Drei Thesen für Arminia Bielefeld – Hertha BSC

Drei Thesen für Arminia Bielefeld – Hertha BSC

Euphorie in der Hauptstadt: Nach zuletzt zwei Siegen in Serie ist der Klassenerhalt nach einer lange Zeit ernüchternden Saison plötzlich zum Greifen nah. Schon am Sonnabend kann Hertha einen großen Schritt in Richtung Ligaverbleib machen, sogar der direkte Klassenerhalt ist bereits möglich. Doch dafür ist nicht nur entscheidend, wie das Gastspiel Herthas bei Arminia Bielefeld endet.

Auf einen möglichen Verlauf der Ereignisse am Sonnabend blicken wir mit drei Thesen.

These 1: Die Null bei Hertha bleibt stehen

Dreimal spielte Hertha in dieser Saison zu null – bis Felix Magath und Mark Fotheringham das Team ab dem 27. Spieltag übernahmen. Seither folgten in fünf Spielen drei weitere ohne Gegentor. Die Abwehr zeigt sich stabilisiert und wesentlich konstanter. Es scheint ihr gut zu tun, dass statt ständiger Rotation eine klare Hierarchie gilt. In der Innenverteidigung sind Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf gesetzt, außen verteidigen Marvin Plattenhardt und Peter Pekarik. Dahinter steht Marcel Lotka zwischen den Pfosten.

Die Null hinten zu halten, sollte gegen Bielefeld oberste Priorität haben. Denn während die Arminen dringend gewinnen müssen, um eine Restchance auf den Klassenerhalt zu wahren, wäre für Hertha bei vier Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz und der Aussicht auf das anstehende Heimspiel gegen form- und auswärtsschwache Mainzer ein Unentschieden schon als großer Schritt einzustufen.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Der Druck liegt bei der Arminia, die ihrerseits nicht für Torgefahr stehen. Die wenigsten geschossenen Tore (24) sind kein Produkt des Zufalls, auch in der Tabelle der Expected Goals liegen die Ostwestfalen auf Platz 18 der Liga (33,26 xG).

Mit Fabian Klos fehlt dem Team von Interimstrainer Marco Kostmann der Zielspieler im Mittelsturm. Der beste Torschütze Masaya Okugawa wartet seit dem 19. Februar auf ein Tor.

Daher die These: Die Null zu halten, wird bei Hertha oberste Priorität haben und auch gelingen. Im sechsten Anlauf unter Magath bleibt die Alte Dame zum vierten Mal ohne Gegentreffer.

These 2: Wie im Hinspiel: Tor(e) nach der Pause

Wie man es gegen Bielefeld angehen kann, zeigte Hertha, noch unter Tayfun Korkut, in der Hinrunde. Harmlose Bielefelder hielten die Blau-Weißen weitestgehend vom eigenen Tor fern. Wie es im Abstiegskampf oft nunmal so ist, gab es seitens der Hertha allerdings auch kein Chancenfestival.

Doch nach dem Seitenwechsel war Hertha zielstrebiger und belohnte sich. Stevan Jovetic traf in der 53. Minute auf Vorarbeit von Ishak Belfodil und Davie Selke markierte in der Nachspielzeit den 2:0-Endstand.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Ein Spielverlauf, wie er auch im Rückspiel denkbar ist. Denn der Druck liegt, wie in These 1 dargestellt, bei den Gastgebern. Hertha kann sich aufs Verteidigen konzentrieren und darauf warten, dass die Offensivbemühungen Bielefelds intensiver werden, sich dafür aber hinten auch mehr Räume bieten.

Mit fortlaufender Spieldauer muss Bielefeld mutiger werden. Hier liegt Herthas Chance. Daher die These: Offensiv werden die Herthaner zwar zu Beginn nicht viel stattfinden und nicht wie zuletzt gegen Stuttgart früh in Führung gehen, doch später im Spiel werden sie die sich bietenden Räume nutzen und treffen.

These 3: Ein großer Schritt, aber noch keine Klarheit

Treffen die ersten beiden Thesen tatsächlich ein, macht Hertha einen Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt. Bielefeld stünde dann neun Punkte hinter der Hertha – bei noch sechs auszuspielenden. Vom Relegationsplatz würde dann weiterhin der VfB Stuttgart grüßen. Und die müssten punkten, um Hertha rein rechnerisch noch überholen zu können.

Alle Augen nach Stuttgart also. Die empfangen parallel zum Spiel zwischen Bielefeld und Hertha den VfL Wolfsburg. Die Niedersachsen sind derzeit so etwas wie die Wundertüte der Liga. Spielten sie letzte Woche Mainz 05 regelrecht an die Wand und führten zur Pause bereits mit 5:0, waren es in der Woche zuvor die Wölfe, die sich in Dortmund katastrophal präsentierten und mit einem 0:5-Rückstand in die Pause gingen. Davor siegte das Team von Trainer Florian Kohfeldt mit 4:0 gegen Bielefeld, verlor jedoch 0:3 gegen Augsburg.

BERLIN, GERMANY – APRIL 24: Ishak Belfodil of Hertha Berlin celebrates their side’s win with teammates after the final whistle of the Bundesliga match between Hertha BSC and VfB Stuttgart at Olympiastadion on April 24, 2022 in Berlin, Germany. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Welches Gesicht sie am Sonnabend gegen den VfB zeigen, steht in den Sternen. Doch der Druckabfall nach den wichtigen Punkten gegen Mainz dürfte groß sein. Gleichzeitig ist ein Sieg für Stuttgart beinahe Pflicht, um Bielefeld nicht an sich rankommen zu lassen. Denn in der Woche darauf spielt der VfB bei den Bayern, während es Bielefeld mit Bochum zu tun bekommt. Sich darauf zu verlassen, dass dann die wichtigen Punkte geholt werden, wäre wohl fatal.

Daher die These: Der Hertha-Sieg gegen Bielefeld wird zwar ein großer Schritt, doch weil der VfB parallel ebenfalls gewinnt, wird der Klassenerhalt rechnerisch nicht klar gemacht. Eine mögliche Party muss noch verschoben werden.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Mit Pärchen gegen Bielefeld gewonnen

Herthaner im Fokus: Mit Pärchen gegen Bielefeld gewonnen

Endlich war es mal wieder soweit. Im zweiten Spiel unter Tayfun Korkut gelang Hertha BSC der erste Sieg nach zuvor fünf Spielen in Folge ohne drei Punkte. Das Spiel zeigte weitere Fortschritte und Dinge, die seit dem Trainerwechsel besser funktionieren. Allerdings offenbarten sich auch die größten Schwachstellen der Hertha. Wir schauen heute auf interessante Pärchenbildungen, die verschiedenen Joker und wessen Plätze in der Startelf bedenklich wackeln.

Stevan Jovetic und Ishak Belfodil: Zwei, die sich gefunden haben

Es ist mittlerweile eine regelmäßige Wiederholung der letzten Wochen, dass diese beiden Spieler hier immer wieder aufgelistet werden. Sie lassen uns aber schlichtweg keine andere Wahl. Seit Wochen brillieren die beiden Stürmer miteinander und werden immer erfolgreicher.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Stevan Jovetics Passquote von 74 Prozent und seine Zweikämpfe, von denen er 67 Prozent für sich entscheiden konnten, sind für einen Stürmer eine starke Quote. Wieder einmal hatte er mit 54 Ballaktionen einen großen Anteil am Kreativspiel. Er bereitete zwei Chancen für seine Mitspieler vor und kam selber drei Mal zum Abschluss. Sein Freistoß in der 28. Minute war wie schon gegen den VfB Stuttgart brandgefährlich.

Das Sahnehäubchen der Partie war sein Volleytor, welches er in der 53. Minute nach Ishak Belfodils Ablage mit Wucht erzielen konnte. Kurios war, dass Hertha BSC nach Jovetics zurecht aberkannten Abseitstor in der 42. Minute nun in vier Spielen in Folge fünf Tore erzielt hat, die wegen Abseitsstellungen nicht gegeben wurden.

Ishak Belfodil, der mittlerweile komplett im Team der Hertha angekommen zu sein scheint, setzte weiterhin seine spielerischen Mittel ein, verteilte – 71 Prozent seiner gespielten Pässe fanden seine Mitspieler – und empfing Bälle und bereitete mustergültig auf Jovetic vor. Vier Mal suchte er selbst den Abschluss. Wermutstropfen ist sein fehlender persönlicher Torerfolg, der ihm bisher vergönnt war.

Belfodil könnte eben jenes erzwingen, indem er sich die nötige Spritzigkeit und Kaltschnäuzigkeit aneignet, die ihm oftmals noch in Aktionen fehlt. Seine Bemühungen sind ohne Zweifel vorhanden, doch wirkt es oft so, als wäre er einen Schritt zu langsam oder zu sehr mit dem Kopf beschäftigt.

Suat Serdar und Santiago Ascacibar: Das sich ergänzende Duo

Suat Serdar war wie erhofft nach seinem durch eine Erkältung begründeten Fehlen gegen Stuttgart wieder dabei und brachte genau das ins Hertha-Spiel, was gegen die Schwaben noch in Teilen gefehlt hatte: Kreativität und Torgefahr.

Er selber kam zu zwei Abschlüssen, die nur mit Bielefelder Glück nicht im Netz landeten. Insbesondere sein Zusammenspiel mit Jovetic in der 14. Minute hätte einen erfolgreichen Abschluss verdient gehabt. Nilsson klärte dabei auf der Linie hinter dem bereits geschlagenen Ortega.

Serdar war extrem aktiv, hatte in seinen 69 Minuten, die er auf dem Platz stand, ehe er für Jurgen Ekkelenkamp ausgewechselt wurde, 62 Ballkontakte und brachte 79 Prozent seiner Pässe an den Mann und half viel bei der Kreierung von Torchancen. Mit 68 Prozent gewonnener Zweikämpfe hat er eine sehenswerte Quote, die seine Robustheit zeigt und seinen Wert für das Spiel der Hertha unterstreicht.

(Photo by Thomas Eisenhuth/Getty Images)

Während Suat Serdar der Offensive seinen Stempel aufdrückte,  machte Santi Ascacibar selbiges in der Defensive. Dabei hielt er vor allem Serdar den Rücken frei, räumte unermüdlich Bälle und Gegner ab und verteidigte und verteilte Bälle mit purer Leidenschaft. Mit 74 Ballkontakten war er einer der Herthaner, die am häufigsten den Ball hatten. Er gewann in dem Spiel, welches er über die volle Distanz bestreiten konnte,  69 Prozent seiner Zweikämpfe.

Zusammen bilden diese beiden ein sich top ergänzendes Duo im zentralen Mittelfeld. Die Frage wer der dritte zentrale Mittelfeldspieler zukünftig sein soll, konnte Vladimir Darida bisher nicht mit Nachdruck beantworten.

Dedryck Boyata und Niklas Stark: Das Abwehrbollerk, das einfach wegverteidigt

Wie erwartet kam Niklas Stark nach Jordan Torunarighas Leistungabfall in Stuttgart zurück in die Startelf. Die Frage wie er auf die Gerüchte um einen Wechsel, die unter der Woche wieder lauter wurden, spielerisch reagieren würde, beantwortete er recht klar mit einer sehr soliden Leistung.

Zusammen mit Kapitän Dedryck Boyata hielt er die Verteidigung zusammen. Beide gestikulierten und kommunizierten durchgehend mit ihren Mitspielern und wurden ihrer Rolle als Leader gerecht. Stark hatte im Vergleich zum Spiel in Augsburg keinen Querschläger drin.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Während beide mit vielen Aktionen am Ball für einen sehr strukturierten Spielaufbau sorgten, konnten sie sich auch immer wieder im Offensivspiel der Hertha einbringen. Beide hatten eine Passquote von weit über 80 Prozent, im Fall von Stark sogar 95 Prozent. Keiner der beiden musste auch nur ein einziges Foul ziehen, sie gewannen jeweils fast alle ihrer Zweikämpfe. Zusammen klärten sie ganze 15 Bälle aus der Gefahrenzone.

Niklas Stark hatte nach zehn Minuten die erste nennenswerte Kopfballmöglichkeit. Im Laufe der Partie gelang es Dedryck Boyata sogar drei Mal zum Abschluss zu kommen. Der gesamten Mannschaft war anzumerken, dass die beiden Kapitäne der Mannschaft Ruhe ermöglichen und sie ihnen vertrauen konnten.

Krzystof Piatek und Davie Selke: Joker unter Zugzwang

Beide Stürmer, die in der Hierarchie der Stürmer ganz klar hinter Belfodil und Jovetic stehen, bekamen in den letzten Wochen vor allem Kurzeinsätze. Beiden war der Einsatz nicht abzusprechen, doch es fehlte meistens an Glück und Qualität.

Piatek, der erst ein Saisontor verbuchen konnte, sucht seit Wochen nach seiner Form. Nach 78 Minuten bekam er die Chance, sich zu präsentieren. Mit 14 Ballkontakten war er in seinen Minuten, die er bekam, sehr aktiv. Viel Ertrag gelang ihm nicht. In der 83. Minute scheiterte er an einer Fußabwehr von Ortega freistehend vor dem Tor. Er gewann keinen Zweikampf. Um mehr Einsatzzeiten zu bekommen und endlich wieder alte Form zu erlangen, muss er zukünftig gerade in Kurzeinsätzen solche Chancen nutzen, um den nötigen Konkurrenzkampf im Team zu provozieren.

Davie Selke, der in dieser Bundesligasaison vom Pech verfolgt zu sein schien, konnte eben jenen Kurzeinsatz nutzen. Sein Einsatz sollte noch später als Piateks starten. Er kam erst in der 88. Minute, allerdings nutzte er diese mit seiner bekannten Motivation. Er gewann zwei Zweikämpfe, hatte zwei Torchancen, von denen er seine zweite mit dem Schlusspfiff eiskalt nutzte.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Das Tor erarbeitete er sich in den Schlusssekunden des Spiels selbst, als er ein schlampiges Defensivspiel der Bielefelder eiskalt ausnutzte und mit Wucht und Wut im Bauch in das lange rechte Ecke traf. Wie viel Frust und Arbeit in diesem Moment abfielen, war am emotionalen Jubel im Anschluss zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass es sich nicht nur um ein Zufallsprodukt handelte.

Vladimir Darida und Deyovaisio Zeefuik: Aktuell keine Hilfe und überfordert

Der tschechische Mittelfeldspieler kassierte schon früh in der 15. Spielminute eine gelbe Karte, welche er für ein unnötiges taktisches Foul erhielt. Dieser Rucksack ließ ihn in seinen defensiven Aktionen nur wenig Spielraum. Er wirkte nicht gewohnt sicher und konnte mit 57 Prozent gewonnener Zweikämpfe nur knapp über die Hälfte gewinnen, was im zentralen Mittelfeld ungünstig ist.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Immerhin konnte er in der 36. Minute mit einem wuchtigen Schuss aus der Distanz den oft unsicher wirkenden Ortega auf die Probe stellen. Den flatternden Ball konnte der Torhüter nur mit viel Mühe zur Ecke lenken. Insgesamt fiel Daridas Leistung im Vergleich zu seinen Kollegen Ascacibar und Serdar deutlich ab, was leider einen Trend im Vergleich zu den letzten Spielen zeigt. Um seinen Platz in der Startelf weiterhin inne zu haben, muss sich der Routinier dringend wieder steigern.

Die Leistung von Deyovaisio Zeefuik sollte ebenfalls zu Denken geben. Nicht nur Tayfun Korkut, sondern Zeefuik selbst. Der Niederländer schien mit dem Spiel in der Defensive komplett überfordert zu sein. Bereits nach vier Minuten unterliefen ihm zwei Schnitzer hintereinander.

Das sollte sich durch das gesamte Spiel ziehen. Unnötige Ecken, Fehlpässe, ungünstige Pässe, die die Mitspieler unter Druck setzten, nur 57 Prozent gewonnene Zweikämpfe und Fouls in gefährlichen Situationen, wie in der 31. Minute, als er Alessandro Schöpf recht plump kurz vor dem Strafraum zu Fall brachte, unterstreichen seine mangelhafte Leistung. In der 65. Minute verpasste er durch schlechtes Stellungsspiel den Ball und hatte Glück, dass Krüger beim folgenden Schuss nur das Außennetz traf.

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(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Zu Gute halten kann man Zeefuik, dass er vier Bälle klären konnte und im Offensivspiel starke Ansätze und Einsatz zeigte. Vor allem sein Nachsetzen in der 14. Minute und das Einleiten der Großchance von Suat Serdar war ein Lichtblick im Offensivspiel. Viel mehr als das sollte ihm aber auch nicht mehr gelingen. Sobald Peter Pekarik wieder bereit für einen Einsatz ist, wird Zeefuik aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Bank sitzen müssen.

Fazit: Die Stärken des Kaders nutzen hilft

Dem Team gelang ein immens wichtiger Sieg, um sich vom Konkurrenten aus Ostwestfalen absetzen zu können. 20 Schüsse, neun davon auf das Tor der Arminia, sind ein deutliches Zeichen. Man bemüht sich um viel mehr Offensivpower, die zweifelsohne im Kader vorhanden ist, sofern alle fit sind. Dem zentralen Mittelfeld gelingt es ebenfalls immer mehr zu einer Einheit zu verschmelzen und in der Verteidigung bietet es sich an mit souveräner Erfahrung zu arbeiten.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Das Polster auf Platz 17 beträgt nun acht Punkte und lässt die Verantwortlichen zumindest temporär ein paar Nächte ruhig schlafen, bis es Dienstag gegen den FSV Mainz 05 um die nächsten Zähler geht.

Auch wenn es im Endeffekt “nur” Arminia Bielefeld war, kann man positiv festhalten, dass es Hertha gelingt gegen die direkte Konkurrenz in dieser Saison zu punkten. Gegen Bielefeld setzte die Mannschaft an den guten Ansätzen aus Stuttgart an. Nun gilt es diese immer weiter zu fordern und zu fördern, um ruhige Weihnachten zu haben.

[Titelbild: Matthias Kern/Getty Images]

Hertha BSC – Arminia Bielefeld: Drei Schlüsselduelle

Hertha BSC – Arminia Bielefeld: Drei Schlüsselduelle

Das verflixte zweite Jahr. Für viele Aufsteiger ist es das Schwerste. Auch für die Bielefelder, die in der vergangenen Saison am letzten Spieltag den Klassenerhalt sicherten, scheint es ein langes Jahr zu werden. Derzeit steht das Team von Trainer Frank Kramer auf Abstiegsplatz 17. Dass man nach zehn sieglosen Spielen zu Saisonbeginn allerdings derzeit wieder Anschluss an die Plätze außerhalb der Abstiegszone hält, liegt an einer Trendwende ab dem 11. Spieltag, die eng mit einer Systemumstellung verknüpft ist.

Schlüsselduell 1: Wimmer und Okugawa gegen Plattenhardt und Pekarik

Bielefeld startete in einem klassischen 4-4-2 in die Saison und reagierte auf die ersten sieglosen Spiele mit einem 4-2-3-1. Weil man weiterhin sieglos blieb, probierte Kramer ein defensiv kompakteres 3-5-2. Auch das System sorgte nicht für die gewünschte Stabilität, sodass man zum 4-2-3-1 zurückkehrte. In diesem System scheint sich Bielefeld inzwischen gefunden zu haben.

Zwei Schlüsselspieler im System sind die offensiven Außenspieler. Auf der linken Seite ist Masaya Okugawa gesetzt, rechts Patrick Wimmer. Beide Spieler trumpfen derzeit auf, haben ihre Stärken in Eins-gegen-eins. Besonders viel Gefahr geht von Wimmer aus, der in der aktuellen Spielzeit 0,22 expected Assists auf 90 Minuten vorweist – ein Wert, den im eigenen Team und auch bei Hertha niemand überbieten kann. Okugawa kommt entgegen Wimmer auch über die eigene Torgefahr. Drei Tore erzielte er bisher, ein Weiteres hat er vorgelegt. Erst zehn Tore hat Bielefeld in der Liga geschossen, was den Wert der vier Scorer Okugawas unterstreicht.

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(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Gegen die beiden spielstarken Offensivspieler werden Herthas Außenverteidiger Peter Pekarik und Marvin Plattenhardt gefordert sein. Wichtig wird aber auch die Unterstützung der offensiven Außenspieler sein. Insbesondere Myziane Maolida, falls er wieder starten sollte, muss sich hier steigern und Plattenhardt unterstützen, denn auf ihrer Seite ist mit Wimmer Bielefelds Unterschiedsspieler. Über die rechte Seite liefen bis dato 39 Prozent der Bielefelder Angriffe.


Tayfun Korkut startete als neuer Hertha-Trainer mit einem wilden Unentschieden gegen VfB Stuttgart. Wieder konnten die Berliner nach starker Aufholjagd nicht gewinnen. Platzt gegen die Arminia aus Bielefeld endlich der Knoten? Unsere drei Thesen zum Spiel.


Schlüsselduell 2: Jovetic und Belfodil gegen Pieper

Er zählte zu den Shootingstars der letzten Saison und wurde im Sommer als Stammspieler mit der Deutschen U21-Nationalmannschaft Europameister: Bielefelds Innenverteidiger Amos Pieper. Doch in dieser Saison schleichen sich immer wieder Unkonzentriertheiten und Fehler in das Spiel Piepers ein.

Etwa beim Gastspiel in Köpenick beim 1. FC Union, als er beim 1:0-Siegtreffer der Unioner gegen Sheraldo Becker nicht entschlossen genug verteidigte. Oder bei der 1:2-Niederlage in Mainz, als der Mainzer Siegtreffer infolge eines verunglückten Rückpasses von Pieper auf seinen Torhüter Stefan Ortega folgte. Auch beim 2:2 gegen den VfL Wolfsburg war er am entscheidenden Gegentor beteiligt, als er unter Bedrängnis im Aufbauspiel einen Fehlpass spielte.

Erfahrene Spieler wie Stevan Jovetic oder Ishak Belfodil können solche Fehler erzwingen. In den richtigen Momenten Druck auszuüben, kann ein Mittel sein, um die Bielefelder Hintermannschaft zu knacken, ohne vorher eigens das Spiel aufbauen zu müssen.

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(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Auch im gegnerischen Tempodribbling offenbarte die Bielefelder Viererkette in dieser Saison Schwächen, gerade Jovetic kann hier mutig vorangehen und über eine Einzelaktion zum Torabschluss kommen. Trotz der aufgezählten Fehler sei auch vor der Qualität von Pieper gewarnt, 102 gegnerische Pässe hat er in dieser Saison bereits in der eigenen Hälfte abgefangen – Ligahöchstwert.

Schlüsselduell 3: Serdar gegen Prietl

Will man Bielefeld aus dem Spiel heraus im Zentrum knacken, muss Hertha dabei an Kapitän Manuel Prietl vorbei. Der 30-Jährige hat in dieser Saison noch keine Minute verpasst und ist besonders defensiv extrem wichtig. Prietl macht ligaweit die zweitmeisten Tacklings, gewinnt dabei die viertmeisten. Wird beispielsweise Suat Serdar also wiederkommen und im Zentrum spielen, sollte er auf Prietl ganz besonders achten. Hier müsste er auf die Unterstützung seiner spielstarken Mitspieler wie Jovetic oder Belfodil setzen, um das Bielefelder Zentrum spielerisch auszuhebeln.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Ferner muss Hertha im Zentrum auch defensiv immer aufmerksam bleiben. Bei aller angesprochenen Torgefahr, die Bielefeld von den Flügeln ausstrahlen kann, bleibt festzuhalten, dass sie in Summe die torungefährlichste Mannschaft der Liga sind. Ein Grund dafür ist, dass die Arminen im Angriffsspiel mitunter hektisch werden und früh zum Abschluss kommen. Durchschnittlich schießen sie aus 18 Metern aufs Tor, einen höheren Wert weist kein Bundesligist auf. Es wird also im defensiven Mittelfeld Herthas wichtig, die Bielefelder in Szenen zu bringen, wo sie ohne große Chance auf einen Torerfolg zum Abschluss kommen müssen.

Ein Schlüsselduell im zentralen Mittelfeld könnte hier Alessandro Schöpf gegen Santiago Ascacibar lauten, doch stellvertretend für die entscheidenden Momente im Mittelfeld haben wir uns für das Duell Serdar gegen Prietl entschieden.

[Titelbild: Filip Singer – Pool/Getty Images]

Hertha BSC­ – Arminia Bielefeld: Drei Thesen zum Spiel

Hertha BSC­ – Arminia Bielefeld: Drei Thesen zum Spiel

Tayfun Korkut startete als neuer Hertha-Trainer mit einem wilden Unentschieden gegen VfB Stuttgart. Wieder konnten die Berliner nach starker Aufholjagd nicht gewinnen. Platzt gegen die Arminia aus Bielefeld endlich der Knoten? Unsere drei Thesen zum Spiel.

Auf dem VfB-Spiel aufbauen

Freude, statt Ernüchterung: Nach dem hart erkämpften Unentschieden gegen den VfB Stuttgart urteilten viele Berliner Fans vermutlich positiv. Nach dem Tor zum 0:2 im ersten Spiel des neuen Berliner Cheftrainers Tayfun Korkut rechneten sicher viele mit noch schlimmeren.

Umso mehr muss die Reaktion der Hertha gelobt werden. Vor allem im offensiven Spiel zeigte sich etwas, was unter Dardai nur ganz selten durchblitzte: Ein Plan und eine Strategie. 15 Torschüsse (in einem Auswärtsspiel) bestätigen das. Auf der anderen Seite hingegen passierte etwas, das unter Dardai grundsätzlich weniger vorkam: Eine enorm bröckelnde Verteidigung. Vor allem im Zentrum fiel man durch eklatante Lücken auf. Auch die Linie des Mittelfelds war gegen Stuttgart viel zu weit von der Defensivlinie entfernt.

Nun kommt mit Arminia Bielefeld der Vorletzte der Tabelle ins Olympiastadion – eigentlich eine Pflichtaufgabe für Hertha. Unsere drei Thesen zum Spiel:

These 1: Viele Tore – auf beiden Seiten

Tayfun Korkut scheint sich in erster Linie den offensiven Problemen der Hertha anzunehmen. Gegen Stuttgart zeigte sich beispielsweise ein anderes Aufbauspiel, als unter Dardai. So spielten die Verteidiger etwa öfter Bälle durch das Zentrum, als über die Außen.

Ein Vorteil, baut man das Spiel über das Zentrum und nicht über die Flügel auf, sind die vielen Anspielstationen – nach vorne, zur Seite auf die Außen oder eben in die defensive. Außenspieler haben zumeist nur die Option nach hinten zu spielen, werden sie zu arg bedrängt – und das offensive Spiel somit zu verschleppen und den Angriff abzubrechen, um ihn neu aufzubauen.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Für Hertha ergeben sich aus der neuen Herngehensweise von Korkut neue spielerische Lösungen, in die gefährlichen Zonen des Gegners zu kommen. Gegen Bielefeld könnte es daher Tore für Hertha regnen.

Aber: Zwar sagte Korkut nach dem Spiel gegen Stuttgart, dass seine bisherigen Mannschaften eigentlich nicht für ihre defensiven Schwächen bekannt gewesen seien – zumindest aber im ersten Spiel unter dem neuen Coach zeigte sich Hertha extrem anfällig. Zudem haben die Berliner ligaweit die zweitmeisten Gegentore (29 Stück). Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Berliner Abwehr den Bielefelder Sturm zum Tore schießen einladen wird.

These 2: Der Knoten platzt, drei Punkte bleiben in Berlin

Erfahrung schafft Wissen – vor allem um eigene Fehler. Nach zwei späten Gegentoren trotz Führung (der Ausgleich von Augsburg fiel in der 97. Minute, der von Leverkusen in der 90. Minute) sollte Hertha inzwischen gelernt haben, was es heißt, eine Führung zu verteidigen.

Selbst gegen Stuttgart wäre mit einem weiteren Tor der Sieg drinnen drinnen gewesen. Es wird zwar ein torreiches Spiel – doch letztlich wird Hertha gegen Bielefeld führen und den Spielstand über die Zeit bringen. Der Fluch ist geplatzt, die dringend benötigte Siegesserie kann beginnen.

These 3: Korkuts wichtigster Mann – Boateng winkt die Startelf

Für Tayfon Korkut könnte einer ganz wichtig werden, nämlich Kevin Prince Boateng. Anders als der Rest des defensiven Mittelfeldes (deshalb ist hier beispielsweise Serdar ausgenommen), versteht Boateng den Spielaufbau nach vorne. Während Ascacibar, Tousart und Darida die Bälle, die sie aus der Verteidigung bekommen, zumeist wieder in die Defensive zurückspielen, hat Boateng in diesem Punkt deutlich mehr Klasse.

hertha bielefeld
(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

So versteht er es, sich bei der Ballanahme klug zu drehen, so dass er das gesamte Spiel plötzlich vor sich hat. Gleichsam behauptet er die Bälle mit seinem wuchtigen Körper im Mittelfeld stark. Andere Spieler scheinen sich die Drehung mit Ball so nah vor dem eigenen Tor kaum zu glauben – so geht ihr Blick gar nicht erst in die Offensive und Chancen werden verpasst.

Boateng aber positioniert sich so, dass er alle offensiven Spieler und die gegnerische Verteidigung und das Mittelfeld vor sich hat. So führt er Regie und verteilt die Bälle in die Spitze. Oft überspielt dabei das gesamte Mittelfeld und bringt den Ball präzise zum jeweiligen Berliner Stürmer. Für Korkut wird das wichtig werden – kaum ein anderer Spieler im Team versteht so viel vom Spielaufbau wie Boateng.

[Titelbild: Filip Singer – Pool/Getty Images]

Hertha vs. Bielefeld: Wie Korkut wirken will

Hertha vs. Bielefeld: Wie Korkut wirken will

Am kommenden Wochenende steht Tayfun Korkuts zweites Bundesligaspiel als Hertha-Trainer an. Als erste systematische Veränderung zeichnet sich ab, dass Korkut dauerhaft mir zwei Spitzen spielen lassen will. Ziel ist es, Herthas Offensive neues Leben einzuhauchen. Im zentralen Mittelfeld geht dadurch aber ein Platz verloren. Das kann gut gehen, muss es aber nicht.

Serdar & Tousart zurück: Stau im zentralen Mittelfeld

Was seine Strategien und Taktiken betrifft, will sich Tayfun Korkut weiterhin nicht in die Karten schauen lassen. Auch vor seinem zweiten Hertha-Spiel (am kommenden Samstag im Olympiastadion um 15:30 Uhr gegen Arminia Bielefeld) wollte sich Herthas neuer Trainer nicht genauer dazu äußern, welche Spieler er in welcher Formation auf den Platz schicken wird. Dass Suat Serdar und Lucas Tousart nun wieder fit sind, eröffnen Korkut „Optionen“ – ob einer von beiden oder sogar beide Spielen, dazu wollte er sich aber nicht äußern.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Eines scheint sich aber jetzt schon abzuzeichnen: In Herthas zentralem Mittelfeld scheint nun regelmäßig ein Platz weniger verfügbar zu sein. Denn: Korkut schickt seine Mannschaften fast traditionell mit zwei Stürmern auf den Platz. Im Stuttgart-Spiel starteten Ishak Belfodil und Stevan Jovetic gemeinsam im Sturm. Beide machten ein gutes Spiel, beide sorgten dafür, dass Hertha schlichtweg mehr Szenen im gegnerischen Strafraum hatte.

Genau das hatten die Blau-Weißen auch bitter nötig: Hertha hatte bislang die wenigsten Strafraumszene der Liga und hat mit 15 Treffern eine der schlechtesten Torausbeuten vorzuweisen. Und so kommt Korkut völlig richtig zu dem Schluss, dass man nicht einfach nur Ballbesitz habe, sondern auch „gefährlichen Ballbesitz“.


Pal Dardai musste erneut gehen. Doch er und Hertha BSC gehören einfach zusammen – das zeigt seine gesamte Vita. Wir blicken zurück.


Korkut muss das 4-4-2 defensiv stabiler kriegen

Korkuts Offensivkonzept geht aber zulasten der defensiven Stabilität. Denn: Durch den zweiten Stürmer hat ein zentraler Mittelfeldspieler weniger Platz in der Startelf. Gegen Stuttgart spielten Vladimir Darida und Santiago Ascacibar im zentralen Mittelfeld.

Unter Dardai wäre dann noch ein weiterer, offensiver Platz offen gewesen, den oftmals Suat Serdar einnahm. Bleibt Korkut bei seiner Zwei-Stürmer-Taktik, muss also entweder einer der beiden „Sechser“ für Serdar weichen oder Hertha spielt weiterhin mit zwei defensiven, zentralen Mittelfeldspielern (zum Beispiel Tousart/Ascacibar) und verzichtet auf Serdar – aufgrund dessen Klasse ist dies aber recht unwahrscheinlich.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

In jedem Fall bringt diese Taktik auch ein gewisses Risiko mit sich: Denn die Unterbesetzung in der Zentrale könnte in mangelnder Kompaktheit und Stabilität resultieren. Genauso ist es auch im Stuttgart-Spiel passiert: Hertha wurde zweimal eiskalt ausgekontert und hatte in der Mitte wenig Gegenwehr zu bieten.

Eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen, wäre ein Formationswechsel. Korkut hat in der Vergangenheit nicht nur das flache 4-4-2 spielen lassen, sondern auch in einer Raute aufgestellt. Damit schafft man zum einen mehr defensive Stabilität, zum anderen würden auch gleich mehrere zentrale Mittelfeldspieler in diesem System Platz finden. Dafür müsste Hertha die offensiven Flügelspieler aufgeben, die in dieser Saison aber ohnehin eine Schwachstelle darstellen, zumal ein Marco Richter auch als Halbstürmer fungieren kann.

Gegen Bielefeld: Zwischen Geduld und Zielstrebigkeit

Korkut sagte auf der Pressekonferenz am Donnerstag, dass diese „defensiven Schwierigkeiten“ in dieser Woche thematisiert worden seien. Wie genau er mit seinen Spielen über die Abwehrschwächen gesprochen habe, wollte er aber wieder nicht verraten und flüchtete sich in Allgemeinplätze: „Es geht darum, dass wir uns aufeinander verlassen können. Wir müssen die Fehler aus unserem Spiel verbannen“, so Herthas neuer Coach.

Korkut geht jedenfalls davon aus, dass Hertha ein „sehr unbequemer Gegner“ erwarte, der kompakt und leidenschaftlich verteidige. Man müsse geduldig und zielstrebig zugleich sein, so Korkut. Damit dürfte Korkut richtig liegen. Denn Bielefeld hat zwar erst 10 Tore erzielt – aber auch erst 20 kassiert. Insofern ist Herthas neue Doppelspitze am Wochenende gefragt.

[Titelbild: Alexander Hassenstein/Getty Images]