Legendäre Derbys der Vergangenheit

Legendäre Derbys der Vergangenheit

Am Samstagabend ist es endlich so weit: Das sechste Berliner Stadtderby zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union Berlin. Die beiden Hauptstadtvereine haben sich in der Vergangenheit bereits spektakuläre Duelle geboten – wir blicken auf ein paar der besonderen Derbys zurück.

08. Juli 2009: 1. FC Union Berlin vs. Hertha BSC 3:5

Ein Freundschaftsspiel, welches einer gewissen Zeitenwende glich. Union Berlin, die in der Saison zuvor ihre Heimspiele im verhassten und von Teilen der Fanszene sogar boykottierten Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin Prenzlauer Berg ausgetragen hatten und aus der neu errichteten 3. Liga in die 2. Bundesliga aufgestiegen waren, eröffneten in der Sommerpause endlich ihr umgebautes Stadion.

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Und zur Wiedereröffnung sollte selbstverständlich niemand geringeres vorbeischauen als der große Rivale aus dem Berliner Westen. Um ehrlich zu sein, war damals dieses Duell alles andere als ein Spiel zwischen Rivalen. Über viele Jahre trennten die Vereine ganze Ligen. Fans und Ultras arbeiteten an gemeinsamen Projekten, die Vereine unterstützten sich. Doch 20 Jahre nach dem Mauerfall war die Verbindung loser und der Hype, der insbesondere durch ehemalige DDR-Bürger entstand, flaute zunehmend ab. Auch medial schien sich etwas zu verändern. Die Köpenicker wurden plötzlich ein relevanter Verein in Berlin. Hertha BSC verlor sein Alleinstellungsmerkmal, als einziger Berliner Profifußballclub. Union Berlin baute sich sein Image als kleiner, gallischer Underdog auf und es entwickelte sich eine immer größere Rivalität.

Am jenen Juli-Abend 2009 trafen sich zwei Mannschaften, die in der Saison zuvor für großes Aufsehen sorgten. Union, die endlich im Profigeschäft angekommen waren, trafen auf Herthaner, die zuvor in der Bundesliga lange um die Meisterschaft mitgespielt hatten und ein neues Selbstverständnis erlangt hatten.

Das Spiel entwickelte sich zu einer munteren Partie. Die Stimmung im Stadion an der Alten Försterei war prächtig. Ein alter und gleichzeitig neuer Mann traf doppelt für die Hertha. Es war wohl das beste Spiel von Arthur Wichniarek im Hertha-Dress. Am Ende wurden den Fans acht Tore präsentiert. Ansonsten war dieses muntere Scheibenschießen ein schönes und spannendes Erlebnis für die Zuschauer*Innen, große taktische Feinheiten sollten damals auch gar nicht von großer Relevanz sein. Auch auf der Tribüne änderte sich etwas. Die ersten Schmähgesänge der Fangruppierungen waren zu hören und auch im fußball-gesellschaftlichen Kontext hörte man von nun an immer mehr die Frage „Hertha oder Union?“. Im Juli 2009 hatte allerdings wohl niemand gedacht, dass man sich schon im folgenden Jahr zum ersten Mal in einem Ligaspiel sehen würde.

03. September 2012: 1. FC Union Berlin – Hertha BSC 1:2

Die Hertha, die nach 2010 zum zweiten Mal in die 2. Bundesliga abgestiegen war, hatte zwar ein Team, welches mit großen Namen gespickt war, allerdings startete die Mannschaft denkbar schlecht in die neue Saison und drohte die Spielzeit und den Aufstieg auf Grund von Starallüren herzuschenken. Doch nach einem lautstarken Wachrütteln von Trainer Jos Luhukay fand die Hertha langsam in die Saison. Union Berlin, deren Ansprüche damals noch deutlich geringer waren, fand sich zu Saisonbeginn ebenfalls in den unteren Tabellenregionen.

Doch wie es üblich ist in einem Derby, sind Tabellenplatzierungen komplett Nebensache. Es geht um Einsatz, es geht um Willen, es geht um Kampf, Kratzen und Beißen. Und die Spieler beider Mannschaften nahmen genau diese Situation an. Herthas Maik Franz, der in seiner Paraderolle als „Ironmaik“ verbal und körperlich extrem austeilte und das Team wo es nur ging pushte war dabei ein Aushängeschild der blau-weißen. Es war eines der besten Spiele Sandro Wagners für Hertha. Nach einer halben Stunde erzielte er die Führung. Den Ausgleich in der 69. Minute egalisierte Herthas damaliger Torjäger Ronny mit einem wuchtigen Schuss. Er trug sich damit in die nette Liste der Freistoßtorschützen in Berliner Derbys ein. Thorsten Mattuschka, der 2010 noch für die Unioner das Derby entschied, sollte in den folgenden Jahren vor allem durch Ronny ergänzt werden.

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Die Brisanz dieses Duells in diesen Jahren zeigte auch das Interview des Unioner Torschützen Christopher Quiring nach dem Spiel, als er sich darüber aufregte, dass „Die Wessis“ nun in ihrem Stadion jubeln würden und man das erst einmal verdauen müsse. Nach einem Remis und einer Niederlage aus der Zweitliga-Saison 2010/2011 war es der erste Derbysieg für Hertha BSC in einem Pflichtspiel.

11. Februar 2013: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin 2:2

Das Rückspiel am 21. Spieltag sollte die nächsten brisanten Geschichten schreiben. Die Hertha, die sich vor allem mit Eintracht Braunschweig um die Tabellenspitze stritt und Union, die auf Platz vier weilten und überraschend Außenseiterchancen im Aufstiegskampf hatten, trafen in einem mit über 74.000 Zuschauer restlos ausverkauften Olympiastadion aufeinander.

Es war ein bitterkalter Winterabend. In Berlin lag zum Teil Schnee, doch das Spiel war heißer denn je und die Fans sorgten für eine brachiale Stimmung. Neben vielen Rauchtöpfen durch Pyrotechnik sorgte vor allem die „Spreeathene“-Choreo der Hertha-Ultraszene für riesiges Aufsehen. In einem offenen Spiel gingen die Unioner kurz nach Beginn der 2. Halbzeit mit 2:0 in Führung. Die Herthaner, die zwar mit Kreativität und Spielwitz für Druck und Chancen sorgten, waren an dem Tag vor dem Tor aber einfach glücklos.

Es brauchte zwei Standardsituationen, die das Spiel drehen sollten. Adrian Ramos nickte nach 73 Minuten das Spielgerät wuchtig in die Maschen. Der Vorlagengeber Ronny sollte kurz vor dem Spielende seine Qualitäten zeigen. Der ruhende Ball, der in dieser Saison des Brasilianers bester Freund war, lag einige Meter halbrechts vorm Strafraum entfernt. Sein wuchtiger Schuss, der knapp über die Unioner Mauer flog, landete im unteren rechten Eck. Ein traumhafter Freistoß, der das Berliner Olympiastadion kurz vor Spielende nochmal richtig zum Beben brachte.

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Ronny selbst machte in den Sekunden darauf beim Jubeln Bekanntschaft mit den Tücken des Berliner Winters und dessen Schnee, als er ausrutschte und sich sogar ein wenig verletzte. Aber sei es drum. Hertha spielte in diesem Jahr die beste Saison, die eine Mannschaft jemals in der 2. Bundesliga absolvierte, stieg am Ende völlig verdient wieder auf und Ronny war einer der gefährlichsten Freistoßschützen Deutschlands und es war für eine lange Zeit das letzte Derby auf Wettkampfniveau.

22. Mai 2020: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin 4:0

Nachdem das Hinspiel im Stadion an der Alten Försterei noch in einem Hexenkessel stattfand und am Ende die Köpenicker mit einem knappen 1:0-Sieg vom Platz gingen, stand das Rückspiel ganz im Zeichen der Pandemie. Der zweite Spieltag nach dem Wiederbeginn. Unter Trainer Bruno Labbadia kam die Mannschaft hervorragend aus der Zwangspause. Nach einem 3:0-Sieg in Sinsheim gegen Hoffenheim, folgte ein furioser 4:0-Sieg im Derby, in dem Hertha BSC einen erfrischenden Offensivfußball zelebrierte.

Doch bizarre Zeiten erfordern bizarre Maßnahmen und ermöglichen noch viel bizarrere Diskussionen. In einem komplett leeren Stadion fand das Spiel statt, so richtig hatte sich noch niemand an die Situation gewöhnt. Der größte Aufreger dieser Tage war die Art und Weise wie die Spieler der Hertha gegen Hoffenheim noch ihre Tore bejubelt hatten. Gegen Union Berlin zeigte vor allem Kapitän Vedad Ibisevic wie Jubeln mit Abstand geht, als er allein vor seinen Mitspielern sein Tor bejubelte und die anderen Herthaner mit einem Lachen vor ihm standen.

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Es war die nächste Show des Matheus Cunhas. Der werdende Vater schoss ein Tor, widmete das seiner Frau und seinem in diesen Minuten auf die Welt kommenden Kind und verschwand nur wenige Minuten später Richtung Krankenhaus. Eine Zeit in der bei Hertha noch der Traum von einem baldigen Einzug nach Europa gelebt wurde und man als Nummer eins in der Stadt galt.

04. April 2021: 1. FC Union Berlin – Hertha BSC 1:1

Das erste Derby unter Pal Dardai entwickelte sich zu dem spielerisch wohl schwächsten Spiel dieser Aufeinandertreffen. Die Vorzeichen hatten sich mittlerweile komplett geändert. Union Berlin spielte um den Einzug ins internationale Geschäft, während Hertha BSC gegen den Abstieg kämpfte und mit ganz anderen Sorgen, als mit einer Stadtrivalität, umzugehen hatte.

Auch wenn spielerisch nur wenig zu holen war, konnte man sich unter Pal Dardai selbstverständlich trotzdem auf gewisse Tugenden verlassen. Einsatzwille und Mentalität waren vorhanden. Insbesondere Santiago Ascacibar zeigte jene Attribute. Eine Szene, die für Derby stand, war seine rustikale Grätsche gegen Nico Schlotterbeck und die unflätige Ansage, die er seinem Gegenspieler daraufhin machte.

Photo by Clemens Bilan – Pool/Getty Images)

Ansonsten entwickelte sich Robert Andrich immer mehr zum Angstgegner der Hertha. Der ehemalige Junioren-Herthaner und mittlerweile für Leverkusen spielende Mittelfeldakteur traf mit einem sehenswerten Distanzschuss schon früh in der Partie. Dodi Lukebakio traf per Elfmeter zum Ausgleich.

Wie erwähnt hatte das Derby spielerisch nur wenig zu bieten. Die immer noch ausgesperrten Fans machten aber auf sich aufmerksam. Insbesondere einige Fans von Union Berlin, die sich einen Zugang zum Stadiongelände ermöglichten und mit Pyrotechnik ihren eigenen Imbissstand in Brand setzten. Themen, die auf Grund gelangweilter Fans vor dem Stadion in dieser Zeit leider keine Seltenheit waren.

19. Januar 2022: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin 2:3

Das wohl brisanteste Duell fand am Anfang dieses Jahres statt. Es war das erste Aufeinandertreffen unter K.O.-Bedingungen. Im DFB-Pokal-Achtelfinale kam es zu der Begegnung, auf die viele Fans seit Jahren hin fieberten. Doch die Kräfteverhältnisse hatten sich in Berlin mittlerweile komplett gedreht. Union Berlin ging als Favorit in das Spiel gegen die von Tayfun Korkut trainierten Herthaner.

3.000 Fans durften das Spiel im Stadion verfolgen. Die wenigen Leute versuchten trotz der mauen Bedingungen für Stimmung zu sorgen. Doch zumindest auf das Spiel der Hertha sollte der Funken nicht überspringen. Union war deutlich stärker und besser eingespielt, als die Heimmannschaft. Andreas Voglsammer per Traumtor, ein Eigentor von Niklas Stark und eine katastrophale Zuordnung bei Standardsituationen sorgten für drei vollkommen verdiente Unioner Tore.

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Auf Seiten der Hertha konnte einzig Suat Serdar zählbares rausholen, der Rani Khedira zum Eigentor zwang und selbst in der Nachspielzeit noch das 2:3 erzielen konnte. Das letzte Aufeinandertreffen bestätigte die aktuellen Verhältnisse in Berlin, die nur mit einem Sieg in der Bundesliga wieder verrückt werden könnten.

[Titelbild: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images]

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Das erste von drei Berliner Derbys in dieser Saison ist gespielt. In einer fragwürdiger Weise ausverkauftem Alten Försterei erlebte Hertha (mal wieder) ein uninspiriertes Duell gegen den Rivalen aus Köpenick. Wir wollen dennoch den Blick auf einige Herthaner und die wirklich wenigen Lichtblicke dieses Spiels werfen.

Peter Pekarik: Noch einer der besten

Dass hier der Name von Pekarik auftaucht ist symptomatisch für Hertha. Dass der Slowake auch mit 35 Jahren Stammspieler ist und dabei mit die besten Leistungen zeigt, lässt tief in die Kaderzusammenstellung der letzten Jahre blicken. Auch gegen Union war der dienstälteste Herthaner einer der auffälligsten Spieler der Blau-Weißen, hielt die rechte Seite dicht, wagte gelegentliche Vorstöße bis tief in die gegnerische Hälfte und flankte drei Mal.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Mit 29 von 33 angekommenen Pässen (88%) strahlte er zudem etwas Sicherheit aus. Krönung seiner Leistung war das aufgrund von Piateks Abseitsstellungen ein paar Spielsituationen vorher aberkannte Tor, welches den Spielverlauf potential hätte stark verändern können. Acht Ballverluste und nur 50% gewonnene Zweikämpfe (2 von 4) zeigen allerdings auch, dass Pekarik kein rundum gelungenes Spiel ablieferte.

Im Vergleich zu seinen Kollegen stach er dennoch in seinem Gesamteindruck positiv hervor. In der 70. Minute musste er aufgrund einer Systemumstellung den Platz für Jastrzembski machen.

Suat Serdar: Ohne ihn geht nichts

Und täglich grüßt das Serdar-Tier. Wie so oft war Suat Serdar der mit Abstand auffälligste Herthaner und wenn überhaupt etwas in der Offensive passierte, hatte Serdar seine Füße im Spiel.

Er gab zwei von acht Torschüssen ab, spielte zwei Schlüsselpässe und kurbelte das Spiel aus der Mitte heraus an. Er war es auch, der Pekarik in der 37. Minute in Szene setzte und dieser die bis dahin beste Chance im Spiel hatte (was ebenfalls noch einmal die gute Leistung von Pekarik hervorhebt). Mit nur vier von 15 gewonnen Duellen (27%) und einer Passquote von 59% (13 von 22) zeigte aber auch Serdar nicht sein bestes Spiel im Hertha-Dress.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Es bleibt dennoch festzuhalten, dass ohne ihn das im Koma liegende Offensivspiel der „Alten Dame“ ohne Zweifel endgültig tot wäre und der ehemalige Nationalspieler eines der ganz wenigen belebenden Elemente und absoluter Schlüsselspieler in dieser Saison ist. Er tut einem beinahe schon leid.

Santiago Ascacibar: So geht Derby

Es gibt kaum einen Spieler in Herthas Kader, der für ein Derby so sehr wie gemacht zu sein scheint, wie Santi Ascacibar. Und das zeigte sich einmal mehr in seinen überragenden Statistiken.

Mit 86 Pässen spielt er die zweitmeisten (nur Dardai hatte vier mehr), von denen 57 angekommen sind (84%). Auch von seinen langen Pässen landeten vier bei seinen Mitspielern Zudem hat der Argentinier trotz seine geringen Körpergröße fünf von sieben Kopfduellen gewonnen, im Gegenzug jedoch nur vier von neun Bodenduellen. Ein geklärter Ball, fünf abgefangene Bälle und ein Tackle unterstreichen seine ansonsten solide Defensivleistung allerdings, die bei nur ein Foul zudem äußerst fair stattfand.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Wenn der 24-Jährige weiterhin solche Leistungen abruft, wird es für Lucas Tousart zunehmend schwerer, seinen Stammplatz auf der Sechs zurückzuerobern, solange Dardai nicht wie heute mit einer Doppelsechs spielt.

Im Gegenzug zu vielen seiner Teamkollegen wirkte „Santi“ wie einer der wenigen, der erkannt hat welch eminent wichtiges Spiel heute stattfand und agierte bissig und kämpferisch, konnte sich alleine aber auch nicht mehr gegen die Niederlage stemmen.

Und dann waren da noch …

Marton Dardai: Nachdem Dardai schon am letzten Spieltag durch ein Foul in der Nachspielzeit den Leverkusener Ausgleich (mit-)verursachte, läutete er die gestrige Niederlage durch einen haarsträubenden Fehler in der 9. Minute ein. Der 19-Jährige ist vergleichsweise neu in der Bundesliga, „Wachstumsschmerzen“ sind daher zu erwarten und gehören ein Stück weit dazu. Hinzukommt, dass Dardai zuletzt immer wieder körperlich bedingt ausfiel – in der Länderspielpause musste er mit Erkältung von der U21 abreisen – und dadurch wenig Rhythmus hat.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Maxi Mittelstädt: Zeigt auf der offensiven linken Außenbahn weiterhin seine gute Form, schlug drei Flanken und hatte eine Passquote von 74%. Wenn in der 1. Halbzeit offensiv etwas passierte, so war es meist über Mittelstädt. Warum er in der 60. Minute weichen musste, erschließt sich von Außen nicht. Vermutlich, weil auch seine offensiven Ideen zu nichts führten.

Alexander Schwolow: Obwohl Schwolow auch in dieser Saison noch nicht 100% in Berlin angekommen zu sein scheint, lieferte er heute ein solides Spiel ab. Für die zwei Gegentore trug er keine Verantwortung. Gegen Kruse hielt er zwei Mal sehr stark und durch ein gut antizipiertes Herauslaufen in der 70. Minute konnte er ein 1 gegen 1 in einer Unioner Kontersituation präventiv verhindern.

[Titelbild: Martin Rose/Getty Images]

Eine kleine Berliner Derbygeschichte: Die heißesten Duelle

Eine kleine Berliner Derbygeschichte: Die heißesten Duelle

Am kommenden Samstag steht in Köpenick das neunte Pflichtspiel-Derby zwischen Union und Hertha an. Doch Berliner Derbys haben eine viel längere Geschichte: Insbesondere in den 80er- und 90er-Jahren gab es in beiden Stadtteilen spannende Duelle. Wir haben uns ein paar Highlights aus den vergangenen 43 Jahren herausgesucht.

22. Mai 1968, Union Berlin vs. Vorwärts Berlin (2:1)

Den 1. FC Union gibt es in seiner jetzigen Form erst seit 1966. Zuvor hatte es in Oberschöneweide mehrere Fusionen, Zusammenschlüsse aber auch Trennungen von Vereinen gegeben, die heute als Vorgänger-Klubs von Union gelten. Leicht hatte es der Verein in der DDR nicht, denn das Regime unterstützte mit aller Kraft Vorwärts Berlin. Die meisten begabten Spieler endeten in der Kaderschmiede von Vorwärts. Ohnehin mischte sich der Staat regelmäßig in den Profifußball ein – so wurden die protegierten Klubs einige Male einfach in eine andere Stadt verlegt. Vorwärts startete beispielsweise in Leipzig, wurde dann nach Berlin verlegt und später nach Frankfurt (Oder). Der heutige BFC Dynamo geht aus einem Ableger von Dynamo Dresden hervor.

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Union hingegen galt in der DDR von vorn herein als Verein des Volkes, als Anti-Establishment. Allerdings etablierten sich die Köpenicker schnell in der DDR-Oberliga und nur zwei Jahre nach der Klubgründung kam es zu einem der größten Erfolge der Vereinsgeschichte – dem Gewinn des DDR-Pokalwettbewerbs (FDGB-Pokal). Im Finale besiegte man den amtierenden DDR-Meister Carl-Zeiss-Jena. Zu einem Berlin-Derby kam es aber schon im Halbfinale, als Union gegen den Staatsklub Vorwärts im Halbfinale 2:1 gewann. Bis heute feiern die Köpenicker ihre Pokalhelden.

In den folgenden Jahrzehnten kam es in der DDR-Oberliga zu zahlreichen Derbys zwischen Union, dem BFC Dynamo sowie Vorwärts. Die meisten der Spiele wurden jedoch von Dynamo dominiert. Insbesondere in den 1970er und 1980er-Jahren profitierte Dynamo von der Unterstützung des Regimes und wurde quasi zum Serien-Meister der DDR. Union gelang es dagegen nie, die DDR-Oberliga zu gewinnen.

16. November 1974, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (0:3)

Auf westberliner Seite wurde Hertha in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg zur stärksten Berliner Mannschaft. In 1970er-Jahren kam es dann allerdings zum einzigen Berliner Derby auf Bundesliga-Ebene bis zum Unioner Aufstieg vor ein paar Jahren. In der Saison 1973/1974 hatte Tennis Borussia damals noch über die zweitklassige Regionalliga den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Das erste Aufeinandertreffen der beiden Teams sollte zum Spektakel werden: Eigentlich hätte TeBe ein Heimspiel gehabt, doch das Interesse in der Bevölkerung an dem Match war riesig – und so wurde die Partie ins Olympiastadion verlegt und fand vor 75.000 Zuschauern statt.

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Gegen die in der Saison 1974/1975 extrem stark aufspielende Hertha hatte der Aufsteiger jedoch keine Chance – Hertha gewann 3:0, „Ete“ (Erich) Beer erzielte zwei der Treffer. Hertha hatte damals einen schlagkräftigen Kader zusammen: Neben Beer gehörten dem Team auch Spieler wie Wolfgang Sidka oder Uwe Kliemann an. Die Mannschaft wurde in dieser Saison sogar Zweiter hinter Borussia Mönchengladbach. TeBe stieg als Vorletzter ab. Allerdings verbrachte die Mannschaft nur ein Jahr in der damals neu gegründeten 2. Bundesliga: Die Saison 1975/76 schloss TeBe als Tabellenführer ab, und so kam es 1976 und 1977 zu zwei weiteren Bundesliga-Derbys zwischen Hertha und Tennis Borussia – eines davon (16. April 1977) konnte Tennis Borussia sogar für sich entscheiden. Aber auch nach dieser Saison reichte es für TeBe nicht für den Klassenerhalt.

18. Februar 1984, SC Charlottenburg vs. Hertha BSC (1:0)

Nach der Saison 1982/1983 stieg auch Hertha aus der Bundesliga ab. Die kommenden Zweitliga-Jahre wurden für Westberliner Fußball-Fans ein reines Derby-Festival. Denn nicht nur Hertha und Tennis Borussia trafen mehrfach aufeinander. Vielmehr sorgte in den 80er-Jahren auch Blau-Weiß 90 für Aufsehen. Und – wer hätte es gedacht? – auch der SC Charlottenburg verbrachte ein Jahr in der 2. Bundesliga.

Gegen die frisch abgestiegenen Herthaner kam es im August 1983 zum ersten Derby der beiden Charlottenburger Teams, das 1:1 unentschieden endete. Im ausverkauften Mommsenstadion gab es in der Rückrunde dann die riesige Überraschung: Der SCC besiegte Hertha mit 1:0. Übrigens: Im Tor des SCC stand damals ein gewisser Andreas Köpke, der nach dem direkten Abstieg der Charlottenburger zu Hertha wechselte.

16. März 1985, Blau-Weiß 90 vs. Hertha BSC (0:2)

In der Saison 1984/1985 deutete sich dann erstmals die zwischenzeitliche Wachablösung im westberliner Fußball an. Das Mariendorfer Team Blau-Weiß 90 war zuvor in die 2. Liga aufgestiegen. Hertha war im zweiten Zweitliga-Jahr immer noch eines der finanzstärksten Teams der Liga und hatte mit Spielern wie beispielsweise Andy Köpke und Horst Ehrmanntraut auch einen absolut bundesligatauglichen Kader zusammen. Doch die Charlottenburger setzten sich während der Saison im Tabellenmittelfeld fest.

In der Rückrunde kam es dann im schlecht besuchten Olympiastadion zu einem der letzten Siege der Herthaner dieser Saison, als Blau-Weiß mit 2:0 besiegt wurde. Für die Mariendorfer ging es anschließend bergauf, für Hertha bergab. Auf Platz 14 konnte man den Abstieg nur knapp vermeiden, Blau-Weiß wurde Siebter. In der darauffolgenden Saison sollte aber alles noch viel schlimmer kommen für Hertha.

8. Mai 1986, Blau-Weiß 90 vs. Tennis Borussia (1:2)

Drei Berliner Mannschaften in einer Profiliga – das hat es bislang nur in der Saison 1985/1986 gegeben. Tennis Borussia war zuvor gerade wieder aus der Regionalliga aufgestiegen, Hertha und Blau-Weiß 90 waren schon vorher in der 2. Liga. Blau-Weiß-90 war inzwischen aus der Mariendorfer „Rathausritze“ ins Olympiastadion gezogen, das man sich im 2-Wochen-Takt mit Hertha teilte. Tennis Borussia spielte im Mommsenstadion, wobei auch einige Derbys mit TeBe-Beteiligung ins Olympiastadion verlegt wurden.

Bildquelle: https://www.kicker.de/hertha-bsc/kader/2-bundesliga/1985-86#images

Was sich in der Vorsaison bereits angedeutet hatte, wurde in dieser Saison bitte Wahrheit. Hertha spielte eine schlechte Runde, obwohl man kein einziges Derby verlor. Blau-Weiß hingegen wurde im Saisonverlauf immer stärker und hatte am letzten Spieltag gegen Tennis Borussia die Chance, den direkten Aufstieg in die Bundesliga zu sichern. Das Spiel gegen das schon abgestiegene Team von TeBe verlor man zwar 1:2 – weil aber Fortuna Köln gegen den Karslruher SC nicht über ein Unentschieden hinauskam, stieg Blau-Weiß 90 direkt auf. Hertha hingegen kämpfte mit Freiburg im Fernduell um den Klassenerhalt. Da das eigene Spiel in Aachen allerdings mit 0:2 verloren ging, brachten alle Rechenbeispiele nichts mehr – Hertha war fortan drittklassig.

Allerdings: Auch für Blau-Weiß 90 sollte das Abenteuer Bundesliga schnell wieder zu einem bitteren Ende kommen. Mit einer miserablen Punktebilanz von 18:50 wurde man Letzter. Für viele Jahre musste die Bundesliga in der Folge wieder ohne Berliner Teams auskommen. Hertha jedenfalls blieb zwei Saisons lang drittklassig. Erst im Juni 1988 folgte der Wiederaufstieg in Liga 2, wo es erneut zu einigen Duellen mit Blau-Weiß 90 kam. Das folgende Youtube-Video gibt die Fußball-Stimmung im damaligen Westberlin ganz gut wieder:

27. Januar 1990, Hertha BSC vs. Union Berlin (2:1)

Eigentlich haben wir uns hier bislang nur Pflichtspielen gewidmet. Es gibt allerdings ein Derby, das sowohl aufgrund seiner Geschichtsträchtigkeit als auch wegen der aktuellen Rivalität zwischen Hertha und Union erwähnt werden muss. Ende Januar 1990, nur wenige Wochen nach dem Fall der Mauer, trafen sich Hertha und Union zu einem symbolischen Freundschaftsspiel im Olympiastadion vor rund 52.000 Zuschauern. Schon in den letzten Jahren vor der Wende hatte sich zwischen Hertha und Union über die Grenze hinweg eine tiefe Fan-Freundschaft entwickelt. Das Unioner Fanlager leibäugelte wohl nicht zuletzt wegen seiner Ablehnung gegenüber dem DDR-Regime mit dem West-Klub. Als Hertha Ende der 1970er-Jahre Europapokal-Spiele in Osteuropa bestritt, reisten teilweise sogar Unioner an, um die Blau-Weißen zu unterstützen.

Das Spiel am 27. Januar geriet somit zur Nebensache. Fans beider Lager lagen sich in den Armen und feierten die Zusammenführung Berlins.

8. Juni 1991, Union Berlin vs. FC Berlin (1:0)

Union hatte es schwer in den Jahren vor und nach der Wende. Aus der aufgelösten DDR-Oberliga gingen nur zwei Teams in die Bundesliga, die meisten Ost-Teams aus der Oberliga und der DDR-Liga (2. Liga) mussten in einer Qualifikationsrunde um insgesamt sechs Plätze in der 2. Bundesliga kämpfen. Union belegte in der letzten DDR-Liga-Saison den ersten Platz und sicherte sich somit die Beteiligung an der Relegation zur 2. Bundesliga. Im Juni 1991 folgten dann die Relegationsspiele, unter anderem trat Union gegen den FC Berlin an, die Nachfolger-Mannschaft des BFC Dynamo. Das erste Spiel gewann Union zwar knapp mit 1:0, im Rückspiel verloren die Köpenicker allerdings. Aufsteigen konnte keines der beiden Berliner Teams, vielmehr belegte Stahl Brandenburg Platz 1 der Relegationsgruppe.

Die restlichen 1990er-Jahre waren eine harte Zeit für den FCU – sportlich und auch wirtschaftlich. Mehrfach verpasste man den Aufstieg in die 2. Liga. Trotz einer drohenden Insolvenz konnte sich das Team aber stetig in der Regionalliga halten, wo es in den 1990er Jahren zu mehreren Berlin-Duellen mit dem BFC Dynamo kam, der dann auch wieder seinen alten Namen trug. Erst 2009 stiegen die Köpenicker dann in die 2. Liga auf.

28. Oktober 1998, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (4:2)

In Westberlin deutete sich Ende der 1990er-Jahre für kurze Zeit nochmals eine neue, spannende Stadtrivalität auf Augenhöhe an. Tennis Borussia war in der Saison 1997/1998 mit Trainer Hermann („Tiger“) Gerland in die 2. Bundesliga aufgestiegen und spielte dort eine starke Saison. Im Oktober 1998 belegte TeBe zwischenzeitlich Platz 1 der 2. Liga – und genau zu dieser Zeit kam es im Achtelfinale des DFB-Pokals zum Berlin-Derby. Hertha war zu dieser Zeit ebenfalls gut unterwegs in der Bundesliga, am Ende der Saison belegte das Team von Jürgen Röber sogar Platz 3 und qualifizierte sich direkt für die Champions League.

Doch an jenem 28. Oktober 1998 war TeBe schlichtweg zu gut für Hertha. Gerlands Mannschaft (u.a. mit Spielern wie Ilja Aracic und Francisco Copado) führte schon zur Halbzeit 2:1 und brachte den Sieg vor einer begeisterten Kulisse im Olympiastadion und nach einem Feuerwerk zu Beginn des Spiels sicher über die Ziellinie. Hertha musste allerdings nur ein Jahr warten, um sich zu revanchieren: Auch in der darauffolgenden DFB-Pokalsaison traf man auf Tennis Borussia, dieses Match entschied Hertha jedoch nach einer Nachspielzeit 3:2 für sich.

17. September 2010, Union vs. Hertha BSC (1:1)

Weil Hertha nach einer dramatisch schlechten Saison 2009/2010 abstieg, kam es im Herbst 2010 zum ersten Pflichtspiel zwischen Hertha und Union. Nach einer frühen Führung durch ein Kopfballtor von Peter Niemeyer entwickelte sich ein offenes, rassiges Spiel. Kurz vor Schluss erzielte Union dann per Fernschuss doch noch das 1:1. Das Rückspiel ging im Olympiastadion sogar 1:2 verloren. Bis heute kam es in Liga eins und zwei zu insgesamt sieben Derbys zwischen den Köpenickern und Hertha: drei Siege für Hertha, zwei für Union und zwei Unentschieden. Wie und woher sich die heute existierende tiefe Abneigung zwischen den beiden Fanlagern ergeben hat, kann wohl niemand vernünftig erklären.

Schon im ersten Spiel, im Herbst 2010, war von der tiefen Freundschaft, die noch während der Wende-Jahre existierte, keine Spur. Herthas Anhänger zündelten mit Feuerwerkskörpern und nach dem Rückspiel feierte sich Union als „Stadtmeister“, was angesichts der Tabellensituationen der beiden Klubs natürlich eine reine Provokation war. Denn: Hertha stieg direkt in die Bundesliga auf, die Köpenicker mussten noch einige Jahre in der 2. Liga verweilen, bis es dann am 2. November 2019 zum ersten erstklassigen Duell der beiden Vereine kam.

2. November 2019, Union vs. Hertha BSC (1:0)

Tabellenvierzehnter Hertha hatte nur einen Punkt mehr als Union und lag auf Platz elf. Die Stimmung in der Stadt vor diesem Derby war angespannter als bei den Zweitligaspielen. Erstmals hatten wir Herthaner das Gefühl, dass Union leistungsmäßig nicht mehr meilenweit von uns entfernt ist. Der über Jahrzehnte antrainierte Abstand zwischen Hertha und Union war auf einmal nicht mehr da – mit einem Sieg konnten die Köpenicker sogar an Hertha vorbeiziehen. Für miese Stimmung im Vorfeld der Saison hatte zudem auch Unions Präsident Dirk Zingler gesorgt. Nach Herthas Vorschlag, das Berlin-Derby am Tag der Einheit auszurichten, reagierte Zingler mit ablehnend aggressiven Worten – es gehe um „Klassenkampf“ und „Stadtrivalität“, deswegen wolle man das Derby nicht. Eine britische Internet-Dokumentation, die ein paar Monate nach diesem ersten Bundesligaspiel veröffentlicht wurde, beschreibt die Stimmung, die seit damals in der Stadt herrscht, sehr gut.

Das Spiel selbst ist schnell wiedergegeben. Beide Mannschaften leisteten sich ein sehr kampfbetontes, Highlight-armes Match, in dem die Köpenicker kurz vor Schluss einen schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen bekamen. Sebastian Polter verwandelte den Strafstoß, Union zog an Hertha vorbei. Die oben beschriebene, explosive Stimmung zeigte sich dann aber auch während des Spiels im Stadion. Erst schossen aus dem Hertha-Block Pyro-Raketen in Richtung Unioner Auswechselbank und später stürmten zahlreiche vermummte Köpenicker den Platz. Das Spiel musste mehrfach unterbrochen werden. Ein sportlich dünnes Derby, das für mehr Skandale als schöne Momente sorgte, endete mit 1:0 für die “Eisernen”.

4. Dezember 2020, Hertha BSC vs. Union (3:1)

Nach dieser ersten Niederlage hat Hertha in der Bundesliga nicht mehr gegen Union verloren. Im Rückspiel der Saison 2019/2020 gewann Hertha fulminant durch ein 4:0. Im Dezember 2020 stand dann ein Derby an, das wegen der Coronavirus-Pandemie im Olympiastadion leider ohne Zuschauer stattfinden musste. Die Clubführung hatte es sich zum Ziel gesetzt, das Derby näher heranzurücken an die Fans und startete wenige Tage vor dem Spiel eine Berlin-weite PR-Kampagne. Über Nacht wurden an fast allen Hauptverkehrsstraßen in Berlin blau-weiße Fahnen am Straßenrand aufgestellt. Außerdem wurde ein neuer Hertha-Somg veröffentlicht („Wo die Fahnen blau-weiß wehen“).

Das Spiel hatte es in sich. Union ging recht früh in Führung. Nur wenige Minuten später flog allerdings Robert Andrich vom Platz, weil er Lucas Tousart per Karatekick attackierte. Widerlich ist übrigens, dass sich die Union-Fans für diesen Kick und die rote Karte im Anschluss des Spiels feierten. Schön wiederum ist, dass Hertha die Überzahl nutzte. Insbesondere Krzysztof Piatek trumpfte auf und verwandelte zwei Vorlagen, sodass Hertha das Spiel mit 3:1 gewann. Für ein besondere Highlight hatte aber schon zuvor Petr Pekarik gesorgt, der mit seinem 1:0 quasi das Bundesliga-Logo nachstellte.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Eine kleine Berliner Derbygeschichte – Die heißesten Spiele

Eine kleine Berliner Derbygeschichte – Die heißesten Spiele

Seit 2010 hat Berlin ein richtig feuriges Profifußball-Derby. Doch die Paarung Hertha BSC gegen Union ist nicht das erste spannende Hauptstadt-Duell. Vielmehr hat es nach dem Zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten der Stadt tolle Derbys gegeben. Union feierte kurz nach seiner Gründung gegen das vom DDR-Regime protegierte Vorwärts Berlin einen großen Erfolg und Hertha war an einer Zweitligasaison mit drei (!) Berliner Klubs beteiligt. Ein kleiner Rückblick auf wichtige Berlin-Duelle.

22. Mai 1968, Union Berlin vs. Vorwärts Berlin (2:1)

Den 1. FC Union gibt es in seiner jetzigen Form erst seit 1966. Zuvor hatte es in Oberschöneweide mehrere Fusionen, Zusammenschlüsse aber auch Trennungen von Vereinen gegeben, die heute als Vorgänger-Klubs von Union gelten. Leicht hatte es der Verein in der DDR nicht, denn das Regime unterstützte mit aller Kraft Vorwärts Berlin. Die meisten begabten Spieler endeten in der Kaderschmiede von Vorwärts. Ohnehin mischte sich der Staat regelmäßig in den Profifußball ein – so wurden die protegierten Klubs einige Male einfach in eine andere Stadt verlegt. Vorwärts startete beispielsweise in Leipzig, wurde dann nach Berlin verlegt und später nach Frankfurt (Oder). Der heutige BFC Dynamo geht aus einem Ableger von Dynamo Dresden hervor.

Hertha Union Berlin
Mannschaftsfoto des FC Vorwärts Berlin in der Oberliga-Saison 1966/67 (Foto: imago/Werner Schulze)

Union hingegen galt in der DDR von vorn herein als Verein des Volkes, als Anti-Establishment. Allerdings etablierten sich die Köpenicker schnell in der DDR-Oberliga und nur zwei Jahre nach der Klubgründung kam es zu einem der größten Erfolge der Vereinsgeschichte – dem Gewinn des DDR-Pokalwettbewerbs (FDGB-Pokal). Im Finale besiegte man den amtierenden DDR-Meister Carl-Zeiss-Jena. Zu einem Berlin-Derby kam es aber schon im Halbfinale, als Union gegen den Staatsklub Vorwärts im Halbfinale 2:1 gewann. Bis heute feiern die Köpenicker ihre Pokalhelden.

In den folgenden Jahrzehnten kam es in der DDR-Oberliga zu zahlreichen Derbys zwischen Union, dem BFC Dynamo sowie Vorwärts. Die meisten der Spiele wurden jedoch von Dynamo dominiert. Insbesondere in den 1970er und 1980er-Jahren profitierte Dynamo von der Unterstützung des Regimes und wurde quasi zum Serien-Meister der DDR. Union gelang es dagegen nie, die DDR-Oberliga zu gewinnen.

16. November 1974, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (0:3)

Auf westberliner Seite wurde Hertha in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg zur stärksten Berliner Mannschaft. In 1970er-Jahren kam es dann allerdings zum einzigen Berliner Derby auf Bundesliga-Ebene bis zum Unioner Aufstieg vor ein paar Jahren. In der Saison 1973/1974 hatte Tennis Borussia damals noch über die zweitklassige Regionalliga den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Das erste Aufeinandertreffen der beiden Teams sollte zum Spektakel werden: Eigentlich hätte TeBe ein Heimspiel gehabt, doch das Interesse in der Bevölkerung an dem Match war riesig – und so wurde die Partie ins Olympiastadion verlegt und fand vor 75.000 Zuschauern statt.

Hertha Union Berlin
Foto: imago/Werner Otto

Gegen die in der Saison 1974/1975 extrem stark aufspielende Hertha hatte der Aufsteiger jedoch keine Chance – Hertha gewann 3:0, „Ete“ (Erich) Beer erzielte zwei der Treffer. Hertha hatte damals einen schlagkräftigen Kader zusammen: Neben Beer gehörten dem Team auch Spieler wie Wolfgang Sidka oder Uwe Kliemann an. Die Mannschaft wurde in dieser Saison sogar Zweiter hinter Borussia Mönchengladbach. TeBe stieg als Vorletzter ab. Allerdings verbrachte die Mannschaft nur ein Jahr in der damals neu gegründeten 2. Bundesliga: Die Saison 1975/76 schloss TeBe als Tabellenführer ab, und so kam es 1976 und 1977 zu zwei weiteren Bundesliga-Derbys zwischen Hertha und Tennis Borussia – eines davon (16. April 1977) konnte Tennis Borussia sogar für sich entscheiden. Aber auch nach dieser Saison reichte es für TeBe nicht für den Klassenerhalt.

18. Februar 1984, SC Charlottenburg vs. Hertha BSC (1:0)

Nach der Saison 1982/1983 stieg auch Hertha aus der Bundesliga ab. Die kommenden Zweitliga-Jahre wurden für Westberliner Fußball-Fans ein reines Derby-Festival. Denn nicht nur Hertha und Tennis Borussia trafen mehrfach aufeinander. Vielmehr sorgte in den 80er-Jahren auch Blau-Weiß 90 für Aufsehen. Und – wer hätte es gedacht? – auch der SC Charlottenburg verbrachte ein Jahr in der 2. Bundesliga.

Gegen die frisch abgestiegenen Herthaner kam es im August 1983 zum ersten Derby der beiden Charlottenburger Teams, das 1:1 unentschieden endete. Im ausverkauften Mommsenstadion gab es in der Rückrunde dann die riesige Überraschung: Der SCC besiegte Hertha mit 1:0. Übrigens: Im Tor des SCC stand damals ein gewisser Andreas Köpke, der nach dem direkten Abstieg der Charlottenburger zu Hertha wechselte.

16. März 1985, Blau-Weiß 90 vs. Hertha BSC (0:2)

In der Saison 1984/1985 deutete sich dann erstmals die zwischenzeitliche Wachablösung im westberliner Fußball an. Das Mariendorfer Team Blau-Weiß 90 war zuvor in die 2. Liga aufgestiegen. Hertha war im zweiten Zweitliga-Jahr immer noch eines der finanzstärksten Teams der Liga und hatte mit Spielern wie beispielsweise Andy Köpke und Horst Ehrmanntraut auch einen absolut bundesligatauglichen Kader zusammen. Doch die Charlottenburger setzten sich während der Saison im Tabellenmittelfeld fest.

In der Rückrunde kam es dann im schlecht besuchten Olympiastadion zu einem der letzten Siege der Herthaner dieser Saison, als Blau-Weiß mit 2:0 besiegt wurde. Für die Mariendorfer ging es anschließend bergauf, für Hertha bergab. Auf Platz 14 konnte man den Abstieg nur knapp vermeiden, Blau-Weiß wurde Siebter. In der darauffolgenden Saison sollte aber alles noch viel schlimmer kommen für Hertha.

8. Mai 1986, Blau-Weiß 90 vs. Tennis Borussia (1:2)

Drei Berliner Mannschaften in einer Profiliga – das hat es bislang nur in der Saison 1985/1986 gegeben. Tennis Borussia war zuvor gerade wieder aus der Regionalliga aufgestiegen, Hertha und Blau-Weiß 90 waren schon vorher in der 2. Liga. Blau-Weiß-90 war inzwischen aus der Mariendorfer „Rathausritze“ ins Olympiastadion gezogen, das man sich im 2-Wochen-Takt mit Hertha teilte. Tennis Borussia spielte im Mommsenstadion, wobei auch einige Derbys mit TeBe-Beteiligung ins Olympiastadion verlegt wurden.

Hertha Union Berlin
Foto: imago/Kicker/Eissner

Was sich in der Vorsaison bereits angedeutet hatte, wurde in dieser Saison bitte Wahrheit. Hertha spielte eine schlechte Runde, obwohl man kein einziges Derby verlor. Blau-Weiß hingegen wurde im Saisonverlauf immer stärker und hatte am letzten Spieltag gegen Tennis Borussia die Chance, den direkten Aufstieg in die Bundesliga zu sichern. Das Spiel gegen das schon abgestiegene Team von TeBe verlor man zwar 1:2 – weil aber Fortuna Köln gegen den Karslruher SC nicht über ein Unentschieden hinauskam, stieg Blau-Weiß 90 direkt auf. Hertha hingegen kämpfte mit Freiburg im Fernduell um den Klassenerhalt. Da das eigene Spiel in Aachen allerdings mit 0:2 verloren ging, brachten alle Rechenbeispiele nichts mehr – Hertha war fortan drittklassig.

Allerdings: Auch für Blau-Weiß 90 sollte das Abenteuer Bundesliga schnell wieder zu einem bitteren Ende kommen. Mit einer miserablen Punktebilanz von 18:50 wurde man Letzter. Für viele Jahre musste die Bundesliga in der Folge wieder ohne Berliner Teams auskommen. Hertha jedenfalls blieb zwei Saisons lang drittklassig. Erst im Juni 1988 folgte der Wiederaufstieg in Liga 2, wo es erneut zu einigen Duellen mit Blau-Weiß 90 kam. Das folgende Youtube-Video gibt die Fußball-Stimmung im damaligen Westberlin ganz gut wieder:

27. Januar 1990, Hertha BSC vs. Union Berlin (2:1)

Eigentlich haben wir uns hier bislang nur Pflichtspielen gewidmet. Es gibt allerdings ein Derby, das sowohl aufgrund seiner Geschichtsträchtigkeit als auch wegen der aktuellen Rivalität zwischen Hertha und Union erwähnt werden muss. Ende Januar 1990, nur wenige Wochen nach dem Fall der Mauer, trafen sich Hertha und Union zu einem symbolischen Freundschaftsspiel im Olympiastadion vor rund 52.000 Zuschauern. Schon in den letzten Jahren vor der Wende hatte sich zwischen Hertha und Union über die Grenze hinweg eine tiefe Fan-Freundschaft entwickelt. Das Unioner Fanlager leibäugelte wohl nicht zuletzt wegen seiner Ablehnung gegenüber dem DDR-Regime mit dem West-Klub. Als Hertha Ende der 1970er-Jahre Europapokal-Spiele in Osteuropa bestritt, reisten teilweise sogar Unioner an, um die Blau-Weißen zu unterstützen.

Das Spiel am 27. Januar geriet somit zur Nebensache. Fans beider Lager lagen sich in den Armen und feierten die Zusammenführung Berlins.

8. Juni 1991, Union Berlin vs. FC Berlin (1:0)

Union hatte es schwer in den Jahren vor und nach der Wende. Aus der aufgelösten DDR-Oberliga gingen nur zwei Teams in die Bundesliga, die meisten Ost-Teams aus der Oberliga und der DDR-Liga (2. Liga) mussten in einer Qualifikationsrunde um insgesamt sechs Plätze in der 2. Bundesliga kämpfen. Union belegte in der letzten DDR-Liga-Saison den ersten Platz und sicherte sich somit die Beteiligung an der Relegation zur 2. Bundesliga. Im Juni 1991 folgten dann die Relegationsspiele, unter anderem trat Union gegen den FC Berlin an, die Nachfolger-Mannschaft des BFC Dynamo. Das erste Spiel gewann Union zwar knapp mit 1:0, im Rückspiel verloren die Köpenicker allerdings. Aufsteigen konnte keines der beiden Berliner Teams, vielmehr belegte Stahl Brandenburg Platz 1 der Relegationsgruppe.

Die restlichen 1990er-Jahre waren eine harte Zeit für den FCU – sportlich und auch wirtschaftlich. Mehrfach verpasste man den Aufstieg in die 2. Liga. Trotz einer drohenden Insolvenz konnte sich das Team aber stetig in der Regionalliga halten, wo es in den 1990er Jahren zu mehreren Berlin-Duellen mit dem BFC Dynamo kam, der dann auch wieder seinen alten Namen trug. Erst 2009 stiegen die Köpenicker dann in die 2. Liga auf.

28. Oktober 1998, Tennis Borussia vs. Hertha BSC (4:2)

In Westberlin deutete sich Ende der 1990er-Jahre für kurze Zeit nochmals eine neue, spannende Stadtrivalität auf Augenhöhe an. Tennis Borussia war in der Saison 1997/1998 mit Trainer Hermann („Tiger“) Gerland in die 2. Bundesliga aufgestiegen und spielte dort eine starke Saison. Im Oktober 1998 belegte TeBe zwischenzeitlich Platz 1 der 2. Liga – und genau zu dieser Zeit kam es im Achtelfinale des DFB-Pokals zum Berlin-Derby. Hertha war zu dieser Zeit ebenfalls gut unterwegs in der Bundesliga, am Ende der Saison belegte das Team von Jürgen Röber sogar Platz 3 und qualifizierte sich direkt für die Champions League.

hertha union berlin
Foto: IMAGO

Doch an jenem 28. Oktober 1998 war TeBe schlichtweg zu gut für Hertha. Gerlands Mannschaft (u.a. mit Spielern wie Ilja Aracic und Francisco Copado) führte schon zur Halbzeit 2:1 und brachte den Sieg vor einer begeisterten Kulisse im Olympiastadion und nach einem Feuerwerk zu Beginn des Spiels sicher über die Ziellinie. Hertha musste allerdings nur ein Jahr warten, um sich zu revanchieren: Auch in der darauffolgenden DFB-Pokalsaison traf man auf Tennis Borussia, dieses Match entschied Hertha jedoch nach einer Nachspielzeit 3:2 für sich.

17. September 2010, Union vs. Hertha BSC (1:1)

Weil Hertha nach einer dramatisch schlechten Saison 2009/2010 abstieg, kam es im Herbst 2010 zum ersten Pflichtspiel zwischen Hertha und Union. Nach einer frühen Führung durch ein Kopfballtor von Peter Niemeyer entwickelte sich ein offenes, rassiges Spiel. Kurz vor Schluss erzielte Union dann per Fernschuss doch noch das 1:1. Das Rückspiel ging im Olympiastadion sogar 1:2 verloren. Bis heute kam es in Liga eins und zwei zu insgesamt sieben Derbys zwischen den Köpenickern und Hertha: drei Siege für Hertha, zwei für Union und zwei Unentschieden. Wie und woher sich die heute existierende tiefe Abneigung zwischen den beiden Fanlagern ergeben hat, kann wohl niemand vernünftig erklären.

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Schon im ersten Spiel, im Herbst 2010, war von der tiefen Freundschaft, die noch während der Wende-Jahre existierte, keine Spur. Herthas Anhänger zündelten mit Feuerwerkskörpern und nach dem Rückspiel feierte sich Union als „Stadtmeister“, was angesichts der Tabellensituationen der beiden Klubs natürlich eine reine Provokation war. Denn: Hertha stieg direkt in die Bundesliga auf, die Köpenicker mussten noch einige Jahre in der 2. Liga verweilen, bis es dann am 2. November 2019 zum ersten erstklassigen Duell der beiden Vereine kam.

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Nach einer ereignisreichen Woche konnten Hertha-Fans am Freitagabend einen sportlichen und emotionalen Höhepunkt erleben. Mit 3:1 setzte sich Hertha BSC gegen den Stadtrivalen 1. FC Union Berlin durch und holte sich so den Derbysieg. Vom Fahnenmeer über die „Aktion Herthakneipe“-Trikotaktion bis zum Erfolg im Olympiastadion: es war einfach eine sehr gelungene Woche für die Blau-Weißen! Trotzdem wollen wir die immer noch frische Derbysieg-Euphorie einen kurzen Moment lang runterdrehen, um uns wie gewohnt die Leistungen einzelner Herthaner etwas näher anzuschauen.

Peter Pekarik – zweiter Frühling als Torjäger

Den Anfang wollen wir mit dem Spieler machen, der unter Bruno Labbadia so etwas wie einen zweiten (dritten? vierten?) Frühling erlebt. 19 Pflichtspiele unter Bruno Labbadia: drei Treffer und zwei Torvorlagen. Nicht allzu lang ist es her, da galt Peter Pekarik noch mit 150 Bundesligaeinsätzen ohne Treffer als einer der torungefährlichsten Spieler der Bundesliga. Jetzt ist er so torgefährlich wie noch nie in seiner Karriere.

Noch beeindruckender ist allerdings die Tatsache, dass sich der 34-Jährige wider Erwarten bei Hertha gegen mehrere jüngeren Konkurrenten als rechter Verteidiger durchgesetzt hat. Im Derby zeigte sich der dienstälteste Herthaner (im Verein seit 2012) wieder in sehr guter Verfassung und machte ein sehr gutes Spiel. Knapp zwölf Kilometer lief er, ackerte unermüdlich auf seiner rechten Außenbahn und war dort sehr präsent. Obwohl Herthas Spiel insbesondere in Halbzeit eins eher linkslastig war, war er immer wieder zu sehen und hatte einige Aktionen nach vorne. Dazu kamen 94% seiner Pässe an.

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Bereits in der zweiten Minute konnte Pekarik all seine Erfahrung und Ruhe zeigen, als er sekundenlang einen langen Ball von Union abschirmte und einen Abstoß für sein Team herausholte. Durch die taktische Aufstellung in der ersten Halbzeit schaltete er sich öfters in die Offensive mit ein, ohne seine defensiven Aufgaben zu vernachlässigen. In seinen Vorstößen wurde er dabei von Lucas Tousart abgesichert, der sich auf der rechten Seite fallen ließ. Doch die Taktik funktionierte gegen der gut organisierten und kompakten Abwehr der Unioner nicht wirklich. Kein Wunder also, dass Pekariks Treffer erst in der zweiten Halbzeit fiel, nachdem Bruno Labbadia sein Team zurück in ein 4-2-3-1 umgestellt hatte. Auch im bekannten System überzeugte der Slowake und ließ sich auch bei den wenigen Gegenangriffen der Unioner nicht überspielen. 

Pekarik weiß wohl am Besten im aktuellen Hertha-Kader, wie wichtig ein Derby für Fans und Umfeld ist. Er zeigte sich dabei stets auf der Höhe und macht es somit seiner Konkurrenz auf seiner Position nicht leicht. Für Hertha ist er momentan wichtiger denn je.

Mattéo Guendouzi – Like a Boss

In einer eher schwachen Partie, in der Hertha erneut große Schwierigkeiten hatte, Chancen zu kreieren, konnte Mattéo Guendouzi positiv herausstechen. Der Franzose zeigte sich von der ersten Minute an hochmotiviert und sehr präsent im Spielaufbau. Dass die linke Seite von Hertha in der ersten Halbzeit deutlich mehr bespielt wurde, als die rechte, lag auch an ihm. Links orientiert holte er sich viele Bälle aus der eigenen Hälfte und aus dem Mittelfeld. Er war immer anspielbar und deutlich bemüht, dem Spiel seinen Stempel aufzulegen, was sich auch am Laufwert zeigte (11,75 Kilometer).

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Die bereits angesprochene Taktik von Hertha in Halbzeit eins sorgte dafür, dass sich Guendouzi oft bei Gegenangriffen von Union Berlin auf der linken Verteidigerposition wiederfand. So musste er beim 0:1 unglücklicherweise im Mittelpunkt stehen, als er nach einer Fehlerkette der Defensive Unions Stürmer Taiwo Awoniyi nicht mehr am Schuss hindern konnte. Das Offensivspiel der Blau-Weißen war trotz der Bemühungen von Arsenals Leihgabe so gut wie wirkungslos, da Union Berlin bestens auf Herthas Taktik eingestellt war.

Das änderte sich in der zweiten Halbzeit nach der taktischen Umstellung. In einer Doppelsechs bzw. Doppelacht übernahm Guendouzi den offensiven Part und überließ die Absicherung meistens Niklas Stark. Dadurch bekam er mehr Raum und zeigte immer mehr seine Qualität. Mit Javairo Dilrosun spielte er zum ersten Mal zusammen. Beide harmonierten zeitweise recht ordentlich, insbesondere in der letzten halben Stunde. Der „vorletzte“ Pass kam bei Herthas Angriffen dabei oft vom Franzosen: erst fand er Matheus Cunha beim 1:1, dann Dilrosun zum 3:1. Auch kurz vor Schluss bereitete er die Großchance des Niederländers vor.

Ab und an agierte der junge Franzose auch im Derby allerdings etwas übereifrig und hätte mit dem einen oder anderen misslungenen Risikopass auch einen gegnerischen Konter einleiten können. Es bleibt aber bei einer soliden Partie von Guendouzi, der sich langsam zum Leader im Mittelfeld entwickelt. Im Kopf bleibt auch sein Jubel vor der leeren Ostkurve, bei dem er mit imaginären Fans abklatschte und ihnen sein Trikot zuwarf. Hertha hat sich für diese Saison mit Guendouzi einen sehr guten Fußballer geholt, der darüber hinaus sofort verstanden hat, wie wichtig ein Derbysieg für Hertha-Fans und im Umfeld ist.

Javairo Dilrosun – eine überraschende Rückkehr

Seine Einwechslung kam etwas überraschend: in den letzten drei Bundesligapartien von Hertha BSC bekam Javairo Dilrosun nicht eine Minute Einsatzzeit. Schon nach 45 Minuten kam er jedoch im Derby rein, genauso wie Krzysztof Piatek. Die fehlende Spielpraxis war in den ersten 15 Minuten des Niederländers deutlich zu spüren: oftmals war er einen Schritt zu spät, traf mehrmals die falsche Entscheidung und war kaum im Spiel eingebunden. Von Minute zu Minute steigerte er sich jedoch und zeigte sich immer besser im Zusammenspiel mit Mattéo Guendouzi und Marvin Plattenhardt. Seine Einwechslung sollte darüber hinaus noch entscheidend werden: an beiden Treffern von Piatek war er unmittelbar beteiligt.

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Dilrosun war bisher in dieser Saison so etwas wie ein Rätsel, doch im Derby konnte er insbesondere in den letzten 30 Minuten wieder zeigen, was ihn als Spieler ausmacht und wie wichtig er für Herthas Spiel werden kann. Trotz Überzahl hatten die Spieler der „alten Dame“ nämlich weiterhin Probleme, sich Großchancen zu erarbeiten, und die kompakte Defensive aus Köpenick zu knacken. Sollten sich diese Probleme auch in den nächsten Spielen zeigen, könnte ein fitter und formstarker Dilrosun eine echte Waffe sein.

Kristof Piatek – vom Problemspieler zum Derbyhelden

Last but not least wollen wir uns mit dem Spieler beschäftigen, der wohl für die größte positive Überraschung bei Hertha-Fans sorgte. Der Pole wurde seit Monaten in Medien und sozialen Netzwerken oftmals kritisiert. Trotz seiner eindeutigen Qualitäten wurden Zweifel groß, dass er nicht zum System von Bruno Labbadia passe. In der laufenden Saison konnte er leider auch nur wenig Argumente für sich sammeln, bekam zunächst wenig Einsätze und fand erst nach der Verletzung von Jhon Cordoba zurück in die Startelf. Es folgten zwei schwache Einsätze gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen und im Derby musste er zunächst auf der Bank Platz nehmen.

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Doch um die Kritik, zumindest zeitweise, verstummen zu lassen, suchte sich der polnische Nationalspieler doch das richtige Spiel aus. Nach 45 Minuten wurde er eingewechselt, sein erster Schuss sorgte noch in der 69. Minute nicht gerade für Applaus. Doch dann war das Glück beim 2:1 auf seiner Seite, als sein Schuss unhaltbar für Luthe abgefälscht wurde. Beim 3:1 bewies „il pistolero“ seine wohl größte Qualität: sein absoluter Torriecher vor den Kasten. Auch seine gute Schusstechnik war im Derby gut zu erkennen und kurz vor Schluss hätte Piatek auch noch seinen Hattrick perfekt machen können, als er per Weitschuss den Unioner Keeper prüfte.  

Das Offensivspiel der „alten Dame“ war wie bereits angesprochen auch trotz der drei Treffer nicht gerade das gelbe vom Ei. Trotzdem konnte der Pole dabei zwei wichtige Tore im Derby erzielen, die so schnell nicht unter Hertha Fans vergessen werden: er ist schließlich der erste Doppeltorschütze dieser Konfrontation. Sicherlich räumt das nicht alle Zweifel aus dem Weg, es bleibt fraglich, ob sich Piatek langfristig in Labbadias Mannschaft etablieren kann.

Seine Werte sind jedenfalls alles andere als schlecht: in 1.415 Spielminuten für Hertha schoss er immerhin acht Tore und drei Torvorlagen. Sollte er auch in den nächsten Partien seine Tore schießen, wird es auch für die größten Zweifler schwer werden, den Wert des Spielers für Hertha BSC zu verkennen. Nach dem Spiel wurde Krzysztof Piatek noch gefragt, ob er nicht ein Wort auf Deutsch sagen wolle. Seine Antwort, breit grinsend, könnte der perfekte Abschlusssatz unserer Rubrik sein: „Alle zusammen, Hertha!“

Und dann war da noch:

Matheus Cunha: Dass es mit 21 Jahren völlig normal ist, Leistungsschwankungen zu erleben, ist klar. Auch Matheus Cunha ist davon nicht verschont. Im Heimspiel gegen Borussia Dortmund war es noch bester Herthaner auf dem Platz. Wie schon vergangene Woche in Leverkusen jedoch schaffte es der Brasilianer nicht wirklich, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Seine Einzelaktion zum 1:1, in der er sich sehenswert durchsetzte und per Weitschuss Union-Keeper Andreas Luthe zum Fehler zwang, war leider seine erste und letzte wirklich starke Aktion dieser Partie. Im nächsten Spiel, gegen Borussia Mönchengladbach, wird Hertha auf seinen besten Torschützen verzichten müssen. Der Brasilianer holte sich seine fünfte gelbe Karte und muss ein Spiel pausieren. Gut möglich, dass er nach dieser Zwangspause mit neuem Elan und Energie zurückkehrt, und wieder ein besseres Gesicht zeigt. Ein Matheus Cunha in Topform ist schließlich nicht zu ersetzen.

Jordan Torunarigha: Zurück von seiner längeren Verletzungs- und Coronabedingten Pause zeigte sich beim 23-Jährigen in der Anfangsphase noch die fehlende Spielpraxis. Etwas ungenau und überhastet agierte der Innenverteidiger, der außerdem beim 0:1 nicht besonders gut aussah. Allerdings wurde er im Verlauf des Spieles immer sicherer, eroberte seine gewohnte Stabilität zurück und profitierte auch von der Überzahl, die ihm etwas mehr Freiheiten nach vorne ermöglichte. Insgesamt eine gelungene Rückkehr für Torunarigha, der beste Chancen hat, seinen Stammplatz zurückzuerobern.

Niklas Stark: Der 25-jährige ist ebenfalls eine Erwähnung wert. Er schaltete sich nur selten im Offensivspiel mit ein und sah beim 0:1 ähnlich wie Torunarigha nicht gut aus. Doch auch er kämpfte sich in die Partie zurück und kam mit dem 4-2-3-1 System in der zweiten Halbzeit deutlich besser zurecht.