Herthaner im Fokus: Der nächste Offenbarungseid

Herthaner im Fokus: Der nächste Offenbarungseid

Nachdem am Samstag bereits Herthas Zweite (1:2 bei Chemie Leipzig) und Herthas U17 (1:1 gegen RaBas U17) gegen Leipziger Teams Federn lassen mussten, kamen Herthas Bundesligakicker zum Abschluss des Leipzig-Wochenendes ordentlich unter die Räder. Trotz acht coronabedingter Ausfälle wollte man die 0:6-Hinspielniederlage, höchste Pleite in Herthas Bundesliga-Historie, sowie die Schlechtleistung und Nullnummer gegen den Tabellenletzten Fürth in der letzten Woche nun vor 10.000 Zuschauer:innen im heimischen Olympiastadion vergessen machen. Das klappte dann aber eher mäßig.

Wir blicken auf einige Herthaner bei dieser 1:6-Heimpleite.

Innenverteidigung – 8 x 2 = 6 ?

Nachdem Marc Oliver Kempf nach überstandener Corona-Infektion ins Mannschaftstraining zurückkehren konnte, fiel neben sieben anderen Corona-Fällen auch Herthas Vize-Kapitän Niklas Stark mit einem positiven Test aus, sodass der Winterneuzugang Kempf gemeinsam mit Youngster Linus Gechter bereits das achte Innenverteidiger-Duo der Saison bildete. Dennoch funktionierte das Zusammenspiel der beiden zunächst ordentlich. Blieben sie im Aufbau eher glanzlos und unauffällig, zeigte sich das neuformierte Pärchen defensiv aufmerksam, klärte einige Hereingaben von den Seiten und zeigte eine ordentliche Zweikampfführung.

So eigentlich auch in der 20. Minute, als Gechter RaBa-Stürmer Yussuf Poulsen den Ball im Strafraum zunächst noch wegspitzelte, Vladimir Darida aber nicht in den folgenden Zweikampf kam und Poulsen so auf der rechten Berliner Abwehrseite den freien Benjamin Henrichs bediente. Dessen scharfer zweiter Versuch nach Parade von Alexander Schwolow fälschte Gechter so unglücklich ab, dass der Ball ins eigene Tor gelenkt wurde. Dem 17-Jährigen ist dabei kein Vorwurf zu machen, nichtsdestotrotz ist die Situation bezeichnend für den Herthaner Abstiegskampf. Neben Unvermögen kommt auch noch Pech dazu.

In der Folge stabilisierte sich Hertha zusehends, zu Beginn der zweiten Hälfte folgte eine Druckphase, in der Hertha zum Ausgleich kam und auch defensiv überzeugte. Und dann kam die 62. Spielminute. Einen Moment unaufmerksam ließ Kempf den antrittstarken Christopher Nkunku an sich vorbeidrehen, hängte sich im wahrsten Sinne des Wortes an ihn und brachte ihn schließlich im Strafraum zu Fall – klare Sache: Elfmeter und rote Karte.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Mit dem erneuten Rückstand und der Unterzahl waren die Berliner gebrochen. Auf den vakanten Platz in der Innenverteidigung rückte Lucas Tousart, der bis dahin ein eher unauffälliges Spiel gezeigt hatte und in der Folge mächtig Probleme mit der Leipziger Offensive hatte. Beim 1:4 klärte er hart angegangen den Ball direkt in den Fuß eines Leipzigers, hob dann noch mit den Folgen des Zweikampfes beschäftigt das Abseits auf und kam nicht hinterher, als der Ball zu seinem Gegenspieler kam. Auch abseits dieser Szene wirkte Tousart im Abwehrzentrum völlig verloren, was sicherlich auch an generellen Auflösungserscheinungen im Berliner Mittelfeld lag. Jedenfalls bewarb sich der Franzose nicht für den freigewordenen Platz in der Innenverteidigung für nächste Woche.

Und dann wird wieder gepuzzelt, denn das Personal ist knapp. Rotsünder Kempf wird dank des verwandelten Elfmeters nur ein Spiel fehlen. Kapitän Dedryck Boyata und Márton Dárdai fallen noch länger aus, Lukas Klünter ist frisch positiv getestet und in der Viererkette ohnehin nicht als Innenverteidiger vorgesehen. Die Hoffnungen liegen also darauf, dass sich Niklas Stark rechtzeitig freitesten kann. Ansonsten könnte Trainer Tayfun Korkut tatsächlich auf Tousart zurückgreifen müssen oder einem der beiden kaderauffüllenden Amateurspieler Cimo Röcker oder Christalino Atemona zum Bundesliga-Debüt verhelfen.

Die Konstante in dieser Rechnung heißt Linus Gechter. In wenigen Einsätzen hat sich der junge Berliner mit unaufgeregten soliden Leistungen zu einem Stabilitätsfaktor entwickelt. Seine Entwicklung erinnert an jene von Márton Dárdai  in der letzten Saison. Nichtsdestotrotz sollte man einem 17-Jährigen nicht die Hoffnung im Abstiegskampf aufbürden, zumal auch er sich in der Vergangenheit verletzungsanfällig gezeigt hat und man das große Talent weder körperlich noch mental verheizen darf.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Immerhin dürften Stark und Kempf nach dem nächsten Spiel wieder zur Verfügung stehen, sodass sich die Personallage dann leicht entspannt. Aber bis dahin muss noch das wichtige Spiel in Freiburg überstanden werden…

Fredrik André Bjørkan – Eine Nummer zu groß

Der norwegische Winterneuzugang gab nach den coronabedingten Ausfällen des formstarken Maxi Mittelstädt sowie Marvin Plattenhardt sein Startelfdebüt als Linksverteidiger in Herthas Viererkette.

Gegen spielstarke Leipziger wirkte er dabei aber von Beginn an überfordert. So rückte er häufig etwas zu zentrumsorientiert in die Mitte ein und ließ auf außen Platz für den hoch aufrückenden Nordi Mukiele, der so in der 9. Minute bereits zu einer Großchance kam. Auch in der Folge kamen immer wieder gefährliche Angriffe über Bjørkans Seite, der dabei kaum Flanken oder Hereingaben zu verhindern wusste und auch im Dribbling das ein oder andere Mal zu einfach ausgespielt wurde. So verlor er beim 1:3 Vorlagengeber Dani Olmo aus den Augen und leitete auch das 1:5 in der 81. Minute mit einer unzureichenden Klärungsaktion ein.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Offensiv konnte Bjørkan keine nennenswerten Aktionen initiieren, er brachte ab und an den Ball aus der Defensivreihe zu Ishak Belfodil oder Stevan Jovetić, startete selbst aber kaum einmal eigene Offensivläufe, was im Spiel gegen den bis dato Rückrunden-Zweiten mit einem Fokus auf die Defensive allerdings verständlich ist.

Kein gutes Spiel des Norwegers, aber auch kein katastrophales. Bjørkan braucht noch Zeit, um in der Bundesliga und bei Hertha anzukommen. RaBa war da eine Nummer zu groß für den Anfang. Sofern Mittelstädt sich bis zum nächsten Wochenende noch nicht freitesten kann, wird Bjørkan eine weitere Bewährungschance erhalten und sich gegen Freiburg beweisen können. Auch mit Mittelstädt wäre ein Einsatz nicht ausgeschlossen, dann vermutlich hinter dem Berliner Eigengewächs, das Bjørkan defensiv mehr Unterstützung bieten dürfte als er im 4-3-3 gegen Leipzig erhielt.

Tayfun Korkut – Wo bleiben die Lösungen?

Herthas Trainer stellte nach den wenig überzeugenden Auftritten zuletzt und den zahlreichen coronabedingten Ausfällen rückte er von seiner üblichen 4-2-2-2–Formation ab und stellte diesmal in einem 4-3-3 auf. Der Plan schien, die Leipziger Dreierkette im Aufbau unter Druck zu setzen und diese durch die drei Offensivspieler gemeinsam anzulaufen.

Was bei Erfolg als guter „Matchplan“ hätte gelten können, ging allerdings nicht wirklich auf, weil sich die Leipziger insgesamt ziemlich problemlos aus dem gelegentlichen Pressing lösen konnten und bei überspielen der ersten Pressingreihe kein Konzept der restlichen Mannschaft für diese Situation ersichtlich war und sich dort große Räume insbesondere zwischen Dreiermittelfeld und Abwehrkette ergaben.

Und so war es kein Zufall, dass genau aus einer solchen Situation das erste Tor fiel. Nachdem die Pressinglinie überspielt war, bekam Hertha im Mittelfeld keinen Zugriff und der Ball konnte in gefährlicher Position in den Strafraum gespielt werden, wo Gechter zunächst noch aufmerksam den Ball wegspitzeln konnte, das Kunstleder dann aber über Umwege doch noch im Tor landete. Nachdem Hertha dann etwas mehr vom Ball sah, plätscherte das Spiel bis zur Pause etwas vor sich hin. Korkuts Halbzeitansprache fruchtete dann offenbar, kurz vor Betreten des Platzes holte er die Mannschaft sogar noch einmal für eine kurze Ansprache zusammen.

Jovetić ließ sich etwas tiefer fallen und holte sich die Kugel häufig auf der Zehnerposition ab, um ihn dann ins Angriffsdrittel zu treiben, wo sich Belfodil als Anspielstation in vorderster Linie anbot. Aus einer solchen Situation fiel auch der glückliche Ausgleich. Und plötzlich war Hertha wie verwandelt. Während die Leipziger leichte Unsicherheiten zeigten, spiele Hertha mit Selbstbewusstsein und Selbstverständnis und wusste den Platz im Zentrum endlich zu nutzen. Über gut vorgetragene Angriffe kam man so plötzlich zu zwei ordentlichen Chancen auf den Führungstreffer durch Jovetić, die aber nicht verwertet werden konnten.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Und so kam es wie es kommen musste, die individuelle Qualität der Leipziger schlug gepaart mit Kempfs Unaufmerksamkeit zu. Nach einem Ballgewinn war Gechter mit über die Mittellinie gegangen, die Hertha-Abwehr daraufhin schlecht formiert und unsicher, Kempf unaufmerksam und das Unheil nahm seinen Lauf. Nach dem Spiel zeigte sich Korkut wie auch Fredi Bobic im Interview mit der Leistung bis zur Elfmeterszene um Kempf zufrieden. Doch auch in der ersten Hälfte war Hertha lange sehr passiv und wartete im Grunde nur auf das Gegentor. Sicherlich ist eine Niederlage gegen Leipzig kein Beinbruch, nichtsdestotrotz ist ein Beschönigen der Leistung Augenwischerei. Zehn ordentliche Minuten nach der Pause reichen in der Bundesliga einfach nicht.

Dass man dann in Unterzahl einbricht, ist nachvollziehbar, aber auch der taktischen Herangehensweise geschuldet. Natürlich hatte Korkut nur unerfahrene defensive Alternativen auf der Bank, dennoch entschloss er sich aktiv dafür, ausschließlich in der Dreier-Sturmreihe zu wechseln und diese auch nicht aufzulösen oder deutlich defensiver zu formieren, sodass das Zentrum in Herthas 4-2-3 zur Spielwiese der Leipziger Ballkünstler wurde und man sich die Tordifferenz weiter verhagelte und auch mental nochmal einen ordentlichen Knacks mitnahm. Die Punkte müssen in anderen Spielen geholt werden, aber die Analyse der gestrigen Partie lässt nicht hoffen, dass der Ernst der Lage erkannt ist und man Lösungsansätze für die kommenden Partien hat.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Gut sah man unter Korkut fast nur gegen stärkere Gegner aus, wenn Herthas individuell starke Offensivspieler phasenweise gefährliche Konter fahren konnten. Diese Herangehensweise wird aber nur selten zu Punktgewinnen reichen. Gegen direkte Konkurrenten oder Mannschaften, die vermeintlich auf Augenhöhe mit Hertha sind, reicht es bisher nicht – eine fatale Mischung im Abstiegskampf. Bei aller spielerischen Limitation des Kaders muss Korkut schnell Ergebnisse liefern. Sonst wird es nicht nur für ihn, sondern insbesondere für Hertha ganz eng.

Und dann war da noch:

Jovedil, die ein weiteres Mal zeigten, dass sie Herthas beste Fußballer sind. Die beiden ballsicheren und dribbelstarken Aktivposten konnten über Einzelaktionen in Herthas guten zehn Minuten nach der Pause mehrmals Gefahr für das Leipziger Tor erzeugen. Nach Jovetićs Tor in der 48. Minute verpasste der Montenegriner nach schönen Kombinationen in den Folgeminuten gleich zwei Mal den Führungstreffer.

Anton Kade, der in der 76. Minute zu seinem Bundesliga-Debüt kam. Der 18-jährige Bruder von Julius Kade, der mit Hertha 2019 Deutscher A-Jugend-Meister wurde, hatte in der 83. Minute noch die große Chance auf ein Erfolgserlebnis zum Debüt, scheiterte mit seinem zu zentralen Schuss aber am Leipziger Schlussmann. Gerade mit Blick auf die dünne Personallage auf den Außenbahnen dürfte er schon in dieser Saison zu weiteren Minuten kommen.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Marco Richter, der in der 25. Minute bei seiner Grätsche gegen den Leipziger Kapitän mit Gelb noch gut bedient war und sonst wie immer viel unterwegs war, diesmal aber wenig Zählbares erreichte. In der 34. Minute tauchte er nach schöner Ballstafette und Pass von Darida beinahe gefährlich vor dem Leipziger Tor auf und konnte nur durch ein Foul von Joško Gvardiol gebremst werden.

[Titelbild: Stuart Franklin/Getty Images]

Drei Thesen zu Hertha BSC – RB Leipzig

Drei Thesen zu Hertha BSC – RB Leipzig

Die Vorzeichen dieses Spiels könnten nicht eindeutiger sein. Während unsere Hertha 2022 noch auf den ersten Sieg wartet und tief im Abstiegskampf steckt, konnten die Leipziger sich in den letzten Wochen nach großen anfänglichen Schwierigkeiten klammheimlich wieder in die Champions-League-Ränge spielen. Zusätzlich spricht die schwarze Statistik von mindestens zwei Gegentoren pro Spiel gegen die Sachsen, seit deren Bundesliga-Aufstieg, Bände. In der Hinrunde musste die „Alte Dame“ in Leipzig ihre bisher höchste Niederlage der Saison einstecken. Beim 0:6 brach die Mannschaft in ihre Einzelteile und hatte nicht den Hauch einer Chance.

Hoffen wir also, dass die Rückkehr einer Menge Fans und die munteren Trainingseinheiten unter der Woche für einen kleinen Ruck Sorgen. Hier kommen die drei Thesen zum Spiel:

Linus Gechter und Marc Oliver Kempf empfehlen sich für mehr

Wer noch nicht in der Abwehr von Hertha stand werfe den ersten Stein. So langsam muss man schauen, welches mögliche Abwehrduo oder  -trio noch nicht für die Mannschaft diese Saison auflief. Corona und Verletzungssorgen machen eine eingespielte Abwehr nahezu zur Unmöglichkeit. Gegen Leipzig wird es also auch ein Innenverteidiger-Debüt der Kombi Gechter/Kempf geben. Und sie werden es ordentlich machen.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Während Gechter sich als unerschrockene Nachwuchshoffnung gegen Greuther Fürth ein Stück näher der Stammelf gespielt hat und aktuell nur wenig Fehler macht, kommt Kempf nach seiner Corona-Infektion wieder zurück ins Team und will an seiner Leistung bei seinem Hertha-Debüt gegen den VfL Bochum anknüpfen. Die beiden werden einiges zu tun bekommen, mit Nkunku, Silva und Co schnelle und wuchtige Gegenspieler haben und sich das ein oder andere Mal auszeichnen können. Es wird nicht viele Gründe geben dieses Duo wieder auseinander zu reißen.

Vielleicht entfacht die Situation ja einen heißen Konkurrenzkampf mit Kapitän Dedryck Boyata und Vize Niklas Stark.


Hertha verlor das Hinspiel gegen RB Leipzig blamabel mit 0:6. Auf welche Duelle es ankommt, damit sich das nicht wiederholt, lest ihr hier.


Marco Richter zeigt eine Trotzreaktion

Marco Richter war in den letzten Wochen schwer in der Kritik von Trainer Tayfun Korkut. Seinen Platz in der Startelf hatte er verloren und er musste sich mit Kurzeinsätzen begnügen. Gegen Greuther Fürth gestalteten er und Stevan Jovetic in der zweiten Halbzeit zwar zu sehr großen Teilen die Offensive und erarbeiteten viele Torchancen, doch mehr als Gewalt-Abschlüsse und frustrierte, überhastete Aktionen gab es nicht. Unter der Woche wurde er zusätzlich von Korkut im Training medienwirksam ermahnt.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Diese Situation war der Tiefpunkt. Von nun an geht es bergauf. Marco Richter wird mit Trotz auf die Kritik reagieren und sich Torhungrig und mannschaftsdienlich zeigen. Seine Kreativität wird der Mannschaft helfen. Und ihm wird mindestens eine Torbeteiligung gelingen. Stellt sich nur die Frage, wie groß das Ego Korkuts ist und ob er Richter genug Spielzeit ermöglichen wird oder ihm erst wieder eine Chance gibt, wenn das Spiel gegen Leipzig schon längst verloren ist.

Fans und Mannschaft harmonieren

Gegen Leipzig werden dank der gelockerten Corona-Regeln bis zu 10.000 Zuschauer zugelassen sein. In den nächsten Wochen und Monaten werden weitere dazukommen. Die Ultras werden noch nicht dabei sein, aber dafür umso mehr Familien, Kinder und andere lautstarke Fans, die ihre Unterstützung zeigen. Die Bindung zu den Fans, die durch die Pandemie stark gelitten hat, kann so wieder gefestigt werden.

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(Photo by Thomas Eisenhuth/Getty Images)

Die Mannschaft spürt das, nimmt die Situation im Abstiegskampf und die Mission Klassenerhalt an und beginnt zu kämpfen. Die anwesenden Fans wissen das zu würdigen und feuern das Team bedingungslos an. Gegen Leipzig ist das Ergebnis zweitrangig, es wären Bonuspunkte, die guttun würden, mit denen aber aktuell niemand rechnet. Die Mannschaft darf sich einzig und allein nicht abschießen lassen und muss mit erhobenen Kopf den Platz verlassen können.

Wenn in den nächsten Wochen unbedingter Wille, Leistung und die Unterstützung der Fans stimmen, werden auch schon bald die Punkte folgen.

[Titelbild: Alexander Hassenstein/Getty Images]

Hertha – Leipzig: Drei Schlüsselduelle

Hertha – Leipzig: Drei Schlüsselduelle

Nach den enttäuschenden Resultaten aus den Spielen gegen Bochum und Fürth steht Hertha am Sonntagabend mit Vizemeister RB Leipzig ein harter Brocken bevor. Welchen Leipziger Herthas Hintermannschaft besonders im Blick haben muss, welcher Herthaner mit einer guten Leistung für einen Ruck durch das gesamte Team sorgen kann und auf welchen Positionen Tayfun Korkut ein glückliches Händchen beweisen muss, lest ihr hier.

Christopher Nkunku: Leipzigs Allzweckwaffe

In der NBA gibt es die Auszeichnung des Most Improved Player (MIP), die jedes Jahr an denjenigen Spieler geht, der im Vergleich zur Vorsaison die größte Entwicklung genommen hat. Gäbe es diese oder eine vergleichbare Auszeichnung auch in der Bundesliga, wäre Leipzigs Offensivspieler Christopher Nkunku wohl heißester Anwärter.

Zwar ließ der 24-jährige Franzose schon in seinen ersten beiden Bundesliga-Jahren seine Klasse aufblitzen, doch sein Spiel in dieser Saison ist effizienter und reifer. So ist er für die Leipziger unverzichtbar. In der Bundesliga kommt Nkunku schon auf elf Tore und neun Vorlagen, in der Gruppenphase der Champions League lieferte er überzeugende sieben Tore und zwei Assists – in einer Gruppe mit Paris Saint Germain und Manchester City. Dass er dabei mit dem Kopf, mit dem Fuß, oder auch wie zuletzt gegen den 1. FC Köln per direktem Freistoß erfolgreich ist, zeigt, wie vielseitig das Spiel Nkunkus ist.

Nkunkus größter Trumpf ist seine Polyvalenz. In der Offensive kann er jede Position bekleiden, wird derzeit als zweiter, spielstarker Stürmer neben André Silva eingesetzt. Neben seiner angesprochenen Torgefahr macht ihn so gefährlich, dass er seine Mitspieler gut in Szene setzen kann. 4,44 schusskreierende Aktionen liefert er durchschnittlich pro 90 Minuten, dazu 0,93 torkreierende.

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Dazu ist er Leipzigs erste Anlaufstelle im Offensivspiel: 11,48 progressive Pässe (Pässe, die den Ball maßgeblich näher zum gegnerischen Tor bringen) erreichen ihn durchschnittlich pro Spiel – in der Bundesliga ein Top-3%-Wert. Immerhin noch 3,81 progressive Pässe spielt er dabei selber.

Einen Spieler seiner Qualität kann man über 90 Minuten kaum ausschalten. Doch Arminia Bielefeld lieferte am 17. Spieltag beim Gastspiel in Leipzig (2:0-Sieg für die Arminen) den Beweis, dass die Sachsen sich an diszipliniert und stabil verteidigenden Gegnern auch mal die Zähne ausbeißen.

Schafft Hertha es, Nkunku weitgehend aus dem Spiel zu nehmen, nimmt man dem Leipzig-Angriff seine größte Waffe. Eine Aufgabe, die die Herthaner Defensive nur im Verbund lösen kann.


Mit Kelian Nsona hat Hertha ebenfalls einen spannenden Franzosen in seinen Reihen. Der Winterneuzugang kann nach seinem Kreuzbandriss endlich wieder trainieren. Doch was zeichnet Nsona aus? Was sind seine Stärken und Schwächen? Unser ausführliches Portrait kannst du hier lesen.


Marc Oliver Kempf: Zeit, für ein Zeichen

Weiterhin hat Hertha die zweitmeisten Gegentore der Liga. Und die Situation auf der Innenverteidiger-Position machte zuletzt wenig Hoffnung auf Besserung, als gegen Greuther Fürth mit Linus Gechter ein 17-Jähriger Herthas bester Spieler war, während die Etablierten entweder verletzt, krank oder im Formtief sind.

Dabei war noch eine Woche zuvor mit Neuzugang Marc Oliver Kempf ein Innenverteidiger Hoffnungsträger. Der Neuzugang aus Stuttgart stand gegen Bochum in der Startelf und zeigte gute Ansätze. Dann bremste ihn Corona aus. Gegen Leipzig dürfte er wieder gesetzt sein. Ein gutes Spiel von ihm wäre nicht nur sportlich wichtig, sondern auch ein Signal an die ganze Mannschaft. Schafft Kempf es im Verbund mit der restlichen Abwehr, die gefährliche Leipziger Offensive zu bändigen, dürfte im gesamten Team der Glaube an eine stabilere Rückrunde reifen.

Dabei muss Kempf vor allem an die erste Halbzeit aus dem Bochum-Spiel anknüpfen. Hier zeigte er im Verbund mit Niklas Stark (fehlt am Sonntag coronabedingt) eine souveräne Leistung. Er muss aber auch einfache Fehler vermeiden. Das Gegentor gegen Bochum etwa resultierte aus einem Freistoß von Kempf, den er etwas unmotiviert in den Strafraum brachte, wo außer Keeper Riemann niemand den Ball erwartete. Der leitete den Gegenangriff ein, in dem sich Kempf und Stark im Zwei-gegen-zwei gegen Jürgen Locadia und Sebastian Polter etwas naiv anstellten. Gerade gegen Leipzig, deren Spiel stark darauf basiert, gegnerische Fehler zu bestrafen, muss Hertha noch etwas aufmerksamer bleiben.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Gegen Leipzig wird es Kempf aller Voraussicht nach neben Nkunku mit Stürmer Silva zu tun haben. Der ist anders als der spielstarke Nkunku ein echter Strafraumstürmer, hat im Schnitt 7,18 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum pro 90 Minuten. Durchschnittlich schließt Silva aus 11,6 Metern ab. In der Box darf man ihm quasi keinen Raum geben, auf immerhin schon neun Saisontore kommt Silva nach anfänglichen Schwierigkeiten.

Leipzigs weitere Option im Sturm ist Yussuf Poulsen, ein physisch starker Stürmer, der über eine gute Ballkontrolle verfügt und durchaus mannschaftsdienlich spielt. Für einen Mittelstürmer spielt er mit 3,79 überdurchschnittlich viele progressive Pässe. Dazu kommen 3,08 schusskreierende Aktionen.

Keine leichten Aufgaben, die auf Kempf und seine Nebenleute warten. Doch ein gutes und konzentriertes Spiel könnte eine weitreichende Signalwirkung mit sich bringen.

Hertha-Flügel: Gegen Leipzig gefragt

Spielen Suat Serdar und Marco Richter auf den Außen oder im Zentrum besser? Reicht Jurgen Ekkelenkamps Physis aus, um über 90 Minuten in der Bundesliga zu bestehen? Macht Myziane Maolida bald den nächsten Schritt und wird schneller in der Entscheidungsfindung? Sind die Neuzugänge Dong-Jun Lee und Fredrik Andre Björkan schon bereit für die Startelf? Viele Fragen stellen sich die Hertha Fans und sicher auch Trainer Tayfun Korkut, wenn es um die Besetzung der offensiven Außenpositionen geht.

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Dabei können die gegen Leipzig entscheidend sein. In den jüngsten Spielen kassierte das Team von Domenico Tedesco immer wieder Gegentore über die Flügel. Linksverteidiger Angelino ist offensiv eine Waffe, doch defensiv kommt er da nicht ran. Nur 1,44 Tackles liefert er durchschnittlich in 90 Minuten, nur 3,99 Mal übt er erfolgbringend Druck aus. Auf 1,33 abgefangene Bälle kommt er und nur 2,02 klärende Aktionen. Alles Statistiken die verdeutlichen, warum Leipzig über die Seite so anfällig ist. Auf der rechten Seite hat Leipzig mit Benjamin Henrichs und Lukas Klostermann immerhin noch eine Auswahl. Wirklich herausragend sind die Defensivleistungen beider jedoch nicht.

Ausgehend von den Trainingsleistungen in dieser Woche wird Korkut Antworten auf die eingangs gestellten Fragen finden müssen und Außenspieler aufstellen, die in der Lage sind, die Leipziger Anfälligkeit auszunutzen.

[Titelbild: Alexander Hassenstein/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Blamable Leistung in Leipzig

Herthaner im Fokus: Blamable Leistung in Leipzig

Nach zwei Siegen gegen die Aufsteiger Bochum und Fürth hat Hertha gegen RB Leipzig eine deftige 0:6-Niederlage hinnehmen müssen. Die Mannschaft war den Leipzigern in allen Belangen so sehr unterlegen, dass man sich erneut fragen muss, ob dieser Kader überhaupt bundesligatauglich ist. Auffällig schlecht waren nicht nur die Spielerleistungen – auch einige Trainerentscheidungen schwächen Herthas Performance.

Es reicht hinten und vorne nicht

Schon nach der 0:5-Niederlage gegen Bayern München musste man sich fragen, ob Herthas Kader die Belastungsproben dieser Bundesligasaison übersteht. Die beiden Siege gegen Fürth und Bochum hatten die Diskussion um die Qualität des Teams zuletzt wieder etwas beruhigt. Aber die Daten des Leipzig-Spiels zeigen, wie sehr Hertha weiterhin entfernt ist vom gehobenen Bundesliga-Niveau.

Foto: IMAGO

Das Team von Pal Dardai lief rund fünf Kilometer weniger als der Gegner, spielte knapp 90 Fehlpässe (Passquote: 73 Prozent), schoss nur viermal aufs gegnerische Tor, hatte einen Ballbesitz von 39 Prozent, verlor im Schnitt sechs von zehn Zweikämpfen und lieferte rund 40 Sprints weniger ab als Leipzig. Insbesondere auf den Außenbahnen, wo sich Hertha trotz mehrerer Abgänge im Sommer nicht ausreichend verstärkt hatte, wurden die Berliner von RB Leipzig schlichtweg überrannt.

Marvin Plattenhardt – Völlig überfordert

Marvin Plattenhardt war auf seiner linken Abwehrseite mit den beiden Leipzigern Mukiele und Nkunku völlig überfordert. Der Herthaner verlor nicht nur mehrere entscheidende Sprintduelle, sondern machte auch in Kopfballduellen und sonstigen Zweikämpfen eine äußerst unglückliche Figur. Die spielklugen Leipziger entdeckten diese Schwachstelle schnell für sich und spielten ihre tiefen Bälle immer gezielt zwischen Plattenhardt und die Innenverteidigung. Schon nach dem 1:0 durch Nkunku, als der Leipziger Plattenhardt schlichtweg stehenließ, war klar, dass Hertha über die linke Seite mehr als anfällig ist.

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Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx

Viel erschreckender als Plattenhardts Leistung ist der Mangel an Alternativen: Herthas Nachwuchshoffnung Luca Netz spielt jetzt in Gladbach, Maxi Mittelstädt zeigt ähnlich wie Plattenhardt derzeit nur schwache Leistungen und Jordan Torunarigha ist in der Innenverteidigung besser aufgehoben, derzeit aber ohnehin verletzt.

Mit Dirk Dufner hat Hertha einen neuen „Kaderplaner“ – auch Fredi Bobic ist dafür bekannt, schlagkräftige Mannschaften zusammenzustellen. Warum haben Herthas neue Mannschaftskonstrukteure diese Schwachstelle nicht erkannt?

Jurgen Ekkelenkamp – Willkommen in der Realität

Herthas Neuzugang Jurgen Ekkelenkamp ist in der berühmten Ajax-Schule fußballerisch groß geworden. Die Ajax-Nachwuchsspieler sind bekannt für ihre brillanten technischen Fähigkeiten und ihre Spielintelligenz – allerdings auch für einen sehr Ballbesitz-geprägten und dominanten Fußball. Gegen den Aufsteiger Fürth hatte Ekkelenkamp dies exzellent unter Beweis gestellt. Hertha drückte die gesamte zweite Halbzeit über – viele Angriffe liefen über den Niederländer.

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Gegen Leipzig wiederum stand Hertha dauerhaft unter Druck: Schon nach wenigen Pässen hatten sich die Leipziger den Ball wieder zurückerobert, Hertha konnte eigentlich in keiner Sequenz des Spiels so etwas wie ein eigenes Spiel entfalten. Ekkelenkamp kam mit dieser Situation nicht klar. Von einem erfahrenen „Zehner“ müsste man erwarten können, dass er dem Spiel auch in solchen Drucksituationen seinen Stempel aufdrückt. Das hat der Niederländer nicht ansatzweise geschafft, was möglicherweise auch mit der taktischen Aufstellung der Mannschaft zu tun hat – womit wir beim nächsten Thema wären …

Pal Dardai – Zweifelhafte Entscheidungen und Äußerungen

Dass Hertha gegen Leipzig nie ins Spiel kam, könnte auch an der taktischen Aufstellung gelegen haben. Die beiden spielstarken Zentral-Spieler Serdar und Ekkelenkamp mussten hinter Davie Selke mehr oder weniger über die Außenbahnen kommen. Das Zentrum besetzte Dardai hingegen mit einem formschwachen Vladimir Darida und Santiago Ascacibar – beide sind nicht gerade für ein explosives, kreatives Konterspiel bekannt. Aber genau das hätte Hertha im Zentrum gebraucht, um überhaupt eine Chance zu haben.

Foto: IMAGO

Insofern ist es wenig verwunderlich, dass nicht nur Ekkelenkamp sondern auch Serdar kein Faktor im Leipzig-Spiel war. Leider ist die Aufstellung im Leipzig-Spiel nicht die erste fragwürdige Entscheidung Dardais in dieser Saison gewesen. Gegen Bochum startete überraschend Dennis Jastrzembski auf der linken Seite, musste nach einer schwachen Leistung früh ausgewechselt werden. Die beiden spielstarken Neuzugänge Myziane Maolida und Jurgen Ekkelenkamp ließ Dardai in ihren ersten Spielen auffällig lange auf der Bank schmoren und warum der quirlige und flinke Marco Richter gegen Leipzig nicht Davie Selke bevorzugt wurde, versteht auch niemand – schließlich war Richter nach seinen Einwechslungen stets ein Unruhefaktor im gegnerischen Strafraum.

Auch über Dardais Spieleinschätzungen und Äußerungen muss man sich des Öfteren wundern. Dass der Ungar öffentlich seinen Job zur Verfügung stellte, war nur ein Beispiel für Dardais teils kontraproduktives Auftreten. Als Hertha-Fan kann man Dardais „Wir müssen das akzeptieren“-Spruch nach so desolaten Leistungen nicht mehr hören. Eine knappe Niederlage nach einem umkämpften Spiel gegen die Sachsen hätte man gut akzeptieren können. Aber warum müssen der Verein und die Fans immer wieder komplette Zusammenbrüche akzeptieren? Das kann nicht der Anspruch einer Bundesliga-Mannschaft sein. Auch Dardais Einschätzung, dass Hertha gegen Leipzig gut ins Spiel gekommen sei, ist einfach nicht nachzuvollziehen.

Und dann waren da noch …

Krzysztof Piatek: Die einzige erfreuliche Meldung vom Samstag war das Comeback von Piatek. Länger als vier Monate war der polnische Angreifer verletzt. Natürlich konnte auch Piatek nach seiner Einwechslung in der 84. Spielminute nichts mehr am Ausgang des Spiels ändern. Dass er aber wieder zu seinem Faktor in Herthas Angriff werden kann, bewies er kurz vor Abpfiff, als er den Ball an der Strafraumkante bekam und ohne langes Zögern einen wuchtigen Schuss abfeuerte. Schnörkellose Torgefahr – das ist Piateks Stärke.

Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx

Kai Dittmann: Die Sky-Moderatoren haben in der Regel fast eine Woche lang Zeit, sich auf ein Bundesligaspiel vorzubereiten. Zu dieser Vorbereitung könnte es gehören, dass sich die Kommentatoren über die Aussprache der Spielernamen informieren. Kai Dittmann scheint dies als nicht allzu wichtig zu empfinden. Denn zum wiederholten Male nannte er Herthas Rechtsaußen Deyovaisio Zeefuik „Zefack“, was konstant an eine englischsprachige Schimpfwort-Phrase erinnerte. Das nervt!

Fazit

Herthas Management hat als Jahresziel ausgerufen, dass man eine „Saison der Stabilität“ spielen wolle. Nach sechs Spieltagen muss man das Fazit ziehen, dass dies bei Weitem bislang nicht erreicht wurde. Dank der beiden Siege gegen Fürth und Bochum steht das Team zwar nicht auf den Abstiegsrängen.

Herthas Auftreten ist allerdings alles andere als stabil. Kein Team hat bislang mehr Gegentore (18 an der Zahl) hinnehmen müssen und streckenweise fällt die Mannschaft komplett in sich zusammen. Hinzu kommt, dass man sich immer mehr um die Kader-Zusammenstellung sorgen muss. Die Ausfälle in der Abwehr der vergangenen Wochen haben Hertha in einen personellen Engpass geführt und auf den Außenbahnen hat das Team noch nicht einmal im fitten Zustand Spieler, die ein schnelles, aggressives Spiel aufziehen können, bei dem der Gegner früh attackiert wird.

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: RB Leipzig – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: RB Leipzig – Hertha BSC

Was soll man noch zu diesem Saisonstart schreiben? Gegen Leipzig verlor die Hertha zum vierten Mal in Folge und findet sich auf einem temporären 15. Tabellenplatz wieder. Wir blicken auf die Leistung einzelner Herthaner nach diesem gebrauchten Tag, welcher allerdings auch ein paar positive Erkenntnisse hervorbrachte.

Omar Alderete – Durchwachsenes Debüt

Der paraguayische Nationalspieler gab gegen RB sein Startelf- und Hertha-Debüt. Hierbei agierte er zunächst unglücklich. Vor dem 1:1 in der 11. Spielminute klärte er zunächst zu Leipzigs Innenverteidiger Dayot Upamecano, Alderete setzte zwar nach, konnte aber vor dem entscheidenden Schuss den Ball nicht richtig abschirmen und verlor den Ball an den Torschützen Upamecano. Hier wurde ersichtlich, dass sich der Innenverteidiger noch an die Körperlichkeit und das Tempo der Bundesliga gewöhnen muss.

Foto: IMAGO

Die Leistung Alderetes kann man am ehesten mit „gut, aber noch Luft nach oben“ beschreiben. Zwei abgefangene Bälle, fünf klärende Aktionen und zwei geblockte Schüsse stehen einer 64% Passquote gegenüber. Das ist für die im Spielaufbau schwache Hertha einfach zu wenig. Hierbei muss allerdings auch erwähnt werden, dass sich der 23-Jährige auch die meisten langen Bälle aller Herthaner traute – ganze zwölf schlug er, um das Spiel schnell zu machen. Dass dabei nicht alle Pässe ankommen können ist klar und sein Mut ist löblich, dennoch muss sich die Quote noch bessern. Grundsätzlich stand der Paraguayer oft ein wenig zu weit vom Mann entfernt. So ließ er sich in der Nachspielzeit zu einfach von Christopher Nkunku täuschen, sodass der folgende Distanzschuss das Tor nur knapp verfehlte.

Auffällig war aber: Alderete kommuniziert und delegiert seine Mitspieler. Die Führungsspielerdebatte, die seit Anfang der Saison geführt wird, hat also mitunter einen neuen Akteur. Das ist dahingehend von Vorteil, dass man so auch bei einer gewissen Rotation immer jemanden auf dem Platz hat, der die Mannschaft antreibt. Die kommenden Spiele werden zeigen, welche Rolle unser neuer Innenverteidiger im Mannschaftsgefüge einnimmt und ob er sich als ernsthafte Alternative zum verletzen Jordan Torunarigha empfehlen kann.

Maximilian Mittelstädt – Die fehlenden letzten Prozente

Ein erster Knick in der Saison des Maximilian M. zeigt sich, als er in der 83. Minute ausgewechselt wurde. Absolvierte er noch jedes andere Spiel über die vollen 90 Minuten, entzog ihm Trainer Bruno Labbadia hier öffentlich das Vertrauen. Droht dem Youngster jetzt die Bank?

Foto: IMAGO

So ähnlich würde es klingen, wenn man mit vier Weizenbier im Doppelpass sitzen würde. Aber mal im Ernst. Der Linksverteidiger gehörte zu den auffälligsten Spielern dieses Samstagnachmittags. Er hatte nicht nur die zweitmeisten Ballkontakte hinter Torwart Alexander Schwolow, sondern schaltete sich auch oft ins Offensivspiel mit ein und spielte eine Reihe sehenswerter Pässe, darunter einen Vladimir Darida, der den Konter zum 1:0 in der 8. Minute einleitete. Hier wünscht man sich allerdings noch mehr intensive Läufe ins letzte Angriffsdrittel, Mittelstädt könnte in seinem Spiel mit Ball noch prägender sein.

Defensiv lief es wesentlich besser: vier abgefangene Bälle und sechs klärende Aktionen markieren jeweils den Bestwert unter allen Hertha-Spielern. Aber auch hier Licht und Schatten, In einigen Szenen fing Mittelstädt Bälle geistesgegenwärtig ab und gewann direkte Duelle gegen Gegenspieler Justin Kluivert höchst souverän. in anderen Momenten ließ er sich von ihm jedoch düpieren und musste hinterherrennen. Keinesfalls ein schlechter Defensivauftritt des 23-Jährigen, allerdings besteht auch hier noch Luft noch ab oben.

Das Berliner Eigengewächs entwickelt sich immer mehr vom Hoffnungs- zum Leistungsträger. Um diesen Status vollends zu verdienen muss er allerdings noch konstanter werden. Das große Vertrauen Labbadias und die daraus resultierenden vielen Einsatzminuten werden Mittelstädt dabei helfen.

Deyovaiso Zeefuik – Bitter

Zwei Fouls und zwei gelbe Karten sorgten dafür, dass der Niederländer schneller weg war als Jürgen Klinsmann. HaHoHe, euer Deyo.

Jhon Córdoba und Krzystof Piatek – Ein entschiedenes Duell?

Die zwei großen Lieben von Jhon Córdoba sind: der Ball und Alexander Schwolow. Anders kann man sich es kaum erklären, warum der Kolumbianer derart oft mit dem Rücken zum gegnerischen Tor steht und dabei aber dermaßen viele Bälle festmacht. Vier Schüsse feuerte der Stürmer zumindest in Richtung Leipziger Tor, einer davon saß.

Foto: IMAGO

Insgesamt also einer der aktivsten Berliner. Beim dritten Tor im  fünften Spiel kann man die vorsichtige Prognose wagen, dass sich dieser Transfer definitiv gelohnt hat. Leider egalisierte er seine gute Leistung mit einem verschuldeten Elfmeter. Um es mit dem Fußballspruch des Jahres 2018 zu sagen: „Stark! Ein Tor gemacht, eins vorbereitet.“

Apropos Transfer, was macht eigentlich der Berliner Lewandowski, Krzystof Piatek? Er ist leider mehr Berliner, als Lewandowski. Eingewechselt zur 83. Minute konnte er gerade einmal einen einzigen Ballkontakt vorweisen. Natürlich darf man jetzt keine Wunder erwarten, wenn man nur noch sieben Minuten zu spielen hat, aber die Tatsache, dass er überhaupt erst so spät eingewechselt wurde, zeigt wer im Konkurrenzkampf um die Sturmspitze momentan die kolumbianische Nase vorne hat. Hoffen wir, dass dieser teure Polenböller sich so verhält wie ein Billiger und ein Spätzünder ist.

Bruno Labbadia – Machtlos

Die „alte Dame“ versetzt den „schönen Bruno“ ein weiteres mal. Vermeidbare individuelle Fehler kosten ein weiteres Mal Punkte. Bei solchen Aussetzern kann auch der beste Trainer nichts machen. Nach den Toren wirkte Labbadia fassungslos und resigniert. Der Frust entlud sich schließlich in Richtung des Schiedsrichters, Tobias Stieler, der durch eine interessante „Leistung“ auffiel, und Labbadia schließlich auch mit Gelb verwarnte.

Grundsätzlich ist die Richtung, in die es unter Labbadia geht, durchaus erfolgsversprechend. Hertha hat, so unglaublich es klingt, die viertbeste(!) Offensive der Liga. Allerdings auch die dritt schlechteste Defensive. Wenn man dieses Problem also in den Griff bekommt, dann kann aus dieser Mannschaft durchaus was werden.

Wen gabs noch?

Alexander Schwolow: Bis jetzt auch als Transfererfolg zu verbuchen, hielt alles was zu halten war. Sieht allgemein bei Gegentoren selten unglücklich aus und macht seinem Namen als Mr. Konstanz alle Ehre.

Dedryk Boyata: Nach bisher durchwachsenen Leistungen präsentierte sich der Belgier sicher und aufmerksam. Gerne mehr davon!

Fazit

Unter Strich bleibt genau das, was sich die letzten Spiele auch gezeigt hat. Das spielerische Können der Hertha ist definitiv vorhanden. Die Mannschaft muss aber noch mehr zusammenwachsen. Abläufe müssen einstudiert und Automatismen verinnerlicht werden. Eine Passquote von gerade einmal 67% ist einfach zu wenig (wenn auch von der Unterzahl beeinflusst). Auffällig ist auch, dass Hertha den Ball in diesem Spiel fast ausschließlich knapp vor dem letzten Drittel verloren hat. Wir kommen also nicht wirklich vors Tor. An dieser Stelle wird das Fehlen eines kreativen Mittelfeldstrategen abseits von Matheus Cunha deutlich. Vielleicht kann Matteó Guendouzi mit seinem Einsatzwillen und der Zweikampfstärke hier Abhilfe schaffen.

Dumme Fehler, die sich zu einer Niederlage aufsummieren. So würde man diesen Saisonauftakt der Hertha dem Fußballgott pitchen. Zweiter Teil des Pitches wäre aber eine heldenhafte Wiederauferstehung, die dafür sorgt, dass es wieder Spaß macht Hertha zu gucken. Hoffen wir mal, dass dieser Wunsch erhört wird.

[Titelbild: Boris Streubel/Getty Images]