Drei Thesen zum Spiel: Hertha BSC vs Gladbach

Drei Thesen zum Spiel: Hertha BSC vs Gladbach

Reißt womöglich am Samstag der Geduldsfaden der leiderprobten Hertha-Fans? Fakt ist: Eine Niederlage dürfen sich die Berliner im „Topduell“ am Samstag nicht leisten. Doch was kann den Berliner Fans im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach Hoffnung geben? Unsere drei Thesen zum Spiel.

Kaum Fokus bei Hertha aufs Sportliche

Wann war die letzte Woche, in denen Hertha-Fans mal ein wenig Leid erspart blieb und sie nicht die Stirn runzeln mussten über das Handeln im Verein? Und damit sind noch nicht einmal die desolaten Ergebnisse und Spiele gemeint, welche das Team seit Monaten abliefern.

Viel mehr gab es in dieser Woche den vorzeitigen Abgang von Sportdirektor und Club-Legende Arne Friedrich zu verkraften. Sein Abschied zum Saisonende war schon länger klar – nun verlässt er noch früher das Schiff. Und auch Lars Windhorst fühlte sich genötigt, sich öffentlich über die Hertha zu äußern – beziehungsweise über die gedrehte Dokumentation über die Mannschaft, die nun doch nicht ausgestrahlt wird.

Hertha gleich in diesen Tagen mehr einem Boulevard- und Entertainment-Angebot, als einer professionellen Sportmannschaft. Nichtsdestotrotz soll es am Samstag in Mönchengladbach gegen die dortige Borussia wieder sportlich werden. Unsere drei Thesen dazu.

These 1: Ein Trainer, der untergeht

Sollte Hertha BSC auch dieses Spiel verlieren, fliegt Trainer Tayfun Korkut vom sowieso schon sinkenden Hertha-Schifff. Gegen Köln verlor man zum Rückrundenauftakt mit 1:3, gegen Bayern 1:4, auch gegen Abstiegskonkurrent Greuther Fürth ging man 2:1 unter. Es folgten noch schlimmere Niederlagen gegen Leipzig, Freiburg und Frankfurt.

Im DFB-Pokal schied man gegen den Stadtrivalen aus. Dem gegenüber stehen magere zwei Punkte in diesem Jahr: 0,75 Punkte pro Spiel weist Korkut bei Hertha BSC auf – ein grausamer Wert.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Schon jetzt kann Geschäftsführer Fredi Bobic kaum mehr Argumente besitzen, an Korkut festzuhalten. Zwar sahen die ersten Spiele unter Korkut vor allem im offensiven Bereich deutlich besser aus als unter Pal Dardai – Bobic und auch viele Fans hatten sich das gewünscht – doch fehlt der Wert dahinter, wenn die Punkte nicht eingebracht werden. Zumal inzwischen auch die guten Ansätze aus den ersten Spielen vollends weg sind – das Selbstbewusstsein der Mannschaft ist desaströs, die Abwehr noch instabiler geworden, als unter Dardai.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine Niederlage gegen Gladbach für Korkut das Aus als Hertha-Trainer bedeutet.

These 2: Hertha-Fans, die verbal ihren Frust äußern

„Oh, wie ist das schön!“, riefen die Hertha-Fans noch am vergangenen Spieltag, als die Mannschaft gegen Frankfurt mit 4:1 zurücklag. Das letzte Tor bekam die Mannschaft, als sie eine Minute zuvor selbst trafen. Der Galgenhumor der Hertha-Fans ist bewundernswert. Nachdem Abpfiff sollten dennoch Buh-Rufe folgen.

Und irgendwie ist es verwunderlich – teils eben auch bewundernswert – wie sehr die Hertha-Fans ihr Team Spieltag für Spieltag lange, lange Zeit anfeuern und ihr bestes geben, die Mannschaft zu pushen. Denn im Gegenzug gibt es von den Spielern Aktionen, die nicht einmal mehr Zweitligatauglich sind.

Vor allem hier ist die Abwehr zu nennen: Was allen voran Dedryck Boyata, Marc Oliver Kempf und Peter Pekarik für Fehler passieren, ist schlichtweg peinlich. Etliche Fehlpässe, grauenhafte Zweikämpfe und Unvermögen, einen soliden Spielaufbau aus der Abwehr heraus zu gestalten, sind nicht nur für die zweitmeisten Gegentore in der Liga verantwortlich – sondern auch für eine völlig verunsicherte Mannschaft.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Gleichsam schafft es auch das Mittelfeld nicht, sich der Abwehr anzubieten – es wirkt, als hätten sie Angst vor dem Ball. Erbarmt sich dann doch mal ein Spieler, folgen keine klugen Bewegungen und Drehungen, keine Pässe in die Tiefe, die aufgrund einer guten Übersicht möglich sind – sondern Rückpässen. Hertha BSCs Aufbauspiel in a nutshell.

Und fast vergessen: Regelmäßig rutscht ein Spieler aus, wie etwa Boyata gegen Frankfurt, was ebenfalls zu Gegentoren führt.

Es ist blanker Hohn, was die Mannschaft den eigenen Fans zumutet. Samt der peinlichen Darstellung in der Öffentlichkeit, scheint das Fass langsam endgültig voll. Entsteht auch gegen Gladbach ein negativer Spielverlauf, werden die Fans mit der Mannschaft brechen. Lautstarke Pfiffe gegen die eigene Mannschaft werden die Folge sein – deutlich mehr und konsequenter, als jetzt.

These 3: Was gibt Hoffnung?

Aus Hertha-Sicht wohl nicht viel. Selbst das Gladbach im vergangenen Spiel gegen Stuttgart eine 2:0 Führung verspielt und letztlich noch 2:3 verlor, scheint kein Funken der Hoffnung für die Blau-Weißen zu sein. Gladbach wird alles daran setzen, dass sich das nicht wiederholt, zumal sich die eigene Krise dadurch eklatant verstärken würde. Spielerisch ist Gladbach dazu in der Lage.

Dennoch: Tabellenplatz 13 und nur vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, samt 51 Gegentoren, sprechen nicht für Gladbach und zeichnen ein Bild einer verunsicherten Mannschaft, die in dieser Saison keinen roten Faden mehr ins eigene Spiel bekommen zu scheint.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Womöglich gelingt Hertha ausnahmsweise gar mal ein früher Treffer, welcher die angeschlagene Gladbacher Mannschaft weiter verunsichern dürfte. Schafft es Hertha, sich die Schwäche in der Gladbacher Abwehr zu nutze zu machen, kann ein Sieg gelingen. Somit die These: Geht Hertha in Führung, gewinnen sie das Spiel.

[Titelbild: Matthias Kern/Getty Images]

Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach: Kann Hertha eine Serie starten?

Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach: Kann Hertha eine Serie starten?

Gegen die Eintracht aus Frankfurt zeigte Hertha BSC die bisher beste Saisonleistung. Doch kann das gegen die Borussia bestätigt werden? Gladbach ist schwach in die Saison gestartet – das kann gut oder schlecht für die Berliner Mannschaft sein.

Im Vorfeld der Partie haben wir mit Gladbach-Expertin Yvonne Marjan über die neue Ausrichtung unter Trainer Adi Hütter, den Entwicklungsstand und Luca Netz gesprochen.

Ein ähnlicher Ansatz?

Hoch anlaufen, vehement pressen, Passwege zustellen und den Gegner zu langen Bällen zwingen, samt eines schnellen Umschalt- und Konterspiels: Gegen Eintracht Frankfurt besinnten sich die Berliner Mannschaft auf Tugenden, die ihr in den vergangenen Jahren gut zu Gesicht stand.

Hertha spielte zumeist dann stark, wenn sie die Gegner tief in der eigenen Hälfte pressten und bei Ballgewinn in der eigenen Spielhälfte schnell umschalteten. Nun trifft Hertha auf ein angeschlagenes Gladbach – das eben jenen Spielstil ebenfalls favorisiert.

Angeschlagenes und verändertes Gladbach

Auch Gladbach spielte in den vergangenen Jahren ein laufintensives, pressingstarkes Spiel, samt schnellen Pässen in die Spitze, bei eigenem Ballgewinn. Und das durchaus erfolgreich. Nunmehr sitzt Adi Hütter auf der Trainerbank – und so richtig scheint die Mannschaft noch nicht in Fahrt gekommen zu sein.

Die deutlichste Änderung im Gladbacher-Spiel zeigt sich in der Defensive. Spielten die Fohlen in den vergangenen Jahren zumeist in einer Viererkette, greift man nun auf drei Innenverteidiger und zwei defensiven Schienenspielern zurück. „Unser Problem war in der vergangenen Saison die Flut auf Gegentoren“, weiß Gladbach-Expertin Yvonne Marjan. Dies abzustellen, sei das erste Ziel von Hütter gewesen. So kassierten die Fohlen in acht Spielen lediglich elf Gegentreffer.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Doch birgt das auch seine Schattenseiten. Denn gleichzeitig schossen die Fohlen nur zehn Tore. „Dadurch leidet erst einmal das Spielerische und es fehlt an Torgefahr“, stellt auch Yvonne fest. Doch steckt die Gladbacher Mannschaft voller individuell starker Spieler. So scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie anfangen zu zünden.

So nennt Yvonne etwa Jonas Hofmann, der diese Saison bereits drei Mal einnetzte. Auch Breel Embolo und Lars Stindl sind für ihre offensiven Stärken bekannt. Doch für wichtiger erachtet Yvonne gegenwärtig den erst 20-jährigen Kouadio Krone, „der sich ganz klar zu einem Schlüsselspieler entwickelt“, wie sie sagt.

Mit dem zehnten Tabellenplatz aber werden die Gladbacher alles andere als zufrieden sein und gegen Hertha womöglich offensiver aufgestellt sein.

Zwei Spielweisen, aber drei Punkte werden nur einmal vergeben

Wie Hertha agieren wird, kann gegenwärtig nur gewürfelt werden. Viele Fans werden hoffen, dass sie an die Spielweise wie gegen Frankfurt anknüpfen wird. Doch ist Pal Dardai auch Liebhaber davon, die gegnerische Mannschaft erst ab der Mittellinie anzulaufen und viel Raum in der eigenen Hälfte zu überlassen. Um hinten dich zu stehen und mit langen Bällen nach vorne Akzente zu setzen. Entscheidend wird sein, wie Dardai aufstellen wird.

Gegen Gladbach könnte sich ein bissiges Mittelfeld als gewinnbringend erweisen. Mit laufstarken Spielern, die das Gladbacher Umschaltspiel schon im Ansatz zerstören und die keinen Zweikämpfen aus dem Weg gehen. Das Dreiermittelfeld aus Santiago Ascacibar, Vladimir Darida und Suat Serdar brachte genau diese Tugenden in Frankfurt auf den Platz und dürfte daher wohl wieder starten.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Vorstellbar ist aber auch, dass Edel-Joker Ekkelenkamp in die Startelf rückt. Auch Jovetic und Maolida sind Optionen – das System Gladbachs wäre dann gespiegelt und man würde mit einem spielstarken Mittelfeld schnell in die offensive vordringen wollen.

„Ich nehme Hertha als sehr unangenehmen Gegner war“, sagt Yvonne. So sei nie klar, was einen erwartet. Unrecht hat sie damit nicht. Dennoch ist sie optimistisch: „Sorge habe ich zwar nicht, aber eine gewisse Anspannung ist schon da. Unterschätzen wird man Hertha auf keinen Fall – darf man auch nicht“, sagt sie.

Und Luca Netz?

Im Sommer musste Hertha mit Luca Netz einen bitteren Abgang hinnehmen. Das Eigengewächs verließ Berlin für vier Millionen Euro Richtung Mönchengladbach. Das ehemalige Berliner Top-Talent scheint in Gladbach angekommen zu sein. „Er hat sich schnell in das Team integriert und hat gezeigt, dass er durchaus eine Verstärkung sein kann“, sagt Yvonne.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Auch offensiv sehe sein Spiel gut aus. In sechs Spielen konnte er bisher eine Vorlage liefern. Doch ist Konkurrent Bensebaini inzwischen wieder im Mannschaftstraining. Ist er wieder vollends fit, glaubt Yvonne, dass Netz für ihn weichen muss. „Ich sehe seine Zeit erst in der nächsten Saison“, sagt sie.

Ihre Hoffnung für das Spiel ist, dass sich Hertha nicht hinten reinstellt. „Wenn beide Teams mit der selben Spielidee ins Duell gehen, wie am letzten Spieltag, wird es unterhaltsam“, sagt sie. Für das Spiel wünscht sie sich zwar ein 2:0 für Gladbach, „ich fürchte aber fast, dass wir das erste Unentschieden der Saison für die Hertha sehen werden: 1:1“, sagt sie. Nehmen wir.

Titelbild: Clemens Bilan – Pool/Getty Images

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach

Man wird aus dieser Mannschaft einfach nicht schlau. Während im Union-Spiel die Offensive nicht existierte, leistete sich im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach einmal mehr die Defensive mehrere Patzer. Hinzu kommt, dass weiterhin die Arbeitseinstellung einiger Spieler nicht zum Ernst der Tabellenlage passt. Herthas Südamerika-Fraktion ist es zu verdanken, dass das Gladbach-Spiel trotz 75-minütiger Überzahl nicht verloren ging. Die Herthaner im Fokus.

Santiago Ascacibar – Ein neuer Faktor in Herthas Offensive

Keine Ahnung, ob es gewollt war oder nicht. Aber dass Santiago Ascacibar am Samstag im zentralen Mittelfeld vor Matteo Guendouzi spielte, hat gewirkt. Herthas Trainer Pal Dardai hatte schon vor dem Spiel gesagt, dass Ascacibar ein Spieler für Balleroberungen ist.

Und genau das tat der Argentinier auch mehrfach. Dadurch, dass diese Eroberungen nicht vor dem eigenen sondern vor dem gegnerischen Strafraum stattfanden, war Ascacibar ein neuer, unerwarteter Faktor in Herthas Offensive. Gleich in der 9. Minute holte er sich den Ball am linken Gladbacher Strafraumeck und legte Matheus Cunha so eine gute Chance vor. Durch seine vorgezogene Position kam auch Ascacibar selbst einige Male zu Abschlüssen – wie etwa in der 23. Spielminute, als er den Ball kurz nach der roten Karte gegen Gladbachs Torhüter Yann Sommer zum 1:0 ins Tor lenkte. Vor diesem Hintergrund war Dardais Entscheidung Ascacibar in der 57. Minute gegen Sami Khedira auszutauschen, zunächst nicht ganz nachvollziehbar. Dardai erklärte den Wechsel im Nachhinein damit, mehr Kopfballstärke auf dem Feld haben zu wollen.

Hertha Mönchengladbach
Foto: IMAGO

Weltmeister Khedira übernahm Guendouzis Position vor der Abwehr, während der Franzose auf „Santis“ Position vorrückte. Beide spielten nicht schlecht, erreichten aber bei Weitem nicht Ascacibars Effizienz. Ein Hinweis darauf sind die Zweikampfquoten der drei zentralen Mittelfeldspieler: Während Khedira und Guendouzi nur jeden zweiten Zweikampf für sich entschieden, war „Santi“ in knapp 70 Prozent aller Duelle der Sieger. Sollte seine Reaktion auf die Auswechslung kein Nachspiel haben, hätte er sich mit drei Schüssen, vier Tacklings und zwei abgefangenen Bällen eine weitere Startelfnominierung also durchaus verdient.

Maxi Mittelstädt – Weder nach hinten noch nach vorne gut

Leider ist es nicht das erste Mal in dieser Saison, dass Maxi Mittelstädt ein Unsicherheitsfaktor in Herthas Defensive ist. Auch am Samstag hat Herthas Eigengewächs auf seiner linken Abwehrseite zu viele Lücken offengelassen, in welche die Gladbacher immer wieder hineinstachen. Beim ersten Gegentor merkte er nicht, dass Alassane Pléa auf seiner Seite durchstartete und konnte das Tor dann nicht mehr verhindern. Auch nach vorne kamen keine Impulse von Mittelstädt, seine Auswechslung zur Halbzeit erfolgte zurecht. Marvin Plattenhardt tat sich etwas leichter und gab wenigstens ein paar Flanken in den Strafraum.

Hertha Mönchengladbach
Foto: IMAGO

Dardais Defensiv-Plan ist kein Hexenwerk, weil es in den meisten Profimannschaften heutzutage genauso gelebt wird: In Offensiv-Situationen und im Spielaufbau bildet sich eine Dreierkette, die in Defensiv-Momenten durch die beiden Außen (heute Mittelstädt und Zeefuik) zu einer Fünferkette ergänzt wird. Die Außenspieler müssen also im besten Fall für Gefahr über die Flügel sorgen, gleichzeitig aber keine Angriffe und Lücken auf ihrer Seite zulassen. Leider hat Hertha derzeit auf der linken Seite keinen Spieler, der diesen Anforderungen gerecht wird.

Dodi Lukébakio – Rückfall in alte Verhaltensmuster

Nach extrem schwachen Leistungen in der Hinrunde war Dodi Lukébakio zuletzt wieder sehr wichtig für Hertha. Seine beiden Elfmeter gegen Augsburg und Union sowie das starke Spiel gegen Leverkusen sicherten Punkte für die Blau-Weißen. Umso erstaunlicher ist es, dass der Belgier im Gladbach-Spiel wieder eine fast provokativ schlechte Leistung zeigte.

Hertha Mönchengladbach
Foto: Andreas Gora/IMAGO

Ohne großen Antrieb trabte er zumeist im Sturmzentrum herum, lief den Gegner kaum an und hatte mit 40 Prozent auch eine schlechte Zweikampfquote. Dardai zählte den Belgier mehrfach lautstark an, bemängelte insbesondere, dass Lukébakio nicht – wie vorgegeben – die linke Offensiv-Seite hielt. Nach einem schwachen Abschluss von Dodi (in aussichtsreicher Position kurz vor der Strafraumlinie) konnte man an den Gesichtern des Trainerteams schon erkennen, dass die Auswechslung Lukébakios schon in der Halbzeit kommen würde.

Und dann waren da noch…

Jhon Cordoba: Der Kolumbianer war einmal mehr ungemein wichtig für Hertha. Natürlich hat Cordoba die rote Karte von Sommer nicht durch eine Schwalbe provoziert. Aber er hat die Situation – Dardais genialen, eröffnenden Pass und den herauseilenden Sommer – eben gut erkannt und wusste: Wenn ich mir den Ball vorbeilegen kann, kann er mich eigentlich nur noch umhauen. Und beim Ausgleichstreffer ist es einfach toll zu sehen, mit welcher körperlichen Wucht der Kolumbianer im Sturmzentrum wirkt.

Hertha Mönchengladbach
Foto: IMAGO

Die Ecken: Alleine im Gladbach-Spiel hatte Hertha elf Ecken. Aus keiner einzigen dieser Eckstöße hat Hertha einen Hauch von Torgefahr entwickeln können. Noch viel schlimmer: In der gesamten laufenden Saison ist dem Team noch kein einziger Ecken-Treffer gelungen. Das ist eine erschreckende Bilanz, denn gerade in den kommenden Abstiegsspielen könnte es dazu kommen, dass man keine spielerische Lösung zum Sieg findet. Spätestens dann sollte Hertha damit anfangen die Ecken in das Offensiv-Sortiment mit aufzunehmen.

Fazit: Niederlagentschieden

Aus blau-weißer Sicht tut der Blick in die Statistiken des Gladbach-Spiels einfach nur weh. In keiner einzigen Kategorie waren die „Fohlen“ unserer Hertha überlegen. 23:7 Torschüsse, 7 Kilometer mehr Laufleistung, 86 Prozent Passquote, etc. Natürlich hätten wir wohl vor dem Spiel einen Punkt gegen Gladbacher gerne angenommen – schließlich hatte das Team von Marco Rose in den vergangenen Wochen wieder zurück in die Erfolgsspur gefunden.

Mit Blick auf die 75-minütige Überzahl und die deutliche Überlegenheit in der zweiten Hälfte wirkt das Unentschieden aber eher wie eine Niederlage. Nach wie vor fehlt es dem Team an Ausgewogenheit, Abstimmung und Erfahrung. Denn nach einer frühen roten Karte für den Gegner und der anschließenden Führung darf es schlichtweg niemals passieren, dass man innerhalb weniger Minuten den Sieg aus der Hand gibt.

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: Borussia Mönchengladbach – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: Borussia Mönchengladbach – Hertha BSC

Nach einem 1:1-Unentschieden gegen Borussia Mönchengladbach steht Hertha mit zwölf Punkten vorerst auf dem 11. Tabellenplatz. Nach in der Saison teils sehr schwankenden Leistungen – insbesondere in der Defensive – war das Spiel gegen die Borussen vor allem eines: stabil. Und so steht im heutigen Rückblick die geschlossene Mannschaftsleistung im Vordergrund. Bis auf eine hervorstechende Ausnahme: Matteo Guendouzi.

Die Innenverteidigung – Boyata und Torunarigha sorgen für Sicherheit

61. Spielminute: Der Mönchengladbacher Patrick Herrmann taucht plötzlich alleine vor Alexander Schwolow auf, Herthas Keeper zögert eine Sekunde zu lang, Herrmann nutzt dies und hebt den Ball elegant in Richtung Tor. Doch kurz vor der Torlinie rettet Dedrick Boyata und schlägt den Ball ins Seitenaus. Diese Szene zeigt ganz gut, wie man sich als Herthafan im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach mit der eigenen Defensive fühlte: sicher und stabil.

(Photo by Sascha Steinbach – Pool/Getty Images)

Selbst als ‘Gladbach nach dem Rückstand in der zweiten Hälfte noch mehrere schlagkräftige Stürmer brachte (Plea, Thuram, Stindl) und einem schon aufgrund der Namen Angst und Bange wurde, stand die blau-weiße Innenabwehr gut. Boyata, der mit knapp 62 Prozent Herthas zweitbeste Zweikampfquote hat, klärte insbesondere in der Luft viele wichtige Bälle gegen Breel Embolo und wirkte auch im Spielaufbau klug mit. Aber auch Jordan Torunarigha machte ein gutes Spiel. Besonders erfreulich ist wie gut beide zusammenpassen. Während der Belgier insbesondere bei hohen Bällen viel abräumt, kann Jordan das Spiel schon vor dem Strafraum extrem gut lesen und fängt auf diese Weise zahlreiche tiefe Pässe ab – eine sehr wichtige Eigenschaft gegen eine Mannschaft wie ‘Gladbach, die mehrere Spieler hat, die genau diese tiefen, gefährlichen Bälle spielen können.

Auch sehr erfreulich war das kluge Zweikampfverhalten: Während in den ersten Spielen dieser Saison gefühlt in jedem Spiel ein blöder Foulelfmeter dabei war, standen die Verteidiger heute in allen kniffligen Szene gut da. Die Gladbacher monierten viel – letztlich waren aber alle wichtigen Zweikämpfe im Strafraum sauber. Kurzum: Herthas Defensive war am heutigen Nachmittag nur ein einziges Mal unsortiert und fing sich dann auch den Ausgleich. Aber seien wir ehrlich: Gegen einen Champions League-Achtelfinalisten ist das völlig okay.

Matteo Guendouzi – Was für ein Fußballspieler!

Schaut man sich die blau-weißen Social Media-Foren nach dem heutigen Gladbach-Spiel an, fällt immer wieder ein Name: Matteo Guendouzi. Der Franzose hat sich in seinen wenigen Spielen für Hertha von Spiel zu Spiel gesteigert und hatte heute somit seinen stärksten Auftritt im blau-weißen Trikot.

Dabei imponierte der französische Jungnationalspieler nicht nur mit seinem technisch brillanten Tor, bei dem er den Ball ohne langes Zögern mit feinster Schusstechnik aus 16 Metern unhaltbar ins obere rechte Eck zimmerte. Noch viel wichtiger ist, dass Guendouzi diese seit wenigen Monaten zusammenspielende Mannschaft inzwischen wie ein echter Spielregisseur taktet. Er gewinnt viele wichtige, kleine Zweikämpfe im Mittelfeld und leitet den Ball schnell an Herthas schnelle Außenspieler weiter.

Insbesondere das Zusammenspiel mit Vladimir Darida hat sehr gut funktioniert – wobei man zwischen den beiden schon einen Qualitätsunterschied erkennt. Darida ist ein gestandener Bundesligaspieler, der durch seine Laufstärke eigentlich immer anspielbar ist. Aber im Gegensatz zu Guendouzi sind beim Tschechen auch des Öfteren Fehlpässe oder Aktionen dabei, die das Tempo verschleppen. Zum Vergleich: Darida brachte nur 66% seiner Pässe zum Mitspieler, bei Guendouzi waren es 91%.

(Photo by Sascha Steinbach – Pool/Getty Images)

In einer Szene kurz vor Schluss zeigte Guendouzi zudem, dass er auf dem besten Weg ist, sogar zu dem „Leader“ zu werden, den Hertha dringend benötigt: Der eingewechselte Jessic Ngankam ging nach einer Balleroberung nicht schnell genug in die Außenposition – Guendouzi hatte keinen Anspielpartner. Der Franzose gab Ngankam (übrigens beide etwa gleich alt) das anschließend deutlich zu verstehen und erklärte ihm, welcher Laufweg sinnvoller gewesen wäre. Nachricht an Michael Preetz: Bitte für einen Verbleib des Franzosen kämpfen!

Niklas Stark – Immer stärker

Erinnert ihr euch noch an das Heimspiel gegen Köln im Februar, als es schon zur Halbzeit 0:3 stand? Niklas Stark machte damals eines seiner schwächsten Spiele im Hertha-Trikot. Wenn man sich den Niklas Stark aus den vergangenen beiden Spielen (Union und Gladbach) anschaut, könnte man meinen, dass wir hier über zwei verschiedene Spieler sprechen.

Foto: IMAGO

Unter Labbadia ist Stark zu einem klassischen „Sechser“ geworden – früher nannte man diese Position „Vorstopper“. Der gebürtige Franke holt sich viele Bälle in der Abwehr ab und übergibt sie an die spielintelligenten Regisseure Guendouzi und Darida. Besonders erfreulich war heute, dass Stark gerade in der ersten Hälfte auch einige Akzente nach vorne setzte. In der 15. Spielminute beispielsweise tauchte er im Strafraum auf und flankte gefährlich in Richtung Dodi Lukebakio.

Das wichtigste ist jedoch die Arbeit gegen den Ball und vor allem dort zeigte der Vizekapitän seine Stärken. Stark war stets hellwach und eng am Gegenmann, sodass er einige Konter bereits frühzeitig stoppte – besonders gegen die schnellen Gladbacher extrem wichtig. Zwei Tacklings, ein abgefangener Ball, vier Klärungsaktionen und ein abgeblockter Schuss – so die guten Zahlen von Stark, der sich wohl endgültig festgespielt hat. Niklas, davon gerne noch mehr in den nächsten Spielen.

Dodi Lukebakio – Wir müssen reden!

Dodi, wir müssen reden! Grundsätzlich ist Dodi Lukebakio einer der besten Offensivspieler, die Hertha in den vergangenen Jahren verpflichtet hat. Schon die bloßen Zahlen belegen das: In dieser Saison machte er bereits zwei Tore und legte drei Treffer auf. Im vergangenen Jahr machte er in 30 Ligaspielen sieben Tore und legte weitere sieben auf.

Hinzu kommt, dass der Belgier extrem schnell ist und gerade bei Gegenangriffen auf den Außenpositionen Herthas wichtigste Anspielstation ist. Leider nur ist Lukebakios Spiel viel zu volatil. Es gibt Phasen im Spiel, da tut sich der Belgier komplett raus, bietet sich nicht an, läuft mit hängendem Kopf über den Platz und wirkt auch in Zweikämpfen demotiviert. So auch gegen Gladbach gesehen, am Samstagnachmittag wollte Lukebakio kaum etwas gelingen. Nur 61% seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, kein Dribbling wurde gewonnen. Hinzu kamen gewisse Schwächen gegen den Ball, einmal mehr hörte man Trainer Labbadia zahlreiche Anweisen und Aufforderungen in Richtung des Belgiers brüllen.

Foto: IMAGO

Auch Labbadia hat Dodis Motivation und seinen Einsatz bereits thematisiert – es wird Zeit, dass Lukebakio dauerhaft mehr PS auf die Straße bringt – das Potenzial ist ohne Zweifel vorhanden. Sonst könnte womöglich ein fabrikfrischer Flitzer an ihm vorbeiziehen: Jessic Ngankam (siehe weiter unten).

Und dann war da noch:

Alexander Schwolow: Ein gutes Spiel vom ehemaligen Freiburger. Alleine wegen seiner Rettungsaktion in der 42. Minute sei der Torwart hier erwähnt. Mit einem Arm wehrte Schwolow einen heftigen Schuss des Gladbachers Wolf ab. Schwolow fing viele Flanken ab und leite einige Gegenangriffe klug ein. Bis auf das oben genannte zögerliche Herauskommen gab es keine Fehler, beim Gegentreffer war er chancenlos.

Der Nachwuchs (Redan und Ngankam): Viel Zeit hatten Daishawn Redan und Jessic Ngankam nicht, um sich im heutigen Spiel anzubieten. Und trotzdem nutzten beide die ihnen zur Verfügung stehenden Spielminuten. Ngankam zeigte sich oft und auf beiden Seiten anspielbereit und sorgte insbesondere in Gladbachs Drangphase für Entlastung. Bei Ngankams Hackentrick kurz vor Schluss im Gladbacher Strafraum wurde es auf einmal sehr brenzlig – es folgte leider ein Fehlpass. Der Niederländer Redan hatte noch weniger Zeit auf dem Platz, sorgte aber ebenfalls fast für einen Paukenschlag, als er direkt von Schwolow bedient wurde und alleine in Richtung Tor marschierte – auch hier leider ohne Happy End.

Fazit

Der erhoffte Sieg gegen ein Spitzenteam blieb leider aus. Hertha fing sich nach dem schönen Führungstreffer völlig berechtigt einen Gegentreffer ein. Wichtig ist aber: Zu keinem Zeitpunkt hatte man – wie etwa gegen Dortmund – das Gefühl, dass diese Mannschaft zusammenbricht und nicht wettbewerbstauglich ist. Ganz im Gegenteil: Gladbach biss sich an einer starken Defensive die Zähne aus. Auch die Einstellung stimmte: Mit etwa 116 Kilometern lief Hertha etwa zwei Kilometer mehr als die Borussia und auch in den Zweikampf- und Passwerten lag Hertha nur knapp hinter Gladbach. Es folgen Spiele gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel. Hertha muss dann abliefern.

[Titelbild: Sascha Steinbach – Pool/Getty Images]