Myziane Maolida – Erst über-, dann unterschätzt

Myziane Maolida – Erst über-, dann unterschätzt

Gerade die wichtigste Baustelle im Hertha-Kader, die offensive Außenposition, sollte mal wieder im Sommer dringend verstärkt werden. Es kam…anders. Am Ende wurden einige Spieler auf dieser Position sogar abgegeben. Als Verstärkung holte das Team von Fredi Bobic zwei neue Spieler: Marco Richter und Myziane Maolida. Richter werden in Deutschland die meisten bereits kennen. Doch wer ist Herthas französischer Neuzugang? Was sind seine Stärken und Schwächen? Kann er die erhoffte Verstärkung für die Außenbahn werden? Was teilt er mit seinem neuen Sturmpartner Ishak Belfodil?

Zur Beantwortung dieser Fragen unterstützt uns Nico (@NaninhoJr06 auf Twitter), ein OGC Nice und Myziane Maolida-Kenner, der mit uns gemeinsam Herthas neue Nummer 11 bewerten wird.

Nicos kommunizierte mit uns auf Französisch. Seine Aussagen wurden von unserem Redakteur Chris frei übersetzt.

Frühes Profidebüt – Die Last der zu hohen Ablösesumme

Foto: IMAGO/FEP/Panoramic PUBLICATION

Bereits mit 15 Jahren wurde Myziane Maolida von Olympique Lyonnais entdeckt. Zu der Zeit spielte der gebürtige Pariser in der Jugend vom ACBB, einem Ausbildungsverein in der französischen Hauptstadtmetropole. Ein Verein, den er mit seinem neuen Offensivpartner bei Hertha BSC teilt: Ishak Belfodil spielte ebenfalls von 2006-2007 in Boulogne-Billancourt.

In seiner Heimat galt Maolida schnell als großes Talent, machte in der UEFA Youth League für Lyon besonders auf sich aufmerksam. In seiner ersten Profi-Saison mit gerade 18 Jahren erzielte er auch sein erstes Profi-Tor, sammelte Einsätze in der Europa League und fiel besonders durch seine überdurchschnittlich gute Technik auf.

Nur rund 20 Profi-Ensätze absolvierte er für Lyon, bevor er im Sommer 2018 von OGC Nice verpflichtet wurde. Der Verein aus dem Süden Frankreichs gab sogar zehn Millionen für den damals 19-Jährigen aus, deutlich über Marktwert (zur damaligen Zeit 4,5 Mio. € laut transfermarkt.de).

„Er kam in einem komplizierten Kontext, da der Verein viel in ihn investierte, als es der Mannschaft gerade an Offensivtalenten mangelte.“, erzählt uns Nico. „Daher wurde ihm gleich nach seiner Ankunft viel Verantwortung übertragen, obwohl er noch ganz am Anfang seiner Profi-Laufbahn stand.“

Mentaler Druck und Verletzungspech – die schwere Zeit von Maolida

Foto: IMAGO/Norbert Scanella/Panoramic PUBLICATION

Mit dem riesigen Druck, sofort abliefern zu müssen, kam der gebürtige Pariser nicht zurecht. Seine lässige Art sorgte außerdem schnell dafür, dass ihn einige Zuschauer als Ziel für Pfiffe und Kritik nahmen, und das trotz seines noch jungen Alters. Eine große mentale Herausforderung also für Maolida, gleich zu Beginn seiner Zeit am Mittelmeer.

Ob es an der damaligen mentalen Verfassung des Spielers lag oder an einer Verletzungsanfälligkeit, ist unklar. Doch seine Spielzeiten in Nizza wurden zu einem Teufelskreis. Aufgrund von mehreren Verletzungen kam er in seiner ersten Saison nur zu 14 Einsätzen in der Ligue 1 (vier Torvorlagen). So kam er nie in Schwung, fing an an sich zu zweifeln. Der Rhythmus fehlte komplett.

Auch sein junges Alter und die fehlende Erfahrung waren ihm sicher keine Hilfe. Gerade die physische Vorbereitung, die Arbeit im Training, nahm der junge Flügelstürmer Anfangs nicht ernst genug. In einem langen Interview mit „France Football“ zeigte er sich diesbezüglich selbstkritisch und erwähnte als Beispiel das Aufwärmen vor der Einwechslung, die körperliche Vorbereitung vor dem Spiel, die man als junger Spieler leider oft vernachlässige.

Lernprozess – Verletzungsprävention und hartes Training

So musste er erstmal lernen, richtig im Training zu arbeiten, sich auch mal zu bremsen und vor allem den eigenen Körper richtig einzuschätzen. Er wurde auch zum richtigen Arbeiter im Training, was seinen Trainern besonders gefiel, wie uns Nico erzählt: „Trotz der Schwierigkeiten, die er teilweise in den Spielen erlebte, konnte er das Vertrauen seines Trainers (Patrick Vieira oder Adrian Ursea) behalten, weil er im Training besonders gut arbeitete, fokussiert war und sich immer größte Mühe gab.“

Was die Aussprache seines Namens angeht: so half Herthas Neuzugang den Hertha-Fans direkt im ersten Video bei Hertha TV.

Schritt für Schritt befreite sich so Maolida von der Angst, sich zu verletzen und fand etwas mehr Mut, seine Fähigkeiten auf dem Platz zu zeigen. Er wurde professioneller gerade im Hinblick auf Verletzungsprävention. In der besonderen Saison 2019/2020 kam er zu mehr Einsätzen (18 Einsätze, 1 Tor, 2 Torvorlagen), bevor die Saison in Frankreich frühzeitig abgebrochen wurde.

Trotz einer weiteren Verletzung im Winter lief die Saison 2020/21 schließlich für den mittlerweile 22-Jährigen deutlich erfolgreicher. Mehr Einsatzminuten und drei eigene Tore konnte er beitragen. Die Saison endete leider ebenfalls aufgrund einer Adduktoren-Operation frühzeitig: diese zog Maolida vor, um für die neue Saisonvorbereitung rechtzeitig wieder fit zu sein. Doch die neue Spielzeit sollte er nicht mehr in Nizza bestreiten.

Thierry Henry als Vorbild – Schnelligkeit, Technik und Athletik

Foto: IMAGO/FEP/Panoramic PUBLICATION

So schnappte sich Hertha BSC am Ende den Spieler, für etwa vier Millionen Euro, bei einem Marktwert von sieben Millionen Euro. Diesmal sollte Maolida also nicht mehr mit überhöhten Ablösen konfrontiert sein. Doch was zeichnet den Spieler, dessen Vorbild ein gewisser Thierry Henry ist, aus? Nico beschreibt die neue Nummer 11 wie folgt:

„Myziane ist ein schneller, kräftiger und athletischer Spieler. Er hat auch eine gute Technik, die es ihm erlaubt, seine Gegenspieler im 1 gegen 1 auszuspielen. Sein Profil ist besonders interessant, weil er in der Lage ist, seine Geschwindigkeit und seine Größe zu nutzen, um die Tiefe zu suchen.“ Einer für die linke Außenbahn, der auch im 4-3-3 System in die Spitze rutschen kann. Als seine Stärken nennt Maolida selbst “das Dribbeln und das Kombinieren mit den Kollegen – und ich bin kreativ”.

Der Spieler sei außerdem nie negativ aufgefallen, auch nicht in den schwierigen Phasen: „Was sein Verhalten angeht: so habe ich nie negative Kommentare über ihn gehört.“ Sagt Nico. „Er hat einen lässigen Stil, was jedoch nicht bedeutet, dass er nicht rennt oder sich nicht anstrengt. Er ist eher ein diskreter Mensch, aber immer sehr nett und zugänglich für die Fans.“

Wenn Hertha-Fans „lässigen Stil“ in Verbindung mit Flügelspielern hören, denken viele sofort an Dodi Lukebakio. Doch im Unterschied zum Belgier weist Herthas Neuzugang gerade die Stärken auf, die auch Pal Dardai sucht. Die unermüdliche Arbeit im Training und auf dem Platz sowie die Bereitschaft, sich für sein Team einzusetzen und dabei seinen Ego zur Seite zu lassen.

Maolida – ein Transfer ohne die Last der hohen Ablöse

Foto: IMAGO/FEP/Panoramic PUBLICATION

Doch wenn er solche Qualitäten aufweist, warum wollte ihn Nizza loswerden? Gerade durch die Übernahme durch ihren britischen Investor konnte der Verein große Summen investieren und sich besonders offensiv mit Spielern wie Justin Kluivert, Calvin Stengs, Amine Gouiri, Kasper Dolberg oder auch Andy Delort verstärken.

„Es stimmt, dass es in Nizza jetzt viel Konkurrenz im Offensivbereich gibt“, bestätigt uns Nico. Dies sei aber nicht der einzige Grund für den Wechsel von Maolida. „Ich denke es war einfach wichtig für ihn, den nächsten Schritt zu gehen. Er befand sich in einer Negativspirale und bei ihm lief bei Nice einfach einiges in die falsche Richtung. Er war auch das Ziel einiger Fans, die ihn verbal angriffen.“

Anders als beim Wechsel zu Nizza kann der 22-Jährige mit anderen Vorzeichen in Berlin loslegen. Die Belastung, einer riesigen Ablösesumme gerecht werden zu müssen, ist der Franzose nun endlich losgeworden. Für vier Millionen Euro kann man schließlich nicht den neuen Mbappe erwarten.

Herthas neuer „Fantasie-Spieler“

Maolida kommt nicht mehr als ein hochgelobtes Talent, sondern als ein Spieler, der einen frischen Start gebraucht hat, um sein Potenzial endlich zeigen zu können. Mit mehr Selbstvertrauen wird er sich auch in der Bundesliga zeigen können und hoffentlich auch erfolgreich sein. Sein neuer Coach Pal Dardai zeigte sich jedenfalls eher optimistisch: „Er ist ein Fantasie-Spieler, wir haben eine Idee mit ihm. Ich hoffe, dass wir das Maximum aus seiner Kapazität rauskitzeln können.“

Das Schlusswort zu Maolida möchten wir an dieser Stelle unserem Gast überlassen:

„Ich wünsche ihm von Herzen alles Gute in Berlin und dass es ihm gelingt, wieder in die Spur zu finden. (…) Liebe Hertha-Fans, heißt Myziane Maolida willkommen, unterstützt ihn und schenkt ihm Vertrauen, er wird es euch auf dem Platz zurückgeben.”

“Auf jeden Fall habt ihr einen neuen Hertha-Sympathisanten gewonnen. Ich habe mir sein Trikot bereits bestellt.“

Titelbild: IMAGO

Herthas Transfersommer: Anspruch und Wirklichkeit

Herthas Transfersommer: Anspruch und Wirklichkeit

Das Agieren der Hertha auf dem Transfermarkt wurde mit Spannung erwartet. Würde die alte Dame auf neureiche Shoppingtour gehen, wie im vergangenen Winter oder sich zwischen der harten Konkurrenz der internationalen Topklubs verspekulieren? Wir blicken genauer auf Herthas Transferschaffen und die Dynamiken des Transfermarktes.

Auf dem Markt gescheitert?

Die Umstände vor dem Transferfenster hätten für Hertha nicht besser sein können. Der prognostizierte, Corona bedingte Markteinbruch in Verbindung mit den Windhorst-Millionen sicherten den Berlinern schon im Vorfeld den Status als „Big-Player“. Nie waren die Erwartungen höher und nie waren die kolportieren Namen größer als in diesem Jahr. Doch die frühzeitige Freude wich bald der Ernüchterung der harten Realität. Von dem vorhergesagten Umbruch des Marktes war nichts zu spüren, wie Bruno Labbadia resigniert feststellen musste: “Es ist nicht mehr gesund. Egal, bei welchem Spieler du anfragst – selbst wenn er gerade ein halbes Jahr gespielt hat und du ein Talent in ihm siehst -, er kostet zehn, 15 Millionen – das ist einfach nicht normal.” Diese Einschätzung führte zu einer eher negativen Bilanz des Cheftrainers: „Wir haben uns die Transferperiode anders gewünscht, wir sind da gescheitert. Aber der Markt ist nicht aufgegangen.”

Doch was meint Bruno Labbadia damit? Ein Blick auf die Zahlen. Hertha hat in dieser Transferperiode insgesamt fünf komplett neue Spieler verpflichtet und hat dafür 33,5 Millionen Euro ausgegeben. Darüber hinaus wurde Eduard Löwen vorzeitig aus Augsburg zurückgeholt. Diese sechs Neuzugänge sind die Spieler, mit denen vor der Transfperiode nicht gerechnet werden konnte. Leihe-Enden, wie die von Nils Körper und Daishawn Redan sind hier nicht mit einberechnet, da sie nicht das Agieren in der diesjährigen Transferperiode widerspiegeln. Auf der Gegenseite haben 13 Spieler die erste Mannschaft verlassen. Dazu kommen Abgänge von Spielern der U23, wie Muhammed Kiprit, Dennis Smarsch und Luis Klatte. Für nur vier dieser Abgänge wurden Transfereinnahmen generiert. So belief sich das Transfereinkommen auf 12,3 Millionen (alle Finanzangaben im Laufe des Artikels wurden von transfermarkt.de bezogen). In der Bilanz macht das also 21,2 Millionen Euro mehr Ausgaben als Einnahmen.

Foto: IMAGO

Vergleichen wir das mit den letzten Jahren. In der Saison 19/20 holte der Verein zehn neue Spieler und gab dafür 110,7 Millionen aus. Hier fiel vor allem das Wintertransferfenster ins Gewicht. Beflügelt vom Einstieg des Investors gab Hertha hier 77 Millionen aus. Dem gegenüber standen neun Abgänge aus der ersten Mannschaft zuzüglich einiger Junger Spieler. Hertha nahm so 23,45 Millionen Euro ein, was unterm Strich ein Minus von 87,25 Millionen Euro ergibt. Das sind die beiden Saisons mit Lars Windhorst. In den Saisons davor waren die Einnahmen und Ausgaben wesentlich balancierter. 18/19 +0,9 Millionen, 17/18 +4, 16/17 -1,7. Hertha gibt also nicht nur wesentlich mehr aus, als sie einnimmt, sondern auch ein Vielfaches dessen, was sie in den Saisons vor dem Tennor Einstieg investiert hat. Das zeigt erstmal nur, dass das Geld auch tatsächlich in den Kader gesteckt wird.

Das vermeintliche Scheitern auf dem Transfermarkt bezieht sich also vermutlich eher darauf, dass nicht genügend Spieler verpflichtet werden konnten, um all die Abgänge angemessen kompensieren zu können. Das ist natürlich immer relativ zu den Spielern zu sehen, die den Verein verlassen haben. Die Not einen Alexander Esswein zu ersetzen ist geringer, als die einen neuen Leader, wie Vedad Ibisevic zu finden. Unabhängig davon wird das Ersetzen durch die von Bruno Labbadia angesprochenen Preise auf dem Transfermarkt in Kombinationen mit den Ambitionen des Clubs zusätzlich erschwert. Wurde die letzten Jahre immer mindestens ein Spieler ablösefrei verpflichtet, stürzte man sich dieses Jahr direkt ins Getümmel und bot fleißig mit. Die Tatsache, dass die finanzielle Potenz der Hertha allseits bekannt ist, half hier sicherlich nicht unbedingt weiter die Preise zu drücken. Das muss sich gar nicht bei den Ablösesummen äußern, sondern kann sich auch in den geforderten Gehältern und Handgeldern niederschlagen. Der schon fast sicher geglaubte Wechsel von Jeff Reine-Adélaïde soll, wenn man den unbestätigten Berichten Glauben schenken mag, letztendlich auch daran gescheitert sein, dass sein Berater und Bruder ein unverhältnismäßig hohes Honorar verlangt haben soll.

Die Rolle von Corona

Im Vorfeld der Wechselperiode wurde viel darüber spekuliert, wie sich die Pandemie auf die Preise auswirken würde. Es wurde angenommen, dass Vereine dringend Geld generieren müssten und Spieler deshalb besonders günstig von dannen ziehen lassen würde. Eine ideale Situation für eine finanzstarke Akteurin, wie Hertha. In der Tat scheint die aktuelle Situation viele Vereine hart zu treffen. Es ist wohl nur den Windhorst-Millionen zu verdanken, dass Hertha vergleichsweise gut durch die Krise kommt. So stellte Manager Michael Preetz klar, dass, wenn die aktuelle Geisterspielsituation anhielte, Hertha mit einem zweistelligen Millionenverlust rechnen müsse. Bei aller Euphorie darf man deshalb nicht vergessen, dass auch Hertha gut wirtschaften muss und nicht einfach das ganze Geld zum Fenster rausschmeißen darf.

Überhaupt scheint es so, als würde manch Verein an der falschen Stelle sparen. Der FC Arsenal kündigte unlängst seinem langjährigen Maskottchen, gab aber diese Periode 67,35 Millionen Euro mehr für Spieler aus, als es einnahm. Dass es aber auch wirklich Ernst werden kann, zeigt das Beispiel Schalke 04. Die Knappen (nomen est omen) gaben diese Saison nur 2 Millionen Euro für Transfers aus und konnten nur 4,5 Millionen Euro Einnahmen generieren (Allesamt aus der Leihgebühr von Weston McKennie). Gleichzeitig sahen sie sich zu drastischen Maßnahmen, wie den Kündigungen langjähriger Mitarbeiter*innen, genötigt.

Das sind alles allerdings nur die berühmten Einzelfälle. Spannender ist die Frage, inwieweit sich die Ausgaben insgesamt verändert haben. Im diesjährigen Sommertransferfenster gaben die Bundesligavereine insgesamt 320,4 Mio. Euro aus. Spitzenreiter war die Premier League mit 1,37 Milliarden Euro. Das ist ein krasser Unterschied zum letzten Jahr. Hier gaben die Bundesliga 1,07 Milliarden und die Premier League 2,93 Milliarden Euro aus. Im Jahr davor waren die Ausgaben noch höher. Die Premier League gab 4,38 Milliarden und die Bundesliga 1,55 Milliarden Euro für neue Spieler aus. Der Einfluss der Corona-Pandemie ist also direkt sichtbar. Anstatt ihre Spieler zu verschleudern, hielten die Vereine ihr Tafelsilber eher zusammen oder waren nur bereit sie für hohe Summen gehen zu lassen.

Was bleibt?

Auffällig ist, dass Hertha eine immer größere Rolle auf dem Transfermarkt einnimmt. Auch in Zeiten von Corona entfielen knapp 10% der Ausgaben der Liga auf die Spree-Athener. Im Ligavergleich gaben nur Bayern und Dortmund mehr Geld als wir aus. Dass die Verantwortlichen die Transferperiode dennoch als „gescheitert“ ansehen, hängt wohl eher mit der immensen Aufgabe und den eigenen Ansprüchen zusammen. Man muss dennoch beschwichtigend dagegenhalten, dass all zu hohe Erwartungen in dieser Saison eh fehl am Platz wären. Es soll eine Spielzeit des Umbruchs sein. Auf Teufel komm raus neue Spieler zu verpflichten, kann nicht im Sinne der langfristigen Strategie des Vereins sein. So wirken Notlösungen, wie die Rückholaktion um Eduard Löwen oder Last-Minute-Leihe von Matteo Guendouzi auf den ersten Blick etwas enttäuschend, andererseits bietet die aktuell mäßige Kaderbreite auch jungen Spielern die Gelegenheit sich beweisen zu können. Eigengewächs Jessic Ngankam wollte sich unbedingt ausleihen lassen, konnte aber im letzten Moment davon abgebracht werden. Das Inausichtstellen von Spielzeit könnte hier ein entscheidender Punkt gewesen sein.

Foto: IMAGO

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob die jungen Wilden entsprechendes Vertrauen auch zurückzahlen können. Das das möglich ist, zeigt das Beispiel Chelsea. Mit einer Transferssperre belegt, blieb den Londoner in der Saison 2019/20 nichts anderes übrig als auf die eigene Jugend zu bauen. Der Erfolg konnte sich durchaus sehen lassen. Allerdings schien er der Clubführung nicht auszureichen. Mit diesjährigen Ausgaben von 247,2 Mio. Euro setzten die Blues sich an die Spitze der Ausgaben.

Die Corona-Pandemie hat den Berliner Verantwortlichen sicherlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gleichzeitig ist sie aber auch eine willkommene Ausrede, um die Erwartungen an den Verein auf ein gesundes Niveau zu regulieren. Niemand außerhalb Herthas kennt die selbstgesteckten Ziele dieser Transferperiode, also kann niemand Außenstehendes hier ein Urteil abgeben, inwieweit diese erreicht oder nicht erreicht wurden. Von außen wirken alle bisherigen Transfers dennoch gut durchdacht. Es scheiterte eher an der Quantität, als Qualität. Dass ein Marko Gruijic nicht erneut ausgeliehen werden konnte und jetzt für Porto aufläuft, ist ärgerlich, aber angesichts seiner schwankenden Form nicht allzu sehr zu bedauern. Mario Götze wäre ein schillernder Name gewesen, hätte aber nicht wirklich in das System Labbadias gepasst. Somit lässt sich in der aktuellen Situation aus der Not durchaus eine Tugend machen. Das endgültige Scheitern lässt sich spätestens nach der Hinrunde feststellen.

Will Hertha auch in den nächsten Jahren ein bedeutender Akteur auf dem Transfermarkt sein, heißt es mit Umsicht zu handeln. Bleibt der sportliche Erfolg aus, so zahlt sich das Investment nur langsam zurück. Geduld heißt das Zauberwort. Das betrifft alle Beteiligten. Spieler, wie Fans.

[Titelbild: IMAGO]