Der Investor hat einen Abnehmer für seine Anteile gefunden. Ist das das Ende von Herthas Flirt mit dem großen Geld und eine Chance für eine Rückbesinnung? Durchaus, nur dass das schon längst stattgefunden hat; Dank des Investors.
Trauma
Es besteht keine Notwendigkeit das Chaos, dass Hertha seit dem Einstieg des Investors erlebt hat, en detail Revue passieren zu lassen. Wer sich trotzdem dafür interessiert, sei auf den Twitter-Thread unseres Chefredakteurs Marc Schwitzky verwiesen.
Windhorst-Einstieg, Big City Club, Covic beerbt Dardai, Covic kurz danach weg, Klinsmann übernimmt, bringt Friedrich & Köpke mit, spannendstes Projekt Europas, Rekordtransferwinter, Facebook-Aus, Tagebücher, Nouri-Intermezzo, Kalou-Stream, Lehmann kommt, Labbadia, Neuanfang, 1/3
— Marc Schwitzky (@junger_herr_) November 29, 2021
Weniger das Dazwischen als der Anfang und das vermeintliche Ende, der unrühmlichen Causa Blei-Else soll Gegenstand dieses Textes sein. Nachdem der Investor zuletzt verkündet hat, einen Käufer für seine Anteile gefunden zu haben (Es ist wahr), scheint es, dass sich die letzten drei Jahre endlich in die Gesellschaft der Erinnerung an die Relegation von 2012 oder des 0:4 gegen den KSC von 2009 begeben könnte; Als albtraumhaftes Engramm des „Was-Wäre-Wenn“.
Das Ende?
Der angeblich bevorstehende Verkauf der Anteile stellt aber mitnichten das Ende da. Er ist lediglich der Epilog. Eine Fußnote einer Geschichte, die bereits am 26. Juni 2022 ihren Abschluss fand. Am Tag als die Mitglieder Kay Bernstein zum Präsidenten von Hertha BSC wählten.
Nun müssen wir uns doch in das Trauma des Dazwischen wagen. Nachdem der Investor eine Summe in Hertha investiert hat, die in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Mikronesien entspricht, wurde die Alte Dame von den jüngeren Mitgliedern der Bundesliga kritisch beäugt. Sollte sich hier ein Traditionsklub etwa mit der entrückten Welt des Event-Fußballs gemein machen? Als dann noch die sportlichen Erfolge ausblieben, war der Ruf vollends ruiniert, was dazu führte, dass die Verantwortlichen ihre Fehde ungeniert in der Öffentlichkeit auslebten.
Der investorisch-fußballerische Komplex schien schließlich mit dem Rücktritt von Alt-Präsidenten Werner Gegenbauer in sich zusammenzufallen. Das schrille Kandidaten(!)feld löste sich schnell auf. Ein Zweikampf zeichnete sich ab. Dort der Politiker, von Geruch des West-Berliner Filzes umwoben, und im dringenden Verdacht stehend ein Kandidat von Investors Gnaden zu sein. Ihm gegenüber ein Ex-Ultra. Einer, der Pyrotechnik im Stadion erlauben will. Ein Chaot. Einer, der nicht mal studiert hat und bei dem man sich nicht entscheiden kann, was die größte Leistung war: Als Jugendlicher im Osten der Stadt nicht zum Union-Fan geworden zu sein oder als Verantwortlicher Eventplaner tausende Jugendliche zu einem überschätzten Musikfestival an den Wannsee gelockt zu haben. Geld gegen Tradition. Beziehungen gegen Basis. Das Leben schreibt eben nur die schönsten Geschichten, weil der Fußball außer Konkurrenz antritt.
Ein verwundeter und gepeinigter Verein entschied sich für den Verein. Für jemanden, der die Fußballkultur Herthas nachhaltig geprägt hat. Jemanden, der von seiner Vergangenheit eingeholt wurde. Für den sie sogar zur historischen Notwendigkeit wurde. Was führte zu dieser Wahl. Es war der Investor. Es war das Scheitern des Projekts „Big City Club“. Im Ursprung des Chaos, fand sich die Lösung.
Nur eine Waffe taugt
„Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug“ sing Parsifal in der gleichnamigen Oper von Richard Wagner.
Ohne den Umweg und Wandeln am Rande des Investorentums, wäre die Wahl eines Ex-Ultras in das höchste Amt des Vereins undenkbar gewesen. Es ist das altbekannte Muster: Um Hertha zu heilen, verschreibt sich Hertha eine Dosis Hertha. Ein Vorgang, der nur möglich wurde, weil das vergiftete Geschenk des Investments eine tiefe Wunde im Verein hinterlassen hat. Es war aber eben auch jenes Geld, das einen Vorgang in Gang gesetzt hat, der dazu führte, dass nun jemand an der Spitze des Vereins sitzt, dem eines sicher nicht vorwerfen kann: Das es ihm nicht um Hertha ginge.
Prä-Investor noch als graue Maus verschrien, ist Hertha zwar nicht sportlich erfolgreicher, aber in Sachen Fußballkultur Vorreiterin. Aus diesem Grund ist alles, was nach der Wahl Bernsteins folgte, lediglich Makulatur. Ja, dass die vermeintlichen konspirativen Machenschaften des Investors sogleich ans Licht kamen, war nicht einmal überraschend. Der finale Ausstieg? Die logische Konsequenz.
Hertha ist wieder arm, aber endlich wieder sexy. Gerade in Zeiten, in denen die Faust des Kommerzes erbarmungslos auf das entstellte, aber immer noch schöne Spiel eindrischt, bis es brach in der Wüstensonne liegt, tut das gut. Obschon sportlicher Erfolg immer noch in weiter Ferne zu liegen scheint, das Kapitel Investor hat sein notwendiges Ende gefunden. Ruhige Zeiten voraus? Nein. Hertha wäre nicht Hertha, wenn sie sich nicht auch in Zukunft selbst ein Bein stellen würde. Aber Hertha wäre eben auch nicht Hertha, wenn nicht echte Herthaner das Sagen hätten. Ob von den Rängen des hoffentlich baldigen neuen Stadions oder den Räumlichkeiten der Hanns-Braun-Straße 2.
(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)