Im ersten Teil unseres Leihspielerupdates geht es um einen der ersten Transfers der Windhorst-Ära sowie zwei Hertha-Eigengewächse. Neben dem bisherigen Verlauf der Leihgeschäfte rücken wir auch die Chancen auf eine Hertha-Rückkehr der Spieler in den Fokus.Zudem befassen wir uns mit vier Spielern, die wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr im Trikot der Hertha sehen werden.
Daishawn Redan: Spieler und Verein im Aufschwung
Daishawn Redan wurde im vergangenen Sommer erst in letzter Minute von Hertha in die Niederlande nach Zwolle verliehen. Zur Stammelf von Zwolle zählte Redan sofort nach seiner Ankunft – trotzdem lief es im ersten halben Jahr der Leihe alles andere als rund. In der Hinrunde konnte Zwolle nur ein einziges Spiel gewinnen, in 17 Spielen erzielte die Mannschaft gerade einmal neun Tore. Wenig überraschend tat sich Redan als Offensivspieler in dieser Phase eher schwer.
Unter Trainer Art Langeler spielte Zwolle zumeist in einem 4-3-3. Zu Beginn der Saison wurde Redan einige Male auf den Flügeln eingesetzt, bevor der Trainer die Hertha-Leihgabe darauffolgend häufig als alleinigen Mittelstürmer aufbot. Immerhin zwei Tore konnte Redan bis Anfang November erzielen.
Nach einer 1:2-Niederlage gegen den vermeintlichen Mitabstiegskandidaten SC Cambuur tauschte Zwolle dann den Trainer: Für Art Langeler übernahm Dick Schreuder, von den verbleibenden sechs Spielen bis zur Winterpause verpasste Redan allerdings fünf verletzungsbedingt.
Mit dem Jahreswechsel starteten Zwolle und auch Redan richtig durch: In den sieben Eredivisie-Spielen in 2022 erzielte die Mannschaft mehr Tore als in der gesamten Hinrunde, holte vierzehn Punkte und reduzierte somit den Abstand auf das rettende Ufer auf nun mehr zwei Punkte. Genau wie Hertha BSC steht Zwolle in der Eredivisie aktuell auf dem Relegationsplatz.
Anteil daran hat auch Daishawn Redan, der in den letzten fünf Spielen zwei Tore erzielen und drei weitere auflegen konnte. Dabei profitiert der niederländische U21-Nationalspieler insbesondere von der mit dem Trainerwechsel einhergegangen Systemumstellung, statt im 4-3-3 spielt Zwolle mittlerweile in einem 3-5-2. Durch die Hinzunahme eines zweiten Mittelstürmers hat Redan so in Zwolles insgesamt immer noch defensiven Grundausrichtung immer eine direkte Anspielmöglichkeit.
Gerade das Festmachen von langen Bällen gehört, bei einer Körpergröße von 1,76 wenig verwunderlich, nicht zu Redans Paradedisziplinen. Durch die Umstellung auf zwei Sturmspitzen kann Zwolle sich im Abstiegskampf mittlerweile aber trotzdem auf das Stil-Mittel „langer Hafer“ verlassen.
Im Winter wurde mit dem Algerier Oussama Darfalou aber der ideale Spieler dafür geholt. Redan und er ergänzen sich zu einem für Zwolle sehr wertvollen Doppelsturm – passend dazu konnte Redan Darfalou bereits zwei Tore auflegen, und auch anders herum konnte der Hertha-Leihgabe bereits einmal assistiert werden.
Ebenjener Darfalou musste in Zwolles vorletztem Spiel gegen Feyenoord allerdings verletzt ausgewechselt werden, auch das darauffolgende Spiel verpasste er. In beiden Spielen gelang es Zwolle nicht zu punkten, somit rutschte man wieder auf den letzten Tabellenplatz ab.
Zuletzt wurde Redan zum Johan-Cruyff-Talent des Monats in der Eredivisie gekürt und in die Elf des Monats berufen – trotzdem ist es zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, dass es für Redan im Sommer bei Hertha weitergeht. Laut Kicker-Informationen soll Hertha an einem Verkauf des jungen Niederländers interessiert sein, Zwolle besitzt allerdings keine Kaufoption.
Jordan Torunarigha: Stammspieler und Pokalfinalist
Nachdem sich die Konkurrenzsituation in der Winterpause durch die Verpflichtung von Marc Oliver Kempf weiter verschärft hatte, wechselte Jordan Torunarigha kurz vor Schluss des Transferfensters leihweise für ein halbes Jahr zur KAA Gent nach Belgien.
Seit Torunarighas Debüt im Ligaspiel gegen Club Brügge Anfang Februar hat Gent in den nationalen Wettbewerben acht Pflichtspiele in Folge gewonnen. Mit sieben Siegen in Serie konnte in der Liga der ein Top-Vier-Platz erobert werden. Zudem machte die Mannschaft von Trainer Hein van Haezebrouck im Rückspiel des Pokalhalbfinales (ebenfalls gegen Club Brügge) ein 0:1 aus dem Hinspiel wieder wett und zog ins Pokalfinale ein, wo Torunarighas Team Mitte April auf den RSC Anderlecht trifft. Etwas bitter lief für Gent dagegen das Achtelfinale in der Europa-Conference-League gegen PAOK: Beide Spiele verloren die Belgier knapp und schieden demzufolge aus.
Torunarigha stand in acht der letzten zehn Pflichtspiele in der Startelf, einmal wurde er zudem in der Halbzeit eingewechselt. In Gents 3-4-1-2 spielt er in der Regel als linker Halbverteidiger in der Dreierkette. Die Defensive der KAA hat tatsächlich auch großen Anteil am aktuellen Erfolg: In den letzten zehn Spielen kassierte die Mannschaft nur fünf Gegentore, über die gesamte Saison betrachtet sind es bisher dagegen im Schnitt 0,93 Gegentore pro Spiel (in der Liga).
Im Ligaspiel gegen Zulte Waregem wurde Torunarigha jüngst sogar zum „Man of the match“ gekürt – obwohl er vor dem gegnerischen Tor freistehend per Kopfball vergab, wusste er mit einer abgeklärten Defensivleistung sowie seinen Dribblings überzeugen. Besonders wichtig für Torunarigha wird in den kommenden Wochen mit Sicherheit sein, verletzungsfrei zu bleiben und weitere Spielpraxis zu sammeln.
Wenn Torunarigha verletzungsfrei bleibt und seine ordentlichen Leistungen aus den ersten Spielen für die KAA Gent bestätigen kann, wird er im Sommer mit Sicherheit erstmal zu Hertha BSC zurückkehren. Wie es dann für ihn in Berlin weitergeht, hängt aber auch von Herthas taktischen Planungen ab. Sollte Hertha für die Saison 2022/2023 eher mit einem Spielsystem mit einer Dreierkette planen, wäre Torunarigha mit Sicherheit gut zu gebrauchen und in der Lage, im Kampf um einen Stammplatz mitzumischen.
Sollte man dagegen mit einer Viererkette planen, wäre man in der linken Innenverteidigung mit Kempf, Dárdai und Torunarigha eigentlich überbesetzt. Selbstverständlich könnte Torunarigha aber auch in diesem Szenario aufgrund seiner Anlagen zu ausreichend Spielpraxis kommen. Aktuell schafft er sich jedenfalls eine sehr gute Ausgangslage.
Jessic Ngankam: Endlich wieder auf dem Platz zu finden
Ein weiterer derzeit ausgeliehener Spieler, der am Saisonende voraussichtlich zu Hertha BSC zurückkehren wird, ist Jessic Ngankam. Zu Saisonbeginn nach Fürth verliehen, riss sich das Hertha-Eigengewächs dort bitterer Weise nach nur wenigen Tagen im Training das Kreuzband. Aus der Phase, in der Ngankam eigentlich zum ersten Mal in seiner Karriere regelmäßige Bundesliga-Einsätze sammeln wollte, wurde so eine Phase der Reha.
Einen großen Teil des Weges zurück hat Ngankam mittlerweile hinter sich – seit Mitte Februar steht er bei Fürth wieder im Mannschaftstraining, in den Spieltagskader hat er es bisher allerdings noch nicht geschafft. In Fürths 4-Raute-2 würde Ngankam wohl auf einer der beiden Stürmer-Positionen eingesetzt werden – in den vergangenen Wochen spielten dort stets Branimir Hrgota und Jamie Leweling, insbesondere Hrgota wusste mit vier Toren in den letzten sechs Spielen zu überzeugen.
In der aktuellen Bundesliga-Saison verbleiben nunmehr nur noch acht Spiele. Jessic Ngankam wäre es definitiv zu wünschen, dass er nach seiner langwierigen Verletzung zumindest noch ein paar dieser Spiele bestreiten kann. Den Anfang machte er in dieser Länderspielpause, im Testspiel gegen Regensburg konnte er immerhin in der Schlussviertelstunde mitwirken.
Wie es für ihn ab kommendem Sommer weitergeht, steht aktuell in den Sternen. Fürth besitzt eine Kaufoption für Ngankam. Ob diese gezogen wird, darf aber durchaus angezweifelt werden, nachdem er den Großteil der Saison verletzt verpasst hat.
Desweiteren berichtet der Kicker, dass Ngankam ähnlich wie bereits im letzten Sommer Interesse aus Belgien auf sich gezogen haben soll. Als möglicher Abnehmer wird der Erstligist KV Kortrijk genannt.
Krzystof Piatek: In Italien wieder zu alter Stärke gefunden
Der Pole spielt seit dem Wintertransferfenster wieder in Italien, wo er seine bisher erfolgreichste Zeit hatte.
Ein kleiner Rückblick: Im Transferwinter 2020 kam Krzystof Piatek für ca. 24 Millionen Euro vom AC Mailand. Dort kam er in 41 Spielen auf 16 Tore und zwei Assists, was schon eine deutlich schwächere Statistik darstellte, als bei seinem Engagement zuvor in Genua. Die damaligen handelnden Personen, allen voran Michael Preetz und Jürgen Klinsmann statteten den Stürmer mit einem lukrativen Vertrag in Berlin aus und setzten voll auf die Leistungen des neuen Starstürmers in der Hauptstadt.
Zwei Jahre nach dem Transfer muss man konstatieren, dass das Investment eher in die Hose gegangen ist. Zwar konnte Piatek immer wieder seine Klasse aufblitzen lassen, allerdings nie nennenswert Konstanz zeigen. In den zwei Jahren kam er insgesamt auf 58 Spiele für die „Alte Dame“, traf dabei 13 Mal ins Schwarze und konnte vier Assists beisteuern. Etwa alle 3,5 Spiel hatte der damit eine Torbeteiligung. Okay für einen Stürmer bei Hertha, allerdings zu wenig für das, was man sich von einem Spieler seiner Klasse vorgestellt hatte. In den letzten Wochen seiner Zeit in Berlin war er hinter Ishak Belfodil, Stevan Jovetic und Davie Selke lediglich Stürmer Nummer vier.
Sein Wechsel nach Florenz lässt sich bisher sehen. Für die Fiorentina kam er elf Mal zum Einsatz und konnte bereits sechs Tore beitragen. Gerade bei seinem Debüt im Pokal wusste er zu überzeugen. Mittlerweile ist es ihm gelungen, sich in die Startelf zu spielen und dort festzubeißen. Er kann an seine alten Leistungen aus früheren Zeiten in Italien anknüpfen. In Florenz ist er seit dem Abgang von Dusan Vlahovic zu Juventus Turin Stürmer Nummer eins. Er passt zusätzlich noch wunderbar ins System, wo er von seinen kreativen Mitspielern mit Bällen und Vorlagen gefüttert wird.
Bleibt er von dem Verletzungspech verschont, welches ihn zwischenzeitlich in Berlin heimsuchte, stehen die Chancen gut, dass er seine Statistik noch deutlich ausbauen wird. Aktuell scheint nichts gegen eine feste Verpflichtung zu sprechen. Die Kaufoption von 15 Millionen Euro ist auch in Anbetracht der hohen Ablöse, die die Italiener für Vlahovic einnehmen konnten, finanzierbar.
Omar Alderete: Bestens integriert und mit guten Leistungen in Valencia
Für vier Millionen Euro kam Omar Alderete am letzten Tag der Transferperiode im Sommer 2020 vom FC Basel. Als Ersatz für Karim Rekik sollte er schnell die Lücke in der Innenverteidigung stopfen. Der Paraguayer schien aber nie richtig in Berlin anzukommen. Es wirkte auch alles wie ein Nottransfer, der nicht großartig durchgeplant zu sein schien.
Insgesamt kam er auf 17 Einsätze, 13 davon über die volle Distanz. Dabei kassierte er zwei gelbe Karten und konnte keinen Beitrag in der Offensive leisten. Meistens wirkte er übermotiviert und überfordert und nicht wie ein Teil der Mannschaft. Auch sprachlich schien es Barrieren zu geben.
Seine Leihe zum FC Valencia zahlte sich bisher extrem aus. 23 Spiele absolvierte er in La Liga, er gehört zu den Leistungsträgern und konnte 14 Spiele über 90 Minuten absolvieren. Dabei gelangen ihm sogar zwei Tore. Elf gelbe Karten zeigen, dass er auch in Spanien eher rustikal zu Werke geht. Mit dem FC Valencia feierte er nach einen Sieg gegen Bilbao den Einzug ins Pokalfinale.
In der Copa-Del Rey kam er in vier von sechs Spielen zu Einsatz und steht jetzt vor einem Titel. Kleinere Verletzungen und mittlerweile zwei Corona-Infektionen sorgten zwischenzeitlich für Ausfälle, die ihm aber nicht nachhaltig schadeten.
Auch hier kann man davon ausgehen, dass der FC Valencia die Kaufoption von acht Millionen Euro schon bald ziehen wird.
Eduard Löwen: Überall glücklich, nur nicht bei Hertha
Möglicherweise handelt es sich bei Eduard Löwen einfach um einen Menschen, der mit dem hauptstädtischen Flair in Berlin nicht warm wird. Zwei Anläufe startete er, beide endeten unglücklich. Im Sommer 2019 kam er als Wunschtransfer von Ante Covic aus Nürnberg für sieben Millionen Euro. Der zentrale Mittelfeldspieler kam damals mit einer Empfehlung von drei Toren und drei Assists aus 22 Spielen. Eine gute Quote für einen Spieler, der mit seinem Team sang- und klanglos im jenen Jahr abgestiegen ist.
Doch für Hertha konnte er in seinem ersten halben Jahr nur sieben Mal sein Können zeigen, ganze zwei Spiele davon nur über 90 Minuten. Sein Wechsel zum FC Augsburg, wo er immerhin 16 Mal zum Einsatz kam und sogar zwei Tore erzielte, war ein Hoffnungsschimmer seiner stagnierenden Karriere. Die Rückkehr zu Hertha unter Bruno Labbadia verlief ähnlich enttäuschend, wie seine erste Zeit in Berlin.
Seit Beginn der Saison 2021/2022 ist er gesetzter Stammspieler in Bochum, kam wettbewerbsübergreifend auf 22 Einsätze und war an sechs Treffern beteiligt. Zusätzlich ist er ein gefährlicher Freistoß- und Standardschütze. Der VfL Bochum würde ihn gerne halten und die Leihe um ein Jahr verlängern. Da sollte vermutlich auch aus Berliner Sicht nichts dagegen sprechen.
Arne Maier: Das ewige Talent wird außerhalb Berlins zum gestandenen Profi
Gerade bei Arne Maier wäre es schön gewesen, ihn noch eine Weile in Berlin zu sehen. Doch seit dem Wintertransferfenster 2020 kokettierte er mit einem Wechsel. Wäre Maier nicht so oft wegen langer Verletzungspausen ausgefallen, wären sicherlich noch deutlich mehr Spiele für Hertha drin gewesen. Wettbewerbsübergreifend kam er von der Saison 2016/2017 bis zum Sommer 2020 auf 66 Einsätze für Hertha. Doch das vielbesprochene Talent konnte nie den gewünschten Mehrwert erspielen. Doch sein Talent ist weiterhin unumstritten.
Aufgrund persönlicher Geschichten war es ihm wichtig für eine Weile Berlin zu verlassen. Eine erste Station war Arminia Bielefeld 2020/2021, wo er vor allem unter Trainer Frank Kramer zum Leistungsträger avancierte. Damals kam er in elf der zwölf Spiele zum Ende der Saison zum Einsatz. Am Ende stand der erfolgreiche Klassenerhalt der Bielefelder und für Teile der Saisonvorbereitung kam er zurück nach Berlin. Als U21-Europameister wollte er zu den olympischen Spielen nach Tokio, was ihm vom zähneknirschenden Pal Dardai damals genehmigt wurde. Auch da hatte er sich vermutlich schon wieder von Hertha BSC distanziert.
Es kam zu einer weiteren Leihe, dieses Mal nach Augsburg, wo er sich als Stammspieler festspielen konnte. Bei den Schwaben kommt er auf 22 Einsätze, einer davon im DFB-Pokal. Der zentrale Mittelfeldspieler, der meistens mit seinem Kumpel und Kollegen aus U-Nationalmannschafts-Tagen, Niklas Dorsch, zusammenspielt, konnte in dieser Zeit sechs Assists beitragen.
Am 20. Spieltag konnte er nach langer Wartezeit bei der deutlichen 1:5-Niederlage in Leverkusen immerhin sein erstes Karrieretor im Profibereich feiern. Noch steht der FC Augsburg im Abstiegskampf. Sollte die Mannschaft sich am Ende der Saison retten können, ist die feste Verpflichtung für fünf Millionen Euro wohl nur noch Formsache.
Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?
Im sechsten und letzten Teil unserer Kaderanalyse widmen wir uns dem Mittelsturm. Wie haben sich Herthas Stürmer geschlagen und wie sieht die Lage für die neue Spielzeit aus?
Piatek und Córdoba – der unmögliche Vergleich
Wenn eine Mannschaft zwei so gute Stürmer wie Krzysztof Piatek und Jhon Córdoba in den eigenen Reihen hat, dann ist das grundsätzlich ein großes Glück. Auch wenn beide Spieler in ihrer Spielart und Rolle im Spielsystem völlig unterschiedlich sind, bringen sie eine große Qualität mit. Beide wurden für hohe Ablösesummen verpflichtet und mussten dementsprechend mit hohen Erwartungen in die Saison starten. Im Nachhinein muss man leider feststellen, dass die abgelaufene Spielzeit weder für den einen noch für den anderen optimal verlief.
Am Ende zählen bei Mittelstürmern die Torausbeute sowie die Anzahl der Torvorlagen: daran werden solche Spieler gemessen. Doch gerade da ist es unmöglich herauszustellen, wer von beiden Torjägern die bessere Saison spielte. Nicht nur wiesen beide jeweils sieben Tore und zwei Torvorlagen auf, sie erreichten diesen Wert auch in ähnlicher Spielzeit (Piatek 1.632 Minuten, Córdoba 1.541).
Zwar bewiesen beide ihre Stärken und ihr Torhunger, leider wurden sie immer wieder im Laufe der Saison zurückgeworfen und litten auch darunter, dass ihre Mannschaft so gut wie nie als Team funktionierte.
Jhon Córdoba – Fitness als Leistungsbarometer
So war es bei Jhon Córdoba die körperliche Fitness, die ihn im Laufe der Saison bremste. Erst verpasste er einen Großteil der Hinrunde aufgrund einer Bänderverletzung. Dann kehrte er erst 2021 zurück und stand in der wohl schwächsten Phase von Hertha (15. Bis 18. Spieltag) wieder in der Startelf. Ausgerechnet die ersten Spiele unter Cheftrainer Pal Dardai verpasste er erneut aufgrund eines Muskelfaserrisses.
Dass Dardai, sobald diese Verletzung auskuriert war, erneut auf den Kolumbianer setzte, kam nicht überraschend. Vom Spielertyp passte er genau zum neuen Trainerteam: „Er ist ein Krieger, tut 90 Minuten lang alles für sein Team.“, hieß es von Pal Dardai. „Vor einigen Jahren haben wir im Olympiastadion gesessen, ich habe versucht, ihn herzulocken. Aber wir hatten nicht genug Geld.“
Im Verlauf der Saison war mehrmals zu spüren, dass der 28-Jährige seiner Mannschaft bei seinen Einsätzen gut tat. Gerade seine Arbeit in der Sicherung von langen Bällen, seine körperliche Präsenz und sein Zug zum Tor waren wertvolle Elemente. Trotzdem kam er auch aufgrund seiner Ausfälle und die Schwierigkeiten seines Teams nicht wirklich dazu, einen Lauf zu starten. Am Ende verletzte er sich in der entscheidenden Phase erneut am Sprunggelenk und fiel für die letzten Saisonspiele aus.
Für die neue Spielzeit wird der Kolumbianer mit großer Sicherheit eine zentrale Rolle spielen. Ein Hauptaugenmerk wird dabei jedoch weiterhin die Fitness sein. Wenn der 28-Jährige über eine längere Zeit in Form bleibt, könnte er die Offensive von Hertha BSC auch in 2021/22 seinen Stempel aufdrücken.
Krzysztof Piatek – Hertha Edeljoker und Derbyheld
Etwas anders wird das Fazit bei Krzysztof Piatek ausfallen. Der Pole wurde über die gesamte Saison viel kritisiert, teilweise auch ohne sportlichen Grund. Wie beispielsweise ein Tousart wird der Ex-Mailänder stets ein seiner immens hohen Ablösesumme gemessen. Tatsächlich schien er, anders als sein Sturmpartner Córdoba, weniger gut zum Spielsystem seines Teams zu passen. Dass er dabei trotzdem immer wieder Torgefahr ausstrahlte und genauso gefährlich wurde wie der Kolumbianer wurde zu oft außer Acht gelassen.
Die hohe Ablösesumme und die hohen Erwartungen konnte der Pole bisher in der Höhe zwar nicht rechtfertigen. Doch individuelle Leistungen sind (wie wir bereits mehrmals im Verlauf unserer Kaderanalyse feststellen konnten) immer im Zusammenhang zu sehen: auch Piatek musste in einer schlecht zusammengestellten und dysfunktionalen Mannschaft agieren. Keine optimalen Zustände also, um als Torschütze und Vollstrecker zu glänzen. In einigen Partien bekam er so gut wie keine Bälle und kaum Möglichkeiten, seine Qualitäten in Szene zu setzen.
Immerhin erlebte der 25-Jährige einige Höhepunkte. Nach Sasa Kalajdzic war er in der abgelaufenen Saison der zweitbeste Joker der Bundesliga mit vier Treffern und zwei Vorlagen nach einer Einwechslung. Dazu konnte er ausgerechnet im Derby gegen Union Berlin beim 3:1 Erfolg von Hertha BSC seinen ersten Bundesliga-Doppelpack feiern.
Besonders bitter sollte es für Piatek zum Saisonende werden. Aufgrund einer Fraktur im Sprunggelenk im Spiel in Gelsenkirchen war nicht nur die Saison für ihn vorbei. Auch eine EM-Teilnahme wurde damit unmöglich. Nach dieser Verletzung ist trotz angeblichem Interesse von italienischen Vereinen wohl davon auszugehen, dass der Pole auch nächste Saison für Hertha stürmen wird. Wenn er zeitnah wieder gesund wird und voll in die Vorbereitung starten kann, hat der „Pistolero“ dann in der neuen Spielzeit genug Zeit um alle Zweifel aus dem Weg zu räumen.
Davie Selke – die unerwartete Rückkehr zu Hertha
Lange hatten sich Fans von Werder Bremen darüber geärgert, wie hoch die Ablöse für Davie Selke kosten würde, sollten es die „grün-weißen“ am Ende doch schaffen, die Klasse zu halten. Zu selten konnte sich der 26-Jährige in anderthalb Saisons bei Werder Bremen als Torschütze auszeichnen. Nur drei Bundesligatore erzielte der 1,94 Meter große Stürmer in dieser Zeit.
Dass er ausgerechnet zwei dieser drei Treffer gegen Hertha erzielte, gehörte wohl auch zur traurigen Ironie dazu, die Davie Selke begleitete. Am letzten Spieltag rutschte Werder Bremen auf den vorletzten Tabellenplatz ab und Davie Selkes Rückkehr zu Hertha BSC wurde offiziell. Nun müssen die Hertha-Verantwortlichen auf die hohe Ablöse für Davie Selke verzichten. Doch seine Rückkehr bedeutet auch eine weitere Option für den Berliner Sturm in der neuen Saison.
Unter Pal Dardai konnte sich zwar Selke selten gegen seinen damaligen Konkurrenten im Sturm Vedad Ibisevic durchsetzen. Trotzdem erlebte er auch starke Phasen bei Hertha BSC, insbesondere in der Saison 2017/2018, wo er mit 14 Pflichtspieltoren und vier Vorlagen glänzte. Was also für viele eine Ironie des Schicksals zu sein scheint, könnte für den 26-Jährigen noch zur großen Chance werden.
Die Erwartungen und der Druck in Berlin werden geringer sein, als in Bremen in der vergangenen Saison. Nimmt Davie Selke die neue Situation und den Konkurrenzkampf sofort an, hat er eine gute Chance, seine Situation nochmal umzudrehen. Sein Cheftrainer bei der „alten Dame“ ist bereit ihm diese Chance zu geben: „Er ist ein feiner, fleißiger Junge. Hier hat er funktioniert. Ich würde nie sagen: Davie kann nicht helfen.”
Jessic Ngankam – Klassenerhalt-Held vor Ausleihe
Vom Sympathie-Faktor ist wohl Jessic Ngankam ganz oben auf der Liste der Hertha-Fans. Von der Jugend über die U23 dann zu den Profis, um sein erstes Profitor gegen Manuel Neuer zu erzielen. Schließlich die verrückte Schlussphase der Saison und das Spiel in Gelsenkirchen, wo Ngankam beim 2:1 zum Helden wurde und den Klassenerhalt wohl sicherte. Die Jubelbilder des 20-Jährigen werden noch lange in Erinnerung bleiben.
Doch diese Schlussphase kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Saison aus individueller Sicht für Ngankam keineswegs positiv verlief. Nur 284 gespielte Minuten bei den Profis, und das obwohl gerade in der Offensive bei Hertha BSC diese Saison phasenweise kaum etwas lief, können nicht zufriedenstellen. Besonders angesichts des Potenzials des gebürtigen Berliners ist eine solch geringe Spielzeit fast schon zu schade.
In der neuen Spielzeit wird die Konkurrenz sicher nicht kleiner geworden sein. Die bereits angesprochene Rückkehr von Selke sorgt sogar für mehr Konkurrenz in der Sturmspitze. Ähnlich denken wohl die Hertha-Verantwortlichen, die ihrem Schützling mehr Spielpraxis bieten wollen. Ngankam soll laut einigen Gerüchten für die neue Saison verliehen werden.
Was sportlich sicherlich Sinn ergeben, jedoch einen bitteren Beigeschmack hinterlassen würde. Schließlich verzichtet man ungerne auf den Spieler, der einem noch zum Saisonende so starke Glücksmomente bereiten konnte.
Daishawn Redan ohne Zukunft? Konkurrenz im Hertha-Sturm
Fraglich wird auch sein, was aus Daishawn Redan (20) wird, der in der abgelaufenen Saison nur 95 Spielminuten bei den Profis bekam. Zwar wurde er nochmal im letzten Spieltag gegen Hoffenheim eingewechselt. Auch bei ihm ist aber zu bezweifeln, dass er mehr Spielzeit in 2021/22 bekommen könnte.
Mit einem bis 2024 laufenden Vertrag ist eine erneute Leihe grundsätzlich denkbar. Ein Verkauf des jungen Niederländers wäre allerdings auch nicht überraschend. Talentierte junge Stürmer haben die „blau-weißen“ in der eigenen Jugend auch noch, Ruwen Werthmüller (20) und Marten Winkler (18). Letzterer feierte sogar einen sehr kurzen Profidebüt gegen den 1. FC Köln.
Der Mittelsturm bei Hertha BSC ist also für die neue Saison bereits jetzt sehr gut besetzt. Eine Verpflichtung auf dieser Position scheint unwahrscheinlich. Sollte es doch zu einem Abgang eines der genannten Spieler kommen, würde sich die Situation etwas ändern. Man kann jetzt schon gespannt sein, wer ab August für die „alte Dame“ die Tore schießen wird.
Es geht wieder los. Endlich! Endlich? Die Aussicht auf weitere Bundesligaspiele vor leeren Rängen lässt anders als in bisherigen Sommerpausen nicht unbedingt das Wasser im Munde zusammenlaufen, doch die Welt dreht sich weiter und König Fußball regiert noch immer. So stand am Freitagnachmittag auch für unsere Hertha in Vorbereitung auf die Saison 2020/21 das erste (externe) Testspiel an. Gegner im Amateurstadion war die Viktoria aus Köln.
Und wie immer heißt Vorbereitung und Transferphase auch neue und altbekannte Gesichter auf dem Platz begrüßen – einige haben wir für euch bei diesem Damenduell in den Fokus genommen.
Deyovaisio Zeefuik – Die Lösung auf rechts?
Der niederländische Rechtsverteidiger kam in der Sommerpause nach längerem Hickhack vom FC Groningen und soll die bisherige Schwachstelle in der Viererkette beheben. Und nach zaghaften Anfangsminuten zeigte „Deyo“ auch wofür man ihn geholt hat. Im Zusammenspiel mit Dodi Lukébakio schaltete sich der Abwehrmann mehrmals mit in die Offensive ein und konnte mit seiner Schnelligkeit den Kölner Linksverteidiger vor Probleme stellen.
Zwar fehlte ihm bei seinem Flankenversuch in der 15. Minute noch ein wenig die Übersicht, doch schon in Minute 29 wurde es nach einem Doppelpass mit Lukébakio gefährlich bis ihn schlussendlich ein eigener Stolperer stoppte. Zwei Zeigerumdrehungen später war der Niederländer schon wieder am rechten Kölner Strafraumeck unterwegs und brachte mit einem schönen Pass in den Rückraum Krzysztof Piątek in Position, der sich aber ein wenig festlief. Schnurstracks nahm sich „Deyo“ selbst der Sache an, setzte nach und konnte die Chance am Leben erhalten, wenngleich Piąteks anschließende Flanke auf Jessic Ngankam zu ungenau kam.
Vor defensive Aufgaben wurde Zeefuik zu keiner Zeit gestellt, da werden naturgemäß ganz andere Kaliber auf ihn zukommen. Aber die angekündigten Offensivläufe, die Hertha in der letzten Post-Lazaro-Saison so vermisst hat, blitzten schon jetzt immer wieder auf und wurden im Laufe der Halbzeit immer koordinierter und vielversprechender. Trainer Bruno Labbadia war mit seinem neuen Rechtsverteidiger durchaus zufrieden, monierte aber das Zusammenspiel mit Lukébakio: “Das lag aber zum Teil auch an Dodi, weil er sich nicht gut bewegt und zu wenige Räume aufgemacht hat. Hinten hat Deyo seinen Laden im Griff, das Spiel nach vorn müssen wir entwickeln.”
Der Mann hat jedenfalls Lust auf Ausflüge und dabei reden wir nicht vom Sonntagspicknick. Es wird spannend, wie er sich in den nächsten Wochen und in der Bundesliga präsentieren kann.
Ondrej Duda – Neuer Trainer, Altes Glück?
Nach der starken Vorsaison kam Ondrej Duda in der Spielzeit 2019/20 nicht mehr wirklich zum Zug und „floh“ im Winter vor Renovator Klinsmann, der bei seiner „Fußballidee“ keine Verwendung mehr für den Slowaken fand, zum englischen Abstiegskandidaten Norwich City. Nachdem Norwich schließlich auch rechnerisch sicher den Gang in die englische Zweitklassigkeit antreten musste, kam Duda vorzeitig von der Leihe zurück, um rechtzeitig mit Hertha in die Vorbereitung zu starten und sich unter dem für ihn neuen Trainer Labbadia präsentieren zu können.
Und so durfte er in der zweiten Halbzeit im 4-2-3-1 die Zehnerposition übernehmen und war dabei einer der auffälligsten Spieler. Anders als seine Kollegen in Halbzeit eins suchte er auch mal vor dem Sechzehner den Abschluss und war dabei in bester Duda-Manier in Minute 55 nach einem kleinen Haken und in der 83. Minute mit einem Volley nach abgewehrter Flanke äußerst gefährlich.
Auch sonst war der 25-Jährige überall präsent, holte sich Bälle wahlweise zwischen den Innenverteidigern oder auf der Linksaußen-Position ab und suchte immer wieder schnell den Weg in die Spitze, was in der 77. Minute mit dem Hackenpass auf Javairo Dilrosun im Strafraum fast zum Erfolg führte. Dessen Hackenverlängerung auf Daishawn Redan versiegte aber irgendwo in den Kölner Abwehrbeinen. Auch bei Duda sah Labbadia noch Verbesserungsbedarf – “Ondrej muss noch ein Stück präsenter werden und das Spiel im vorderen Drittel noch mehr leiten – und noch mehr Tempowechsel drin haben” – allerdings verbuchen wir das mal unter den Motivationstricks.
Denn insgesamt hinterließ Duda einen sehr ordentlichen Eindruck und zeigte sich in passabler Frühform. Es bleibt zu hoffen, dass Labbadia anders als Klinsmann Verwendung für den Hertha-Topscorer 2018/19 findet und Duda sich weiter mit Lust und Laune dem Konkurrenzkampf um die offensiven Positionen stellt. Vielleicht lässt sich ja einer der Teamkollegen dazu bewegen, Duda für zehn geschossene Tore eine frische Rolex in Aussicht zu stellen.
Arne Maier – Jetzt oder Nie
Herthas Top-Talent, das im Winter noch überraschend mit Wechselabsichten in die Schlagzeilen geriet und in der Rückrunde nach längerer Verletzungspause nicht so richtig in Tritt kam, durfte sich in der Startelf an der Seite von Santiago Ascacíbar als offensiver Part der Doppelsechs beweisen.
Im Wechsel mit dem Argentinier schob Arne Maier bei Spielaufbau des Drittligisten aus dem 4-2-3-1 vor bis auf den gegnerischen Sechser, um diesen ordentlich unter Druck zu setzen, sodass Hertha im Pressing teilweise im 4-1-4-1 auf die Kölner Defensivreihen zukam. Schon früh versuchte Maier das Spiel an sich zu reißen, forderte einige Pässe, war ruhig und souverän am Ball und spielte mehrere sehenswerte Seitenverlagerungen in die Spitze, wie in der 14. Minute, als sein gut getimter Ball von Torunarigha nicht gut kontrolliert werden konnte und so die Kölner Abwehr genügend Zeit zum Formieren bekam. Auch später blieb auffällig, dass Ascacíbar und Maier sich sowohl im Pressing als auch im eigenen Spielaufbau häufig abwechselten, wobei dem Herthaner Eigengewächs dabei die „spektakuläreren“, raumbringenderen Pässe überlassen blieben.
Grundsätzlich funktionierte die Absprache und das Zusammenspiel auf der Doppelsechs ordentlich, Köln geriet aber durch die beiden nicht wirklich unter Druck, was vielmehr aber auch damit zusammenhängen mag, dass Matheus Cunha auf der 10 bis zur 40. Minute einen schwachen Auftritt hinlegte und sowohl offensiv als auch defensiv kaum etwas zustande brachte.
Arne Maier hingegen arbeitet sich so langsam aber sicher wieder an seine Form heran, die ihn vor seiner Verletzung im Frühling 2019 zum Stammspieler bei Hertha machte. Die Verantwortlichen um Michael Preetz, Arne Friedrich und Labbadia scheinen ihm aufgezeigt zu haben, mit ihm weiter geduldig auf seine Topform hinarbeiten zu wollen und in ihm noch immer ein wichtiges Puzzleteil für Herthas Zukunft zu sehen. Zumindest sind keine neuen Abwanderungsgedanken publik geworden, die anderes vermuten lassen.
Nichtsdestotrotz steht Maier vor einer wichtigen Saison. Es liegt an ihm, trotz seines noch jungen Alters jetzt den nächsten Schritt zu gehen und den Talent-Status abzustreifen, um sich bei Hertha zu etablieren und vielleicht auch für größere Vereine interessant zu machen, wie es sein Karriereplan wohl vorsieht. Sofern er verletzungsfrei bleibt, könnte er trotz der großen Konkurrenz im Mittelfeld und den Transfergerüchten um einen weiteren zentralen Mittelfeldspieler genau diesen Schritt gehen und dem Spiel der Hertha neben einem defensiveren Abräumer wie Ascacíbar oder Lucas Tousart offensiv seinen Stempel aufdrücken.
Mit Labbadia hat Arne Maier einen selbsterklärten Förderer der Jugend an der Seitenlinie. Die oft zitierte Tür steht also auf – und Maier muss durch – jetzt oder vielleicht nie.
Und dann war da noch:
Dodi Lukébakio, der mit seinen Dribblings in Halbzeit eins für die meisten der wenigen kreativen Offensivmomente im letzten gegnerischen Drittel sorgte. Das Zusammenspiel mit Neuzugang Zeefuik hakte noch hier und da, dieses Duo sollte man aber aufgrund der immensen Dynamik im Auge behalten. In der 41. Minute drosch er die Kugel nach Vorarbeit von Cunha frei vor Mielitz zum 1:0 ins kurze Eck.
Matheus Cunha, der mit seiner ersten gelungenen Aktion direkt das Tor von Lukebakio vorbereitete. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte traf er dann nach Vorlage von Piątek beinahe selbst. Insgesamt dieses Mal trotzdem weniger Genie als Wahnsinn.
Alexander Schwolow, der mit einer nahezu 100 %-igen Passquote bestach. Seine Torwarthandschuhe hätte er für den Einsatz aber zuhause lassen können.
Daishawn Redan, der stets bemühte Stürmer, der sich in der 79. Spielminute nach starkem Labbadiola’schem Pressingballgewinn durch Dilrosun über die Zwischenstation Leckie mit dem 2:0-Schlusstreffer in die Torschützenliste eintragen durfte.
Lucas Tousart, der dritte „Leihrückkehrer“, der defensiv kaum gefordert wurde, offensiv mit einigen Seitenwechseln seine Übersicht bewies und sich kaum anmerken ließ, dass er zurzeit vielleicht doch lieber gegen Juve und ManCity spielen würde. Ein ordentlicher Ersteindruck, auch aufgrund des Faktes, dass der Franzose zuvor vier Monate nicht mehr Fußball gespielt hatte. Sein erwachsenes Spiel und der Drang, auch mal in den gegnerischen Strafraum zu stürmen, gefielen.
Eine turbulente Spielzeit hat am 27. Juni ihr Ende gefunden. Zwar hat COVID-19 alle Bundesliga-Team gleichermaßen getroffen, vor der Pandemie hat Hertha BSC das Rennen als von Krisen gebeutelster Verein aber zweifellos gemacht. Selten ist es in der vergangenen Saison um Sportliches gegangen, doch genau diesem Thema wollen wir uns mit dieser Artikelserie widmen: In unserer Kaderanalyse wollen wir die einzelnen Positionen genauer unter die Lupe nehmen und die Frage beantworten, ob Hertha dort nach Verstärkungen für die kommende Saison suchen sollte.In diesem Teil wird die Position der Mittelstürmer näher beleuchtet.
Hertha und die Stürmer – ein schwieriges Thema. Denn gefühlt hat es nach Michael Preetz, Marcelinho und Marco Pantelic keinen Hertha-Stürmer mehr gegeben, der über Jahre hinweg, ligaweit und konstant für seine Torgefahr gefürchtet war. Durch Herthas neuen Reichtum, hoffnungsvolle Nachwuchsstürmer und die Trainerwechsel hat sich aber auch auf dieser Position in der abgelaufenen Saison viel getan. Grund genug, um den Sturm in unserer Kaderanalyse unter die Lupe zu nehmen.
Vedad Ibisevic – Ein versöhnliches Ende?
Stürmer werden bekanntlich nach Toren bewertet. Schaut man sich die Tor-Statistiken von Hertha aus der vergangenen Saison an, wird klar, dass die Effizienz der Torbeauftragten viel Luft nach oben hat. Denn unter den fünf Spielern mit den meisten Treffern ist Vedad Ibisevic der einzige „echte“ Stürmer. Der Bosnier Ibisevic hat mit zehn Saisontoren (Liga und Pokal) in der vergangenen Saison die meisten Tore erzielt, wobei sieben Tore in Ligaspielen und drei Tore in Pokalspielen erzielt wurden. Auch eine andere Statistik spricht für den 36-Jährigen: Mit durchschnittlich 136 Minuten hat Ibisevic von allen Hertha-Torschützen am wenigsten Zeit benötigt, um erneut zu treffen. Allerdings ist der „Vedator“ mit diesen Werten noch weit von der Ligaspitze entfernt: Robert Lewandowski (34 Ligatore, 72 Minuten/Tor) und Timo Werner (28 Tore / 106 Minuten/Tor) agieren in anderen Sphären.
Und dennoch hat Ibisevic für seine und Herthas Verhältnisse eine gute Saison gespielt, in der weniger die Quantität sondern mehr die Bedeutung seiner Treffer bestach. Man denke nur an das Spiel in Köln in der Hinrunde, in dem der Bosnier den „Effzeh“ nach seiner Einwechslung in der zweiten Halbzeit quasi im Alleingang mit einem Doppelpack besiegte. Nach einem missglückten Saisonstart war der Sieg gegen Köln im Herbst 2019 eines der wenigen Lebenszeichen der von Ante Covic geleiteten Hertha.
Schaut man auf die vergangene Saison zurück, waren es eher die Trainer als Ibisevic selbst, die dafür sorgten, dass der „Vedator“ nicht häufiger traf. Denn Covic und Klinsmann setzten beide konstant auf Selke, was sich als krasser Fehler herausstellte. Erst Bruno Labbadia, der mit dem Bosnier schon in Stuttgart erfolgreiche Zeiten erlebt hatte, erkannte die Qualitäten Ibisevics: Er kann aus dem Mittelfeld angespielt werden, die Bälle dabei „festmachen“, holt einige Freistöße in wichtigen Positionen heraus und – das zeigte das oben angesprochene Köln-Spiel par excellence – hat kluge Laufwege, die ihn immer wieder in die gefährlichen Räume bringen. Ein echter Torjäger eben.
Trotzdem soll Ibisevic in der kommenden Saison wohl nicht mehr für die Hertha auflaufen. Trotz spannender Nachwuchspieler und neu eingekaufter Stars ist dies ein riskantes Unterfangen: Ibisevic hatte zwar immer wieder auch schlechte Phasen. In seinen guten Zeiten war er aber immer wertvoll, teils spielentscheidend. Mit 56 Ligatoren für Hertha liegt er auf Platz zehn der Rekordtorschützen unseres Vereins. In allen seinen fünf Spielzeiten in blau-weiß gehörte Ibisevic mindestens zu den drei besten Torschützen der Mannschaft. Er und Salomon Kalou waren viele Jahre die Lebensversicherung der “alten Dame”. Nachdem die Leistungskurve in den jüngeren Zeit allerdings noch unten zeigte, wird die viel wichtigere Frage sein, wie das aus vielen jungen Spielern und Neueinkäufen zusammengesetzte Team den Abgang zweier „Leader“ (Ibisevic und Skjelbred) verkraften kann.
Ein offizielle Verabschiedung des “Vedators” hat es seitens des Vereins allerdings noch immer nicht gegeben. Es ist also nicht zu 100 Prozent auszuschließen, dass der 36-Jährige nicht doch noch eine weitere Saison in Berlin auf Torejagd geht. Hertha soll nach einem neuen Stürmer suchen, doch sollte dieses Unterfangen nicht glücken, weil z.B. kein geeigneter Kandidat zu finden oder nicht zu finanzieren ist, könnte es eine “Rückkehr” Ibisevic’ geben – sollte dieser keine interessantere neue Herausforderung angeboten bekommen. Falls dies jedoch das Ende gewesen sollte, kann Ibisevic als bester Hertha-Torjäger der vergangenen Saison guten Gewissens abdanken.
Davie Selke – Letzte Chance vertan
Nach der Saison 19/20 kann man nun wohl mit Sicherheit feststellen: Davie Selke wird keine Zukunft mehr bei Hertha BSC haben. Nach einer recht guten Saison 17/18 (zehn Tore in 27 Liga- und Pokalspielen) und einer schwächeren zweiten Hertha-Saison (drei Tore in 30 Spielen) folgte eine enttäuschende Hinrunde 2019, in welcher der mit vielen Hoffnungen verbundene Stürmer in 19 Spielen ein einziges Tor schoss.
Dabei kann sich Selke nicht darüber beschweren, dass er bei Hertha zu wenige Chancen bekommen hätte. Schon in der Saison 18/19 wurde er von Pal Dardai oft bevorzugt, zahlte das Vertrauen aber fast nie zurück. Und auch in der vergangenen Saison setzten Covic und Klinsmann klar auf Selke und degradierten den Mannschaftskapitän Vedad Ibisevic zum Bankdrücker. Klinsmann sah Selke sogar mittel- bis langfristig im Nationalkader – eine von vielen Fehleinschätzungen des ehemaligen Nationaltrainers. Dass Selke auch in der vergangenen Saison keinen Anschluss fand, lag an seinem Spielstil. Er ackert zwar auch im Mittelfeld, um sich Bälle zu erobern. Allerdings kann er im Gegensatz zu Ibisevic nur selten Bälle festmachen, auch seine Dribbling-Qualitäten lassen zu wünschen übrig. Hinzu kommen recht unkreative Laufwege, sodass er nur selten für Dynamik und Überraschungen im Spiel sorgt. Michael Preetz hatte einen ähnlichen Spielstil, der oft etwas unkonventionell bis ungeschickt wirkte. Allerdings hatte Preetz die Gabe, das Spiel besser zu lesen und in den richtigen Momenten am richtigen Fleck zu sein.
Die Zukunft des 25-Jährigen ist noch nicht final geklärt, schließlich muss Werder Bremen auch in der kommenden Saison die Klasse halten, damit die Kaufpflicht aktiviert wird – mindestens zehn Millionen würde Selke dann einbringen, womöglich sogar 15 Millionen, doch der damit verbundene Umstand, dass Bremen Europa erreicht, ist wohl illusorisch. Das ernüchternde Fazit zu Selke ist, dass der Stürmer ein nicht eingelöstes Versprechen ist. 2017 für damals viel Geld nach Berlin gekommen, sollte er die Zukunft des Berliner Mittelsturms sein, doch bis auf wenige Spiele, wie beispielsweise sein Doppelpack beim 3:2-Sieg über RB Leipzig, ist er diesen Erwartungen hinterhergehinkt. Es sollte nicht sein.
Krzysztof Piątek – Herthas neue Sturm-Hoffnung
Mit 24 Millionen Euro ist der Pole Krzysztof Piątek Herthas zweitteuerster Transfer der Vereinsgeschichte. Seine bisher größten Erfolge feierte Piątek zuvor in Italien, wo er zunächst für den CFC Genova 13 Tore in 19 Spielen machte und später in 36 Einsätzen 13 mal für den AC Mailand traf. Als Zlatan Ibrahimovic dann im Winter 19/20 nach Mailand wechselte, verlor der polnische A-Nationalspieler seinen Stammplatz und geriet zugleich ins Visier der Hertha, die nach einer sehr enttäuschenden Hinrunde eine „Tormaschine“ brauchte.
Piąteks Stil ist schnörkellos: Bekommt er einen Ball in aussichtsreicher Position, sucht er sofort den Abschluss. Kreatives Passspiel und die Einbindung in längere Ballstafetten gehören offenbar nicht zu seinen Stärken, was oftmals dazu führt, dass Piątek phasenweise „untertaucht“ und etwas wenig Anbindung ans Spiel hat. Das ist aber auch okay – schließlich benötigt Hertha nach den Abgängen von Ibisevic, Selke und Kalou schlichtweg einen Stürmer, der regelmäßig Tore schießt. Dass der Pole diese Rolle bei Hertha in der kommenden Saison einnimmt, ist nicht unwahrscheinlich. Denn in den letzten Saisonspielen zeigte Piątek eine zufriedenstellene Leistung. In seinen 16 Hertha-Spielen (Liga und Pokal) kam Piątek auf fünf Treffer und eine Vorlage.
Dennoch ist weiterhin Luft noch oben klar erkennbar. Das sieht auch Trainer Bruno Labbadia so, der zuletzt gegenüber dem Berliner Kurier sagte: “Er läuft viel und macht viel. Die Statistiken sind sehr gut. Was man sagen kann, Krzysztof arbeitet extrem viel – auch außerhalb des Platzes. Er hat Fähigkeiten, die er mehr einbringen muss. Wir müssen es schaffen, ihn in seiner Position besser einzusetzen. Und er muss auch daran arbeiten. Er muss präsenter im Strafraum werden. Er muss noch effektiver werden.”
Pascal Köpke – Abschied wahrscheinlich
Wenn man sich im Internet nach Toren von Pascal Köpke umschaut, bekommt man einige beeindruckende Szenen zu sehen. Allerdings erzielte Köpke diese Tore fast ausschließlich im Trikot der „Veilchen“ von Erzgebirge Aue. Satte 18 Scorer-Punkte in 34 Zweitliga-Spielen gingen damals in einer Saison auf sein Konto. Zur Hertha wechselte der Stürmer vor der Saison 18/19 und hat seit dem eigentlich nie eine entscheidende Rolle gespielt. In der vergangenen Saison kam Köpke auf vier Ligaspiele und einen Pokaleinsatz.
Dieses eine Pokalspiel hatte es allerdings in sich: Sehr überraschend hatte ihn Jürgen Klinsmann gegen Schalke in die Startelf befördert. Und zum ersten Mal machte Köpke im Hertha-Dress einen Unterschied: In klassischer Mittelstürmer-Manier machte er das 1:0 und legte wenig später das 2:0 vom damaligen Neuzugang Krzysztof Piątek auf. In den Klinsmann-Wochen kam Köpke zu einigen wenigen Einwechslungen. Besonders dürfte diese Zeit für ihn auch gewesen sein, weil sein Vater kurzzeitig Torwarttrainer bei Hertha war.
Unter Bruno Labbadia spielte Köpke dann erneut keine Rolle mehr. Ein Abschied ist mit Blick auf die anstehenden Kaderveränderungen wahrscheinlich. Die damalige Verpflichtung des quirligen Angreifers war eine Spekulation auf die Zukunft: Der Sprung von Aue nach Berlin war so groß, dass es nicht unwahrscheinlich gewesen ist, dass Köpke eben jenen Schritt nicht vollziehen kann. Das Experiment gilt wohl als gescheitert, 13 Einsätze und gerade einmal 264 Minuten in zwei Jahren belegen diese These.
Daishawn Redan – Der ungeschliffene Diamant?
Daishawn Redan ist ein 19 Jahre junger Mittelstürmer, der in der niederländischen Ajax-Schule groß geworden ist, vor einigen Jahren zu Chelsea wechselte und seit Anfang der vergangenen Saison bei Hertha spielt. Redan wurde teilweise als das „Wunderkind“ von Ajax und Chelsea beschrieben – die Verpflichtung durch Hertha weckte daher Hoffnungen. Auch wenn wir von Redan noch nicht viel gesehen haben – seine Statistiken klingen spannend. In der niederländischen Jugendmannschaften traf Redan zuletzt fast in jedem Spiel. In der U18 und der U19 der Londoner erzielte der Niederländer 18 Tore.
Und auch im Hertha-Dress hat Redan schon getroffen: In seinen acht Einsätzen für die U23 von Michael Hartmann kam Redan auf vier Tore. Im Profi-Team wurde er bislang nur einmal eingesetzt: Bei der 0:3 Heimniederlage gegen Wolfsburg am 2. Spieltag. In der Rückrunde wurde Redan dann an den niederländischen Erstligisten FC Groningen verliehen, wo er einige Spiele bewältigte, aber keine Tore machte – bis die Saison 19/20 wegen des Coronavirus abgebrochen wurde. Gemeinsam mit Jessic Ngankam könnte sich Redan in der kommenden Saison um die Rolle des besten Nachwuchsstürmers streiten. In jedem Fall sollte Hertha ihn nicht voreilig ziehen lassen.
Jessic Ngankam – Herthas eigenes Sturm-Juwel
Immer wieder kommen aus der Hertha-Jugend vielversprechende Talente in die Profi-Mannschaft. Dass diese Spieler aber schon mit 18 oder 19 Jahren von mehreren europäischen Spitzenclubs gejagt werden, passiert nicht sehr oft. Bei Jessic Ngankam ist das aber der Fall. Obwohl im Mai dieses Jahres von Interesse aus München und Salzburg berichtet wurde, unterschrieb das Berliner Eigengewächs seinen ersten Profivertrag bei Hertha. Belohnt wurde er von Bruno Labbadia mit mehreren Einwechslungen. Im letzten Saisonspiel gegen Mönchengladbach sammelte Ngankam sogar seinen ersten Scorer-Punkt, als er Ibisevic seinen wohl letzten Hertha-Treffer auflegte. In Hartmanns U23 zeigte Ngankam in der vergangenen Saison, was in ihm steckt: In 22 Spielen traf er elf Mal – seine Torquoten in den Jugendmannschaften Herthas sind noch beeindruckender. Schön, dass Labbadia den Nachwuchsspielern häufig Chancen gibt. Ngankam hat sie verdient – es wäre toll, wenn er sich einen Platz im Team ergattert.
Muhammed Kiprit – Geht da noch was?
Einen ähnlichen Text wie über Ngankam hätte man in den vergangenen Jahren vor Saisonbeginn jeweils auch über Muhammed Kiprit schreiben können. Der gebürtige Berliner hat in der Jugend für Hertha viele Tore geschossen, 2018 wurde er dann zum Hertha-Profi. Doch seitdem steht die Entwicklung still. In der Rückrunde 18/19 wurde Kiprit für ein paar Monate nach Innsbruck verliehen. In der vergangenen Saison lief er dann wieder 21 mal für die U23 von Hertha auf – und machte beachtliche 16 Tore bei fünf Vorlagen. Alleine diese Werte zeigen, dass Kiprit als Stürmer wertvoll sein kann. Vielleicht bekommt er bei Labbadia ja noch eine Chance – es ist allerdings nicht davon auszugehen.
Fazit
Obwohl Hertha in der vergangenen Saison mit Ibisevic und später auch Piątek zwei klassische Strafraumstürmer hatte, die für wichtige Tore sorgten, gibt es nach wie vor ein Stürmerproblem. Das zeigen mehrere Statistiken. Mit sieben Ligatreffern sind Vedad Ibisevic und Dodi Lukebakio Herthas erfolgreichste Torschützen und rangieren damit auf Platz 33 der Torjäger-Liste der Bundesliga. Dass bei Hertha die Torgefahr zumeist nicht von Stürmern sondern von offensiven Mittelfeldspielern (Lukebakio, Cunha, Kalou, etc.) ausgeht, zeigt auch ein Blick in die Scorer-Liste der Liga. Mit sieben Treffern und sechs Vorlagen ist Lukebakio auf Platz 31 bester Herthaner. Das mag sicherlich auch an den vielen Trainerwechseln der vergangenen Saison liegen: Denn unter Klinsmann und Covic hatte der einzige treffsichere Stürmer Ibisevic in der Hinrunde wenig Einsatzzeit. Wer weiß, wie viele Tore der „Vedator“ gemacht hätte, wenn er Selkes Spielzeit bekommen hätte …
Hoffnung machen aber die jüngsten Entwicklungen unter Bruno Labbadia, der selbst jahrelang auf Torejagd ging. Einerseits erkannte Labbadia, dass Ibisevic nach seinen Hertha-Jahren als Stürmer am besten mit dem Rest der Mannschaft verbunden ist – der Bosnier zahlte dies mit guten Leistungen und Treffern zurück. Andererseits baute Labbadia gleichzeitig Neuzugang Piątek auf – der Pole wurde von Spiel zu Spiel besser und konnte zeigen, dass er Ibisevics Platz als gefährlicher Strafraumstürmer einnehmen könnte. Hoffnung machen auch Nachwuchs-Talente wie Ngankam oder Redan, die unter Labbadia sicherlich ihre Zeit bekommen werden.
Ganz egal, wer vorne spielt – Hertha muss auch spielerische Probleme lösen. Sowohl mit Ibisevic als auch mit Selke und Piątek hat es in der vergangenen Saison zu oft so gewirkt, als habe der Sturm keinen Anschluss ans Mittelfeld gehabt. Der Abstand der Stürmer zu den kreativen Passgebern war oft zu groß, sodass nur selten spielerisch-dynamisch Gefahr entstanden ist. Wünschenswert wäre es daher, dass der Strafraumstürmer Piątek einen weiteren spielstarken Stürmer an seine Seite bekommt. Vielleicht können diese Aufgabe ja die Talente Ngankam und Redan erfüllen – vielleicht aber auch ein weiterer Neuzugang.
Schweigen ist Silber, Redan ist blau-weiß! Gut, nachdem der obligatorische Wortwitz durchgekaut wurde, soll in diesem Artikel die Verpflichtung von Nachwuchsstürmer Daishawn Redan analysiert werden. Der 18-jährige Niederländer schließt sich bis 2024 der “Alten Dame” an und soll mit Maier, Dilrosun und co. die Zukunft des Vereins sein. Redan ist jedoch nicht nur eine Wette auf die kommenden Jahre, sondern auch ein weiterer Meilenstein in der Prestige-Entwicklung von Hertha BSC.
2,5 Millionen Euro ist keine Summe mehr, bei der Hertha-Fans wirklich hellhörig werden. So viel Geld hat man auch für Alexander Esswein in die Hand genommen und das war ein nur mäßig erfolgreiches Geschäft. Mittlerweile braucht es schon deutlich größere Zahlen, um einen Bundesliga-Kader zu verstärken und Aufmerksamkeit auf dem Transfermarkt zu erhaschen. Das hat sich auch in Berlin herumgesprochen und so fließen seit jüngstem spürbar mehr Taler von der Spree ab: ein Davie Selke kostete acht Millionen Euro, Valentino Lazaro insgesamt (Leihgebühr plus Ablösesumme) sogar 10,5 und Eduard Löwen, in diesem Sommer aus Nürnberg gekommen, ist mit sieben Millionen der bisherige Toptransfer der aktuellen Transferperiode. Zahlt Hertha angesprochene 2,5 Millionen Euro für einen gerade einmal 18-Jährigen mit absolut null Profi-Erfahrung, dann lohnt es sich hingegen, einmal genauer hinzuschauen.
Exzellente Ausbildung
Denn mit Daishawn Redan wechselt ein Talent nach Berlin, das vor lauter Vorschusslorbeeren wohl kaum noch laufen kann. Der gute Eindruck stellt sich bereits mit seinem abgebenden Verein, dem FC Chelsea, ein. Der Londoner Klub steht seit über einem Jahrzehnt für ein herausragendes Jugendspielerscouting, welches Talente sehr früh erkennt und in den europäischen Spitzenfußball geführt hat – zu nennen sind beispielsweise Romelu Lukaku, Kevin De Bruyne oder Mohamed Salah. Auch ein Callum Hudson-Odoi, seit Monaten vom FC Bayern München umgarnt, steht stellvertretend für die starke Jugendarbeit der “Blues”.
Foto: Marc Atkins/Getty Images
Hinzu kommt Redans Vergangenheit bei Ajax Amsterdam, eine der bekanntesten Talentschmieden der Fußballwelt. Dort haben zuletzt Spieler wie Matthijs de Ligt (Juventus Turin) oder Frenkie de Jong (FC Barcelona) den Weg in den Weltfußball gefunden, auch Herthaner Javairo Dilrosun hat eine Ajax-Vergangenheit. “Ich bin als Achtjähriger zu Ajax gekommen und habe dort das Fußballspielen wirklich von klein auf gelernt. Mit 16 bin ich dann nach England gegangen. Zu Beginn war es nicht leicht. Ich habe die Sprache nicht gut gesprochen, die Familie war weit weg und ich kannte das Leben in einem anderen Land nicht. Aber nach vier, fünf Monaten fühlte ich mich wohler”, beschreibt der Redan seinen Weg von seiner Heimat auf die Insel.
Hertha fasst die bisherige Karriere des Niederländers wie folgt in Zahlen zusammen: “Im Jahr 2017 wechselte Redan im Alter von 16 Jahren als amtierender niederländischer U17-Meister zum Chelsea FC. Für die U18 und U19 der Engländer gelangen dem flinken Offensivspieler in 29 Partien 18 Tore und sieben Vorlagen – darunter neun Treffer und fünf Assists in der UEFA Youth League. Zudem holten seine Teams ein Mal die Meisterschaft und ein Mal den Pokal. Für die U23 der ‘Blues’, in die Redan im Januar 2018 aufrückte, schoss er in 34 Pflichtspielen 14 Tore. Für die niederländischen Junioren-Nationalmannschaften lief das Nachwuchstalent 51 Mal auf (42 Tore), die U17 führte er 2018 als Kapitän zur Europameisterschaft.” Fakten, die sich allesamt sehen lassen.
Drogba, Kluivert, Redan
Doch Zahlen isoliert zu betrachten, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Welchen Spielertypen bekommt Hertha mit Redan? “Daishawn ist schnell, laufstark und passt perfekt in unser Anforderungsprofil”, so die kurze Einschätzung von Manager Michael Preetz. Diese lässt sich mit den Eindrücken anderer gut abgleichen, denn ein aufmerksamer Beobachter des internationalen Jugendfußball beschrieb den 1,77m großen Mittelstürmer wie folgt: “Seine starke Physis erinnert an ein Droga-ähnliches Profil. Er kann das Spiel aufrechterhalten und kreiert Chancen für sich selbst oder seine Teamkollegen. Generell hat er einen starken rechten Fuß, aber auch einen anständigen linken”, sodass der 18-Jährige auch auf beide Flügel ausweichen kann. Weiter führt er aus: “Generell ist er auf den ersten Metern sehr schnell und gut darin, sich von seinem Verteidiger zu lösen, sodass er sich schnell mit und ohne Ball drehen kann. Das macht ihn unvorhersehbar und nur schwer greifbar.”
In der für einen Mittelstürmer wichtigsten Disziplin, dem Erzielen von Toren, brilliert Redan ebenso: “Seine größte Stärke ist allerdings sein Instinkt vor dem Tor. Er besticht mit sehr viel Ruhe und Coolness. Er kann quasi aus dem Nichts Tore erzielen.” Das belegen auch die bereits aufgeführten Zahlen im Verein wie Nationalmannschaft. Piet de Wisser, langjähriger Profi-Trainer und Mit-Entdeckter von Spielern wie Ronaldo, De Bruyne und Ajren Robben, sagte über Redan: “Er ist ein eiskalter Stürmer, der sehr leicht Tore schießt, was etwas ganz Besonderes ist, weil so schwer fassbar und hart zu trainieren – und das macht ihn wiederum zu etwas Besonderem.” So verwundert es nicht, dass 2017 neben Chelsea auch Vereine wie Manchester United und co. an Redan interessiert waren. Redan selbst sagt über sich: “Als eine Art Vorbild habe ich Patrick Kluivert. Ich mag es, vorne früh zu attackieren, um dann umzuschalten und zu treffen. Darum geht es!”
Lockvogel Bundesliga
Es stellt sich nach all den Lobpreisungen natürlich die Frage, warum solch ein talentierter Spieler den Schritt weg vom großen FC Chelsea hin zum Tabellenelften der zurückliegenden Bundesliga-Saison macht. Wenn Redan über solch ein riesiges Potenzial verfügt, neben Hudson-Odoi als eines der größten Academy-Talente Chelseas galt und mit Artikeln a la “Do Chelsea have a future world class striker in Daishawn Redan?” geadelt wird, warum dann Hertha?
Foto: Monika Majer/Getty Images
“Hertha BSC hat mir die beste Perspektive geboten! Ich hatte in den Gesprächen das Gefühl, dass ich hier den nächsten Schritt gehen kann. Ich möchte mich bei den Profis durchsetzen und in der Bundesliga spielen”, beantwortet Redan diese Frage und führt weiter aus:” Die Liga ist qualitativ stark, aber ich möchte meine Partien bekommen und auch Tore schießen. Nach meiner ersten Saison möchte ich sagen können, dass ich ein besserer Spieler geworden bin. Das ist mein Ziel.” Perspektive ist also das Stichwort. Mit Olivier Giroud, Michy Batshuayi und Tammy Abraham tummeln sich nicht gerade die schlechtesten Stürmer der Premier League bei den “Blues”, zumal die englische erste Liga als äußerst hartes Pflaster für Nachwuchsspieler gilt. Die Chancen, bei den Chelsea-Profis durchzustarten, hätten daher gen null gezeigt.
Und so geht Redan einen Weg, den zuletzt zahlreiche Talente von der Insel vorgemacht haben. Wenn es bei dem großen englischen Verein nichts wird, dann scheint der Umweg über die Bundesliga äußerst beliebt. Zuletzt haben Jadon Sancho (BVB), Ademola Lookman (Leipzig), Reiss Nelson (Hoffenheim) oder Reece Oxford (M’Gladbach und Augsburg) aufgezeigt, welch positiven Einfluss ein Wechsel nach Deutschland für die eigene Karriere haben kann. Seit einigen Jahren hat sich die Bundesliga einen Ruf als ausgezeichnete Ausbildungsliga erarbeitet, so zeigte die Statistik von ran.de aus dem Oktober letzten Jahres auf: “in der Bundesliga kommen schon 65 Spieler, die 21 oder jünger sind, auf mindestens zehn Einsätze. Das sind fast doppelt so viele wie in England.” Deutschlands U21-Nationalspieler Lukas Nmecha, der aktuell bei Manchester City unter Vertrag steht, bestätigte in einem Interview, dass sich die Erfolge von Sancho und co. bei den Jugendspielern in England herumsprechen, “Natürlich nehmen das alle wahr.” Aufgrund dessen ist die Bundesliga ein solch attraktives Ziel für Talente aus Großbritannien.
Hertha hat sich einen Ruf aufgebaut
Auch bei Hertha hat ein Spieler diesen Karrieresprung bereits vorgemacht – Javairo Dilrosun. Der 21-jährige Landsmann von Redan wechselte vergangene Saison für 300.000 Euro von Manchester Citys zweiter Mannschaft nach Berlin und brauchte nicht einmal die komplette Hinrunde, um sich zum A-Nationalspieler Hollands zu mausern. “Javairo und ich kennen uns noch aus Amsterdam. Er ist ein wenig älter und hat immer eine Mannschaft über mir gespielt, aber wir haben uns immer gut verstanden und abseits des Platzes viel Zeit miteinander verbracht. Er ist ein guter Freund von mir”, erzählt Redan über ihr Verhältnis.
Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images
Der Weg eines Dilrosuns wird Eindruck bei Redan und seinem Umfeld hinterlassen haben – “Wenn es bei Javairo klappt, warum dann nicht auch mit Daishawn?” Genauso Eindruck werden auch die Karrieren von Mitchell Weiser, Niklas Stark, Valentino Lazaro oder Marko Grujic hinterlassen haben, die durch den Wechsel zu den Blau-Weißen einen deutlichen Sprung machen konnten. Hertha hat sich durch seine exzellente Jugendarbeit, sei es mit Eigengewächsen oder extern dazugewonnen Talenten, einen Ruf erarbeitet, der ihnen neue Möglichkeiten schenkt. Im Rennen um Redan soll sich Hertha gegen Vereine wie Hoffenheim, Leverkusen und Dortmund durchgesetzt haben – allesamt keine Leichtgewichte auf dem Transfermarkt. Das ist das Ergebnis von nun schon jahrelanger Talentförderung und hoher Durchlässigkeit zu den Profis, die Manager Michael Preetz in den Gesprächen mit potenziellen Neuzugängen stolz präsentieren kann. Der Ruf Herthas arbeitet mittlerweile für und nicht gegen den Verein und lockt Spieler an die Spree, die vor ein paar Jahren vielleicht noch nicht einmal von Hertha gehört haben und für den nächsten Schritt lieber nach Dortmund, Lissabon oder Monaco gewechselt sind.
Damit ist nicht gesagt, dass Hertha in diese Riege von Vereinen vorgestoßen ist, jedoch scheint es für international angesehene Talente wie Dilrosun oder Redan mittlerweile sehr reizvoll, den Zwischenschritt in Berlin zu vollführen. Schließlich hat man hier alles: die Bundesliga als eine der stärksten Ligen Europas, gute Trainingsbedingungen, erfahrene Spieler wie Salomon Kalou oder Vedad Ibisevic als Ratgeber und mit Pal Dardai wie nun Ante Covic einen Trainer, der auf die Jugend setzt. Viel mehr braucht ein 18- bis 23-jähriger Spieler für seine Entwicklung nicht.
Eine Wette auf die Zukunft
Es wurde bereits aufgezeigt, welch großes Talent in Daishawn Redan zu schlummern scheint und welch starken Zuwachs an Prestige sich Hertha BSC in den vergangenen Jahren erarbeitet hat. Dennoch muss jeder etwaige Hype ausgebremst werden, denn damit ist überhaupt nicht in Stein gemeißelt, welchen Weg der 18-Jährige beim Hauptstadtklub nehmen wird. Redan ist blutjung, hat keinerlei Profi-Erfahrung und soll zunächst über die U23 aufgebaut werden – niemand kann sagen, ob und wie schnell der Mittelstürmer sich an das Profi-Geschäft gewöhnen wird.
Sicherlich hat Redan das Potenzial, ein überaus guter Spieler zu werden, doch wer kann das mit Gewissheit prognostizieren? Ein Muhammed Kiprit ist (noch) nicht zu dem Über-Stürmer geworden, den man zu seiner A-Jugend-Zeit versprochen bekommen hatte und ein Maximilian Mittelstädt hat sich in der vergangenen Saison deutlich besser entwickelt als von vielen vermutet. Will sagen: wie bei jedem Nachwuchsspieler muss abgewartet werden. Aktuell ist Redan somit nur eine Wette auf die Zukunft, doch bereits ein Statement für die aktuelle Situation von Hertha BSC.
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