Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Außenverteidiger

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Außenverteidiger

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Nachdem wir bereits die Torhüter und die Innenverteidiger ins Visier genommen haben, widmen wir uns jetzt den linken und rechten Außenverteidigern.

Maxi Mittelstädt – Wo bleibt der nächste Schritt?

Diese Saison sollte endgültig der große Durchbruch Maxi Mittelstädts in der Bundesliga werden. Doch wie eigentlich bei der gesamten Mannschaft blieb der nächste Entwicklungsschritt aus.

Zwar kam der gebürtige Berliner auf 27 Einsätze, davon 22 von Beginn an, zeigte aber sehr wechselhafte Leistungen und konnte kaum ein überzeugendes Spiel abliefern. Zu Beginn noch gesetzt, im Pokal gegen Braunschweig sogar als zentraler Mittelfeldspieler, verlor er nach enttäuschenden Ergebnissen und einem folgenschweren Patzer in der Nachspielzeit des Spiels gegen Bayern München seinen Stammplatz schnell wieder an Marvin Plattenhardt und profitierte in der Folge insbesondere von dessen diversen Ausfällen.

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Foto: IMAGO

Zwar konnte sich Mittelstädt unter Pal Dárdai defensiv stabiliesieren. Das in der Vergangenheit häufiger angedeutete offensive Potenzial zeigte sich aber nur zu Beginn des Spieljahres, als Mittelstädt in den ersten drei Partien zwei Vorlagen lieferte. Im Verlauf der Saison blitzten kaum einmal Spielwitz oder fußballerischen Ideen auf, auch seine vermeintlichen Stärken gegenüber Konkurrent Plattenhardt beim Dribbling und Kombinationsspiel konnte er nicht zeigen. Seine wenigen Einsätze im linken (offensiven) Mittelfeld stellten da leider keine Ausnahme dar und machten deutlich, dass er in Zukunft keine ernsthafte Option (mehr) als Back-Up für die Offensive Außenbahn ist.

Trotzdem wird Maxi Mittelstädt auch diese Spielzeit wieder zum Ansporn nehmen, weiter an sich zu arbeiten und in jedem Spiel mit vollem Einsatz versuchen voranzugehen.

In der nächsten Saison wird Maxi Mittelstädt wieder mit Marvin Plattenhardt, der unter Dárdai seine fußballerisch beste Zeit erlebte, in einen offenen Zweikampf um den Stammplatz auf der linken Abwehrseite treten. Es bleibt zu hoffen, dass Dárdai bei beiden die richtigen Stellschrauben ausmacht und dieser sportliche Zweikampf nicht wie in der letzten Saison beide zu lähmen scheint, sondern sie sich gegenseitig zu guten Leistungen antreiben – und möglicherweise hat ja auch Luca Netz in der nächsten Spielzeit schon ein Wörtchen mitzureden.

Marvin Plattenhardt – Renaissance unter Pal Dárdai?

War Marvin Plattenhardt zu Beginn der Saison unter Bruno Labbadia noch zweite Wahl, durfte er nach fünf sieglosen Partien ab dem siebten Spieltag als vermeintlich defensivstärkere Alternative auf der Linksverteidiger-Position beginnen und spielte sich trotz wechselhafter Leistungen zunächst fest.

Plattenhardt machte seine Sache defensiv nicht schlecht, konnte aber auch kaum positive Akzente setzen. Offensiv ging kaum etwas – seine Standardstärke scheint komplett verloren, seine Flanken fanden selten einen Abnehmer. Dazu kam das Verletzungspech, was Plattenhardt mit drei verschiedenen Blessuren durch die Saison begleitete. Nachdem mit Pal Dárdai sein Förderer zurück an der Seitenlinie war, stieg die Formkurve des Linksfußes wieder leicht an. Die Flanken kamen wieder etwas genauer, das Offensivspiel wurde etwas lebendiger. So konnte Plattenhardt – zwischenzeitlich noch einmal von einer Corona-Erkrankung ausgebremst –  in den letzten drei Spielen immerhin noch zwei Vorlagen verbuchen.

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Foto: IMAGO

Nichtsdestotrotz war die Saison für Marvin Plattenhardt mit nur 16 absolvierten Spielen und drei langfristigen Ausfällen eine Spielzeit zum Vergessen. Abhaken und unter Dárdai nochmal angreifen! Pal Dárdai kennt Plattenhardt gut, hat ihn in seiner ersten Amtszeit vom Ergänzungs- zum Nationalspieler geformt. Nicht unwahrscheinlich, dass Dárdai “Platte” wieder auf die Sprünge hilft und hoffentlich in die Nähe des Niveaus führt, dass Plattenhardt damals die Nationalelf-Nominierungen einbrachte. Insbesondere dessen Standards waren damals eine Waffe – und Hertha fiel in dieser Saison durch absolute Ungefährlichkeit nach Standards auf, erzielte bei 152 Ecken kein einziges Tor.

Gerade unter diesem Aspekt wäre ein Wiedererstarken des ehemaligen Nürnbergers also ganz besonders wichtig. Nichtsdestotrotz ist der Zweikampf mit Mittelstädt durch Förderer Dárdai noch nicht entschieden. Soweit beide in Form kommen, könnten sich die Einsätze auch an der gesamttaktischen Herangehensweise entscheiden – gegen tiefstehende Gegner könnte Mittelstädts offensive Flexibilität und Variabilität gefragt sein, während Plattenhardt möglicherweise gegen dominierende Gegner einen defensiv stärkeren Part einnehmen und mit einer spielentscheidenden Standardsituation für Punkte sorgen könnte.

Luca Netz – Der vielversprechende Herausforderer

Das Zukunftsversprechen  aus der Hertha-Akademie hat in dieser Saison erste Fußspuren hinterlassen. Nachdem Luca Netz zum Ende der letzten Saison unter Bruno Labbadia schon regelmäßig mit den Profis trainiere durfte, feierte er am 14. Spieltag gegen Gelsenkirchen sein Bundesligadebüt für Hertha BSC und reihte sich so als zweitjüngster Debütant Herthas in der obersten Spielklasse in die Geschichtsbücher ein. Und schon in seinen ersten Spielminuten zeigte er, warum Hertha ihm die Rolle eines modernen Außenverteidigers zutraut. Technisch stark mit enormem Offensivdrang, positioniert sich Netz auch ohne Ball am und im gegnerischen Sechzehner und sucht selbst den Abschluss.

Folgerichtig, dass Luca Netz schon in seinem siebten Einsatz erstmals traf – als jüngster Hertha-Torschütze in der Bundesliga. Beim emotional wichtigen Punktgewinn gegen den VfB Stuttgart sicherte er den Herthanern nach drei Niederlagen seit Dárdais Re-Installation das so wichtige Erfolgserlebnis mit seinem Tor zum Ausgleich in der 82. Minute. Schon Labbadia hielt wahnsinnig viel vom jungen Berliner. Auch Dárdai bezeichnet Netz als „Riesen-Rohdiamanten“ und so kam der Linksverteidiger in seiner Debütsaison zu elf Einsätzen bis ihn ein erneuter Mittelfußbruch für den Rest der Saison außer Gefecht setzte.

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So blieb dem Youngster nichts anderes übrig, als den Fokus auf die Zukunft zu legen. Dem Vernehmen nach gilt sein Vertrag seit seinem 18. Geburtstag bis 2023, intensive Gespräche über eine Verlängerung laufen aber bereits seit geraumer Zeit. Ein Versprechen für die Zukunft ist aber nunmal auch nicht zwingend ein Versprechen für die Gegenwart. Luca Netz wird auch in der nächsten Saison noch nicht der sofortige Heilsbringer sein.

So dürften Marvin Plattenhardt und Maxi Mittelstädt den Stammplatz auf der Linksverteidiger-Position zunächst unter sich ausmachen. Zwar stellen die beiden zurzeit sicherlich kein gehobenes Bundesliga-Niveau dar, Hertha wird aber mit Sicherheit Top-Talent Netz nicht den Weg verbauen und diesen Sommer somit keinen Linksverteidiger mit Stammplatzambitionen verpflichten.

Mit großen Vorschusslorbeeren ausgestattet, muss sich Luca Netz nach seiner Verletzung nun erstmal in Ruhe wieder Matchfitness erarbeiten und kann dann seine stetige Entwicklung fortsetzen, um in (einer vielleicht gar nicht so fernen) Zukunft Druck auf die beiden Etablierten zu machen und  so vielleicht sogar schon im Laufe der Saison vorsichtig bei Pal Dárdai wegen Startelfeinsätzen anzuklopfen.

Deyovaisio Zeefuik – Doch noch die Lösung?

Deyovaisio Zeefuik wurde im Sommer 2020 nach langem Hin und Her verpflichtet, um der seit dem Abgang von Valentino Lazaro brach liegenden rechten Abwehrseite neue Kreativität und Durchschlagskraft zu verleihen. Und so blickte man hoffnungsvoll auf die ersten Einsätze des niederländischen U21-Nationalspielers.

Doch Zeefuik konnte zunächst kaum überzeugen. In Labbadias Viererkette präsentierte er sich immer nervös, bisweilen hektisch und unsicher. Im Zweikampf wirkte er häufig ungeschickt oder sorglos, im Spielaufbau fahrig und unkonzentriert und wurde so zu einem Unsicherheitsfaktor in Herthas Hintermannschaft. Besonders unglücklich sein Auftritt gegen Leipzig, als er sich innerhalb von fünf Minuten nach seiner Einwechslung zur Halbzeit den gelb-roten Karton abholte.

Nach dem Trainerwechsel war Zeefuik die ersten vier Spiele unter Dárdai überraschend nicht einmal im Kader und es schien sich ein teures Missverständnis anzubahnen. Noch überraschender dann aber die Startelfnominierung am 23. Spieltag gegen Wolfsburg, bei der Zeefuik in einer 3er-, respektive 5er-Kette durchaus funktionierte. Seine Schwächen in der Defensive wurden durch die zusätzliche Absicherung durch einen dritten Innenverteidiger gemildert, seine offensiven Fähigkeiten kamen durch die höhere Positionierung auf dem Feld besser zur Geltung. Zeefuik fühlt sich mit dem Ball am gegnerischen Sechzehner deutlich wohler als an der Mittellinie.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Mit dieser für ihn wohltuenden Systemumstellung stieg Zeefuiks Formkurve langsam an und so belohnte er sich mit seinem Debüttreffer zum wichtigen 1:0 in der Partie gegen Bayer Leverkusen. Als rechter Schienenspieler blieb Zeefuik Dárdais erste Wahl. Spannend wird also, ob Dárdai bei diesem System bleibt oder in Zukunft wieder auf sein früher favorisiertes 4-2-3-1 setzen will.

Für dieses System müsste Dardai Deyo an die Hand nehmen, ihm Ruhe und Stabilität vermitteln. Und Zeefuik muss zeigen, dass er defensiv mehr drauf hat, als schnell sein. Er darf sich im Aufbauspiel auch nicht mehr andauernd verzetteln. Offensiv könnte er zusammen mit einem echten Flügelspieler durchaus für gefährliche Vorstöße sorgen, wenngleich er natürlich nicht die selben Qualitäten mitbringt wie ein spielmachender Außenverteidiger wie Valentino Lazaro.

Es ist davon auszugehen, dass Hertha Zeefuik nach der ordentlichen Rückrunde unter Dárdai nicht bereits wieder fallen lässt und ihm einen Neuzugang vorsetzt. Dennoch ist die Schonfrist jetzt vorbei und der Niederländer muss nach seinem insgesamt doch eher enttäuschenden ersten Jahr abliefern und zeigen, warum sich die Hertha-Verantwortlichen um Michael Preetz so intensiv um ihn bemüht haben.

Peter Pekarik – Der ewige Peter

Vor der Saison als Back-Up eingeplant, stand Peter Pekarik zum ersten Pflichtspiel der Saison schon wieder in der Startelf. Bei der ärgerlichen 4:5-Niederlage gegen Eintracht Braunschweig im DFB-Pokal fand er sich sogar unter den Torschützen wieder.
Und auch zum Bundesligastart stand Pekarik wieder von Beginn an auf dem Platz – und traf schon wieder. Der Slowake war in Labbadias Viererkette erste Wahl und zahlte das Vertrauen auch zurück.

Mr. Zuverlässig ließ defensiv regelmäßig nix anbrennen und spielte seine Routine aus. Er zeigte sich aber dank klugem Stellungsspiel auch offensiv ab und an gefährlich in den gegnerischen Strafräumen. Nach den beiden Treffern zu Saisonbeginn ließ Pekarik im Saisonverlauf noch zwei weitere folgen, darunter das wichtige 1:1 gegen Union Berlin beim Derbysieg.

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Foto: nnordphotox/xKokenge/IMAGO

Auch unter Dárdai war Pekarik in der Viererkette weitestgehend die erste Wahl, unter dem ungarischen Cheftrainer lief Hertha aber immer öfter mit 3er- bzw. 5er-Kette auf, in der Neuzugang Deyovaisio Zeefuik regelmäßig den Vorzug erhielt.
Der mittlerweile 34-jährige Rechtsverteidiger zeigte aber eindrücklich, dass immer auf ihn Verlass ist, wenn man ihn braucht. Und so steht man nun am gleichen Punkt wie im letzten Sommer und ist in Verhandlungen, den Vertrag mit Herthas dienstältestem Spieler noch einmal um ein Jahr zu verlängern.

Pekarik wird sich auch im nächsten Jahr mit der Back-Up-Rolle zufriedengeben – soweit es denn überhaupt dabei bleibt. Denn Deyovaisio Zeefuik fremdelte zu Saisonbeginn doch sehr in einer Viererkette, die Dárdai eigentlich präferiert. Mit Neuzugängen für die Außenverteidiger-Positionen ist aber eigentlich nicht zu rechnen, sodass die beiden Außenverteidiger-Duos plus Herausforderer Netz auch in der nächsten Saison die Seitenlinien beackern dürften.

Und wenn Herthas slowakischer EM-Fahrer wieder so eine Spielzeit hinlegen sollte, heißt es vielleicht auch nächsten Sommer wieder: Hertha und Pekarik sind in Gesprächen über eine einjährige Verlängerung.

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Herthaner im Fokus: VfB Stuttgart – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: VfB Stuttgart – Hertha BSC

So wirklich zufrieden kann Hertha BSC mit dem Punktgewinn beim VfB Stuttgart nicht sein. Wie schon öfters in dieser Saison kamen die Berliner in der ersten Halbzeit nicht in die Partie. Nach einer grausigen Leistung in Halbzeit eins lief man lange einem Rückstand hinterher, bevor der junge Luca Netz doch noch einen Auswärtspunkt sicherte. Wie jede Woche versuchen wir etwas detaillierter auf einzelne Spielerleistungen einzugehen.

Herthas Problem ist jedoch schon länger die Tatsache, dass Individualitäten an sich nichts bedeuten, wenn die Profis sich nicht als Mannschaft verstehen. Auch unter Pal Dardai hat sich eines noch nicht verändert: Hertha BSC ist noch keine Einheit auf dem Platz. In Stuttgart war die erste Halbzeit ein kollektives Versagen. Wir versuchen trotzdem auf individuelle Spielerleistungen einzugehen.

Mannschaftspressing Fehlanzeige – Defensive Standardschwäche

Eigentlich sah es in den ersten Minuten nicht verkehrt aus. Hertha übte in den ersten Momenten des Spiels ein hohes Pressing auf die Stuttgarter Spieler aus, an dem sich alle Blau-Weißen beteiligten. So wurde der Spielaufbau des VfBs schon in deren Hälfte des Feldes gestört, Herthas Profis trauten sich Vorstöße zu und konnten mehrere Bälle erobern.

Doch nach etwa zehn Minuten verschwand dieses Mannschaftspressing von Hertha fast komplett. Von Minute zu Minute wurde die Defensive immer individueller geführt. Nur noch einzelne Spieler pressten die Schwaben und wurden dabei relativ einfach umspielt. Dies führte dazu, dass die Gastgeber immer besser ins Spiel kamen und deutlich dominanter auftraten als die Gäste. Herthas Verteidiger waren zunehmend im Blickpunkt. Peter Pekarik und Maximilian Mittelstädt kamen in der ersten Halbzeit nur zu wenigen Vorstößen, die auch schnell verpufften.

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Herthas Innenverteidigung blieb trotz allem weitestgehend stabil und erlaubte sich nur wenige grobe Fehler. Auffällig war in beiden Halbzeiten, dass der Spielaufbau von Hinten oft von Omar Alderete übernommen wurde. Dieser hatte jedoch große Schwierigkeiten, seine Mitspieler zu finden. Immer wieder musste er lange Bälle schlagen, die nur selten ankamen. Zudem verlor er den Ball gleich zwei Mal in gefährlicher Lage vor dem eigenen Strafraum, was zu Chancen für den VfB führte.

In der wohl schlechtesten Phase, die Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit, war Pal Dardais Team insbesondere defensiv schwach. Defensivstandards wurden außergewöhnlich schlecht verteidigt. Mehrmals standen bei Eckbällen und Freistöße gleich zwei oder sogar drei gegnerische Spieler frei im Strafraum und konnten auf Jarsteins Kasten köpfen. So war es keine große Überraschung mehr, als Sasa Kalajdzic in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit völlig frei zum Flugkopfball kam und traf. Hertha ging mal wieder mit einem Rückstand in die Halbzeitpause.

Steigerung in Halbzeit zwei – Eiskalt eingenetzt

In der zweiten Halbzeit hatte Hertha BSC deutlich mehr Spielanteile. Dadurch wurde auch die Defensive entlastet und Herthas Außenverteidiger konnten etwas mehr Vorstöße riskieren. Vor allem Maximilian Mittelstädt wurde auf seiner linken Seite aktiver. Dieser versuchte einige Vorstöße und schlug einige Flanken. Dabei fehlte erneut die Präzision, sodass er trotz großen Aufwands kaum eine Chance einleiten konnte. Seine Passquote (nur 67 Prozent) war am Ende leider eine der schwächsten auf dem Platz. Auch seine Zweikampfquote war mit 42 Prozent nicht besonders zufriedenstellend. Im Vergleich wies der etwas defensiver agierende Peter Pekarik eine Passquote von 86% auf.

Beide Verteidiger wurden schließlich zehn Minuten vor Schluss ausgewechselt. Mathew Leckie und Luca Netz kamen in die Partie. Der 17-Jährige krönte sich nach nur drei Minuten zum jüngsten Torschützen der Hertha-Geschichte. Sein etwas glücklicher Treffer zum Punktgewinn kommt dabei nicht allzu überraschend. Schon in seinen ersten Einsätzen für die Profis war er insbesondere durch seine gefährlichen Vorstöße aufgefallen.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Obwohl der junge Berliner noch am Anfang seiner Entwicklung steht, wird ihn sein erstes Bundesligator sicherlich beflügeln. Seine Sorglosigkeit tat jedenfalls seiner Mannschaft in der Schlussphase gut und sorgte dafür, dass die „alte Dame“ nicht erneut mit leeren Händen nach Hause fliegen musste.

Hört auch im Hertha Base Podcast rein: in der aktuellen Folge besprechen wir das Auswärtsspiel in Stuttgart!

Khediras Einwechslung bringt neuen Schwung

Ausschlaggebend dafür war auch ein gewisser Sami Khedira. Der 33-Jährige schlug die Vorlage für seinen fast doppelt so jungen Mitspieler. Erst in der 58. Minute wurde er für Santiago Ascacibar eingewechselt. Der Südamerikaner zeigte sich wie schon gegen Eintracht Frankfurt und FC Bayern München bissig und fleißig.

Foto: Matthias Hangst/Getty Images

Allerdings ging er genauso wie seine Mitspieler in der ersten Halbzeit komplett unter. Ascacibar gewann nur wenige Zweikämpfe (Zweikampfquote 29 Prozent) und stand oft nicht richtig. Außerdem erlaubte er sich Foulspiele in Strafraumnähe, die zu gefährlichen Freistöße für seinen Ex-Klub führten. Auch Matteo Guendouzi hatte große Schwierigkeiten, auf der offensiven zentralen Mittelfeldposition für Aufsehen zu sorgen. Das tat der Franzose vielmehr im negativen Sinne, da er sich einige schmerzhafte Ballverluste erlaubte.

Die Einwechslung von Sami Khedira brachte sofort eine spürbare Dominanz und Ruhe zurück in das zentrale Mittelfeld. Der Weltmeister hatte fast genauso viele Ballaktionen wie Ascacibar (mit weniger Spielzeit) und zeigte sich dafür zweikampfstark und passgenau. Einige Bälle des VfBs konnte er abfangen. Seine fehlende Spritzigkeit und Geschwindigkeit machte er mit gutem Stellungsspiel wieder wett. Hinzu kommt seine so wichtige, aber auch etwas zufällige Torvorlage für Netz.

Herthas Suche nach der Achse

Außerdem gab er Lucas Tousart (von Sky-Kommentatoren neuerdings “Nicolas Toussart” getauft) mehr Sicherheit. Der Franzose war bis dahin im Vergleich zu seinen Mitspielern im zentralen Mittelfeld einer der aktivsten. Er führte viele Zweikämpfe und unterbrach einige Angriffe der Schwaben.

Er steigerte sich aber nach der Einwechslung von Khedira nochmal spürbar und konnte mehr Akzente nach vorne setzen. In der Schlussphase (85.) beispielsweise, als er einen Konter mit einleitete und Nemanja Radonjic in die Spitze schicken konnte. Am Ende war er mit 12,87 gelaufene Kilometer auch der laufstärkste Spieler auf dem Platz.

Herthas Achse steht also weiterhin nicht fest. Lucas Tousart dürfte wohl nach zuletzt drei guten Auftritten in Folge gesetzt sein. Matteo Guendouzi strahlte hingegen zuletzt weniger Frische und Spielwitz als noch vor einigen Monaten aus. Die neue Rolle von Sami Khedira könnte da ein wichtiger Faktor werden. Dessen Präsenz scheint seine Mitspieler zu beflügeln und zumindest ein wenig Ruhe in das Chaos zu bringen. Die nächsten Wochen werden zeigen, wer sich im zentralen Mittelfeld endgültig durchsetzen kann. Dardai muss mal wieder Lego spielen.

Matheus Cunha – Weiter glücklos

Endgültig durchgesetzt hat sich Matheus Cunha bei Hertha schon lange. Doch der wohl gefährlichste Spieler in den Berliner Reihen wartet mittlerweile schon seit November 2020 auf einen eigenen Treffer. Nachdem er kurz vor Ende der Partie gegen Bayern schon eine Riesenmöglichkeit vergeben hatte, bekam er auch in Stuttgart einige Möglichkeiten. Viele dieser Möglichkeiten leitete er selbst ein.

Der Brasilianer war erneut ein Aktivposten, war für seine Gegenspieler nur sehr schwer zu halten und zeigte sich auch im Pressing und in Defensivzweikämpfen sehr fleißig. Er gewann die meisten Berliner Zweikämpfe (22) und war erneut mit Abstand der Spieler auf dem Platz mit den meisten erfolgreichen Dribblings (8). Was bei ihm erneut fehlte, war der Glück im Abschluss.

(Photo by RALPH ORLOWSKI/POOL/AFP via Getty Images)

Lob gab es diese Woche dafür vom neuen Mitspieler Sami Khedira: „Matheus Cunha ist ein unfassbarer Fußballer“. Doch gerade im Abstiegskampf wird seine Qualität auch zu Toren führen müssen. Die Enttäuschung über die vergebenen Chancen war Matheus Cunha immer wieder anzumerken. Gegen den Ex-Club Leipzig bekommt der 21-Jährige die nächste Chance, die Durststrecke zu beenden.

Nemanja Radonjic – noch kein Durchbruch

Ebenfalls enttäuscht von der eigenen Leistung dürfte Nemanja Radonjic sein. Der Neuzugang war wie schon im ersten Einsatz gegen Bayern in einigen Szenen zu sehen. Dass Geschwindigkeit allein nicht zum Erfolg führt, ist selbstverständlich. Warum der junge Flügelstürmer allerdings auf seine stärkste Waffe im entscheidenden Moment verzichtete, bleibt ein Rätsel. Gleich zwei Mal lief der Serbe gegen Stuttgart mit dem Tempo eines Windhundes seinen Gegenspielern davon, beide Male stoppte er jedoch völlig unerklärlich ab und ging ins Dribbling.

Somit gab er seinen Vorsprung freiwillig auf und schaffte sich unnötige Hindernisse. Dazu verstolperte er mehrere Bälle und war mitverantwortlich dafür, dass Herthas Angriffe in der Schlussphase zu oft nicht zu Ende gebracht wurden. Womöglich bremste ihn auch eine leichte Verletzung. Über die vergebenen Chancen dürfte er sich trotzdem tierisch ärgern.

Lukebakio mehr Flamingo als Känguru

Wer „tierisch“ liest, musste diese Woche schnell an Pal Dardai denken. Dieser gab in der Pressekonferenz einen kleinen Exkurs über Kängurus und erklärte, welche Gemeinsamkeiten dieses Tier mit Dodi Lukebakio hat. Ähnlich wie ein rotes Känguru also, soll Dodi Lukebakio sein. Da müssen wir ihm leider widersprechen. Auch wir bei Hertha BASE sind nämlich echte Tierexperten.

Kängurus sind kräftige Tiere, die sich nur schwer aus dem Gleichgewicht bringen lassen und zum Teil auch durch ihre Körpergröße bedrohlich wirken können. Was die Physis angeht, ähnelt Dodi Lukebakio in der Tierwelt vielleicht eher dem Flamingo, der mit einem Fuß sein ganzes Körpergewicht hält. Ein solches kann man durch einen kleinen Schubser schon aus dem Weg räumen. Wie auch in so vielen Partien in dieser Spielzeit konnte sich der Belgier nämlich körperlich nie gegen seine Gegenspieler durchsetzen.

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Die vom Cheftrainer gelobte Geschwindigkeit des Angreifers konnte dieser ebenfalls nur selten unter Beweis stellen. Zu oft stand am Ende eines Vorstoßes nur ein einfacher Ballverlust. Zu oft war schnell die Enttäuschung in seinem Gesicht zu lesen. Allgemein war die Körpersprache von Dodi Lukebakio wieder alles andere als inspirierend. Seine Mitspieler wird er damit sicher nicht mitreißen können. Ob Flamingo oder Känguru: der belgische Nationalspieler spielt bisher eine höchst enttäuschende Saison.

Alligatoren oder Schafe und Lämmer – Hertha braucht einen Leitwolf

Lukebakio ist nicht der Einzige, der bisher in dieser Saison seine Charakterstärke vermissen lässt. Pal Dardai muss nicht wie befürchtet „20 Alligatoren“ managen, doch eine Mannschaft voller Schafe und Lämmer möchte ein Trainer sicherlich auch nicht haben. Momentan ist die blau-weiße Truppe noch ein bunter Haufen völlig unterschiedlicher Spieler und Charakter, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Die fehlende Kohäsion der Spieler untereinander war in der ersten Halbzeit gegen Stuttgart stark zu spüren. Dabei sah das Team weniger nach einer hungrigen Wolfsmeute und eher wie die Arche Noah aus.

Vielleicht kann ein Alpha-Tier, ein Leitwolf diese Meute doch noch vereinen. Die Hoffnung auf eine zufriedenstellende Saison ist nach den letzten Ergebnissen jedenfalls verschwunden. Jetzt bleibt noch die Hoffnung, den kompletten Absturz zu verhindern. Dafür wird die „alte Dame“ auch im schweren Programm der nächsten Wochen punkten müssen.

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Herthas U23 – Wie schlägt sich Berlins Zukunft?

Herthas U23 – Wie schlägt sich Berlins Zukunft?

Während die erste Bundesliga bisher nur zum dritten Spieltag fortgeschritten ist, spielte die Truppe von Andreas „Zecke“ Neuendorf in der Regionalliga bereits gegen neun verschiedene Gegner aus dem Nordosten Deutschlands. Zeit für einen Blick auf den Saisonstart, den Kader und einige Einzelspieler der U23.

Noch läuft nicht alles

Bei der zweiten Mannschaft von Hertha BSC hat sicherlich die Weiterentwicklung der Jugendspieler Vorrang gegenüber dem sportlichen Erfolg. Dennoch wollen wir hier einen kurzen Blick auf die gesamtmannschaftliche Lage in der Anfangsphase der Regionalligasaison werfen.  Schaut man auf die Ergebnisse der ersten neun Spiele bis zur Länderspielpause, deutet sich ein recht durchwachsener Saisonbeginn an. Drei Siege, drei Niederlagen und drei Remis bei einem Torverhältnis von elf geschossenen zu viertzehn kassierten Toren konnte die U23 verbuchen. Anders als in der vergangenen Saison, in die man mit sechs Siegen aus den ersten sieben Spielen sehr erfolgreich gestartet war, glich die Anfangsphase dieser Saison eher einem Auf und Ab. Denn den zwei siegreichen ersten Spielen folgte eine Phase aus sechs Spielen in denen man sieglos blieb, darunter auch eine 2:5-Niederlage gegen den Berliner AK. Zuletzt konnte man sich wieder etwas fangen und die Spiele vor der Unterbrechung etwas erfolgreicher gestalten. Dennoch läuft in einigen Bereichen noch nicht alles wie gewünscht.

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Ein paar mögliche Ursachen und Umstände dafür, dass bei der Mannschaft von Andreas „Zecke“ Neuendorf noch nicht alles optimal läuft, lassen sich aber herausarbeiten. Ein Grund dafür mag sicherlich der Umbruch im Kader sein, der in diesem Jahr besonders groß war. Insgesamt sieben Spieler aus der U19 sind nun fester Bestandteil der zweiten Mannschaft und müssen sich teilweise erst an den Männerfußball in der Regionalliga gewöhnen. In der verkürzten Vorbereitung fehlte außerdem Zeit, um sich als Team besser zusammenzufügen und das Zusammenspiel zu verbessern. Das Resultat: in der Mannschaft fehlt es an Abstimmung und man ist auf dem Platz noch nicht so gut aufeinander eingespielt. Ganz ähnliche Probleme also wie in der Profimannschaft von Bruno Labbadia.

Dass viele junge Spieler die Vorbereitung nicht in der zweiten Mannschaft mitmachten, sondern zunächst bei den Profis trainierten und teilweise eher spontan zum Team stoßen, mag ein weitere Ursache für dieses Problem sein. Darunter litt auch das Offensivspiel der Mannschaft, bei dem viel Wert auf gut abgestimmte und schnelle Kombinationen gesetzt wird. Man zeigte zwar fast nie eine schlechte Leistung, doch die aus den vergangenen Jahren bekannte offensive Wucht und Dominanz konnte man bis jetzt kaum zeigen. Trotz mehr Ballbesitz blieb man oft zu ungefährlich und zeigte sich defensiv wiederum anfällig. Die Länderspielunterbrechung könnte der zweiten Mannschaft hier jetzt entgegenkommen. Zwar muss man auch einige Spieler für die Jugendnationalmannschaften abstellen, jedoch ist die Zahl der Spieler hier deutlich geringer als beim Team von Bruno Labbadia. So kann man die Trainingszeit gut nutzen, um besser als Team zusammenzuwachsen und die Abstimmung zu verbessern, sodass man in der Tabelle wieder etwas nach oben klettert.

Erwartbare Inkonstanz

Der kleinere Leistungseinbruch soll hier aber auch gar nicht größer gemacht werden, als er war. In einer Krise befindet sich die Mannschaft keineswegs und eine gewisse Inkonstanz war sogar zu erwarten. Denn die Mannschaft ist das jüngste Team der Liga und gleicht in vielen Teilen eher einer U21 als einer U23. So ist nach dieser ersten Saisonphase unter den zehn Spielern mit den meisten Einsatzminuten nur ein Spieler gewesen, der älter als 21 ist. Und das ist der 30-jährige Kapitän Tony Fuchs. 16 Spieler aus dem Kader sind 19 Jahre alt oder jünger. Ein so junges Team darf Fehler machen. 

Umso erstaunlicher ist es, dass man weiterhin nahezu jeden Gegner, was die Ballbesitz und Passzahlen angeht, dominiert. Und das gegen Spieler, die zum Teil zehn Jahre älter und körperlich deutlich weiter und robuster sind. Nur an offensiver Durchschlagskraft und Effizienz vor dem Tor mangelt es dem Team aktuell ein wenig. Aber auch das ist wenig überraschend, da der Toptorschütze der letzten Saison, Muhammed Kiprit, zum Drittligisten Uerdingen wechselte und Jessic Ngankam, Spieler mit den meisten Scorerpunkten in der letzten Saison, zuletzt vor allem bei den Profis zu finden war. Nachrückende Spieler benötigen meist etwas Zeit, um sich an das gesteigerte Niveau zu gewöhnen. Geduld ist gefragt und die bringt Trainer „Zecke“ Neuendorf mit.

Auffällige Einzelspieler

Abgänge und Umbruch bedeuten auch es gibt einige neue Gesichter, die sich nun in der Mannschaft von Zecke Neuendorf zeigen können. Wir wollen nun einen kurzen Blick auf einige Einzelspieler werfen, die über die letzten Wochen aufgefallen sind oder neu im Team sind.

Jonas Michelbrink

Michelbrink ist einer von nur drei Spielern, die bisher in jedem Spiel der Saison auf dem Platz standen. Diese Zeit nutzte er gut und machte mächtig auf sich aufmerksam. Michelbrink spielt in der U23 auf der Zehn und war in der letzten Saison Stammspieler in der U19. Dort stand er aber immer ein wenig im Schatten von Lazar Samardzic. Nun nutzte der 19-Jährige seine Chance und konnte besonders zu Saisonbeginn seine Stärken fantastisch auf den Platz bringen. Der gebürtige Hannoveraner bringt eine tolle Technik sowie eine gute und vor allem enge Ballführung mit. Das macht ihn für seine Gegenspieler schwer zu greifen und er kann sich auch im dicht besetzten Zentrum mit Ball am Fuß behaupten.

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Außerdem verfügt er über eine gute Übersicht. Immer wieder gelingt es ihm mit seinem starken rechten Fuß seine Mitspieler gut einzusetzen und Gefahrensituationen zu kreieren. Wenn sich die Gelegenheit bietet, setzt Michelbrink auch gerne mal zu einem Dribbling an. Wie zum Beispiel am dritten Spieltag beim Auswärtsspiel gegen Chemie Leipzig als er mit einem tollen Dribbling an seinem Gegenspieler vorbeiging und so von links in den Strafraum eindringen konnte. Kurz vor dem Tor legte er dann überlegt zu Muhammed Kiprit rüber, der dann zum 1:0 verwandeln konnte.

In den letzten Spielen zeigte Jonas Michelbrink sich nicht mehr ganz so auffällig, gehörte aber definitiv zu den besseren Spielern im Team. Insgesamt ist Michelbrink aber ein Spieler, der das Offensivspiel der U23 mit seiner Kreativität beleben kann und dem zurzeit recht dezimierten Regionalligapublikum mit seinen Aktionen immer wieder ein Raunen entlockt. Schafft er es, sich auch in schwierigen Spielen noch mehr zu zeigen, kann man mit einer tollen Saison bei der U23 von ihm rechnen. Seine gute Leistung wurde nun auch von Cheftrainer Bruno Labbadia honoriert indem er Michelbrink während der Länderspielpause erste Trainingseinheiten bei den Profis mitmachen ließ.

Luca Netz

Netz gilt als eines der größten Talente bei Hertha und sogar in Deutschland. Hinter ihm liegt ein turbulenter Sommer mit einer Verletzung, einer Auszeichnung mit der Fritz-Walter-Medaille und seiner ersten Saisonvorbereitung bei den Profis. Als die Saison bei den dann Profis begann, sammelte Luca Netz seine ersten Einsätze bei der zweiten Mannschaft, um Spielpraxis zu bekommen. Netz ist der einzige Spieler aus dem 2003er-Jahrgang im Team von „Zecke“ Neuendorf und er könnte mit seinen 17 Jahren eigentlich noch bei der U17 spielen.

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Drei Spiele machte der Linksverteidiger bisher in der Regionalliga und konnte seine Qualitäten bereits recht gut einbringen. Er ist ein Linksverteidiger, der sich sehr gerne am Offensivspiel beteiligt und immer wieder tief in der gegnerischen Hälfte zu finden ist. Mit Ball sucht er gerne den direkten Weg in den Sechzehner, auch mal mit einem cleveren Dribbling, oder zur Grundlinie. So kommt er gut in Positionen aus denen er gefährliche Hereingaben ins Zentrum spielen kann. Besonders im Spiel gegen den Chemnitzer FC am 8. Spieltag konnte mehrfach solche Hereingaben von ihm beobachten. Halbherzige Halbraumflanken sieht man also von ihm eher weniger.

Um rechtzeitig wieder auf seine Position im Spiel gegen den Ball zu kommen, verfügt er über das nötige Tempo und ist außerdem recht laufstark. Er muss bei seiner Defensivarbeit aber noch etwas konsequenter werden. Die Regionalliga ist da sicher ein guter Zwischenschritt für ihn, um auch sein Zweikampfverhalten noch zu verbessern.

Ruwen Werthmüller

Foto: IMAGO

Werthmüller kam genau wie Michelbrink dieses Jahr von der U19 zur zweiten Mannschaft von Hertha BSC und stand ebenfalls bisher in jedem Spiel auf dem Platz. Er spielt bevorzugt im Sturmzentrum oder auf der linken Außenbahn. Seine größte Stärke ist sicherlich seine hohe Endgeschwindigkeit gepaart mit einem guten Antritt. So kann er immer wieder zu gefährlichen Tiefenläufen ansetzten und sorgt besonders dann für Gefahr, wenn er mit hoher Geschwindigkeit auf das gegnerische Tor oder die Abwehr zu laufen kann. Wie zum Beispiel am ersten Spieltag, als Lok Leipzig in der Schlussphase noch einmal Druck machte, aber der eingewechselte Werthmüller bei einem Konter denn Ball entscheidend in Richtung des Strafraums trieb und so das entschiedene 3:1 vorbereitete.

Da Hertha jedoch sehr häufig gegen tiefstehende Gegner spielt, kommt es nicht allzu oft zu solchen Situationen. Das Kombinationsspiel und die Technik gehören nicht zu Werthmüllers größten Stärken. So gab es Spiele, in denen er kaum auffiel und wenig Gefahr ausstrahlte. Und auch vor dem Tor muss der Schweizer noch effizienter werden. Unter Trainer Neuendorf erhält die nötige Spielpraxis, um sich in diesen Bereichen noch zu verbessern und weiterzuentwickeln.

[Titelbild: IMAGO]

Zurück zum Glück? – Herthas Talente unter Labbadia

Zurück zum Glück? – Herthas Talente unter Labbadia

Zwei Spieltage vor dem Ende der Bundesliga-Saison ist Hertha BSC wieder angekommen an einem Punkt, den man so gerne verlassen würde: Das tabellarische Nirvana, irgendwo zwischen Europa-Cup-Plätzen und Abstiegskampf. Am Ende einer turbulenten Saison dürfte man in Berlin trotzdem froh sein, dass Hertha sich bereits deutlich vor Saisonende aus dem Abstiegskamp verabschiedet hat. Die letzten beiden Spieltage bieten für Coach Labbadia nun auch die Möglichkeit, ein wenig zu experimentieren – und so vielleicht dem einen oder anderen Talent das Bundesliga-Debüt bzw. weitere Spielpraxis in Herthas Profi-Team zu ermöglichen.

Der Kinderriegel, „Jugend forscht“, “Aus Berlin – für Berlin”: Mittlerweile scheint eine kleine Ewigkeit vergangen zu sein, seit solche Begriffe zuletzt mit Hertha BSC in Verbindung gebracht wurden. Aus einem finanziell chronisch klammen Bundesligisten ist ein Investorenverein geworden, der in seiner ersten Saison als neureicher Club keinen Skandal ausließ. Mit Bruno Labbadia hat man jetzt – nach drei vergeblichen Anläufen – wohl erstmal den richtigen Trainer für die neuen Ambitionen gefunden. Und gleichzeitig kehrt mit dem Ex-Stürmer auch ein Stück Prä-Windhorst-Hertha zurück, plötzlich erhalten blau-weiße Eigengewächse wieder die Chance, sich zu beweisen. Wurde der Kader unter Jürgen Klinsmann im Zweifelsfall mit Kaderspielern wie Alexander Esswein oder Pascal Köpke aufgefüllt, standen unter Labbadia im Spiel gegen den SC Freiburg gleich acht Eigengewächse im Kader, darunter die 18-Jährigen Marton Dárdai und Omar Rekik.

Die Zukunft gehört Berlin

Vor Windhorsts Einstieg und insbesondere dem Klinsmann-Chaos hatte man es sich bei Hertha zur Aufgabe gemacht, eine hohe Durchlässigkeit für eigene Talente zu schaffen. Die graue Maus der Liga wollte sich über die Nachwuchsforderung einen Namen machen, Trainer Pal Dárdai war gewissermaßen die Galionsfigur dieses Weges. Die Hertha-Ikone sah Hertha durch die “sehr gute Akademie” als eine “Art Mini-Ajax” an. Zahlreiche Talente feierten unter dem Ungarn ihre Bundesliga-Debüts für Hertha, drei von ihnen gehören mittlerweile zum erweiterten Stammpersonal (Mittelstädt, Torunarigha, Maier). Dass Bruno Labbadia diesen in den vergangenen Monaten verloren gegangenen Faden nun wieder aufgreift, ist aber keinesfalls verwunderlich. Bereits vor dem Re-Start äußerte Labbadia sich zum Thema Eigengewächse: „Wir wollen sie fordern und fördern, […] und jeder, der den Weg mitgehen möchte, ist herzlich Willkommen.“ Hertha ist durchaus für eine gute Jugendarbeit bekannt, vor zwei Jahren wurde man sogar zum ersten Mal deutscher Meister bei den A-Junioren. Und auch in den aktuellen Jugendjahrgängen findet sich das eine oder andere große Talent.

Bruno Labbadia – (auch) als Jugendförderer bekannt

Und auch für den neuen Coach selbst ist der Ansatz, auf vereinseigene Talente zu setzen, keinesfalls neu. Die beiden deutschen Nationalspieler Antonio Rüdiger und Timo Werner verdanken ihm ihre Bundesliga-Debüts, letzteren hätte der Trainer gerne schon mit 16 Jahren in der Bundesliga eingesetzt – wenn es die Regularien erlaubt hätten. Beim Hamburger SV debütierte Gideon Jung unter Labbadia, bei seiner letzten Station, dem VfL Wolfsburg, spielte sich der Deutsch-Kosovare Elvis Rexhbecaj in der Bundesliga fest. Bei Hertha verspricht Labbadia den Akademie-Talenten, „jeden [zu] fördern, der einfach auch Bereitschaft mitbringt“. Die Tür ist offen – nur durchgehen müssen die Hertha-Jugendspieler selbst, mit Fleiß, Ehrgeiz und harter Arbeit.

Neben einer fußballerischen Idee, die der Trainer über die Jahre für seine Teams entwickelt hat, gehört also auch eine Förderung der jeweiligen Vereinsjugend zum Profil des Ex-Stürmers. Und somit scheint nach Monaten des Chaos neben dem sportlichen Erfolg auch ein kleines bisschen der Hertha-Identität nach Berlin zurückzukehren.

Jessic Ngankam – treffsicher und begehrt

Gleich im ersten Spiel wurde Labbadia seinem Ruf als Förderer der Jugend gerecht: Jessic Ngankam, der zuvor noch nie im Hertha-Kader gestanden hatte, kam direkt im ersten Spiel unter Leitung des neuen Coaches zum Bundesliga-Debüt. Kurz zuvor war der 19-Jährige mit einem Wechsel zum FC Bayern oder Borussia Mönchengladbach in Verbindung gebracht worden – mit der TSG Hoffenheim soll er sich im Winter sogar bereits einig gewesen sein, bis sein Vater den Wechsel unterband – mit elf Toren und elf Vorlagen in 22 Regionalliga-Spielen hat sich das Hertha-Talent für höhere Aufgaben empfohlen.

Foto: Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images

Sein Stellenwert scheint unter dem neuem Trainer aber höher als zuletzt, auch im Auswärtsspiel in Leipzig wurde er in der Schlussphase eingewechselt. Gegen Borussia Dortmund kam Ngankam schon zur Halbzeitpause für Dodi Lukébakio in die Partie, er bekam so die Chance, erstmals so richtig in einem Bundesligaspiel anzukommen. Das Trainerteam begründete diesen Wechsel nicht etwa mit einer Verletzung Lukébakios – man hätte eher den Eindruck gehabt, dass Ngankam in der zweiten Halbzeit mehr Einfluss auf das Spiel nehmen könnte. Und auch wenn dem Youngster nicht alles gelang, gaben einige Dinge Grund zur Freude: So scheint Ngankam nur wenige Anpassungsprobleme an das physische Niveau der Bundesliga zu haben. Ein Punkt, an dem zuletzt unter anderem Julius Kade oder Pálko Dárdai scheiterten.

Ngankam wird meistens als Mittelstürmer eingesetzt, kam in der vierten Liga aber auch schon auf beiden Flügeln zum Einsatz, ihm wird eine gute Einstellung nachgesagt. Die meisten seiner Tore erzielt er mit dem stärkeren rechten Fuß, gerne auch mal von außerhalb des Sechzehnmeterraums. „Wenn er weiter kommen will“, so Bruno Labbadia, „gibt es keinen Grund, Hertha BSC zu verlassen.“ Mit ausführlichen Gesprächen und (bisher) drei Joker-Einsätzen in der Bundesliga gelang es somit, den gebürtigen Berliner zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen. Hinter Krzysztof Piatek, möglicherweise auch Matheus Cunha oder Lukébakio wird Ngankam sich zunächst wohl meist mit Joker-Einsätzen begnügen müssen. Hierbei muss auch die Rückkehr von Daishawn Redan miteinberechnet werden, welcher die gleichen Positionen wie Ngankam spielt.

Lazar Samardžić – Herthas „Next Big Thing“?

Auch Lazar Samardžić durfte (beim Derbysieg gegen Union) erstmalig Bundesliga-Luft schnuppern, nachdem er auch schon unter Ex-Coach Alexander Nouri den Sprung in Herthas Spieltagskader geschafft hatte. „Laki“ gilt als das aktuell größte Talent aus Herthas Jugendakademie, gewann im vergangenen Jahr die bronzene Fritz-Walter-Medaille. Der 18-Jährige ist meistens als Zehner oder Achter unterwegs und zeichnet sich besonders durch seine brillante Ballführung und Schusstechnik aus, erzielte in 56 Spielen in der A- und B-Jugend-Bundesliga starke 54 Tore – einige davon auch von außerhalb des Sechzehners. Außerdem stehen in den beiden Junioren-Ligen auch 23 Assists für den Deutsch-Serben zu Buche, Samardžić verfügt über eine gute Entscheidungsfindung, kann kreative Akzente setzen und mit seinem Spielwitz den Gegner vor große Probleme stellen. “Er ist ein total spannender Spieler, der sehr viel Fantasie in uns weckt”, sagte Nouri über das Eigengewächs. “Ein toller Service-Spieler, der mich mit seiner guten räumlichen Wahrnehmung, seinem peripheren Sehen – also seinen Pässen in gewisse Räume für die Mitspieler – ein Stück an Max Kruse erinnert.”

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Seine Qualitäten haben aber auch außerhalb Berlins Begehrlichkeiten geweckt, unter anderem wird Juventus Turin, dem FC Barcelona und Atlético Madrid Interesse an einer Verpflichtung nachgesagt. Mit Ondrej Duda verfügt Hertha zwar bereits über einen ähnlichen Spielertypen, trotzdem ist zu erwarten, dass Samardžić sich langfristig in Herthas erster Elf fest spielen dürfte. Labbadia scheint derweil die Erwartungen noch ein wenig bremsen zu wollen: „Auf alle Fälle hat er eine Anlage, keine Frage […]. Jetzt ist es die Frage, arbeitet er mit dem Talent, bleibt er dran, entwickelt er sich weiter?“

Auch beim Auswärtsspiel in Dortmund kam Samardžić in der Schlussphase zu einem weiteren Bundesliga-Kurzeinsatz. Gegen Frankfurt brachte Labbadia ihn schon nach 34 Minuten für den verletzten Skjelbred, musste ihn nach Boyatas roter Karte aber kurz nach der Pause wieder auswechseln – zu Herthas extrem defensiver Ausrichtung in der zweiten Halbzeit passte „Laki“ mit seinen herausragenden, aber eher offensiven Anlagen weniger gut. Wenig verwunderlich sorgte die Wieder-Auswechslung für Frustration bei Samardžić, der via Instagram aber Zuspruch von u. a. Matheus Cunha und Krzysztof Piątek bekam, gewissermaßen den „Stars der Mannschaft“. Das Talent ist vorhanden, Geduld und Unnachgiebigkeit werden sich nun entwickeln müssen.

Ein neuer „Kinderriegel“?

Drei der nächsten Kandidaten für ein baldiges Bundesliga-Debüt haben es unter Labbadia (auch verletzungsbedingt) zumindest schon mal in den 20-Mann-Kader geschafft: Luca Netz und Marton Dárdai standen beide bereits gegen den FC Augsburg bzw. gegen Hoffenheim im Kader, eingewechselt wurden sie aber nicht. Mit Omar Rekik kommt noch ein dritter Kandidat dazu (erstmals im Kader gegen Freiburg) – allesamt sind sie Abwehrspieler.

Foto: Andreas Schlichter/Getty Images for DFB

Doch die Konkurrenz ist groß: Der gerade 17 gewordene Netz sieht sich auf der Linksverteidigerposition einem Konkurrenzkampf mit Marvin Plattenhardt und Maximilian Mittelstädt ausgesetzt, kam allerdings in diversen Juniorenteams auch schon als linker Mittelfeldspieler zum Einsatz. Zudem ist die Saison für Netz nach einem Fußbruch bereits beendet. Marton Dárdai muss sich aktuell unter den linksfüßigen Innenverteidigern bei Hertha nur hinter Jordan Torunarigha einsortieren – allerdings wird auch Karim Rekik zurückkehren und einen Platz für sich beanspruchen. Der 18-Jährige war Kapitän der deutschen U17-Nationalmannschaft, überzeugt besonders durch seine starke Spieleröffnung und seine mentale Stärke. Beim Spiel gegen RB Leipzig wäre Dardai aufgrund des personellen Engpasses beinahe eingewechselt worden, Labbadia wäre hierbei nicht bange geworden: “Gestern hätten wir sicher Márton reingebracht. Das Potenzial sehen wir bei ihm, deswegen trainiert er mit. Wenn es die Situation erfordert hätte, hätten wir ihn auch als Linksverteidiger eingesetzt. Wir hätten ihn definitiv reingeworfen.”

Omar Rekik, rechtsfüßiger Innenverteidiger, muss sich mit Dedryck Boyata und Niklas Stark im Kampf um den anderen Platz in Herthas Innenverteidigung auseinandersetzen. Keine einfache Aufgabe für den jüngeren Rekik-Bruder, der allerdings als äußerst talentiert galt und erst im Winter wohl Angebote vom FC Barcelona, Real und Atlético Madrid vorliegen hatte. Ähnlich wie Netz könnte auch er von seiner Polyvalenz profitieren, der Niederländer kann auch als Sechser eingesetzt werden. Für alle drei Talente dürfte es aufgrund der Konkurrenzsituation zunächst schwierig werden, Spielzeit in Herthas Bundesligateam auf ihren Paradepositionen zu bekommen. Gerade für die Innenverteidiger-Position hat Labbadia bereits durchblicken lassen, dass er – anders als seine Vorgänger – auf mehr Konstanz und weniger Personalrochaden setzen möchte.

Die Lehren der Vergangenheit

Außerdem ist äußerst fraglich, wie viel Spielzeit die Talente in der neuen Saison wirklich bekommen, wenn auch die beiden zusätzlichen Wechseloptionen voraussichtlich wieder wegfallen. Dabei begünstigt die neue Regel den Einsatz von mehr Eigengewächsen enorm, nicht nur bei Hertha. Unabhängig davon ist es aber eine spannende Frage, wie man in Berlin mit der nächsten Generation junger Spieler umgeht. Aus dem „goldenen“ 99-er Jahrgang hat bisher nur Arne Maier den Durchbruch bei Hertha geschafft – das Modell, die Spieler über die eigene U23 langsam heranzuführen, hat in mehreren Fällen (bisher) nicht funktioniert (Friede, P. Dárdai, Jastrzembski, Baak, Kiprit). Gut denkbar, dass man Talente, die es aufgrund der aktuellen Konkurrenzsituation schwer haben dürften, dieses Mal in die dritte oder zweite Liga verleiht – für Spielpraxis auf einem etwas höheren Niveau als in der Regionalliga. Den mittlerweile im Profikader etablierten Eigengewächsen Jordan Torunarigha und Maier half bei ihrem Durchbruch übrigens die Dreifachbelastung durch die Europa League und die damit verbundene Rotation. Im Hinblick auf Herthas aktuellen Talente-Pool wäre es also tatsächlich der perfekte Moment, sich in der kommenden Saison wieder für das internationale Geschäft zu qualifizieren.