es, wenn der Youngster das Schicksal seiner Mannschaft selbst in die Hand genommen hätte. So oder so war es eine beeindruckende Vorstellung Torunarighas im zweiten Durchgang, nachdem er im ersten genauso wie alle anderen auch untergegangen war.

Vladimir Darida – ein Motor auf Hochtouren

Zuletzt verkündete Vladimir Darida, dass er sich sehr wohl in Berlin fühle und seinen Berater gebeten habe, Gespräche mit Manager Michael Preetz bezüglich einer Vertragsverlängerung aufzunehmen. Blickt man auf seine Leistung vom Freitagabend, kann man sich dieser Bitte nur anschließen. Man muss festhalten: ohne einen Darida in dessen aktueller Form geht wenig bis gar nichts im Spiel der “alten Dame”.

Foto: Cathrin Mueller/Bongarts/Getty Images

Es war dieser Sprint in der 64. Minute, der Herthas Aufholjagd einläuten sollte. Geschickt von Torunarigha sprintete Darida dem eigentlich zu steilem Zuspiel hinterher und schaffte es mit einer großen Willensleistung, den Ball – noch gestört von einem Düsseldorfer Gegenspieler – von links in den Strafraum zu schlagen, wo ihn Erik Thommy höchst unglücklich ins eigene Tor bugsierte. Kein schönes Tor, aber eins des Willens. Niemand hätte Darida einen Vorwurf gemacht, wenn er den Ball nicht mehr erreicht hätte, aber der Tscheche zog durch und nahm in Kauf, durch den Check des Düsseldorfers in die Bande gestoßen zu werden. Es war das 1:3-Anschlusstor – was anschließend passierte, weiß der Leser dieses Artikels.

Und auch daran war Darida maßgeblich beteiligt. Durch sein immenses Laufpensum (mit 13,26 Kilometern mit Abstand am meisten gelaufen) und seine klugen Bewegungen im Raum war der 29-Jährige einer der wichtigsten Bestandsteile der Berliner Offensive. Nach den beiden Berliner Innenverteidigern sammelte Herthas Nummer sechs die drittmeisten Ballkontakte und Pässe. Des Weiteren verbuchte er mit drei Torschussvorlagen zusammen mit Torunarigha die meisten bei den Blau-Weißen. Es war überragend, wie Darida das Spiel seiner Mannschaft unermüdlich ankurbelte, als ständige Anspielstation fungierte und den Ball in der gegnerischen Hälfte hielt. Hinzu kommt sein starkes Pressingverhalten, durch das er konstanten Druck auf die Fortuna ausübte. Darida war oftmals erster Abnehmer im Aufbauspiel und gleichzeitig an fast jedem Angriff beteiligt – quasi nichts in Herthas Spiel ging ohne den Nationalspieler, der darüber hinaus äußerst ballsicher agierte (acht Ballsicherungen).

Sicherlich war auch Daridas Performance im ersten Durchgang ausbaufähig, aber bei diesen Aussetzern im Berliner Abwehrverhalten ist es auch schwer, seine Rolle in den ersten 45 Minuten zu bewerten. Fakt ist, dass Darida seinem Ruf als Motor nach der Halbzeitpause mehr als gerecht wurde. Agil, unermüdlich und handlungsschnell gehörte er zu den Hauptfaktoren der Berliner Aufholjagd. In dieser Form führt gar kein Weg an dem Tschechen vorbei: Marko Grujic und Arne Maier müssen eine bis 17 Schippen drauflegen, um Darida Konkurrenz machen zu können.

Matheus Cunha – Herthas Adrenalinspritze

Na gut, na gut – kommen wir zu dem Mann des Spiels. Die Fragerunde auf Twitter, welche Spieler in diesem Artikel behandelt werden sollen, ergab das erwartbare Bild: an Matheus Cunha kommt man nicht vorbei. Wie auch? Der Brasilianer erweist sich aktuell als größtes Faustpfand Herthas im Abstiegskampf.

Wie schon bei Darida hatte eine Szene Cunhas Signalwirkung: nachdem er der Offensivspieler in der 67. Minute, als nur drei Minuten nach dem ersten Berliner Tor, zum 2:3 traf, setzte er zum Jubel an. Dabei präsentierte er kein lässiges, eingeübtes Bewegungsmuster – wie man es im modernen Fußball gewöhnt ist – nein, er fasste sich zunächst an die Hertha-Fahne seines Trikots, um anschließend die klare Geste frei nach Oliver Kahn zu machen: “Eier, wir brauchen Eier!” Der Jubel stand stellvertretend für den gesamten Auftritt Cunhas, der Hertha fast im Alleingang wiederbelebte und dem Spiel seinen Stempel aufdrückte.

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

Wirklich Fahrt nahm die Vorstellung Cunhas ab der 60. Minute an. Zu diesem Zeitpunkt holte sich der 20-Jährige seine gelbe Karte ab, nachdem er im Dribbling gefoult wurde und zu stark mit dem Schiedsrichter gemeckert hatte. Es war Ausdruck der Unzufriedenheit des Angreifers, der sich mit aller Macht gegen den Spielverlauf stemmte. Er zog mit Abstand die meisten Sprints an, verzeichnete die drittmeisten intensiven Läufe, gab die zweitmeisten Torschüsse ab, führte die meisten Zweikämpfe und dribbelte sieben (!) Mal erfolgreich am Gegner vorbei – zusammengefasst: Cunha machte es im zweiten Durchgang zu seinem Spiel, es war sein Feld! Der Brasilianer war einmal mehr überall zu finden, forderte Ball um Ball und nahm es mit der ganzen Düsseldorfer Mannschaft auf. Sicherlich gab er sich in manchen Momenten zu ballverliebt, aber schließlich hatten ihm seine Mannschaftskameraden bislang nicht das Gefühl gegeben, man könne sich auf sie verlassen.

In der 64. Minute schlenzte Cunha den Ball, der noch leicht abgefälscht war, ins rechte Toreck und erzielte damit das 2:3. Infolge der Jubel und infolge darauf die endgültige Spielübernahme Herthas. Und immer wieder war Cunha mittendrin. Seine Zweikampfbilanz war für einen Offensivspieler absolut herausragend, hinzu kommen sechs Ballsicherungen und eine wirklich gute Passquote in der gegnerischen Hälfte von 83 Prozent. Auffällig war, wie tief sich Cunha immer wieder fallen ließ und vom Achterraum heraus das Spiel mitaufbaute (gab einige sehr gute Spielverlagerungen von ihm) oder selbst ins letzte Angriffsdrittel stürmte. Cunha zeigte eine gute Mischung aus brasilianischer Eleganz und einer gehörigen Portion Kampf. Er war giftig, konnte dem Gegner aber auch mit Ball am Fuß weh tun. Beinahe hätte er der Fortuna noch den Todesstoß gegeben, doch sein Schuss in der 90. Minute traf nur den linken Pfosten. Nichtsdestotrotz war es eine herausragende Vorstellung Cunhas, der einmal mehr seinen unschätzbaren Wert für das Team unterstrichen hat. Auch wenn seine Zahlen aus dem Spiel schon bemerkenswert sind, ist es nicht in Ziffern auszudrücken, welch großen Einfluss er auf das Spiel und die Mentalität seiner Mannschaft hat. “Er ist vorangegangen, hat alle mitgerissen. Das war stark”, lobte Trainer Nouri seinen Stürmer nach dem Spiel.

Dilrosun und Lukebakio in dieser Form nicht zu gebrauchen

Man hatte sich vor dem Spiel wohl noch gefreut, als man sah, dass Javairo Dilrosun und Dodi Lukebakio endlich wieder in der Startelf standen. “Endlich schöpft Nouri die Möglichkeiten des Kaders aus! Ohne die beiden geht es nicht”, werden sich viele gedacht haben. Die Entrüstung nach den ersten 45 Minuten in Düsseldorf dürften dementsprechend groß gewesen sein, nachdem die beiden Flügelspieler jeweils eine grausige Leistung gezeigt hatten. Zur Halbzeit wurden mit Maxi Mittelstädt und Marius Wolf zwei zuletzt in Kritik geratene Spieler für die beiden Flügelkünstler eingewechselt, was eine deutliche Wirkung auf das Spiel haben sollte.

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

Doch der Reihe nach: Alexander Nouri entschied sich dazu, gegen Düsseldorf eine pendelnde Fünferkette zu spielen, um deren Flügelfokus Einhalt zu gebieten. Je nachdem, auf welcher Seite die Fortuna durchbrechen wollte, sollte ein offensiver Flügelspieler Herthas mit nach hinten rücken und zusammen mit Torunarigha oder Klünter die Flanke schließen. Das funktionierte im ersten Durchgang überhaupt nicht. Beim 0:1 agierte die gesamte Kette viel zu schläfrig, aber besonders bei den beiden darauffolgenden Gegentoren wurde Herthas unterirdisches Abwehrverhalten ersichtlich. Das 0:2 fällt, nachdem Lukebakio Gegenspieler Thommy erst zu viel Platz lässt, um näher von links außen an den Strafraum zu laufen, um anschließend amateurhaft von ihm ausgedribbelt zu werden – eine handelsübliche Finte ließ den Belgier aus dem Zweikampf aussteigen und Thommy freistehend das 0:2 erzielen. Ein weiteres Problem bei dem Gegentreffer war das völlig falsche Stellungsspiel Klünters, der sich nicht direkt hinter Lukebakio positionierte und damit nochmal hätte eingreifen können, sondern viel zu nahm am eigenen Tor stand und einen toten Raum deckte. Die Szene war exemplarisch für die fehlende Abstimmung zwischen Lukebakio und Klünter, der ebenfalls einen rabenschwarzen Tag erwischte. Aber auch Torunarigha und Dilrosun fanden keine gemeinsame Basis. Beim 0:3 standen beide viel zu weit weg von ihren Gegenspielern und ließen den Angriff einfach so passieren. Die Taktik Nouris ging zunächst also überhaupt nicht auf, da Dilrosun und Lukebakio es offensichtlich abgeht, taktisch diszipliniert mit nach hinten zu verteidigen. Offensiv brachten die beiden Individualisten auch nichts auf die Strecke, ein Torschuss und zwei Torschussvorlagen sind zu dünn. Sie nahmen quasi nicht am Spiel Teil, Lukebakio war 18 Mal am Ball und Dilrosun neun Mal.

Nach diesem Spiel ist wohl klar: die beiden Flügelspieler wird man wohl für eine längere Zeit nicht mehr in der Startelf sehen. In diesem krisengebeuteltem Gebilde können Lukebakio und Dilrosun ihre Stärken nicht gewinnbringend einsetzen und ihre Schwächen sind umso ersichtlicher. Als Joker könnten sie weiterhin funktionieren, aber Startelfansprüche können nicht gestellt werden.

Mittelstädt und Wolf überzeugen nach Einwechslung

Nachdem das Trainerteam gesehen hatte, dass die Idee mit Dilrosun und Lukebakio nicht aufgegangen war, entschied es sich dazu, zur zweiten Halbzeit die weniger spektakulären aber defensiv stabileren Maxi Mittelstädt und Marius Wolf einzuwechseln. Es stellte sich heraus, dass es genau das war, was Herthas Spiel gebracht hatte.

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

Mit den beiden Einwechslung erhielt deutlich mehr Ernsthaftigkeit und positive Körpersprache Einzug in das Spiel des Hauptstadtklubs. Sicherlich sind Mittelstädt und Wolf in Sachen Technik und Spielwitz weniger begabt als ihre Flügelkonkurrenten, aber dadurch, dass sie deutlich akribischer gegen den Ball und mit nach hinten arbeiten, wirkte Hertha im zweiten Durchgang deutlich stabiler. Wolf und Mittelstädt beteiligten sich tatkräftig am nun deutlich aggressiveren Pressing und übten so ständigen Druck auf das Düsseldorfer Aufbauspiel aus. Es war auffällig, dass Hertha mit den beiden Jokern auf den Außenbahnen deutlich weniger zuließ und besser gegen Umschaltaktionen gewappnet war. Sicherlich rutschte auch in den zweiten 45 Minuten immer wieder ein Angriff durch, aber das ist auf diesem Niveau und durch das starke Flügelspiel der Fortuna auch nicht zu verhindern. Mittelstädt trat gegen den Ball noch etwas besser als Wolf auf und fing insgesamt starke drei Bälle ab. Sein Zusammenspiel mit Torunarigha funktionierte (siehe oben) hervorragend und so war es wenig verwunderlich, dass Düsseldorf wenn überhaupt über seinen linken Flügel gefährlich wurde (erst durch Thommy, später durch Ampomah) – dies lag sicherlich auch daran, dass Rechtsverteidiger Klünter eine gruselige Vorstellung ablieferte und riesige Lücken zuließ, die auch ein Wolf nicht schließen konnte.

Auch im Spiel mit dem Ball wussten die beiden besser zu gefallen. Wolf legte das 2:3 durch einen starken, weil so kraftvoll und präzise gespielten Pass auf, des Weiteren viel er durch ein hohes Laufpensum (sechs Kilometer in einer Halbzeit) auf, durch das er das gesamte Feld beackerte und teilweise auch auf dem linken Flügel auftauchte, um die Seite zu überladen. Auch Mittelstädt hatte offensiv ein paar gute Szenen, auch wenn seine Flankenqualität nach wie vorne ausbaufähig ist. Mit der Zeit avancierte das Berliner Eigengewächs immer mehr zur Absicherung Torunarighas, der nun den offensiven Part übernahm. Diese Arbeitsaufteilung funktionierte wunderbar. Eine Zahl, die belegt, dass Wolf und Mittelstädt deutlich besser in der Partie waren als Dilrosun und Lukebakio: Wolf war 27 Mal am Ball, Mittelstädt sogar ganze 40 Mal.

Sowohl mit als auch besonders gegen den Ball traten Wolf und Mittelstädt eindeutig besser als Dilrosun und Lukebakio auf. Sie fügten sich weitaus präsenter in das Offensivspiel ihrer Mannschaft ein und agierten taktisch deutlich disziplinierter gegen den Ball, sodass Düsseldorf im zweiten Durchgang viel weniger Raum zum bespielen gelassen wurde. Sie waren somit wichtige Faktoren für die Aufholjagd der zweiten Halbzeit.