Herthaner im Fokus: Ein verdienter Punktgewinn

Herthaner im Fokus: Ein verdienter Punktgewinn

Dass Hertha-Präsident Kay Bernstein nicht wie er ursprünglich angekündigt hatte, bei unter 50.000 Zuschauern und Zuschauerinnen gegen Leverkusen wieder nach Hause gehen würde, war im Endeffekt sein Glück! Sicherlich, die Aussage war spaßig gemeint. Glücklicherweise, denn gegen die Werkself traten nur 40.643 Fans den Weg ins Berliner Olympiastadion an. Aber die sorgten nicht nur für eine grandiose Stimmung auf den Rängen, sie konnten vor allem ein starkes Bundesligaspiel der Hertha beobachten. Und auch der Präsident genoss die Stimmung.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Nachdem die erste Halbzeit ein rassiges Duell mit zahlreichen Torchancen auf beiden Seiten war, aber torlos endete, sorgten die Leverkusener in Person von Kerem Demirbay per Freistoß, Suat Serdar nach tollem Spielzug und  Marco Richter per Traumtor für Hertha und am Ende wieder Patrick Schick für Leverkusen, in der zweiten Halbzeit für die Tore. Dass das Spiel nur 2:2 endete, war vor allem deshalb diskussionswürdig, weil in den Schlussminuten Hertha BSC ein durchaus verdienter Handelfmeter verwehrt blieb, der die Gemüter tief erregte.

Sandro Schwarz baut eine Hertha-Achse

Auffallend war, dass Trainer Sandro Schwarz im Vergleich zum Augsburg-Spiel nicht viel änderte. Getreu dem alten Rehhagel-Motto „Never change a winning team“, sollte die Startelf sogar gänzlich gleich bleiben. Auch das 4-3-3-System blieb dementsprechend.

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Im Tor stand Oliver Christensen, die Verteidigung bestand aus Kapitän und Linksverteidiger Marvin Plattenhardt, Marc-Oliver Kempf und Filip Uremovic in der Innenverteidigung und auf der rechten Seite Jonjoe Kenny. Davor agierten im zentralen Mittelfeld Ivan Sunjic, Suat Serdar und Lucas Tousart. Offensiv wechselten sich in der Spitze und auf den Außen Chidera Ejuke, Wilfried Kanga und Dodi Lukebakio ab. Einzig auf der Bank sollte der wiedergenesene Kevin-Prince Boateng Maximilian Mittelstädt verdrängen. Der Linksverteidiger war damit nicht einmal im Kader. Sandro Schwarz ist dabei eine feste Achse zu bauen. Das sieht man auch an den Wechseloptionen, die er tätigt. Immer mehr kristallisiert sich eine Stammelf und deren Vertreter heraus. Etwas, was man in Berlin lange vermissen musste.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf den immer sicherer werdenden Torhüter, eine Transformation zum endgültigen Abwehrchef, die Flexibilität in der Offensive und Lerneffekte.

Oliver Christensen: Ein immer sicherer Rückhalt

Bei Oliver Christensen lautet die Devise in gewisser Weise „Learning by doing“. Der Däne steigert sich mittlerweile von Spiel zu Spiel. Leistete er sich in den ersten Spielen noch einige Unsicherheiten, kann er sich mittlerweile auszeichnen und seinem Team wichtige Punkte retten. Christensen entwickelt sich aktuell zu einem der besseren Torhüter der Liga und insbesondere zu einem modernen und mitspielenden Keeper, was sich auch an Zahlen belegen lässt. Er besitzt den Mut, den Strafraum in brenzligen Situationen zu verlassen und Bälle zu klären, bevor sie überhaupt erst richtig gefährlich werden. Insgesamt war er 55 Mal am Ball. Regelmäßig wird er ins Aufbauspiel eingebunden, verteilt Bälle an seine Mitspieler – immerhin kamen dabei 31 seiner 45 Pässe an. Genauso versucht er es gerne auf direktem Weg die Offensive in Szene zu setzen. Denn auch an langen Bällen probiert sich der 23-Jährige. 16 seiner 23 Versuche fanden den Mitspieler. Zusätzlich brillierte er auch in den klassischen Torwartdisziplinen.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Während seine Strafraumbeherrschung immer besser wird, wurde er gegen Leverkusen zu drei Paraden gezwungen. Schon in der 11. Minuten reagierte er hervorragend nach Schicks Kopfballversuch aus wenigen Metern Entfernung. In der 26. Minute scheiterte Adam Hlozek mit einem Schuss am Schlussmann. Auch Torschütze Kerem Demirbay scheiterte zuvor am Torhüter. An den Gegentoren von eben jenem Demirbay und Schick konnte Christensen letztendlich herzlich wenig ausrichten. Insgesamt wächst in Berlin gerade ein hervorragender Torhüter heran. Wahrscheinlich sogar einer der Besseren in den letzten Jahren.

Marc-Oliver Kempf: Endgültig der Hertha-Abwehrchef

Eins kann der Innenverteidiger hervorragend: Blocken. Marc-Oliver Kempf blockt im Durchschnitt pro Spiel 1,8 Bälle – die meisten aller Bundesliga-Spieler. Eine Statistik, die sein Spiel wunderbar beschreibt. Die Spielweise des 27-Jährigen ist zwar hochriskant, aber oftmals die letzte und spektakulärste Rettung des Teams. Symptomatisch dafür seine Grätsche in der Nachspielzeit, mit der er Patrick Schicks Versuch klären konnte. Es war eine der letzten Aktionen des Spiels, das letzte bisschen an Kraftreserven pumpte Kempf aus sich raus, um den möglichen späten Gegentreffer zu verhindern. Insgesamt machte er seine Arbeit solide. Mit 63 Ballberührungen war er extrem aktiv. Er bot sich an, leistete viel Arbeit im Spielaufbau, brachte 43 seiner 57 Pässe, also 75 Prozent, bei seinen Mitspielern unter und konnte 67 Prozent seiner Zweikämpfe, also sechs von neun Aktionen, für sich entscheiden. Auch er versucht sich immer wieder an langen Bällen. Er spielte 13 Stück, sieben fanden ihr Ziel.

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Insgesamt leistete er sich allerdings auch auf Grund seines gefährlichen Spiels 16 Ballverluste.  Auch sein Stellungsspiel lässt oft zu wünschen übrig. Bei Schicks Kopfball in der 11. Minute war er nicht dicht genug am Mann. Bei Leverkusens Versuch in der 63. Minute war er zu weit vom Geschehen entfernt, als wieder Schick die Chance aufs Tor hatte. Beim Gegentreffer zum 2:2 wirkte er zu passiv und konnte weder Serdar Azmoun noch Schick verteidigen. Dennoch, die Ausstrahlung Kempfs gefällt, er ist aktiv, kommunikativ, steigerte im Vergleich zum Saisonbeginn seine Leistungen und zahlt das Vertrauen aktuell zurück. Gerade weil die Hierarchie mit den Abgängen von Niklas Stark, Jordan Torunarigha und Dedryck Boyata in der Verteidigung komplett aufgebrochen wurde, ist es immens wichtig, dass er die Rolle des Abwehrchefs hervorragend ausfüllt.

Suat Serdar: Geniale Momente – Aber nur in der Spitze

Jemand, der in dieser Saison die Rolle des Mittelfeldmotors noch nicht ideal ausfüllen konnte, ist Suat Serdar. Gegen Leverkusen spielte er zwar ein besseres Spiel als zuletzt, doch oft bleibt er unter seinen Möglichkeiten. Seinen goldenen Moment wollte er am liebsten schon nach 47 Minuten haben. Einen abgefälschten Schuss von Chidera Ejuke staubte er aus kurzer Distanz ins Tor ab. Zurecht wurde der Treffer wegen Abseits aberkannt. Auf seinen dann auch wirklich zählbaren goldenen Moment musste er noch neun Minuten warten. Den Leverkusener Führungstreffer von Kerem Demirbay egalisierte er nach feiner und schneller Kombination von Wilfried Kanga und Chidera Ejuke mit einem platzierten Schuss ins linke untere Toreck.

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Der 25-Jährige war in seinen 67 Minuten umtriebig, war an 40 Aktionen beteiligt und konnte 17 seiner 21 Pässe bei seinen Mitspielern unterbringen. Zusätzlich lieferte er drei lange Bälle. Seine Zweikampfwerte ließen zu wünschen übrig. Nur fünf seiner 13 Zweikämpfe gewann er. Suat Serdar verfiel auch gegen Leverkusen oft in Verhaltensweisen und Spielzüge aus den letzten Spielen. Zu oft lieferte er sich Dribblings, die keinen Wert hatten. Seine gelbe Karte, die er nach einem Foul an Charles Aranguiz erhielt, war gerechtfertigt. Schwarz erkannte den Konzentrationsverlust und entschied sich zum richtigen Zeitpunkt für einen Wechsel und brachte Jean-Paul Boetius. Suat Serdar kann Spaß machen und versucht auch in jedem Moment seine enorme fußballerische Klasse zu zeigen. Doch zu häufig entscheidet er sich für unnötige und inhaltsleere Aktionen, die dem Spiel der Mannschaft nicht weiterhelfen.

Lukebakio und Kanga: Irgendwann fallen die Tore

Die Offensive der Hertha gewinnt immer mehr an Flexibilität. Und insbesondere Dodi Lukebakio konnte auch schon mit Zahlen auf sich aufmerksam machen. Zwei Tore hat der Belgier bereits auf der Habenseite. Wilfried Kanga dagegen wartet noch auf sein erstes Erfolgserlebnis. Gegen Bayer Leverkusen standen beide 81 Minuten auf dem Feld.

Dodi Lukebakio war in der Offensive wieder einmal extrem umtriebig und sorgte stets für Gefahr. 31 Mal war er am Ball und schon nach vier Minuten hatte er mit der ersten Chance die mögliche Führung auf dem Fuß. Beziehungsweise auf dem Kopf, nachdem er von Marvin Plattenhardts Flanke in Szene gesetzt wurde, den Ball aber nicht mit Druck aufs Tor befördern konnte. In der 20. Minute setzte der einen weiteren Schuss am Tor vorbei, in der 70. Minute prüfte er Leverkusens Torhüter Lukas Hradecky. In der 37. Minute fehlte nicht viel und er hätte einen weiteren Assist auf seinem Konto. Doch seine gefühlvolle Vorlage konnte Wilfried Kanga nicht entscheidend verwerten. Insgesamt gewann der Belgier 67 Prozent seiner Zweikämpfe und spielte 73 Prozent erfolgreiche Pässe. Keine schlechten Bilanzen für einen Offensivspieler. Seine Form ist weiterhin in einem sehr starken Bereich.

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Wilfried Kanga kämpft und ist bemüht. Doch vor dem Tor soll es aktuell noch nicht so klappen wie gewünscht. 33 Mal war er an Ballaktionen beteiligt, ließ sich immer wieder tiefer oder auf die Außen fallen, um Bälle festzumachen. Um sich hochkarätige Chancen auszuspielen, war er schlichtweg zu oft vom Tor entfernt. Zwölf von 21 Pässen konnte er bei Mitspielern unterbringen. 45 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er. Auch für ihn als Offensivspieler keine schlechten Quoten. In der 37. Minute hatte er die Berliner Führung auf dem Fuß. Der Pfosten rettete Leverkusen und verhinderte den ersten Treffer Kangas.

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Beim Ausgleichstreffer konnte er den Pass von Lucas Tousart mit dem Weiterleiten auf Vorlagengeber Chidera Ejuke hervorragend verwerten. Auch wenn er also selbst noch nicht zählbar in den Statistiken vorkommt, bewies er hier einmal mehr, wie wichtig er für das Team sein kann. Macht er so weiter, werden auch ihm irgendwann die Tore gelingen.

Chidera Ejuke: Richtige Entscheidungen bedeuten Zählbares

Chidera Ejuke spielte 67 Minuten und brachte zwei von sechs Dribblings erfolgreich zu Ende. Und da zeigt sich das Problem des Nigerianers. Zu oft ist er auf den individuellen Erfolg aus und will seine zweifelsohne hochklassige Kreativität spielen lassen. Doch zu häufig enden seine Versuche beim Gegner. Er kam auf 42 Ballaktionen, spielte 20 erfolgreiche Pässe und gewann sieben Zweikämpfe.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

83 Prozent Passquote lassen sich sehen, 54 Prozent Zweikampfquote könnte viel mehr sein, wenn der Linksaußen intelligenter spielen würde. Diese Intelligenz zeigte er in der 56. Minute, als er sich nicht für das Dribbling gegen die Leverkusener Verteidigung entschied, sondern den Ball für den freien Suat Serdar ablegte. Heißt also, richtige Entscheidungen bedeuten auch zählbaren Erfolg. Ein Learning für Ejuke, was hoffentlich zu mehr Effizienz und Erfolg führt.

Marco Richter: Der Konkurrenzkampf in der Offensive ist eröffnet

Der nächste Joker-Einsatz und wieder konnte Marco Richter dem Spiel seinen Stempel aufdrücken. Nach 67 Minuten kam er für Chidera Ejuke ins Spiel und lieferte eine ansprechende und vor allem wache Leistung. Einen ersten Warnschuss gab er nach 73 Minuten ab, als ihm der Ball von Kanga vorgelegt wurde. Den Schuss setzte er aber links am Tor vorbei. Nur eine Minute später nutzte er eine Leverkusener Unaufmerksamkeit, nahm sich ein Herz und schoss den Ball sehenswert aus über 20 Metern ins linke Toreck. Ein Traumtor, wohl das schönste an diesem Spieltag.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Richter zeigte extreme Präsenz in den letzten Spielminuten war 18 Mal am Ball, spielte sieben erfolgreiche Pässe und gewann 80 Prozent seiner Zweikämpfe. Schade, dass sein Traumtor am Ende nicht der Siegtreffer war. Mittlerweile gilt er als ernsthafte Alternative in der Offensive. Es ist das gelungen, was der Plan war. Er kurbelt den Konkurrenzkampf an.

Die Einstellung und Leistung bei Hertha stimmen – Das Glück muss erzwungen werden

17:11 Schüsse, sechs km mehr als der Gegner gelaufen, 55 Prozent der Zweikämpfe gewonnen, zahlreiche sehenswerte Aktionen herausgespielt. Die aktuelle Hertha-Mannschaft leistet starke Arbeit. Gegen Leverkusen stimmte einmal mehr die Einstellung, die Spieler gingen ins Risiko, trauten sich Angriffe zu starten und kämpften leidenschaftlich um den Punkt. Auch wenn man immer noch auf Platz 15 steht, ist die Stimmung gut und die Chancen unten rauszukommen höher denn je.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich vieles geändert, was auch die Fanszene zu schätzen weiß. Das Glück im Abschluss – wie beispielsweise in Person von Wilfried Kanga – fehlt noch und muss möglicherweise erzwungen werden. Dazu gehört allerdings auch, dass man das “Glück” bei den Schiedsrichterentscheidungen wiederfindet. Die fragwürdige Bewertung des Handspiels von Odilon Kossounou durch Schiedsrichter Benjamin Brand in der 82. Minute erhitzte zurecht die Gemüter. Doch eins sollten diese Diskussionen bleiben – nämlich fair. Die Posse um den Twitter-Account Collinas Erben ist mehr als bedauerlich und wird der eigentlichen Leistung der Hertha nicht gerecht. Denn machen die Spieler auf dem Feld so weiter, werden Punkte bessere Tabellenplätze folgen.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Drei Thesen zum Spiel: Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen

Drei Thesen zum Spiel: Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen

Es ist vollbracht – am vergangenen Sonntag in Augsburg konnte Hertha BSC den ersten Dreier der Saison einfahren. Anders als in den anderen Spielen, glänzte die Mannschaft weniger durch spielerische Elemente, sondern mehr durch Willen, Kampf und Leidenschaft. Klingt im ersten Moment nach einer Floskel, aber auch diese Spiele werden wir brauchen, um die nötigen Punkte in der noch langen Saison zu holen. Wir haben in die Glaskugel geschaut und herausgefunden, wie die Chancen stehen und was diesen Samstag gegen Leverkusen passieren wird.

These 1: Richtiger Zeitpunkt – Leverkusen formschwach & Hertha im Aufwind

Nach sieben Spielen stehen bei Bayer sechs Niederlagen (darunter eine bittere Pokalpleite gegen Elversberg), ein Sieg und 14 Gegentore zu buche. Zufrieden kann die Mannschaft mit Anspruch auf die Champions-League-Plätze nicht sein. Besonders überraschend sind diese Zahlen in Anbetracht dessen, dass der Vorjahresdritte nahezu den kompletten Kader halten konnte und keine einzige Stammkraft verlor. Die Stars rund um Diaby, Schick oder Demirbay sollten dementsprechend eingespielt sein und keine Eingewöhnungszeit benötigen. Doch im Fußball ist bekanntlich nicht alles logisch oder vorhersehbar.

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Genau dieses Momentum muss unsere Hertha – motiviert vom Aufwind – ausnutzen und den formschwachen Leverkusenern die nächste Niederlage einschenken. Denn die Jungs von Sandro Schwarz haben sich für ihre guten Leistungen den vorherigen Spielen endlich belohnt und einen verdienten Dreier in Augsburg geholt. Die Vorzeichen stehen gut und aus diesem Grund wird unser Team am Samstag den ersten Heimsieg der Saison einfahren.

These 2: Robert Andrich flieg vom Platz

Im Winter 2020 postete ein Union-Fan ein Bild von Robert Andrichs Karate-Kick mitten in das Gesicht von Lucas Tousart mit der Überschrift „Zu Weihnachten gibt’s Stollen“ – lustig und kultig halt. Findet auch Köpenicks Pressesprecher Christian Arbeit, dem dieser Beitrag gefiel. Für die Aktion gab es damals zu Recht Rot für den Ex-Herthaner. Doch wer die Spielweise des größten Kritikers von Herthas Nachwuchsabteilung kennt, weiß, dass Andrich für seine ruppige Zweikampfführung bekannt ist.

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(Photo by UWE KRAFT/AFP via Getty Images)

Durch ein paar Sticheleien über das Spiel hinweg wird Roberts Fassung langsam bröckeln bringen, bis Selke nach seiner Einwechslung den entscheidenden Nadelstich setzt, der ein grobes Foul provoziert. Hertha Spielt die letzten zehn Minuten in Überzahl und das Olympiastadion bleibt weiterhin kein gutes Pflaster für Andrich.

These 3: Hertha holt den ersten Heimsieg der Saison

Es wird ein enges Spiel mit der Entscheidung in der Schlussphase. Klare Siege waren selbst in Hertha stärkeren Phasen eher selten. Begünstigt durch den Platzverweis, angepeitscht von der Ostkurve, die in den letzten Minuten das restliche Stadion mitzieht, erlöst Kanga sich selbst und die Fans mit dem Siegtreffer. Klingt märchenhaft aber auch mit Abweichungen von diesem Traumszenario machen die Leistungen der letzten Spiele realistische Hoffnungen auf einen positiven Samstagnachmittag mit zufriedenen Herthaner:innen.

(Photo by Cameron Smith/Getty Images)

Das Momentum auf der eigenen Seite, ein übereifriger Robert Andrich und der Rückenwind der letzten Spiele werden die Partie gegen Bayer zu unseren Gunsten entscheiden. Hört auf unseren Präsidenten Kay Bernstein, kauft eine Karte für das Spiel (Samstag, 15.30 Uhr), packt Schal oder Trikot ein und unterstützt unsere Jungs in Blau-Weiß!

(Titelbild: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Hertha BSC – Bayer 04 Leverkusen: Drei Schlüsselduelle

Hertha BSC – Bayer 04 Leverkusen: Drei Schlüsselduelle

Nachdem Hertha im Auswärtsspiel gegen den FC Augsburg dem Druck standhielt und mit einer schmucklosen, letztlich aber souveränen Leistung den ersten Sieg in der noch jungen Bundesliga-Saison einfuhr, wartet im Heimspiel am Samstag schon der nächste knifflige Gegner auf die alte Dame – Bayer Leverkusen.

Für die Werkself dürfte das Spiel im Berliner Olympiastadion einen ähnlichen Charakter haben wie das Auswärtsspiel in Augsburg für Hertha: Verlieren ist für das Team von Gerardo Seoane eigentlich verboten, alles andere als ein Sieg wäre die nächste Enttäuschung. In der Bundesliga steht Bayer nach fünf Spieltagen erst bei mageren fünf Punkten und hinkt damit den eigenen Ansprüchen meilenweit hinterher.

Obendrauf kam unter der Woche noch eine schmerzhafte Niederlage in der Champions League gegen Club Brügge. Leverkusen, insbesondere Trainer Seoane, müssen gegen Hertha liefern. Die Berliner ihrerseits dagegen konnten den ganz großen Druck mit dem ersten Saisondreier in Augsburg bereits etwas lösen – gegen Leverkusen zu punkten, würde die Lage weiter entspannen.

Schlüsselduell auf Außen: Plattenhardt gegen Frimpong

Bei den bisher einzigen Bundesliga-Siegen beider Teams spielten die Außenverteidiger Plattenhardt und Frimpong eine tragende Rolle: Während Plattenhardt gegen Augsburg den Dosenöffner von Dodi Lukébakio per Flanke auflegte, traf Jeremie Frimpong gegen Mainz gleich doppelt. Am Samstag werden sich nun beide im direkten Duell gegenüberstehen.

Plattenhardt hatte im letzten Heimspiel gegen Borussia Dortmund bereits Probleme damit, Gegenspieler Marius Wolf in den Griff zu bekommen. Gegen harmlose Augsburger war Herthas Defensive weniger gefordert, trotzdem stellt sich die Frage, ob Herthas Kapitän mit dem Tempo Frimpongs mithalten kann. In Leverkusens 3-1-4-2 spielt der junge Niederländer als rechter Schienenspieler – und dürfte Plattenhardt am Samstag das eine oder andere mal vor Probleme stellen.

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(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Frimpong ist der bisher am häufigsten gefoulte Spieler der Bundesliga-Saison – bereits zwanzig Mal war er nur mit einem Foul zu stoppen. Aufgrund der gelegentlichen Lethargie und dem ab und zu abenteuerlichen Stellungsspiel Plattenhardts kann einem in dieser Hinsicht ein bisschen Angst und Bange werden. Frimpong lässt sich bisher gerade offensiv nicht von der Leverkusener Krise beeindrucken – mit 10 Dribblings in den Strafraum (ligaweit Platz 4), 21 Dribblings ins letzte Drittel (Bundesliga-Spitzenwert) und 18 kreierten Abschlussaktionen gehört er zu den formstärksten Leverkusenern.

Die gemeinsame Aufgabe von Marvin Plattenhardt und Chidera Ejuke wird es nicht nur sein, Frimpong vom Hertha-Tor wegzuhalten, sondern ihn auch defensiv zu beschäftigen – frei nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.

„Mentalitätsspieler“ im Zentrum: Tousart gegen Andrich

Ganz ähnliche Rollen nehmen Robert Andrich bei Leverkusen und Lucas Tousart bei Hertha ein. Beide sind weniger für ihr feines Füßchen als viel mehr für ihre robuste Art bekannt. Tousart hat sich bei Hertha in den letzten Monaten zum heimlichen Anführer entwickelt – endlich ist zu sehen, warum man ihn 2020 nach Berlin holte. Mit seiner Dynamik und seinem Verhalten gegen den Ball ist er aus Herthas Startelf aktuell nicht wegzudenken, ob als Sechser oder etwas offensiver als Achter.

(Photo by UWE KRAFT/AFP via Getty Images)

Gegen Augsburg vergab Tousart per Kopf eine der großen Chancen auf das 2:0, ähnlich wie Robert Andrich ist er äußerst kopfballstark: Andrich gewinnt im Schnitt 2.15 Luftduelle pro Spiel (Top 83% in den europäischen Top-Ligen auf dieser Position), bei Tousart sind es 2.62 (Top 89%).

Da davon auszugehen ist, dass Hertha auch im Heimspiel gegen die Werkself wieder das etwas defensivere Mittelfeld-Setup wählt und Ivan Sunjic als Sechser, Suat Serdar und Tousart als Achter spielen, werden sich Andrich und Tousart wohl häufiger gegenseitig auf den Füßen stellen. Wer von beiden sich in diesem Zweikampf durchsetzt, könnte seiner Mannschaft damit einen großen Vorteil verschaffen.

Platzt der Knoten? Kanga gegen Schick

Ein weiteres Duell, von dem der Ausgang der Partie abhängen dürfte, ist eher ein Fernduell: Die beiden bisher glücklosen Stürmer Wilfried Kanga und Patrik Schick werden versuchen, den Bock umzustoßen. Schick gelang gegen Freiburg sein erstes Saisontor, Kanga ist sogar noch torlos. Auf Schick sollte Hertha aufpassen – mit 17 Schüssen hat er ligaweit die viertmeisten abgegeben, sein expected-Goals-Wert ist mit 2.4 der Achthöchste der Bundesliga. Es ist nicht so, dass der Tscheche in der Luft hängen würde, bisher fehlte ihm lediglich das Glück im Abschluss.

Für Herthas Innnenverteidigung heißt das vor allem, sich nicht darauf zu verlassen, dass Schick sich aktuell sowieso in einem Leistungsloch befindet. Sollte er gegen Hertha seinen Torriecher wiederfinden, wäre das mal wieder so ein „natürlich im Spiel gegen Hertha“-Moment.

Kanga auf der anderen Seite bekam bisher nicht allzu viele hochkarätige Chancen im Hertha-Trikot – der Riesenchance aus dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt dürfte nicht nur er immer noch hinterhertrauern. Für sein Selbstbewusstsein wäre ein möglich baldiger Premierentreffer in Blau-Weiß sicher wichtig. Mit Davie Selke und dem wieder genesenen Jessic Ngankam gibt es bei Hertha auf der Stürmerposition zudem genug Konkurrenz, als das Kanga sich nicht auf seinem aktuellen Stammplatz ausruhen kann.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Gegen Leverkusen sah Hertha zuletzt häufig gut aus, in den letzten sechs Spielen verlor man nur einmal gegen die Werkself und blieb zu Hause drei Mal ungeschlagen. Der Druck liegt zudem eher bei den Gästen als bei Hertha – in der Vergangenheit waren das häufiger Spiele, in denen Hertha besser zurecht kam. Trotz in Sachen individueller Qualität klar überlegener Gäste könnte im Heimspiel gegen den Champions-League-Teilnehmer etwas drin sein.

(Titelbild: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Der Transfersommer von Hertha BSC – Ein Zeugnis für Fredi Bobic

Der Transfersommer von Hertha BSC – Ein Zeugnis für Fredi Bobic

Die Transferphase ist die wahrscheinlich hektischste Zeit im modernen Fußballzirkus. Täglich gibt es neue Gerüchte, ein Rekord nach dem anderen wird pulverisiert und der ein oder andere Lieblingsspieler verlässt unter Umständen den Verein. Auch bei Hertha gab es in diesem Sommer wieder einige Transferaktivitäten, mit die meisten in der Bundesliga. Viel Arbeit also für den Geschäftsführer Sport Fredi Bobic. In diesem Artikel wollen wir ein kleines Fazit zur Transferphase ziehen und dem Manager ein Zeugnis ausstellen.

Vorbemerkungen

Bevor wir komplett einsteigen noch ein paar Anmerkungen: Die Saison ist noch jung und vieles lässt nicht vorhersagen. Daher ist naturgemäß ein gewisser Teil an Spekulation und persönlichen Einschätzungen enthalten. Des Weiteren ist uns bewusst, dass all die folgenden Themenschwerpunkte miteinander verknüpft sind und sie daher nur bedingt einzeln zu betrachten sind. Anzumerken ist des Weiteren, dass dieser Artikel nicht den Anspruchl hat, jeden Transfer zu erwähnen oder zu analysieren. Auch eine tiefergehende Bewertung jeder einzelnen Position findet nicht statt. Ziel ist es, ein Gesamtbild der Transferphase unter verschiedenen Gesichtspunkten zu zeichnen, quasi das „bigger picture“ zu betrachten. Wer eine Auflistung und Bewertung der individuellen Transfers möchte, kann beispielsweise diesen RBB-Artikel lesen.

Trainer

Nicht selten heißt es, dass der Trainer der wichtigste Angestellte im Verein ist. Ein Blick auf Konkurrenten wie Mainz, Köln oder auch Bremen zeigt: ein unveränderter Kader kann je nach Übungsleiter zu völlig unterschiedlichen Leistungen in der Lage sein. Und auch wenn es schlussendlich natürlich immer um das Zusammenspiel sämtlicher Akteure im Klub geht, lässt sich die Bedeutung des Coaches nicht absprechen. Um die Trainer-Entscheidung Bobics nach dem Klassenerhalt einzuordnen, ist ein kurzer Blick auf die vergangene Spielzeit notwendig.

Eine persönliche Niederlage

Nachdem Vereinsikone Pal Dardai in der Saison 2020/21 in einem beeindruckenden Schlussspurt den Klassenerhalt geschafft hatte, erhielt der damalige Trainer (berechtigterweise) viel Dankbarkeit. Sowohl die Fans als auch Verantwortliche bei Hertha wie Arne Friedrich und Werner Gegenbauer stärkten dem Ungarn öffentlich den Rücken. Für den zu diesem Zeitpunkt neuen Sportchef wäre eine Demission des ehemaligen Rekordspielers vermutlich auf starken Gegenwind gestoßen, sodass er zunächst an Dardai festhielt.

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Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images

So wirklich glücklich wurden beide jedoch nie, im November folgte die Entlassung, Nachfolger Korkut war von Anfang an nur als Zwischenlösung geplant. Nach teils desaströsen Auftritten wurde Korkut anschließend von Felix Magath ersetzt. Die mehrmaligen Trainerwechsel bezeichnete Fredi Bobic auf der letzten Mitgliederversammlung als „persönliche Niederlage“.

Trainer mit klarer Philosophie

Nach einem Jahr Eingewöhnungszeit und dem Erarbeiten eines sportlichen Konzepts für den gesamten Verein installierte Bobic in diesem Sommer zum ersten Mal einen Wunschtrainer, der zur langfristigen fußballerischen Entwicklung passen soll. Die Wahl fiel auf Sandro Schwarz , der in seiner bisherigen Laufbahn zunächst in Mainz und anschließend in Russland bei Dinamo Moskau tätig war. Schwarz steht für die Art aktiven und pressing-orientierten Fußball, der in Westend zukünftig auf den Rasen gebracht werden soll. Bei seinen bisherigen Stationen war er dem Vernehmen nach mannschaftsintern extrem beliebt, eine seiner größten Stärken ist die Entwicklung von jungen Spielern.

Mit ihm auf der Bank ist bei Hertha erstmals seit langem ein spielerischer Plan erkennbar, auch wenn nach nunmehr bald drei Monaten Training und bisher sechs Pflichtspielen noch einiges an Arbeit vor ihm liegt. Es besteht jedoch durchaus Hoffnung, dass diese Verpflichtung durch Fredi Bobic den Grundstein für eine solidere Zukunft von Hertha legt und der Weg nach drei Jahren Abstiegskampf sukzessive wieder nach oben geht. Den Beweis, dass Schwarz sich dauerhaft in einer der besten Ligen der Welt durchsetzen kann, muss der vergleichsweise junge Trainer jedoch erst noch erbringen.

Fazit: Fredi Bobic hat mit Sandro Schwarz einen Trainer mit klarer und zum Verein passender Philosophie geholt. Basierend darauf, wie Herthas Standing auf dem Trainermarkt sein dürfte, eine solide und zukunftsfähige Wahl. Note: 2

Hertha-Finanzen

Vor gut drei Jahren investierte Lars Windhorst schrittweise etwa 370 Millionen Euro in den Verein. Dem Unternehmer schwebte damals ein vergleichsweise kurzfristig erfolgender Aufstieg Herthas in das europäische Geschäft vor. Ein paar schlechte Transferentscheidungen sowie eine weltweite Pandemie später ist vom Geld nicht mehr wirklich etwas übrig. Durch einen über die Jahre aufgeblähten Kader und fehlende Einnahmen weist Hertha ein jährliches Defizit wie kaum ein anderer Bundesligist vor. Für den verantwortlichen Geschäftsführer Sport keine angenehme Aufgabe. Alle Angaben beziehen sich auf transfermarkt.de.

Masse statt Klasse bei Hertha-Verkäufen

Nachdem Fredi Bobic bereits im vergangenen Sommer ein Transferplus von gut 20 Millionen Euro sowie einiges an eingespartem Gehalt erzielen konnte war auch dieses Jahr früh klar, dass man deutlich mehr Geld einnehmen muss als ausgegeben werden kann. Erneut legte man Spielern, die gehen wollten, keinen Stein in den Weg und erzielte durch Verkäufe Einnahmen in Höhe von 24 Millionen Euro.

Auffällig ist, dass Hertha kaum einen „großen“ Verkauf abwickelte, sondern sich hauptsächlich auf die pure Masse von Abgängen verließ. Begründen lässt sich das damit, dass nach den letzten Jahren schlichtweg kaum ein Spieler mehr im Kader war, der einen wirklich nennenswerten Marktwert besitzt. Doch auch Verkäufe im niedrigen bis mittleren Segment bei beispielsweise Arne Maier (5 Millionen zu Augsburg), Javairo Dilrosun (4 Millionen zu Feyenoord) oder auch Eduard Löwen (1 Million zu St. Louis) läppern sich und ergeben so die eben genannten Summe von 24 Millionen Euro. Zudem war bei Spielern von Torunarigha oder Ekkelenkamp von Gewinnbeteiligungen bei zukünftigen Weiterverkäufen zu lesen, sodass in den nächsten Jahren der ein oder andere Euro noch einmal folgen könnte.

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Photo by Boris Streubel/Getty Images

Negativ anzumerken ist hingegen, dass auch in diesem Sommer eine nicht unerhebliche Anzahl an Leihen abgeschlossen werden mussten. Neben Luca Wollschläger und Mesut Kesik, die als Jugendspieler jedoch anders zu bewerten ist, stehen Stand jetzt sechs Spieler im nächsten Sommer zunächst wieder bei Hertha im Kader. Vor allem bei Profis wie Santiago Ascacibar (Cremonese) und Omar Alderete (Getafe) hatten viele Fans auf Festverkäufe gehofft, um noch mehr Einnahmen zu generieren. Zu beachten ist dabei jedoch, dass im Zuge der Corona-Pandemie bis auf die Topklubs viele Vereine jeden Euro zweimal umdrehen und daher kaum bereit sind hohe Ablösen zu bezahlen. Und da man die eigenen Spieler auch nicht für den Bruchteil des Marktwertes abgeben möchte, sind Leihen unter dem Gesichtspunkt der eingesparten Gehälter am Ende immer noch sinnvoller, als die stadioneigene Tribüne zu füllen. Doch dazu später mehr.

Ablösefreie und günstige Zugänge

Auf der Zugangsseite legten Herthas Manager und sein Mitarbeiterstab rund um Kaderplaner Dirk Duffner das Hauptaugenmerk auf günstige Verstärkungen. Der einzige Neuzugang, für den man unmittelbar Geld auf den Tisch legen musste, ist Mittelstürmer Wilfried Kanga, der für 4 Millionen Euro aus Bern kam. Offiziell flossen zusätzlich 2 Millionen Euro nach Fürth um Jessic Ngankam „zurückzukaufen“, der nach der letztjährigen Leihe von den Kleeblättern per Kaufoption für 1,5 Millionen Euro fest verpflichtet wurde. Die weiteren Neuzugänge rund um Jonjoe Kenny (Everton) oder Filip Uremovic (Rubin Kazan) kamen zum Nulltarif. Daneben verstärkte man den Kader mit Leihen von Chidera Ejuke (ZSKA Moskau) und Ivan Sunjic (Birmingham).

Außerdem erhielten noch einige Jugendspieler wie Derry Scherhant oder Julian Eitschberger ihre ersten Profiverträge, werden aber sicher zunächst sukzessive an die Bundesliga herangeführt. Unterm Schlussstrich steht damit inklusive Leihgebühren ein Transferplus von etwa 18 Mio Euro, für die klammen Kassen der Blau-Weißen ein willkommener Geldregen.

Verbesserte Gehaltsstruktur bei Hertha

Neben den reinen Transfererlösen ist allerdings ein weiterer Punkt nicht zu vernachlässigen: die Gehälter. In den letzten Jahren von Michael Preetz (auch vor Windhorst) begann Hertha, hohe und zum Teil sehr hohe Gehälter zu zahlen. Ohne die Spieler verurteilen zu wollen, sind die Bezüge von Akteuren wie Davie Selke oder Vladimir Darida in keinem angemessenen Verhältnis zu deren sportlichen Leistung. Von den Deals ab Sommer 2019, allen voran Lucas Tousart und Krzysztof Piatek, ganz zu schweigen. Um mittel- und langfristig finanziell gesunden zu können, ist es unabdingbar, die Gehaltsstruktur wieder zu entschlacken und der aktuellen sportlichen Leistungsfähigkeit anzupassen. Über die Höhe der Gehälter kann natürlich nur spekuliert werden, doch es ist davon auszugehen, dass Hertha nach diesem Sommer Gehaltseinsparungen im zweistelligen Millionenbereich wird verbuchen können.

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Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images

Hierbei helfen natürlich auch die bereits angesprochenen Leihen. Mit Abgängen wie Krzysztof Piatek (Salernitana), Dedryck Boyata (Brügge) und Niklas Stark (Werder Bremen) wird man einige Großverdiener los, wenn auch zum Teil erst einmal nur zeitweilig. Auf der anderen Seite ist davon auszugehen, dass kaum ein Neuzugang mehr als 1,5 bis maximal 2 Millionen Euro verdienen wird. Bezieht man die reine Quantität auf Zu- und Abgangsseite mit ein, ergibt sich eine deutliche Einsparung an Gehältern bei gleichzeitiger Senkung des allgemeinen Gehaltsniveaus.

Fazit: Fredi Bobic konnte ein Transferüberschuss in Höhe von fast 20 Mio Euro erzielen, hat dabei die Gehaltsstruktur weiter korrigiert. Der ein oder andere weitere Festverkauf statt Leihe wäre wünschenswert gewesen, realistisch aber vermutlich kaum umsetzbar. Note: 1-

Problembaustellen und sportliche Qualität

Kommen wir zum „Herzstück“ und der entscheidenden Frage nach jeder Transferphase: Ist der finale Kader qualitativ ausreichend besetzt, um das sportliche Ziel realistisch erreichen zu können? Auch hierbei ist der Blick auf die vergangenen Jahre zwingend mit einzubeziehen. Nach drei Saisons Abstiegskampf ist klar, dass auch die Mannschaft mittlerweile klar zum unteren Bundesligadrittel in Hinblick auf die Qualität gehört. Dementsprechend sollte niemand einen Kader erwarten (dürfen), der in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben wird.

Neue Außenspieler

Würde man die Fans von Hertha BSC nach der aus ihrer Sicht größten Problembaustelle der letzten Saison fragen, würden viele sicher die Flügelspieler nennen. Nachdem Fredi Bobic im vergangenen Transfersommer von den wenigen nominellen Außenstürmern sogar noch welche abgegeben hatte, mussten alle drei Trainer auf Notlösungen wie Suat Serdar, Vladimir Darida und Jurgen Ekkelenkamp auf diesen Positionen zurückgreifen. Mit der Leihrückkehr von Dodi Lukebakio und der Verpflichtung von Chidera Ejuke konnte man diese eklatante Lücke schließen. Dazu kommen Marco Richter und andere Optionen wie Jessic Ngankam und Myziane Maolida. Und auch auf der rechten Verteidigerposition konnte man den dienstältesten Herthaner, Peter Pekarik, mit der Verpflichtung von Jonjoe Kenny etwas entlasten. Ansonsten wurden so gut wie alle Abgänge positionstreu zumindest quantitativ ersetzt.

Zu nennen ist auf jeden Fall noch die Situation im Tor. Nach dem ungeplanten Quasi-Abgang von Rune Jarstein fehlt ein erfahrener Back-Up Torwart. Für Stammtorhüter Olli Christensen ist der Vertrauensbeweis möglicherweise das richtige Zeichen. Doch es ist auch ein Spiel mit dem Feuer. Sollte der junge Däne ausfallen oder in ein ernsthaftes Formtief fallen ist es fraglich, ob Tjark Ernst (von Bochum gekommen) oder Robert Kwasigroch die Lücke füllen können.

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Wacklige Hertha-Defensive

Nachdem die Frage über die ausreichende quantitative Besetzung im Großen und Ganzen positiv beantwortet werden konnte, bleibt jedoch noch offen, ob das auch auf die Qualität zutrifft. Es sei noch einmal der Hinweis auf die Entwicklung der letzten Jahre gegeben, doch am Ende muss Bobic es dennoch schaffen eine Truppe zusammenzustellen, die erfolgreich in der Bundesliga bleiben kann. Neben einem Fortschritt in der grundlegenden sportlichen Entwicklung und Einübung eine neuen, aktiven Spielstils ist der Klassenerhalt auch in diesem Jahr das klare Ziel. Und hieran darf zumindest diskutiert werden.

Gerade in der Defensive gibt es das ein oder andere Fragezeichen. In der Innenverteidigung fehlt der klare Anführer und „sichere Fels in der Brandung“. Auf rechts ist Kenny eine solide Wahl, aber mit ehemaligen Spielern wie Valentino Lazaro oder Mitchell Weiser nicht vergleichbar. Das ehemalige Prunkstück, die diese Position bei Hertha einst war, wartet noch immer auf einen würdigen Nachfolger. In Hinblick auf die linke Verteidigerseite geht man in eine weitere Saison mit Maxi Mittelstädt und Marvin Plattenhardt, die jeweils verschiedene Schwachstellen mitbringen, mit dem aktiven Verteidigen bzw. starken Flanken jedoch durchaus auch positive Aspekte aufs Feld bringen können. Ein Hoffnungsschimmer bei den Außenverteidigern stellen die Eigengewächse Julian Eitschberger und Lukas Ullrich dar, die im Laufe der Saison eventuell die ein oder andere Minute sammeln können.

Auf jeder Position doppelt besetzt

Eine weitere Position auf der es eventuell ebenfalls problematisch werden könnte, ist die des Mittelstürmers. Zwar kann Hertha dort auf eine Vielzahl von Spielern zurückgreifen, doch so hundertprozentig überzeugen kann keiner. Es bleibt abzuwarten, ob sich Wilfried Kanga an die Bundesliga gewöhnen wird und wie die Entwicklung von Nachwuchsspieler Ngankam voranschreitet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die „Alte Dame“ auf so gut wie jeder Position doppelt besetzt ist. Allein dies war in den vergangenen Jahren nicht unbedingt der Fall.

Des Weiteren sollte zumindest die bestmögliche Stammelf, wie auch immer sie nach persönlicher Präferenz aussieht, definitiv konkurrenzfähig sein. Bei den Back-Up Optionen wird es auf der ein oder anderen Position allerdings durchaus eng. Mit Spielern wie Prince Boateng und Stevan Jovetic hat man jedoch zumindest noch die ein oder andere Möglichkeit, die dem Kader eine gewisse Variabilität gibt, selbst wenn die Altstars beileibe nicht mehr stamm spielen können. Hinzu kommen ein paar vielversprechende Nachwuchsspieler, die in Anbetracht der Konkurrenz durchaus Chancen auf Einsätze haben dürften.

Fazit: Fredi Bobic hat es geschafft, dass der Kader von Hertha für die eigenen Verhältnisse keine eklatanten Baustellen aufweist. Das war vor allem in der letzten Saison noch anders. Qualitativ könnte es an der einen oder anderen Stelle allerdings dünn werden. In Anbetracht der letzten Jahre wäre aber auch ein kleines Wunder nötig gewesen, um auf jeder Position doppelt hochwertig genug besetzt zu sein. Note: 2+

Langfristige Planung bei Hertha

Es heißt ja oft, man solle im „Hier und Jetzt“ leben. Ein in vielerlei Hinsicht sehr weiser Ratschlag, doch man sollte die Zukunft dabei trotzdem nicht komplett aus den Augen verlieren. Und so wollen wir auch bei Hertha einen Blick auf die Situation im nächsten Sommer werfen. In Anbetracht der Kaderplanung ein nicht zu vernachlässigender Teil, der daher bei der Bewertung von Bobic zumindest nicht unerwähnt bleiben sollte.

Leihrückkehrer

Wie bereits angesprochen, musste man auch dieses Jahr auf ein paar Leihen zurückgreifen, um den Kader zu verschlanken sowieso Ausgaben zu reduzieren.  Unter dem finanziellen Aspekt die richtige Entscheidung, sofern Festverkäufe tatsächlich nicht möglich waren. Unter dem Gesichtspunkt der Kaderplanung im nächsten Jahr könnte daraus allerdings das ein oder andere Problem entstehen. Man wird sich, sollten die Kaufoptionen bei Ascacibar, Piatek und Co. nicht gezogen werden, erneut zunächst erst einmal auf Verkäufe kümmern müssen, bevor Neuzugänge präsentiert werden können. Zumindest im defensiven Mittelfeld hat man mit Ivan Sunjic immerhin selbst vorerst nur eine Leihe getätigt, sodass hier keine unmittelbare Überfüllung droht. Und auch Chidera Ejuke, dessen Vertrag bei seinem Stammverein ZSKA Moskau noch bis 2024 läuft, wird Stand jetzt erst einmal wieder weg sein. Wie es mit der sogenannten „Russland-Regel“ weitergeht, ist jedoch noch völlig offen. Fest planen sollte man mit einem Verbleib Ejukes aber bei Weitem nicht.

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Auslaufende Verträge

Ein weiterer Punkt sind die Spieler, deren Verträge bei Hertha im nächsten Sommer enden. Eine jahrlange Achse rund um Vladimir Darida, Peter Pekarik und Davie Selke geht in das letzte Vertragsjahr, auch Stevan Jovetic und Prince Boateng werden nach dem nächsten Sommer mit hoher Wahrscheinlichkeit weg sein. Positiv festzuhalten ist, dass keiner der Genannten unumstrittener Stammspieler oder Leistungsträger ist. Des Weiteren sind einige dieser Verträge wahrscheinlich (zu) hoch dotiert, sodass man ohne Mehrarbeit das Gehaltsbudget weiter entlasten kann. Inwiefern Bobic für diese Situation verantwortlich ist, kann zumindest bezweifelt werden. Weder hat ist er für die Gehälter noch die Vertragsenden verantwortlich, beides fällt in den Verantwortungsbereich von Michael Preetz. In der Bewertung des aktuellen Managers daher tendenziell ein Nullsummenspiel.

Interessant wird es auf der linken Verteidigerposition, wo die Verträge sowohl Mittelstädt als auch Plattenhardt noch nicht verlängert wurden. Mindestens einer von beiden wird über dieses Jahr hinaus wahrscheinlich nicht bei Hertha verbleiben. Mit Blick auf Nachwuchsspieler Ullrich (dessen Vertrag auch ausläuft), dem man eine Perspektive aufzeigen möchte, ein notwendiger Schritt. Hier wartet ein wenig Arbeit auf Fredi Bobic.

Aufgrund des radikalen Umbruchs der letzten Jahre sind die meisten aktuellen Spieler noch recht langfristig an Hertha gebunden. Einzig Dodi Lukebakio wird im nächsten Sommer in sein letztes Vertragsjahr gehen. Wie es mit ihm weitergehen wird, hängt stark von der Leistung des Belgiers in dieser Saison ab. Festhalten lässt sich, dass Bobic seinen großen Umbau mit dem nächsten Sommer vorläufig wird abschließen können. Es wird zu diesem Zeitpunkt kaum einen Spieler von vor seiner Amtszeit verblieben sein, spätestens dann ist er zu 100 Prozent für den Kader verantwortlich. Mit den vorprogrammierten Abgängen wird es automatisch etwas mehr Platz bei Hertha geben, kaum mehr einen Spieler jenseits der 30. Der vorläufige Neustart ist dann wahrscheinlich abgeschlossen, wie es ab diesem Punkt weitergeht wird, hängt auch stark vom Abschneiden in dieser Saison ab. Das Bett für einen, im Vergleich zu den letzten Jahren, relativ gesunden Kader ist jedoch gemacht.

Fazit: Fredi Bobic hat die Weichen für einen komplett neuen Kader gelegt. Ein Selbstläufer wird es allerdings auch im nächsten Sommer nicht. Insbesondere auf der Zugangsseite wird wahrscheinlich einiges an Arbeit zu erledigen sein. Hinzukommen die Leihrückkehrer, für die man neue Abnehmer finden muss. Die auslaufenden Verträge kann man Bobic nicht zugutehalten, da diese nur bedingt in seiner Entscheidung liegen. Note: 2-

Fazit

Ein weiterer wilder Transfersommer liegt hinter Hertha BSC. Für Bobic war es bereits die dritte Transferphase, die unter seiner Verantwortung stand. Im Großen und Ganzen lässt sich ein positives Fazit ziehen. Er hat frühzeitig einen passenden Trainer verpflichtet und einen nicht gerade unbedeutenden finanziellen Überschuss erwirtschaftet, sowohl mit Ablösen als auch gesenkten Gehaltskosten. Über die sportliche Qualität lässt sich streiten, man ist allerdings immerhin auf jeder Position doppelt besetzt. Es gibt ein paar Abstriche in der qualitativen Tiefe des Kaders, in Anbetracht von mehreren Jahren Abstiegskampf am Stück jedoch kaum vermeidbar. Für den nächsten Sommer ist man halbwegs solide aufgestellt, ein allzu großer Ausverkauf wird aller Voraussicht nicht notwendig sein. Negativ zu bewerten sind die erneuten Leihen, da man hier wahrscheinlich wieder Abnehmer wird suchen und sich auf einige Kompromisse hinsichtlich Ablöse einlassen müssen.

Von Bobic wird man erwarten, weitere sportliche Qualität zum kleinen Preis hinzuzufügen, um mittel- und langfristig eine Etablierung in der Bundesliga zu erreichen und den Blick dann eher nach oben als nach unten richten zu können. Für diesen Transfersommer hat der Manager eine sehr solide Arbeit geleistet und sich nach dem verkorksten letzten Jahr ein klein wenig rehabilitiert.

Gesamtnote: 2

Stimmt ihr der Bewertung zu oder seht ihr manche Punkte anders? Kommt gerne auf unseren Discord und diskutiert mit!

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Herthaner im Fokus: Erleichternder Pflichtsieg

Herthaner im Fokus: Erleichternder Pflichtsieg

Nach zuletzt spielerisch ordentlichen Auftritte gegen starke Gegner mit dürftiger Punkteausbeute stand Hertha gegen den FC Augsburg tabellarisch schon etwas unter Druck. Gegen die bis dato enttäuschenden Augsburger sollten so die ersten drei Punkte eingefahren werden. Knapp 1.300 Hertha Fans begleiteten unsere Alte Dame auf dieser Mission. Um auf diverse Probleme mit digitalen und personalisierten Tickets aufmerksam zu machen, bot eine Berliner Ultra-Gruppierung dabei im Auswärtsblock für 50 Cent eine „traditionelle Eintrittskarte“ zum Anfassen und Sammeln an. (Hertha ist auf diesen Zug bereits aufgesprungen und bietet gegen Aufpreis wieder sogenannte Sammlertickets für Heimspiele an.) Und so konnten die Auswärtsfahrer:innen nach einem verdienten Sieg neben drei Punkten auch die passende Erinnerung mit zurück in die Hauptstadt nehmen.

Wir blicken auf einige Herthaner beim so wichtigen ersten Saisonsieg.

Jonjoe Kenny – Der neue Peter Pekarik

Der britische Neuzugang ist der einzige Feldspieler Herthas, der in dieser Spielzeit noch keine Minute verpasst hat. Still und heimlich hat er so mit Peter Pekarik die Dauerlösung der letzten Jahre vergessen gemacht – und erinnert doch an ihn. Wie der Slowake verrichtet auch Kenny eher unauffällig seine defensiven Arbeiten und schaltet sich dosiert in die Offensive ein. So auch gegen Augsburg, wo er einige Tiefenläufe anbot oder bei Hereingaben von links auch mal auf den zweiten Pfosten nach innen oder an die Strafraumkante nachrückte und so etwas Unordnung in die Augsburger Defensive brachte.

In der 34. Minute gelang ihm nach einem abgewehrten Ball aus dem Rückraum der erste halbwegs gefährliche Berliner Abschluss. Mitte der zweiten Hälfte bot sich ihm gar die große Gelegenheit, halbrechts im Strafraum die Führung auszubauen. Sein Abschluss rauschte aber am langen Eck vorbei. Auch am Ende der Partie blieb Kenny noch wach und bewies in der 93. Minute Übersicht. Nach dem Beinahe-Eigentor Filip Uremovics legte Kenny den Ball lang in den Lauf von Davie Selke, der wiederum den passiven Augsburger Verteidiger links liegen ließ und sich zum entscheidenden Tor aufmachte.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Defensiv stellte Augsburg Herthas Rechtsverteidiger zugegebenermaßen kaum vor Probleme. Und doch wurden diese erkennbar. Der 25-Jährige leistet sich hin und wieder technische Unsauberkeiten, Unkonzentriertheiten im Stellungsspiel und eine zu passive Zweikampfführung. Gegen den FCA wurde dies noch nicht bestraft. Spannend wird es aber gegen spielstärkere Gegner. Dann dürfte auch Dodi Lukébakios unterstützende Defensivarbeit wieder vermehrt in den Fokus rücken, der sich in dieser Saison zwar durchaus bemüht, aber doch meist defensiv etwas zu naiv zeigt.

Alles in allem ist Hertha auf der rechten Defensivseite aber solide besetzt. Das drohende Überalterungsproblem und damit eine mittlerweile jahrelange Baustelle ist vorerst beseitigt. Neubesetzung Jonjoe Kenny ähnelt in seiner Spielweise dabei erstaunlich dem langjährigen Dauerbrenner Peter Pekarik. Und dürfte die leidige Diskussion über Herthas rechte Abwehrseite damit hoffentlich ad acta legen.

Herthas Flügelspieler – Endlich Flügel, aber kein Grund für Hertha abzuheben

Wie schon in den letzten Partien setzte Hertha-Coach Sandro Schwarz in der Startformation wieder auf die beiden dribbelstarken Flügelspieler Chidera Ejuke und Dodi Lukébakio. Und wie schon in den letzten Partien fanden beide gut ins Spiel. In mittlerweile gewohnter Manier stellten die beiden Außen ihre Gegenspieler im Eins-gegen-Eins regelmäßig vor Probleme, konnten die Aktionen aber schlussendlich nicht in Zählbares ummünzen. Es fehlt noch zu häufig an der gewinnbringenden Anschlussaktion, sei es ein Abschluss oder Pass in die Gefahrenzone.

Ejuke war in der 35. Minute mit einem Schlenzer aufs lange Eck schon nah dran. Sein Gegenüber Lukebakio wirkt insgesamt zwar noch zielstrebiger in seinen Aktionen, kam gegen die Augsburger aber zu selten in gute Abschlusspositionen. Dafür hatte er dann das nötige Quäntchen Glück bei seinem Kopfballaufsetzer zum Führungstreffer in der 57. Minute aus zentraler Position nach Plattenhardts Hereingabe von der linken Seite.

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Der Spielwitz der beiden Dribbelkünstler blitzte auch im Zusammenspiel mit dem eingewechselten Jean-Paul Boëtius einige Male auf. So etwa bei einem schlussendlich missglückten Hackenpass-Angriff kurz nach der Führung.

“Ausgerechnet” Marco Richter

In der 69. Minute kam schließlich Marco Richter gegen seinen Jugendverein in die Partie. Bereits in der letzten Woche hatte er gegen Dortmund bei seinem Comeback nach Hodenkrebs-Erkrankung beinahe für die Geschichte des Spieltags gesorgt. Doch seine Abnahme von der Strafraumkante klatschte nur gegen die Querlatte.

Gegen Augsburg kam Richter in einer Phase in die Partie, in der diese etwas vor sich hin plätscherte. Hertha riskierte nichts, der FCA wirkte ideenlos. Richter konnte das Spiel zwar nicht an sich reißen, zeigte sich aber typisch giftig. Der 24-Jährige war viel unterwegs und in ständiger Bereitschaft. Und so überraschte es nicht, dass er sich in der Nachspielzeit nach dem langen Ball auf Selke auf den weiten Weg aus der eigenen Hälfte in den gegnerischen Strafraum machte, um den Konter zum 0:2 zu veredeln und seine „Ausgerechnet“-Geschichte fertig zu schreiben.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Hertha hat plötzlich Optionen in der Offensive

Lukébakio ist nach wie vor in guter Form. Ejuke zeigt weiterhin gute Ansätze. Und mit Richter steht eine zusätzliche Alternative bereit, die nach überstandener Erkrankung und dem Torerfolg nun mit ordentlich Rückenwind in die kommenden Wochen geht.

Sandro Schwarz’ Idee, über die dribbelstarken Außen die gegnerische Abwehrkette aufzubrechen, bleibt sichtbar und im Vergleich zu Herthas Offensivansatz der letzten Jahre spektakulär. Es dürfte dafür weiterhin das Duo aus Lukébakio und Ejuke gesetzt sein, die ihre Sache bisher gut machen, wenngleich ein wenig mehr Ertrag dabei rumspringen könnte.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Spannend ist aber, dass man mit Richter und demnächst auch Jessic Ngankam zwei Alternativen in der Hinterhand hat, die deutlich abschlussorientierter, zentraler, wuchtiger und direkter agieren und dem Offensivspiel so eine komplett neue Ausrichtung geben können.

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob die beiden vorerst gesetzten Flügelzauberer anfangen, Mittelstürmer Wilfried Kanga mit Flanken und Zuspielen zu finden. Oder ob es diesem sogar eher hilfreich sein könnte, wenn die wuchtigen Richter und Ngankam mit vorne ins Zentrum ziehen, die genannten drei die gegnerische Innenverteidigung beschäftigen und aus einem agilen zentralen Mittelfeld, etwa um Boëtius, gefüttert werden.

Nachdem die Außen jahrelang eine Problemzone waren, hat Hertha plötzlich wieder Möglichkeiten auf den Flügeln.

Und dann war da noch…

Arne Maier, der eine sehr unauffällige Leistung auf Augsburger Seite an den Tag legte. Das Ex-Hertha-Juwel verspielte in der 43. Minute einen der aussichtsreichsten Augsburger Angriffe vorschnell durch einen überhasteten Abschluss, bei dem er auch noch einen im Abseits stehenden Teamkollegen anschoss. Bezeichnend.

Marvin Plattenhardt, der offensiv wie defensiv eine eher unauffällige Leistung darbot. In Hälfte Zwei hatte er mit dem eingewechselten Ruben Vargas so seine Probleme. Seine zum Ende der letzten Saison unerwartet wiedergefundene Standardstärke ist auf ähnlich wundersame Weise wieder verflogen. Trotzdem bereitete der Hertha-Kapitän das 0:1 durch Lukébakio mit einer scharfen Halbfeldflanke vor und rechtfertigte so seine Aufstellung.

Filip Uremovic, der sich einige Male im Zweikampf leicht übertölpeln ließ und in einer dieser Situationen mit etwas Pech schon in der 23. Minute die rote Karte für eine Notbremse hätte sehen können. In der Nachspielzeit fabrizierte er beinahe ein Eigentor. So leitete er aber indirekt das entscheidende 2:0 ein. Mit Neuzugang Agustín Rogel und Youngster Linus Gechter nach überstandener Mandel-OP stehen in den nächsten Spiele zwei passable Alternativen in den Startlöchern, sollten sich Uremovics Unkonzentriertheiten nicht verflüchtigen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Lucas Tousart, der sich immer mehr zum heimlichen Anführer der Hertha mausert. Neben Ivan Sunjic, der als Zerstörer seine Sache ordentlich macht, aber spielerische Defizite offenbart und ab und an mit einem unnötigen Ballverlust gefährliche Kontersituationen heraufbeschwört, und Suat Serdar, der angesichts einiger unerklärlicher Fehlpässe sein augenscheinliches Potenzial mal wieder nicht ausschöpft, gibt Tousart im zentralen Mittelfeld den Takt vor.


Der Franzose räumt defensiv auf, stopft Löcher und schaltet sich auch in die Offensive ein, wenngleich seine Offensivbemühungen in diesem Spiel nicht von Erfolg gekrönt waren. Bei seinem sträflich freien Kopfballversuch in der 81. Minute dürfte Vedad Ibisevic für diese Woche eine Einheit am Kopfballpendel notiert haben.

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FC Augsburg – Hertha BSC: Drei Thesen

FC Augsburg – Hertha BSC: Drei Thesen

Ein Punkt aus vier Spielen, dazu das Pokalaus. Schaut man sich das reine Ergebnis vom Saisonauftakt der Hertha an, könnte man durchaus von einem klassischen Fehlstart sprechen. Dennoch überwiegen rund um den Verein (noch) die positiven Stimmen, die den Blick eher auf die sportliche Entwicklung und den neuen Fußball richten, als auf die Resultate. Mit dem FC Augsburg kommt nun der erste Ligakonkurrent, gegen den es realistische Chancen auf einen Sieg gibt, doch ein Selbstläufer wird es natürlich keinesfalls.

Unsere drei Thesen zum Spiel in Augsburg

These 1: Plattenhardt darf erneut starten

Während der Sommervorbereitung wurde Herthas Relegationsheld Marvin Plattenhardt von Chefcoach Sandro Schwarz zum Kapitän ernannt. Eine durchaus überraschende Wahl, die unter den Fans mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Doch nicht nur die grundlegende Eignung von „Platte“ für dieses Amt ist zumindest diskussionswürdig. Mit der Entscheidung des Trainers kommt dem Linksverteidiger ein vermeintlicher Stammplatz zu. Denn was nützt ein Kapitän, wenn dieser nicht spielt? Genau das geschah jedoch aus gesundheitlichen Gründen in den Spielen gegen Frankfurt und Gladbach. Mittelstädt rückte in die Startelf und machte seine Sache ordentlich, seine Leistung wurde aufgrund eines groben Schnitzers, der zum Elfmeter für Gladbach führte, jedoch stark geschmälert.

Plattenhardt gegen Augsburg

Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images

Und so durfte Plattendhardt gegen Dortmund wieder von Beginn an starten. Das Ergebnis war eine schwache linke Seite, von der auch die Flanke zum Siegtor der Gäste kam. Würde Schwarz rein nach Leistung aufstellen, ließen sich gute Argumente für eine Rückkehr von Maximilian Mittelstädt finden. Es ist allerdings zu erwarten, dass Marvin Plattenhardt erneut den Vorzug erhalten wird, die Kapitänsbinde ist dabei ein nicht zu vernachlässigender Grund. Sollte er jedoch eine weitere schwache Leistung im kommenden Spiel zeigen, könnte in die Diskussion um die linke Defensivseite bei Hertha neuer Schwung kommen.

These 2: Hertha verdoppelt die bisher geschossenen Tore

Gute Leistung, wenig Ertrag: Was sich über Hertha insgesamt sagen lässt, trifft insbesondere auch auf die Offensivabteilung der Alten Dame zu. Nach den sogenannten „expected Goals“ (grob vereinfacht: Wie viel Tore hätte ein Team basierend auf den Chancen im Normalfall geschossen) müsste Hertha schon vier Tore auf dem Konto haben. In der letztendlich zählenden Realität liegt man bei zwei. Die Anzahl der herausgespielten Chancen, wie der xG-Wert zeigt, ist im Vergleich zu deren Verwertung dabei das kleinere Problem.

Torjubel gegen Frankfurt

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Doch eben diese Chancenverwertung ist dem Trainer in den meisten Fällen kaum anzulasten, da es hier zum Großteil auf die individuelle Klasse der Spieler ankommt. Insbesondere Dodi Lukebakio zeigt sich in der bisherigen Saison äußerst spielfreudig, an seinen Abschlüssen muss er jedoch noch feilen. Dafür legte er in der vergangenen Woche sogar Extraschichten nach dem Training ein. Hertha wird gegen den Fuggerstädter etwas kaltschnäuziger vor dem Tor sein und mindestens zwei Tore erzielen, was das Torkonto der Blau-Weißen damit verdoppelt.

These 3: Ein unterhaltsameres Spiel als gedacht

Bei vielen neutralen Fußballfans dürfte die Paarung „FC Augsburg – Hertha BSC“ wenig Vorfreude auf ein attraktives Spiel wecken. Die Duelle der vergangenen Jahre waren meist uninspiriert, destruktiv geprägt und mit wenig Spielfreude gesegnet. Doch dieses Jahr ist anders. Beide Teams gehen mit komplett neuen fußballerischen Ansätzen in die Saison. Während bei Hertha Gegenpressing mit schnellen, vertikalen Umschaltmomenten im Vordergrund steht, probieren sich die Fuggerstädter unter Enrico Maaßen an Ballbesitzfußball. Hatte man in der vergangenen Saison noch einen durchschnittlichen Ballbesitzanteil von 41,2%, liegt er in dieser Spielzeit schon bei 46,8%. Der Trend ist also zumindest rein statistisch erkennbar. Die zwei Mannschaften wollen somit einen deutlich aktiveren und offensiveren Fußball als in den letzten Jahren spielen, wenn auch mit unterschiedlichen Stilmitteln. Das Duell wird folglich deutlich spannender und unterhaltsamer, als der geneigte Fußballfan es erwartet.

[Titelbild: Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images]