Lucky Number 7?

Lucky Number 7?

Neues Geld, alter Alptraum? Durch das 777-Partners Investment ist Herthas Zukunft gesichert. Aber zu welchem Preis? Beginnt jetzt der Ausverkauf der Bundesliga. Nein. Der ist nämlich schon längst abgeschlossen

New money, old problems

Es ist vollbracht. Die Ära Windhorst ist beendet. Doch zu welchem Preis? Auch, wenn der „Big City Club“ inzwischen offiziell zu Grabe getragen wurde: Der Einstieg von 777 Partners vermag es nicht die Zeit zurück zu drehen. Mit dem Verkauf von weiteren Anteilen, einer kräftigen Finanzspritze, und der Einbettung in ein internationales Vereinsnetzwerk, scheint Hertha Pest gegen Cholera getauscht zu haben. Lauert auf der anderen Seite des Atlantiks die finale Transformation zum viel geschimpften Investoren-Club?

Tweets wie der von Netzwerk-Partner Genoa CFC, lassen nichts Gutes erahnen.

Hinzukommt, dass 777 Partners — so wird kolportiert — bereits aktiv Einfluss auf Herthas Transferpolitik genommen haben soll, indem Sie dem FC Augsburg einen netzwerkinternen Ersatz für Florian Niederlechner zugeschustert haben, und so den Weg für Herthas Winterneuzugang bereitet haben. Vereine, die sich durch Vermittlung von Geldgebern Spieler hin und herschieben. Auch ohne maliziöse Absichten, liegt die Assoziation mit dem RedBull-Konglomerat nahe.

Die Turbulenzen um Hertha und Lars Windhorst scheinen wie eine Entblößung der dysfunktionalen Maschinerie des kommerziellen Profifußballs. Es zeigt sich einmal mehr, dass Geld keine Tore schießt. Nur Tradition und Nachhaltigkeit bringen Erfolg. Der Sport hat gesiegt; das Kapital verloren. Durch das frische Geld von 777 Partners droht allerdings das Rematch.

Wie so oft lohnt sich eine differenzierte Betrachtungsweise. Zunächst die Fakten: Hertha hat trotz Millioneninvestment keinen sportlichen Erfolg. Das Geld wurde ohne Strategie verpulvert. Aus diesem Blickwinkel haben die Kritiker:innen recht. Man darf aber nicht den Fehler begehen, das fehlgeschlagene Investment als Beweis einer Fußballromantik zu sehen, die nur Bier, Bratwurst, und keine Montagsspiele kennt. Das fehlgeschlagene Hertha-Investment wurde von vielen Seiten mit Häme und Genugtuung aufgenommen. Das vom Himmel herabfallende Geld hatte das Potential, disruptiv zu sein, die Wettbewerbsfairness zu attackieren und das Fundament des Sports ins Wanken zu bringen. Alles wahr. Wenn es nicht schon längst so wäre.

Objektiv subjektiv gesehen

Der Standpunkt, von dem aus Herthas Scheitern goutiert wird, steht nicht außerhalb des Kommerzes. Im Gegenteil. Er liegt mittendrin. Ist sogar auf ihn angewiesen. Dabei scheint es doch so einfach! Auf der einen Seite der größenwahnsinnige alte Dame, die sich einen monetär potenten, aber sportlich impotenten Investor angelacht hat. Dem gegenüber steht die unschuldige Bundesliga, die Tradition des Vereins und des Sports, das sich von den Arbeitervierteln Englands in die ganze Welt ausgebreitet hat.

Auch wenn die Tennor-Millionen einen Einblick in die kommerziellen Abgründe des modernen Fußballs gewährt haben: Diese Abgründe taten sich nicht einfach so vor Hertha auf. Stattdessen steht der Fußball seit Jahrzehnten auf einer allzu dünnen und bunt bemalten Spanholzplatte, die Marketingprofis und Funktionäre sorgsam über das ausgehöhlte Fundament des schönen Spiels gelegt haben.

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Das sich die Kapitalinteressen an Hertha die Zähne ausgebissen haben, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die gleichen Interessen sind, die ein vermeintlich homogenes Feld konstituiert haben, aus dessen Perspektive heraus das Scheitern des Kommerzes, aber nicht der Kommerz selbst empörend ist. Einfach gesagt: Eine Verwirbelung der Wasseroberfläche wird nur dann als störend erlebt, wenn es Kräfte gibt, die das Wasser ruhig und an Ort und Stelle halten.

Diese Gedanken gehen zurück auf die Ausführungen des Philosophen Slavoj Žižek zum Thema Gewalt:

„Subjektive Gewalt wird als solche vor dem Hintergrund einer Nullebene erfahren, auf der es keine Gewalt gibt; als Störung der »normalen«, friedvollen Ordnung der Dinge. Objektive Gewalt wiederum ist unsichtbar, da sie gerade diese Nullebene aufrechterhält, vor der wir etwas als subjektiv gewalttätig erfahren. Demzufolge verhält es sich mit der systemischen Gewalt wie mit der berüchtigten »Dunklen Materien in der Physik. Sie ist das Gegenstück zur nur allzu sichtbaren subjektiven Gewalt. Sie mag zwar unsichtbar sein, muss aber trotzdem berücksichtigt werden, will man verstehen, was sonst nur als »irrationaler« Ausbruch subjektiver Gewalt erschiene.“ – (Žižek, 2011, S. 10)

Tradition hat ihren Preis

Weil es Gefahr läuft, sich an der Tradition des Fußballs zu versündigen, ist das Tennor/777-Investment, durchaus als ein „subjektiver“ Gewaltausbruch zu werten. Der entscheidende Punkt ist aber, dass diese krass zu Tage tretenden finanziellen Interessen vor dem Hintergrund der systemischen und „objektiven“ Gewalt bewertet werden müssen. Es ist eben genau diese strukturelle Ebene, die aus dem Fußball und seiner Tradition ein gewaltiges Hochglanzprodukt erschaffen haben.

Sponsoren, Rechtevermarktung, Fremdkapital, und Marketing. Das sind die Faktoren, die den modernen Fußball mit Schmiermittel versehen, sodass das Produkt wohlgeölt und geräuschlos an die Fans verkauft werden kann. Was das Geschehen um Hertha also offen legt, ist nichts Besonderes, sondern die Regel. Außergewöhnlich ist lediglich die Konzentriertheit und die öffentliche Friktion mit dem das Kapital fließt.

Die traurige Wahrheit ist, dass sich der große sportliche Erfolg an die Tradition nur dann hängen kann, wenn der Weg durch objektive finanzielle Gewalt bereitet wurde. Vereine wie Dortmund, Liverpool oder Bayern sind über jeden Zweifel erhaben Traditionsvereine zu sein. Selbige Vereine machten aber 2021/22 zwischen 350 und 700 Millionen Euro Umsatz. Konkurrenzfähigkeit hat ihren Preis.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Hinzukommt, dass selbst Vereine, die sich bewusst anti-kommerziell geben, diese Gegenpositionierung geschickt zu Marketingzwecken einsetzen. Das soll keine moralische Äquivalenz herstellen, verdeutlicht aber, dass die Idee eines urtümlichen und “echten” Fußballs vor allem dann kommerziellen Erfolg hat, wenn sie als Gegenthese zu den aktuellen Ereignissen gespielt wird. Das es sich ab einer gewissen Spielklasse eigentlich nur um zwei Seiten der gleichen Medaille handelt, wird gerne vergessen. So wirkt Hertha einerseits als mahnendes Beispiel, aber eben auch Bestätigung der eigenen Strategie.

Würden engagierte Fans die Seilschaften der finanziellen Abhängigkeiten nicht stets aufs neue thematisieren, das Geld würde nicht weiter auffallen. Es liegt in der Ironie der Sache, dass die perfekte Illusion, in der Geld in anonymen Konferenzräumen per Handschlag verteilt wird, gewaltvoll die Gestalt konstituiert, deren gewaltvolle Störung negativ aufgenommen wird. Anders gesagt: Die gewaltvolle Aneignung des Sports, immunisiert sich gegen sich selbst, indem sie eine Harmonie erschafft, die es auf gar keinen Fall zu stören gilt.

Nur Bernstein kann nach China gehen

Sollten wir also alle Hoffnung fahren lassen, uns angewidert abwenden oder blind ins Vergnügen stürzen? Natürlich nicht. Vielmehr müssen wir uns unserer Widerstandsmöglichkeiten und ihre kontextuelle Einbettung gewahr werden. Dass der 777-Deal zu diesem Zeitpunkt kommt, kann aus zweierlei Hinsicht als Glücksfall gesehen werden. Zum einen sichert das frische Geld die Spiellizenz. Das führt Hertha zwar in die bereits erwähnte Paradoxie, dass nur harte Kapitalinteressen die Tradition weiter bewahren kann, dem steht allerdings ein entscheidendes Hindernis entgegen: Kay Bernstein.

hertha

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Das bezieht sich weniger auf die Person des aktuellen Präsidenten, sondern auf ihn als historische Figur. Wem glaubt man es eher, 50+1 verteidigen zu können? Einem windigen Politiker aus dem Berliner Klüngel, oder jemandem, der wie kein zweiter das Selbstverständnis und die Außenwirkung des Vereins beeinflusst hat? Vor diesem Hintergrund ist das 777-Geld notwendig, damit Tradition weiterbestehen kann, Kay Bernstein ist es aber auch, da er eben die individuelle und greifbare Verkörperung dieser Tradition ist.

Das bedeutet nicht, dass Herthas Fangemeinschaft keine Tradition leben würde. Es geht vielmehr darum, einen Fokuspunkt zu schaffen, jemanden der für das alles und damit zwar an der Spitze, aber auch hinter dem Verein steht. Somit ist Kay Bernstein einerseits Bremser, andererseits fällt ihm aber auch die Rolle des Möglichmachers zu. Denn ohne die Funktion des Moderierens und Abwägens, müsste der 777Partners-Deal entschieden zurückgewiesen werden.

Wer könnte da schon Nein sagen?

Dort wo die Dialektik aus Person und Geld gerade nicht zur Synthese kommt, zeigt sich das Establishment des modernen Event-Fußballs. Ist die Wahl Bernsteins nicht genau die Erfüllung des Wunsches nach einem authentischen Fußball, der den Fans gehört? Wer könnte also dagegen sein? Vielleicht eben jene Funktionäre und Meinungsmacher, denen es nur darum geht, ein bestimmtes Bild des Fußballs zu erhalten. Nämlich das, was für den Höchstpreis die Besitzer wechselt. Die tendenziöse Berichterstattung der BILD über die Vorgänge um Bobic-Günstling Axel Kruse zeigen, dass es der Fraktion, die Sonntags im Doppelpass laut nach den „echten Typen“ schreit, gerade nicht um Authentizität geht.

Es ist ein Offenbarungseid, dass Bernstein als Bedrohung für den Sport und den Verein dargestellt wird. Anstatt zu fragen, ob jemand, dessen Fansein und –engagement nicht zur Debatte steht, eine Bedrohung für den Fußball sein kann, muss man der Fragen nachgehen, welcher Fußball denn gemeint ist. Der partizipative, ehrliche, vollends im Sinne der Fans gestaltete kann es schon mal nicht sein. Welche Version bleibt noch übrig außer die, die im Verkaufsprospekt beworben wird?

Geld und Bauchschmerzen

Wie tief Tradition, Ideologie, und Kapital miteinander verwoben werden können, sieht man beim FC Bayern. Jahrelang von ehemaligen Spielern professionell und erfolgreich geführt, könnte man an der Säbener Straße die größten aller Fußballromantiker vermuten. Doch in der Hochglanz Amazon-Dokumentation spiegeln sich nur Rolex, Gas-Geld und Artikel 1 des Grundgesetzes.

München sollte deshalb eine Warnung für (ganz) Berlin sein. Der Grad zwischen Tradition durch Geld und Geld durch Tradition ist schmal und verlangt sorgsame Navigation. Bauchscherzen wegen des 777 Investments sind nachvollziehbar und gerechtfertigt. Herthas Fangemeinschaft hat in der Vergangenheit durch klare Bekenntnisse gegen Lars Windhorst gezeigt, dass sie sich nicht so einfach kaufen lässt. Fans von anderen Vereinen sollten aber vorsichtig sein, in Herthas Situation die Ausgeburt des modernen Fußballs zu sehen. Unzweifelhaft treten die negativen Seiten in Berlin gerade sehr deutlich hervor. Diese Deutlichkeit setzt aber Entwicklungen voraus, die über Jahre auf fruchtbaren Boden gewachsen sind.

Und dieser Boden wird nicht nur Olympiastadion, sondern in ganz Deutschland erfolgreich und meist geräuschlos bewirtschaftet.

Podcast #217 mit Kay Bernstein

Podcast #217 mit Kay Bernstein

Vor einem guten Jahr trafen wir uns für den Podcast schon mit unserem ehemaligen Präsidenten Werner Gegenbauer. Auch unser aktueller Vizepräsident Fabian Drescher war schon zu Gast. Nun durften wir auch mit Kay Bernstein über seine Arbeit als Präsident, Vereinspolitik, Ticketpreise, Lars Windhorst, Fredi Bobic und über die anstehenden Spiele sprechen. Ein sehr angenehmes Gespräch, das hoffentlich nicht das letzte war.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der neuen Folge und freuen uns über eure Kommentare. Euer Feedback ist sehr motivierend und freut uns immer am meisten.

Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr den Podcast mit euren Freund*innen, der Familie oder Bekannten teilt. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

#hahohe #podcast #herthabsc #bundesliga #herthabase

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Hertha BSC – 1.FC Köln: Drei Thesen

Hertha BSC – 1.FC Köln: Drei Thesen

Ein Stich ins Fanherz brachte die Hertha in der 90+8 Minute gegen Stuttgart um einen Punkt und zur dritten Niederlage in Folge. Nun heißt es Bär gegen Geißbock. Die Gäste aus Köln sehnen sich nach einer nicht allzu schlimmen, aber genauso drastischen Niederlagenserie einen Sieg herbei. Im Olympiastadion steht ein hartes Duell zwischen zwei Teams an, welche vor der Winterpause drei Punkte mitnehmen wollen.

Unsere drei Thesen zum Spiel gegen den 1.FC Köln.

Ein letzter Gruß nach Qatar

“15.000 Tote für 5.760 Minuten Fußball! Schämt euch”. Bei der letzten Heimpartie, wo ein volles Olympiastadion den FC Bayern begrüßte, sollte dieser Spruch vom Gästeblock und in der Ostkurve durch die Medien gehen. Eine gemeinsame Kooperation zwischen den Fanlagern zeigte nicht nur im Olympiastadion die Position der nationalen Fanlager. Im Olympiastadion sollte es nicht das einzige Banner in dieser Partie sein und man kann in der nun letzten Heimpartie vor der großen Winter-WM-Unterbrechung auf mehr warten. Ein jeder Fußballfan richtet seinen Blick auf das Wüstenemirat und die Ostkurve wird sicherlich nicht ruhig Teile der Mannschaft verabschieden.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Zwar stehen einige finale Kader noch aus, doch manche Hertha-Spieler haben schon einen guten Stand, solange nicht noch eine Verletzung dazwischenkommt. Einen Kaderplatz etwa hat Schlussmann Oliver Christensen schon sicher. Seit seinem Aufstieg in den Hertha-Reihen hat der 23-Jährige neben den meisten eigenen Fans auch Nationaltrainer Kasper Hjulmand überzeugt. Weitere Chancen kann sich Dodi Lukebakio als Nachrücker machen, welcher neben der bisherigen Saison mit einem guten Auftritt gegen Köln sicherlich Eindruck hinterlassen will.

Gelbes Kartenfestival

Vom Politischen gehen wir zu den Raufereien auf den Platz. Mit nun 43 Gelben Karten führen die Kölner beeindruckend darin die Bundesligatabelle an. Steffen Baumgarts aggressiver „Vollgasfußball“ zieht einige Karten mit sich. Dass die Hertha mit nun 33 Gelben Karten auf Platz zwei dieser Tabelle steht, lässt auf eine stark physisch geführte Partie schließen. Allein in der letzten Partie konnten sich mit Marco Richter sowie Marc Oliver Kempf gleich zwei weitere Gelb gegen Stuttgart abholen. Karten bedeuten bekanntermaßen nicht gleich unfaires Spiel. Beide Teams zeigen sich im Mittelfeld der Fouls am Gegner, gehen aber stetig intensiv in Spiele rein. Dies lässt sich anhand der Spielstile beider Trainer gut ablesen. Während rund ums Olympiastadion auf „Urvertrauen“ und eine „positive Grundstimmung” gesetzt wird, bringt man mit Steffen Baumgart das im Fußball sagenumwobene Wort „Mentalität“ in Verbindung.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Für die Berliner setzte es zuletzt drei Niederlagen infolge, von den letzten neun Partien wurde nur eine gewonnen. Gute Stimmung hin oder her, das stimmt niemanden auf einem Relegationsplatz zufrieden. Die Gäste unter dem ehemaligen Union-Stürmer stehen mit zwei Niederlagen und damit vier sieglosen Partien in Folge zwar etwas besser da, doch eine Niederlage gegen die Hertha samt dem Verlust von wichtigen Punkten sieht man vor der Pause ungern.

Kanga für Selke in die Startelf

Zwar will nach Medienberichten Hertha schon im Winter nach einem neuen Mittelstürmer fahnden. Im Moment blickt man noch auf die Optionen, welche der Kader hergibt. Nachdem Selke in einem packenden Duell im letzten Heimspiel gegen die Bayern noch per Elfmeter ein Tor rausholen konnte, gab es gegen Stuttgart wenig Erfolgreiches für den Schwaben. So spräche taktisch vieles für einen Startelfeinsatz Wilfried Kangas. Die Rückkehr des physisch stärkeren Ivorers in die Startelf sollte insbesondere gegen die Kölner Abwehr für die anlaufenden Flügelspieler in Form von Lukebakio wie Richter Gegenspieler auf sich ziehen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Mit dem weitergehenden Ausfall von Kangas 4-4-2 Stürmerpartner Stevan Jovetic könnte Trainer Schwarz es sich offenhalten, dazu zum 4-3-3 System zurückzukehren. Ebenso besser und schneller zeigte sich Leihgabe Ejuke gegenüber Marco Richter, welcher wie Selke in der 61. Minute ausgewechselt wurde.

Ein Sieg vor einer speziellen anstehenden Winterpause könnte neben dem Sicherstellen einer höheren Tabellensituation und dem Beruhigen des eigenen Fanherzes insbesondere Schwarz viel gelobte Grundstimmung halten. Trainer Schwarz fasst es passend zusammen, „Es wäre ein guter Zeitpunkt, das am Samstag zu haben. Wir haben die Qualität, das Spiel zu gewinnen.”

Hertha BSC – FC Bayern München: Drei Schlüsselduelle

Hertha BSC – FC Bayern München: Drei Schlüsselduelle

Das bisherige Motto von Hertha BSC in dieser Saison war „Gut gespielt, (zu) wenig Punkte“. Lange erhielt die Mannschaft von Sandro Schwarz Lob für ihr Auftreten, selbst wenn es am Ertrag häufig mangelte. In den letzten beiden Spielen gegen die Aufsteiger Schalke und Bremen stagnierte jedoch auch die Leistung, am Ende reichte es zumindest gegen die Gäste aus Gelsenkirchen zum ersten Heimsieg der Saison, inklusive Willy Kangas Premierentor. Der kommende Gegner aus dem Süden der Republik kommt daher zu einem eher ungünstigen Zeitpunkt, auf der anderen Seite hat Hertha kaum etwas zu verlieren.

Auf welche Schlüsselduelle es ankommt und wie man gegen Bayern München zu Punkten kommen kann, wollen wir in diesem Artikel diskutieren.

Oliver Christensen vs. Eric Maxim Choupo-Moting

Der Kader des deutschen Serienmeisters ist gespickt mit absoluten Topstars. Dass am Ende ausgerechnet der bisherige Ersatzspieler Eric Maxim Choupo-Moting zu einer der absoluten Schlüsselfiguren der laufenden Saison wird, dürfte den Großteil der geneigten Fußballfans überraschen. Der Deutsch-Kameruner konnte in bisher 13 Spielen mit 8 Toren und 3 Vorlagen glänzen, und dass bei gerade einmal 613 Einsatzminuten in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League zusammen. Anders formuliert: Choupo-Moting erzielt alle gut 57 Minuten einen Scorer, was den Zahlen eines Weltklassestürmers entspricht. Das wohl beeindruckendste an dieser Statistik ist jedoch, dass jede einzelne dieser Torbeteiligungen in den letzten vier Wochen erfolgte. Es dürfte schwierig sein, einen anderen Spieler zu finden, der zurzeit solch eine Form aufweist.

Choupo-Moting

(Photo by Christof Stache/AFP via Getty Images)

Ihm gegenüber steht mit Olli Christensen der jüngste Stammtorhüter in der Bundesliga. Fredi Bobic bestätigte unter der Woche in einem Sky exklusiv Interview noch einmal, dass man mit dem Dänen ein gewisses Risiko eingegangen ist. Und dieser bestätigt das in ihn gesetzte Vertrauen bis jetzt mit soliden Leistungen. Auch wenn hier und da mal eine unsichere Situation, wie zum Beispiel der Ausflug gegen Antony Modeste gegen Dortmund oder das späte verschuldete Gegentor im Freiburg-Spiel, dabei ist, hat Christensen die Mannschaft schon das ein oder andere Mal im Spiel gehalten. Im Gegensatz zum vergleichsweise unsicheren Alexander Schwolow (derzeit an Schalke verliehen) strahlt der 24-jährige Nationalspieler eine gewisse Stabilität und Ruhe aus, von der auch die Verteidiger vor ihm profitieren.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt allerdings auch: 17 Gegentore in 12 Spielen und bisher nur einem Spiel ohne Gegentor bieten durchaus Luft nach oben, wobei dafür natürlich nicht nur der Torhüter alleine verantwortlich ist. Oliver Christensen trifft mit Eric Maxim Choupo-Moting auf einen äußerst formstarken und somit auch selbstbewussten Stürmer. Falls Hertha gegen die Bayern Punkte mitnehmen will, ist eine überdurchschnittliche Leistung und etliche gewonnene Privatduelle des Schlussmanns gegen den Mittelstürmer der Münchner notwendig.

Lucas Tousart vs. Joshua Kimmich

Herthas wichtigste Zone unter Sandro Schwarz und dessen Art Fußball spielen zu lassen ist zweifelsohne das Mittelfeld. Durch eine aktive Zweikampfweise und Ballgewinne im mittleren Drittel des Spielfeldes sowie daraus resultierende Gegenstöße soll einerseits Gefahr vom eigenen Tor gebannt und andererseits selbst in Abschlusssituationen gekommen werden. Und genau dafür ist Lucas Tousart ein eminent wichtiges Puzzleteil.

Tousart

Photo by Martin Rose/Getty Images

Der von Jürgen Klinsmann verpflichtete Rekordtransfer scheint in seiner mittlerweile dritten Saison bei Hertha endlich richtig angekommen zu sein. Er geht auf dem Feld voran, macht Meter, gewinnt einen Zweikampf nach dem anderen und gibt dem Spiel der Alten Dame eine Struktur, die in den letzten Jahren regelmäßig fehlte. Mit bereits drei Saisontoren (zweimal in der Liga und einmal im Pokal) entdeckte der Franzose zuletzt zudem eine neue Torgefahr. In seiner Kernkompetenz, dem Gewinnen von Zweikämpfen, befindet Tousart sich im ligaweiten Vergleich auf Platz 17. Daneben ist er unter den besten drei Prozent in Hinblick auf geklärte Bälle – und das europaweit.

Sein Gegenpart bei den Münchnern heißt Joshua Kimmich und gehört seit Jahren zu den Besten seiner Zunft. Der ehemalige Stuttgarter ist der unumstrittene Strippenzieher im Spiel des Champions-League-Siegers von 2020. Er befindet sich im europäischen Vergleich bei den jeweils besten Prozent in Hinblick Assists, schuss-kreierende Aktionen, progressive Pässe und abgefangene Bälle. Kimmich ist somit sowohl defensiv als auch offensiv der treibende Motor der Bayern und dazu emotionaler Leader auf dem Platz. Der Mittelfeldspieler muss für ein erfolgreiches Spiel der Blau-Weißen so gut wie möglich neutralisiert werden. Genau das wird höchstwahrscheinlich Aufgabe von Lucas Tousart sein. Sollte dem Herthaner dies gelingen, erhöht sich zumindest die Möglichkeit, dass die Gastgeber nicht als Verlierer aus der Partie gehen.

Dodi Lukebakio vs. Alphonso Davies

Auf der von Hertha aus gesehen rechten Außenbahn könnte es im kommenden Spiel durchaus zu dem einen oder anderen Blitzerfoto kommen. Mit Dodi Lukebakio (Platz 33) und Alphonso Davies (Platz 3) treffen zwei der schnellsten Spieler der Bundesliga aufeinander. Der 22-jährige Außenverteidiger der Gäste schaltet sich dabei gerne in das Offensivspiel seiner Mannschaft ein. Er gehört mit über drei erfolgreichen Dribblings pro 90 Minuten zum besten Prozent Europas in dieser Kategorie, auch seine expected Assists und schuss-kreierenden Aktionen stellen Spitzenwerte dar. Lukebakio wird somit auch defensiv gefordert sein, um Jonjoe Kenny so gut es geht zu unterstützen. Spätestens seit dem überragenden Sprint des Belgiers in Richtung des eigenen Tores gegen RB Leipzig und dem damit schon sicher geglaubten verhinderten Gegentor ist klar, dass der Rechtsaußen in dieser Saison Fußball nicht nur offensiv versteht.

Lukebakio

Photo by Cathrin Mueller/Getty Images

Auf der anderen Seite könnten sich durch die Spielweise Davies gerade die Räume öffnen, die Herthas Flügelflitzer so liebt. Mit bereits fünf Treffern in der Liga führt Lukebakio die teaminterne Torschützenliste deutlich an. Der obligatorische Hinweis auf dessen Dreierpack gegen die Bayern noch zu Düsseldorfer Zeiten erfolgt hiermit ebenfalls. Jedes Tor des Außenstürmers würde für das Ziel der Hauptstädter, vielleicht wenigstens einen Punkt im in dieser Saison erstmals ausverkauften Olympiastadion zu behalten, Gold wert sein. Es ist klar, dass alles andere als eine Niederlage für Hertha extrem wertvoll wäre, um die Abstiegsränge über die lange Winterpause zu vermeiden. Und somit zumindest etwas Ruhe im finanziell geplagten Verein aus Charlottenburg einkehren zu lassen.

Die Statistiken beruhen auf den Angaben von fbref.com und bundesliga.com

[Titelbild: Reinaldo Coddou H./Getty Images]

Drei Thesen: Hertha BSC gegen TSG 1899 Hoffenheim

Drei Thesen: Hertha BSC gegen TSG 1899 Hoffenheim

Die Länderspielpause ist vorbei und für Hertha BSC geht es im heimischen Olympiastadion gegen die stark aufspielende TSG aus Hoffenheim. Holt Hertha den zweiten Dreier dieser Saison? Unsere drei Thesen zum Spiel.

Mit einem (unnötigen) Unentschieden gegen Mainz 05 verabschiede sich Hertha BSC in die Länderspielpause. Erst in der 94. Spielminute fing man sich das 1:1 – nachdem man in der zweiten Halbzeit oftmals in alte Verhaltensmuster gekehrt war.

Nach einer passablen ersten Halbzeit entglitt den Berlinern das Spiel in der Halbzeit zunehmend. Man überließ den Mainzern den Ball – rannte viel hinterher und sorgte kaum mehr für offensive Entlastung. Der Ausgleich in der 94. Minute war das konsequente Resultat dieser Partie.

Aber dennoch: In der bisherigen Saison zeigte Hertha nach insgesamt sieben Spieltagen vor allem spielerisch starke Leistungen. Vermutlich ist das Nervenkostüm bei vielen Herthanern immer noch angespannt: So sehr man den aktuellen Fußball der alten Dame genießt, schwingt auch immer die Angst mit, dass die Mannschaft einbricht.

Gegen Hoffenheim hat Hertha BSC am Sonntag eine weitere Chance, den zweiten Dreier in dieser Saison einzufahren. Drei Thesen zum Spiel.

Es geht rauf und runter: Tore, Tore, Tore!

Bisher zeigte Hertha BSC in dieser Saison vor allem Offensiv viel. Es zeigt sich, wie wertvoll „richtige“ Flügelstürmer wie Ejuke (2 Vorlagen) und Lukebakio (2 Tore, 1 Vorlage) sind. Mit ihrer Schnelligkeit und ihren starken Tempodribblings sorgen sie immer wieder für Gefahr über die Flügel und prägen Herthas Offensivspiel bis hierhin maßgeblich.

Lukebakio ist wieder wichtig geworden für Hertha BSC.

Lukebakio ist wieder wichtig geworden für Hertha BSC. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Aber auch Hoffenheim fällt diese Saison durch treffsichere Spieler auf: Mit insgesamt zwölf erzielten Toren liegt die TSG in der Liga auf Platz vier. Dabei haben sie nicht diesen „einen“ Stürmer, der die Liga zerschießt. Die Last verteilt sich auf viele treffsichere Spieler. So haben insgesamt drei Spieler doppelt getroffen, insgesamt fünf Spieler einmal.

Es verspricht ein Spiel für die Zuschauer zu werden: Ein schnelles offensives, mit vielen kurzen Ballkontakten und schnellen Pässen in die Spitze, samt vieler Torchancen. Wer nicht einschaltet, ist selbst schuld.

Kanga für Zwei – oder Drei?

Bisher ohne Tor in dieser Saison blieb Neuzugang Wilfried Kanga. Aber auch ohne eigenen Treffer weiß der Franko-Ivorer bisher zu überzeugen. „Ich empfinde, dass er für die Mannschaft viel arbeitet und dass er sehr fleißig ist“, sagte Trainer Sandro Schwarz kürzlich über ihn. Und tatsächlich: Auch Kanga ist ein Grund dafür, warum Hertha diese Saison spielerisch so stark auftritt.

Bisher ist Kanga auch ohne Tore wichtig für Hertha. Schießt er sich gegen Hoffenheim warm?

Bisher ist Kanga auch ohne Tore wichtig für Hertha. Schießt er sich gegen Hoffenheim warm? (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

So weiß er genau, den Ball fest zu machen, damit seine Mitspieler nachrücken können. Gleichzeitig hat er kluge Verlagerungen auf die Flügel in Petto, die dort oftmals eine Überzahl schaffen. Nur eben der eigene Treffer fehlt ihm noch.

Und nicht selten, schießen sich glücklose Stürmer den Frust in einem einzigen Spiel von der Seele. Und treffen dann gerne mehrmals. Geht die erste These auf, wird es sehr offenes und offensives Spiel: Die perfekte Gelegenheit für Kanga, den Hoffenheimern ein paar Tore ins Netz zu legen.

Chef auf dem Platz: Boateng übernimmt die Führung

Viele Herthaner warten sehnlichst auf den „Durchbruch“ von Boateng. So wichtig er neben dem Platz für die Mannschaft ist – auf dem Feld konnte er sich in der laufenden Spielzeit noch nicht nachhaltig auszeichnen. Glücklicherweise muss Jean-Paul Boetius sich keiner Chemotherapie unterziehen, sein Comeback wird dennoch wohl ein paar Wochen in Anspruch nehmen.

Für Boateng kann das die Chance sein, zu zeigen, was er auf dem Platz kann: Ein Spiel an sich reißen, mit klugen Bewegungen das Spiel ordnen und mit direkten Pässen in die Spitze schnell gestalten. Und womöglich gelingt ihm dann auch bald sein „erstes“ Hertha-Tor.

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Auch auf dem Platz kann Boateng zum Leader werden. (Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Insofern sein Körper mitmacht, kann er in dieser Saison ein wichtiger Faktor werden: Und ein Leader auch auf dem Platz.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)