Herthaner im Fokus: Gerechte Punkteteilung

Herthaner im Fokus: Gerechte Punkteteilung

Auch mal einen dreckigen Sieg einfahren. Drei Punkte, ab nach Hause und gut ist es. Am Ende redet schließlich keiner mehr drüber, woher die Punkte kommen, die am Ende den Klassenerhalt bedeuten. Hertha BSC stand am Freitagabend ganz kurz davor, eben jenen dreckigen Sieg einzufahren. Doch am Ende war man zu passiv, zu ängstlich und zu zögerlich und musste mit dem Schlusspfiff den bitteren Mainzer Ausgleichstreffer hinnehmen. Ein Remis, was sich wie eine Niederlage anfühlt und mit dem man beim Blick auf die Tabelle nicht allzu viel anfangen kann. Und dabei spielte man gar keine schlechte erste Halbzeit und ging verdient durch den Kopfballtreffer von Lucas Tousart in Führung. Doch die über weite Strecken druckvolle und überlegende Leistung in der ersten Halbzeit konnte nach dem Seitenwechsel nicht bestätigt werden. Das Team zog sich zurück, ließ sich auf zahlreiche Zweikämpfe und vor allem Fouls ein, konnte offensiv praktisch keine Akzente mehr setzen und verfiel zum Teil in eine Passivität zurück, die sich alle Beteiligten als endgültig abgestellt gewünscht hätten.

Sandro Schwarz mit dem üblichen System und nur einer Änderung  

Im mittlerweile üblichen 4-3-3-System von Trainer Sandro Schwarz ändert sich, wie hinreichend bekannt, selten etwas. Bei seiner Rückkehr zum 1. FSV Mainz 05 sollte es in der Startelf nur zu einer Änderung kommen. Den erkrankten Suat Serdar ersetzte Schwarz positionsgetreu durch Jean-Paul Boetius. Ein Ex-Mainzer für einen Ex-Mainzer. Weitere Änderungen nahm er gegenüber dem 2:2 gegen Bayer 04 Leverkusen eine Woche zuvor nicht vor.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Im Tor stand Oliver Christensen, Linksverteidiger war wieder Kapitän Marvin Plattenhardt, die Innenverteidigung bestand aus Marc-Oliver Kempf und Filip Uremovic und die rechte Seite beackerte Jonjoe Kenny. Im Dreiermittelfeld spielten Ivan Sunjic, Lucas Tousart und der bereits erwähnte, in die Startelf rotierte Jean-Paul Boetius. In der Offensive sollten wieder Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio auf den Außen und Wilfried Kanga im Mittelsturm für Torchancen sorgen.

In unserer Analyse schauen wir heute auf die Linksverteidiger, den Torschützen, eine Offensivkraft, die weitere Fortschritte macht und auf die Innenverteidigung, die allerhand zu tun hatte.

Marvin Plattenhardt und Maximilian Mittelstädt: Hertha hat ein Konkurrenz-Problem

Irgendwie ist es wie immer in den letzten Jahren. Hertha hat zwei solide Linksverteidiger, die ihre Stärken haben. Aber die genauso ihre Schwächen haben. Man weiß, was man bekommt. Hertha hat Marvin Plattenhardt und Maximilian Mittelstädt. Und beide bekamen im Spiel gegen Mainz ihre Einsatzzeiten. Marvin Plattenhardt bekam als Kapitän selbstverständlich wieder den Vortritt, doch es sollte sich im Laufe des Spiels zeigen, dass es gut war, dass Mittelstädt auf der Bank als Alternative saß. Zuletzt fehlte der ja bekanntlich öfter mal im Kader der Hertha.

Marvin Plattenhardt spielte ein relativ solides, aber nicht sonderlich auffälliges Spiel. Offensive Akzente konnte er praktisch keine setzen. Ihm gelang es nicht, die Offensive mit seinen scharfen Flanken in Szene zu setzen, er konnte selbst keine Abschlüsse erarbeiten und hatte eher mit seinem direkten Gegenspieler Edimilson Fernandes zu tun.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Insgesamt war Plattenhardt 47 Mal am Ball. Er spielte zwölf erfolgreiche Pässe, was bei 21 aber auch nur eine Erfolgsquote von 57 Prozent bedeutet. Als Linksverteidiger nur 57 Prozent der Zweikämpfe zu gewinnen, ist ebenfalls keine Leistung, die großartig hilfreich ist. Zusätzlich leistete er sich wieder 18 Ballverluste – viel zu viel. Immerhin entschied er zwei Tacklings für sich und konnte in der Defensive zwei Aktionen klären. Seine gelbe Karte in der 48. Minute wurde zurecht mit gelb bestraft. Ob der VAR-Einsatz in diesem Fall wirklich nötig war, ist fraglich. Auch wenn der Einsatz in der Zeitlupe schmerzhaft aussah, war zu erkennen, dass es sich nicht um ein rot-würdiges Foul handelte. Trotzdem musste er nach 55 Minuten für Maximilian Mittelstädt Platz machen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Und der wirkte wie üblich auch deutlich spritziger als sein Konkurrent. Aber beim Blick auf die Statistik sieht man, wie ähnlich die beiden sich in ihren Leistungen sind. Er war 38 Mal am Ball. Hatte mit 62 Prozent erfolgreicher Pässe zumindest eine etwas bessere Zahl erarbeiten können. Er gewann fünf von neun Zweikämpfen, aber leistete sich neben acht Fehlpässen, auch 14 Ballverluste. Das ist, wie bei Plattenhardt, natürlich auch dem extrem intensiven Spiel in der zweiten Halbzeit verschuldet. Er setzte zu drei Dribblings an, von denen er zwei erfolgreich beenden konnte. Auch er konnte, wie die gesamte Hertha-Mannschaft in der zweiten Halbzeit, keine Offensiv-Akzente setzen.

So ganz schlau wird man aus den beiden Linksverteidigern nicht. Seit Jahren überreichen sie sich gegenseitig den Staffelstab, ohne sich nachhaltig durchsetzen zu können. Einen echten Konkurrenzkampf gibt es zwischen ihnen nicht.

Lucas Tousart: Der führende Fast-Matchwinner

Fast wäre er der Matchwinner des Kampfes in Mainz gewesen. Der Franzose belohnte sich für seine bisher sehr starke Saison und nickte nach 30 Minuten nach einer feinen Vorlage von Chidera Ejuke aus zentraler Position ins Tor ein. Eine ähnliche Chance hatte er bereits in Augsburg, als er sträflich frei zum Abschluss mit dem Kopf kam, diese aber nicht nutzen konnte.

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Seine Werte ließen gegen die Mainzer zwar rein zahlenmäßig etwas zu wünschen übrig, allerdings hielt wie üblich insbesondere Ivan Sunjic ihm den Rücken frei. Insgesamt war er an 39 Ballaktionen beteiligt und spielte zehn von 19 Pässe erfolgreich. Während er allerdings nur 58 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnen konnte, rettete ihn Sunjic (70 Prozent) ein ums andere Mal. Die schwächeren Werte sind allerdings auch dem verschuldet, dass Tousart sich immer mehr ins Offensivspiel integriert. Defensiv rettete er sechs Mal unter Druck stehend im Strafraum, zwei Fouls musste er ziehen, selber zwei einstecken. Mit zwei Tacklings beackerte er seine Gegner. Wie üblich war er auch einer der lauffreudigsten Spieler der Herthaner. 11.58 km spulte der 25-Jährige ab. Nur Ivan Sunjic (11,72 km) lief mehr.

Doch im entscheidenden Moment konnte auch Tousart nicht nahe genug am Mann sein. Beim Gegentor in der vierten Minute der Nachspielzeit war er zu passiv, konnte seine Gegenspieler gleich zweimal nicht in den Griff kriegen und an Vorlage und Abschluss hindern und damit auch nicht den Titel des Matchwinners einfahren.

Chidera Ejuke: Wieder Zählbares, aber noch viel Luft nach oben

Chidera Ejuke kann Spaß machen, zeigt immer wieder sein enormes Potential, macht auf dem Feld Dinge, zu denen viele nicht in der Lage sind und trotzdem schlägt er zu wenig Ertrag raus. Gegen die Mainzer war der Nigerianer 83 Minuten dabei, ehe er durch Peter Pekarik ersetzt wurde, der zu dem Zeitpunkt als Verstärkung kam, um die Führung über die Zeit zu bringen.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

43 Mal war der 24-Jährige am Ball, spielte 20 erfolgreiche Pässe. Insgesamt kamen 74 Prozent seiner Bälle bei den Mitspielern an, eine starke Quote für einen Offensivspieler. Doch beim Blick auf seine Zweikampfwerte sieht man wieder die Probleme. Nur zwei von acht (25 Prozent) konnte er für sich entscheiden. Viermal versuchte sich Ejuke an Dribblings, kein einziges konnte er erfolgreich beenden. Seine individuellen Aktionen landen zu häufig beim Gegner – insgesamt leistete sich Ejuke 19 Ballverluste – seine Mitspieler dagegen weiß er in Szene zu setzen. Wie in der 30. Minute, als seine Flanke auf Tousart sehenswert seinen zweiten Saisonassist bedeutete.

Zusätzlich war er der Hauptprotagonist der größten Hertha-Chance des Spiels in der 41. Minute. Nachdem er von Lukebakio im Strafraum halbrechts angespielt wurde, versuchte er es mit einem Schlenzer aufs lange Eck. Torhüter Robin Zentner rettete sein Team sehenswert. Insgesamt ein Spiel, das zeigt, wie wichtig Chidera Ejuke für Hertha sein kann, aber auch was offenlegt, wo die Schwächen des Linksaußen sind.

Filip Uremovic, Marc-Oliver Kempf, Marton Dardai: Innenverteidiger mit viel Risiko und viel Glück

Verletzungsbedingt bekamen gegen Mainz drei Innenverteidiger ihre Chance. Sandro Schwarz baute zunächst auf sein Stamm-Innenverteidiger-Duo, bestehend aus Filip Uremovic und Marc-Oliver Kempf.

Filip Uremovic spielte das Spiel über die voll Distanz und leistete eine solide Arbeit. Wie üblich zeigte er sich körperbetont, risikoreich und nachdem er sich in den letzten Spielen öfter den ein oder anderen heftigeren Aussetzer leistete, konnte er gegen Mainz wieder eine gefestigtere Leistung zeigen. Defensiv hatte er aller Hand zu tun.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

50 Ballaktionen hatte der Kroate, seine Passquote von 81 Prozent ist sehr sehenswert. er gewann sechs von sieben Zweikämpfen – 87 Prozent – und zog nur ein Foul. Sechs Mal klärte er im Strafraum, lief zahlreiche Bälle ab, tackelte und wusste eine klare Präsenz zu zeigen. Insgesamt ein sehr zufriedenstellender Auftritt des Neuzugangs, der auch nötig war, da er spätestens ab der 2. Halbzeit den Abwehrchef stellen musste.

Was aufgrund des gesundheitlichen Zustands von Marc-Oliver Kempf leider nötig war. Der 27-jährige Abwehrchef knickte in der 9. Minute bei seiner Lieblingsdisziplin, Blocken, übel um und musste behandelt werden. Zur Pause verabschiedete er sich. Eine schwere Verletzung scheint aber nicht vorzuliegen, zumindest gab es bereits Entwarnung.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Möglicherweise auch eingeschränkt durch seine Verletzung wirkte Kempf in seinem Spiel etwas behäbiger und tat sich schwerer als zuletzt. Er hatte 30 Ballaktionen, brachte 78 Prozent seiner Pässe beim Mitspieler unter und konnte drei von fünf, also 60 Prozent, seiner Zweikämpfe für sich entscheiden. Er leistete sich fünf Ballverluste, tat sich aber insbesondere in Laufduellen schwer, wie in der 37. Minute gegen Karim Onisiwo. Sein Glück, dass der Österreicher den leichten Kontakt als Anlass nahm, sich fallen zu lassen. In der strittigen Situation entschied Schiedsrichter Willenborg zurecht darauf, keinen Elfmeter zu geben.

Zur zweiten Halbzeit wurde Kempf durch Marton Dardai vertreten. Das Eigengewächs hat sich nach einer persönlich schweren letzten Saison mit der Rolle des Ersatz-Verteidigers abgefunden und kann mittlerweile feststellen, dass auch er Einsatzchancen und Minuten erhält. Und er leistete eine solide Arbeit. 31 Mal sah man ihm am Ball. In der intensiven Halbzeit tat er sich schwer im Spielaufbau.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Nur sieben von 17 Pässen fanden die Mitspieler. 13 Ballverluste leistete der deutsche U21-Nationalspieler. Defensiv hatte auch er viel zu tun, da die Berliner ab der zweiten Halbzeit das Angriffsspiel praktisch einstellten und sich dem Mainzer Ansturm stellten. Sechsmal klärte er zum Teil in höchster Not, lief drei Bälle seinen Gegenspielern ab und entschied 66 Prozent seiner Zweikämpfe für sich. Zwei Tacklings entschied er für sich. Letztendlich war er einer der Protagonisten des von Sandro Schwarz als “Ringkampf” bezeichneten harten Spiels. Glück hatte er bei der Zweikampf-Bewertung von Schiri Willenborg. Nachdem er in der 64. Minute für sein Foul an Marlon Mustapha die gelbe Karte sah, hatte er Glück in der 76. Minute nicht vom Platz zu fliegen. Sein Einsteigen gegen Danny da Costa wurde allerdings nicht einmal als Foul gewertet. Glück für ihn und Glück für Hertha. Alles in allem zeigte sich Dardai nämlich wach, aktiv und als echte Alternative für die Innenverteidigung.

Eine gerechte Punkteteilung

Was fängt man nun mit dem Punkt an? Einsammeln und zufrieden sein muss wohl die Antwort lauten. Einen Punkt aus Mainz mitzunehmen, ist ein paar Tage nach dem Spiel ein vollkommen akzeptables Resultat. Die Entstehung ist trotzdem ärgerlich. Während die Hertha gerade in der ersten Halbzeit an den guten Leistungen aus den Vorwochen anknüpfen konnte, ließ man es in der zweiten Halbzeit dann doch sehr stark schleifen. Zu gehemmt und ängstlich war das Spiel der „Alten Dame“. Teilweise wirkte es wie ein Rückschritt. Der späte Gegentreffer war hart und bitter, aber aufgrund des Drucks, den die Mainzer ausübten, folgerichtig. Hertha steht nach sieben Spielen auf Platz 13, mit sechs erspielten Punkten. Sich an irgendwelchen theoretischen xG-Werten festzuhalten, die eine bessere Platzierung aussagen, hilft im Endeffekt nicht.

Jetzt, zur Länderspielpause, kann man aber festhalten, dass die Mannschaft ein ganz anderes Auftreten zeigt, als letzte Saison. Die Mannschaft spielt ansehnlichen Fußball, was fehlt, ist die Belohnung in Form von Toren und Punkten. Die Last der letzten drei Jahre wiegt noch immer schwer auf den Verein und einzelne Spieler. Sich von Sieg zu Sieg zu spielen hat vor der Saison niemand erwartet und erwartet jetzt auch keiner. Trotzdem muss man sich dem Risiko und der engen Tabelle bewusst sein. Nach der Länderspielpause müssen weitere Punkte gesammelt werden, um später eine ruhige WM-Pause genießen zu können. Die Qualität scheint da zu sein.

(Titelbild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Herz und Leidenschaft reichen nicht

Herthaner im Fokus: Herz und Leidenschaft reichen nicht

Hertha BSC schafft im mittlerweile dritten von vier Spielen zum Bundesliga-Start nicht, etwas Zählbares mitzunehmen. Angesichts des anspruchsvollen Programms in gewisser Weise verschmerzbar. Fans, Experten, aber vor allem Spieler und Trainerteam wissen den Start einzuordnen, weshalb in Berlin weiter ungestört gearbeitet werden kann.

Gegen Borussia Dortmund kam eine Mannschaft ins Berliner Olympiastadion, die sich zum Saisonbeginn schwergetan hat, weshalb sich Herthas Team mit seinem Offensivspiel nicht zu verstecken brauchte. Im mit 62.142 gut gefüllten, aber bei Weitem nicht ausverkauften Olympiastadion, in dem Frank Zander mal wieder die Hymne “Nur nach Hause” live performte, wurde der BVB allerdings seiner Favoritenrolle gerecht, erarbeitete sich zahlreiche Chancen und konnte dank des ersten Tors von Antony Modeste im schwarz-gelben Trikot nach 32 Minuten als Sieger vom Platz gehen.

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(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)

Sandro Schwarz stellte sein Team wieder im 4-3-3-System auf und änderte zum Teil gezwungenermaßen, zum Teil gewollt auf drei Positionen das Personal. Das Tor sollte wieder Oliver Christensen hüten, auf der linken Seite der Verteidigung ersetzte Kapitän Marvin Plattenhardt Maximilian Mittelstädt, der sich mit seinem unglücklichen Auftritt in Mönchengladbach beim Trainer zunächst nicht für weitere Startelfeinsätze empfehlen konnte. In der Innenverteidigung ersetzte Marton Dardai den gesperrten Filip Uremovic, neben ihm verteidigte Abwehrchef Marc Oliver Kempf. Als Rechtsverteidiger lief wieder Jonjoe Kenny auf. Im defensiven Mittelfeld agierte der in den vergangenen zwei Spielen als Kapitän aufgelaufene Lucas Tousart, vor ihm Suat Serdar und der für Ivan Sunjic in die Startelf rotierte Jean-Paul Boetius. In der Offensive vertraute das Trainerteam wieder auf Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio auf den Flügeln und Wilfried Kanga in der Sturmspitze.

In unserer Analyse schauen wir heute auf die etwas alleingelassene Offensive, zwei Enttäuschungen, ein Duo für die nächsten Spiele und die getätigten Wechsel.

Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio: Ohne sie geht’s nicht

Die beiden Außenspieler machen aktuell einfach Spaß. Viel zu lange mussten Hertha-Fans auf geeignete Flügelspieler im Team der Hertha warten. Doch noch gelingt es ihnen nicht, ihre guten Leistungen auch in Zählbares umzumünzen. Gegen die Dortmunder gelang es Ihnen neben ihrer Schnelligkeit noch ein wenig mehr Flexibilität einzubringen, in dem sie sich auf ihren Flügelseiten abwechselten. Chidera Ejuke spielte sogar sein erstes Spiel für Hertha BSC über die komplette Distanz.

Der Nigerianer war mit Wucht, Wendigkeit und Schnelligkeit unterwegs, setzte zu ganzen zehn Dribblings an, von denen er acht erfolgreich beendete. Allgemein war Ejuke 64 Mal am Ball. Er verteilte 39 davon, 32 fanden den Adressaten. Er ging in 16 Zweikämpfe, von denen er neun für sich entscheiden konnte. Der 24-Jährige versuchte, so gut es ging, das Offensivspiel anzukurbeln und in die Hände bzw. an die Füße zu nehmen.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Mit Hilfe der zu kurz klärenden Dortmunder Verteidigung konnte er bereits in den frühen Anfangsminuten die erste große Chance der Hertha einleiten. Jonjoe Kennys Schuss lenkt der am jenen Samstagnachmittag glänzend aufgelegte Gregor Kobel um den Pfosten. Doch in der 21. Minute sah man auch bei Ejuke, Kanga und Lukebakio, dass die Abstimmung noch nicht optimal funktioniert. Die Überzahlsituation gegen die Dortmunder Verteidigung vertändelten sie leichtfertig. Generell musste sich Ejuke den Verteidigern zu häufig geschlagen geben. Ganze 20 Ballverluste musste er hinnehmen.

Dodi Lukebakio war gegen den BVB bemüht, aber weniger gefährlich und spritzig als noch eine Woche zuvor gegen Mönchengladbach. Auch er musste 16 Ballverluste verzeichnen, hatte im Vergleich zu seinem Partner Ejuke mit 38 Aktionen deutlich weniger Beteiligungen am Spiel und konnte auch nur einen Torschuss beitragen. Immerhin beendete er vier seiner sechs Dribblings erfolgreich, konnte sieben seiner dreizehn Zweikämpfe für sich entscheiden und spielte zwölf von neunzehn Pässen erfolgreich. So fungierte er immerhin in einigen Situationen als Ballverteiler. Der Belgier zeigte trotz fehlenden Glücks aber eine engagierte Leistung. Nach 75 Minuten musste er Platz machen für Marco Richter.

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(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)

Ihnen zusprechen muss man, dass die Verteidigung der Dortmunder zu den Besseren der Liga gehört. Nicht jede Partie können sie ihr Spiel entfalten. Wichtig wird allerdings in den nächsten Wochen sein, dass ihre Mühe belohnt wird. Doch dafür muss gearbeitet und das Glück erzwungen werden. Ohne die beiden Spieler erlahmt das Offensivspiel aktuell zu sehr, durch das Zentrum funktioniert nur selten etwas und die verteidigenden Gegner können sich immer mehr auf die beiden Schlüsselfiguren der Berliner einstellen. Wilfried Kanga ist bemüht, doch auch ihm fehlt noch sehr das Glück im Abschluss oder überhaupt die Chance sich in gefährliche Positionen zu spielen. Herthas Mittelstürmer hängt aktuell noch zu sehr in der Luft.

Jean-Paul Boetius: Enttäuschendes Startelfdebüt für Hertha

Der niederländische Neuzugang durfte nach zwei Einwechslungen sein erstes Spiel von Anfang an absolvieren und ersetzte Ivan Sunjic. Doch die Spieler der Borussia konnten Boetius praktisch durchgehend kaltstellen.

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Er konnte gegen Dortmund weder für produktiven Ballbesitz sorgen, noch die Offensive mit seiner Kreativität unterstützen. Dinge, die dringend nötig gewesen wären, um das Angriffsspiel flexibler zu gestalten. Insgesamt spielte er 23 Pässe, von denen 15 ankamen. Die Hälfte seiner sechs Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden. Doch 14 Ballverluste sprechen eine deutliche Sprache. Auch defensiv gelang es ihm nicht eine Hilfe für das Team zu sein. Ein enttäuschendes Startelfdebüt endete nach 55 Minuten, als er für Stevan Jovetic ausgewechselt wurde.

Marc Oliver Kempf und Marton Dardai: Ein Duo mit Zukunft

Marton Dardai durfte sich auf seinen ersten Startelfeinsatz in dieser Saison freuen. Er ersetzte den gesperrten Filip Uremovic. Der Youngster und Marc Oliver Kempf zeigten, dass sie in der Lage sind, die Abwehr zusammenzuhalten, auch wenn der BVB oftmals auch an sich selbst scheiterte. Kempf avanciert immer mehr zum Abwehrchef. Gegen Dortmund spielte er eines seiner besten Spiele im Dress der Hertha.

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Er entschied fünf Tacklings für sich, klärte drei Bälle zum Teil in höchster Not, blockte vier Dortmunder Versuche und lief noch dazu dreimal dem Gegner den Ball ab. Er gewann acht seiner vierzehn Zweikämpfe. Für Kempfs Verhältnisse eine durchaus vernünftige Quote. Die wichtigste Aktion hatte er in der 72. Minute, als er nach Bellinghams Schuss den Ball hinter den bereits geschlagenen Oliver Christensen von der Linie kratzte. Kempf versuchte so gut es ging den Spielaufbau zu gestalten. Er spielte 32 von 34 Pässen erfolgreich zu seinen Mitspielern und versuchte sich mit zahlreichen langen Bällen, von denen immerhin vier ankamen. Doch ihm muss man eine Mitschuld am Gegentreffer zusprechen. Zum wiederholten Mal war er nicht nahe genug an seinem Gegenspieler – in diesem Fall Modeste – und konnte ihn entscheidend am Kopfball hindern. Nach 80 Minuten machte er aus taktischen Gründen Platz für Davie Selke.

Marton Dardai dagegen spielte über die gesamte Spielzeit. Zugegeben, seine Leistung kam nicht an die von Kempf ran, doch er unterstützte in der Defensive mutig und engagiert. Insgesamt rettete er in der Defensive dreimal. Im Aufbauspiel brachte er sich mit 30 erfolgreichen Pässen gut ein. Generell war er mit 53 Aktionen sehr aktiv. Seine Zweikampfleistung ließ arg zu wünschen übrig. Nur einen seiner drei konnte er für sich entscheiden. Und auch er leistete sich einen Schnitzer, der beinahe bestraft wurde. In der 25. Minute unterlief ihm ein übler Fehlpass, der schnelle Gegenangriff mitsamt Torschuss von Antony Modeste ging nur knapp nicht in die Torstatistik ein.

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Dennoch, Marton Dardais und insbesondere Marc-Oliver Kempfs Leistungen, lassen sich sehen. Die Dortmunder waren ihnen zwar extrem häufig überlegen, aber zeigen sie diese Leistungen gegen Mannschaften, mit geringerer Offensivpower, kommt die noch mehr benötigte Sicherheit auch in deren Spiel an.

Marvin Plattenhardt: Ein großes Fragezeichen

Nach dem er verletzungsbedingt zuletzt zwei Spiele ausgefallen war und Maximilian Mittelstädt ihn nicht von seinem Stammplatz verdrängen konnte, durfte Marvin Plattenhardt wieder als Linksverteidiger auflaufen. Zurecht, schließlich ist er der Kapitän der Mannschaft. Aber dieser Punkt scheint auch das einzige valide Argument zu sein, weshalb er in der Hierarchie über Mittelstädt steht. Zugegeben, auch Mittelstädt brillierte nicht, doch passt er nachweislich wesentlich besser ins System von Sandro Schwarz. Marvin Plattenhardt hatte gegen Borussia Dortmund enorme Probleme. Insbesondere im Defensivbereich. Und sein direkter Gegenspieler war niemand Geringeres als sein ehemaliger Mitspieler Marius Wolf. Ein – mit Verlaub – Fußballer mit, abseits seiner Dynamik, beschränkten Fähigkeiten. Jemand, der von einem soliden Bundesligaverteidiger zumindest phasenweise unter Kontrolle gekriegt werden sollte. Doch Plattenhardt erstarrte regelrecht in einigen Aktionen vor Verzweiflung, weil er kaum Licht in der Verteidigung und Aufbauspiel sah.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Mit 71 Ballberührungen war der WM-2018-Teilnehmer einer der aktivsten Herthaner. Immerhin konnte er das Angriffsspiel dank seiner Stärke – Flanken – ein wenig ankurbeln. Vier Torschüsse bereitete er vor. Doch für viel Gefahr konnte er nicht sorgen. Immerhin schaffte er defensiv vier Klärungsaktionen und entschied zwei Tacklings für sich. Doch 17 Ballverluste auf so einer wichtigen Position sind ein Hilferuf. Plattenhardt ist es nicht gelungen, die Ausstrahlung eines Kapitäns zu verkörpern, für Sicherheit zu sorgen oder voranzugehen. Er schwimmt zu sehr mit, weil er aufgrund von Verletzungen und der eigenen Leistung viel zu viel mit sich selbst beschäftigt ist. Ein Umstand der vor der Saison bekannt hätte sein müssen.

Allgemein muss sich der Verein bezüglich der Position des Linksverteidigers stark selbst hinterfragen. Wie kann es sein, dass man über zwei Linksverteidiger verfügt, die sich seit etwa sieben Jahren in feiner Regelmäßigkeit abwechseln, nie aber so etwas wie einen Konkurrenzkampf beginnen? Auch Verpflichtungen, die jenen provozieren hätten können, schlugen fehl. Fredrik André Björkan verlässt nach nur einer halben Saison aufgrund fehlender Qualität wieder den Verein.

Kevin Prince Boateng, Marco Richter und Stevan Jovetic: Die Wechsel sorgen für Erfrischung

Sandro Schwarz wechselte während der Partie viermal. Bis auf Davie Selke konnten sie auch auf sich aufmerksam machen. Sie brachten Frische und Torgefahr mit und wurden gezielt, intelligent und nahezu ohne Verzweiflungstaten ins Spiel gebracht. Gerade Stevan Jovetic gelang es, wie schon in den Spielen zuvor, das Offensivspiel an sich zu reißen. Doch auch er scheiterte am starken Gregor Kobel. Man merkt Jovetic die Spielfreude an und sieht, welche Qualitäten noch in ihm stecken. Gegen Dortmund kam der letztjährige mit sechs Toren teaminterne Torschützenkönig nach 55 Minuten für Boetius in die Partie. Es kommt auf den körperlichen Zustand Jovetics an, wie viele Minuten er in der Lage ist, in den nächsten Wochen abzuspulen. Jede Sekunde, die er auf dem Feld steht, kann helfen. Bleibt zu hoffen, dass er entspannt bleibt und nicht wie letzte Saison in Frust verfällt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Kevin-Prince Boateng wurde nach 75 Minuten für Suat Serdar eingewechselt. Sein Beitrag war vor allem das Zerstören der Dortmunder Offensive. In seinen paar Minuten zog er vier Fouls. Er pushte seine Mitspieler, wusste das Spiel in der Schlussphase anzuheizen und war immerhin noch zehnmal am Ball. Er spielt neun Pässe, von denen sieben den Mitspieler fanden. Auch wenn er offensiv nichts ausrichten konnte, merkt man ihn die Lust und Leidenschaft an. Sein Herz brennt für Hertha. Doch wie bei Jovetic stellt sich jedes Spiel die Frage, wie viel der Körper noch mitmachen kann. Allein bei seinen Kurzeinsätzen verzichtet er auf lange Läufe. Seine Qualitäten erfrischen das Spiel der Hertha enorm. Doch für die Punkte kann er allein nicht mehr sorgen.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Für Marco Richter hätte es zum großen „Ausgerechnet-Moment“ kommen können. Es wäre eine beinahe kitschige, aber so wunderschöne Geschichte gewesen. Nach 75 Minuten betrat er das Spielfeld für Dodi Lukebakio. Der vor wenigen Wochen vom Hodentumor genesene Richter betrat unter tosenden Applaus das Spielfeld und hatte in der 79. Minute die Möglichkeit seinen Nachmittag zu vergolden. Doch Richters Schuss aus der Distanz wurde einmal mehr vom hervorragend reagierenden Kobel an die Latte gelenkt. Marco Richter zeigte, wie viel er dem Offensivspiel geben kann. Es kann allen Beteiligten nur guttun, wenn er für einen gewissen Konkurrenzkampf in der Offensive sorgt. Bei seinem Kurzauftritt war er neunmal am Ball, spielte drei von vier erfolgreichen Pässen und gewann 60 Prozent seiner Zweikämpfe. Es war toll ihn wieder auf dem Platz stehen zu sehen.

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Die wichtigen Spiele für Hertha kommen jetzt

Der Saisonstart ist, betrachtet man die Punkteausbeute, misslungen. Nur ein Punkt aus vier Spielen, ein Torverhältnis von 2:6, Derbyniederlage und das Aus im Pokal beim Tabellenletzten der 2. Bundesliga. Hertha steht nach vier Spieltagen auf einem direkten Abstiegsplatz. Doch ohne es schönreden oder nach Ausreden suchen zu wollen – die Niederlage gegen Dortmund hätte aufgrund des Chancenwuchers der Gäste viel höher ausfallen können – ist bis auf das Pokal-Aus nicht mit viel mehr zu rechnen gewesen. Im Gegenteil, der Punkt gegen Eintracht Frankfurt muss als Bonus gewertet werden.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Und die Fans, Spieler und Trainer scheinen genau das auch zu erkennen. Die Mannschaft musste im Sommer den dritten Umbruch in den letzten Jahren hinnehmen, ist noch in manchen Teilen in der Findungsphase, doch zeigt in vielen Bereichen mittlerweile Fortschritte. Herthas Konkurrenten sind in diesem Jahr nicht Union Berlin, Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach oder Borussia Dortmund. Die wichtigen Spiele, in denen gepunktet werden muss, folgen jetzt. In Augsburg kann die Mannschaft nächsten Sonntag beginnen die Tabelle von hinten aufzurollen und den Fans, die sie seit Wochen großartig unterstützen, etwas zurückgeben. Nun zählen keine Ausreden mehr.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den zweiten Matchball

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den zweiten Matchball

Ein fast ausverkauftes Olympiastadion. Prächtige Sonnenuntergangsatmosphäre, ein Spiel und Ziel wie gemalt für einen großen Abend, der Fans, Spieler und Stadt miteinander hätte verschmelzen lassen können. Es sollte nicht dazu kommen. Gegen den 1. FSV Mainz 05 verliert Hertha BSC letztendlich verdient mit 1:2. Ein Spiel, welches fast schon wieder ein Spiegelbild der gesamten Saison war.

Hertha wieder im 4-2-3-1, aber ungewöhnlich besetzt

Im üblichen 4-2-3-1 stellte Felix Magath das Team zum wiederholten Male auf. Aufgrund des Ausfalls des nicht mehr für die Partie rechtzeitig fit gewordenen Marvin Plattenhardts, stellte Felix Magath Marton Dardai als Linksverteidiger auf. Ein zunächst undefinierbarer Faktor, schließlich hatte das Innenverteidigertalent bisher nicht auf dieser Position gespielt und war wie so viele im Hertha-Team positionsfremd. Weshalb Maximilian Mittelstädt zum wiederholten Male nicht starten durfte, muss hinterfragt werden.

Im Tor stand wieder einmal Marcel Lotka, ansonsten sollte auch der Rest der Verteidigung bestehen bleiben. Auf rechts Peter Pekarik, in der Innenverteidigung Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf. Vor der Verteidigung agierten auf der Doppelsechs Santiago Ascacibar und Lucas Tousart. Kevin-Prince Boateng war wie in den letzten Partien im offensiven Mittelfeld zu finden, im Sturm Davie Selke. Auf der rechten Seite des Mittelfelds musste der erkältete Marco Richter ersetzt werden. Vladimir Darida sollte dies tun. Der Tscheche wurde also wie Suat Serdar wie so häufig positionsfremd eingesetzt.

In unserer heutigen Analyse schauen wie auf die verschiedenen positionsfremden Spieler, die hervorragend die katastrophale Kaderplanung dokumentieren. Auf einen kämpfenden Innenverteidiger, die Stürmer und eine schwer zu greifende Art von Hoffnung auf den Klassenerhalt.

Marton Dardai, Vladimir Darida, Suat Serdar: Verschenkt auf ihren Positionen

Alle drei Spieler sind auf ihren heimischen Positionen hervorragende Fußballer, die jedes Team bereichern können. Marton Dardai war als Linksverteidiger allerdings ein weiteres interessantes Positionsexperiment, welches sich ein Hertha-Trainer in dieser Saison wagte. Weil Marvin Plattenhardt aufgrund seiner muskulären Probleme nicht rechtzeitig fit wurde, sollte Dardai in die Bresche springen. Wieder einmal verzichtete Magath auf Mittelstädt als Linksverteidiger, den er erst nach über einer Stunde für Suat Serdar als linken Mittelfeldspieler einwechselte.

Bevor Marton Dardai angeschlagen ausgewechselt werden musste, spielte das Hertha-Talent immerhin 78 Minuten. Und er machte seine Arbeit in ungewohnter Rolle auch gar nicht schlecht. In der Defensive half er mit drei geklärten Aktionen, wagte vier Tacklings, fing zwei weitere Bälle gegen die Mainzer ab. Sechs seiner acht Zweikämpfe gewann er. 75 Prozent sind für einen Außenverteidiger eine sehr gute Quote. 64 Prozent, also 14 von 22 Pässen kamen beim Mitspieler an. Beim Gegentreffer zum 0:1 in der 25. Minute war er zu offensiv ausgerichtet, konnte keinen Druck mehr auf Silvan Widmer ausüben, dessen Hereingabe zum Schuss wurde und den schwer patzenden Marcel Lotka bezwang. Er zeigt sobald er spielt sein Talent, doch seine Qualität kann Dardai vor allem in der zentralen Defensive ausschöpfen. Aufgrund seiner Stärken am Ball wäre er sogar eine Option für das defensive Mittelfeld, aber auf den Außen ist der Mann einfach verschenkt.

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Selbiges gilt für Vladimir Darida und Suat Serdar, die seit Beginn der Saison unter allen Trainern in vielen Spielen positionsfremd agieren mussten. Mit Peter Pekarik stand letztendlich ein einziger gelernter Flügelspieler auf dem Feld. Noch dazu ein alternder, der kaum Dynamik ins Spiel bringen kann. Ein kapitaler Fehler Fredi Bobics in der Kaderplanung.

Beide bemühten sich wie immer um gute Einflüsse ins Spiel der Hertha. Darida verteilte viele Bälle, immerhin kamen 27 seiner 35 Pässe an. Allerdings ist seine Zweikampfquote von 44 Prozent ausbaufähig. Offensivpower konnte er praktisch keine aufbauen. Er war an keiner Torchance beteiligt. Konter über ihn verpufften aufgrund seines geringen Tempos und fehlenden Technik.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Ähnliches muss man über Suat Serdar sagen, der ehe er in der 67. Minute Maximilian Mittelstädt weichen musste, ziemlich blass blieb. Auch er gewann nur 40 Prozent seiner Zweikämpfe. Immerhin kamen neun seiner zwölf Pässe an, doch auch ihm gelang es kaum Szenen in der Offensive zu kreieren, daran änderte auch sein Schlenzer in der 30. Minute nichts.

Marc Oliver Kempf: Der Kampf und die Leidenschaft sind da – aber reicht das?

Marc Oliver Kempf durfte wieder über die vollen 90 Minuten spielen, ehe er kaputt und leer auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions zusammensackte. Es liegt natürlich vor allem an seinem körperbetonten und extrem risikoreichen Spiel, aber oftmals wirkt er wie der einzige Spieler auf dem Platz, der sich wirklich mit der kompletten Härte und Leidenschaft gegen eine Niederlage zu stemmen scheint.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Auch seine Zahlen sprechen zum Teil für ihn. Er konnte sechs Aktionen der Mainzer klären, fing weitere sechs Bälle ab. Achtmal ging er als Sieger aus Zweikämpfen. Damit gewann er 80 Prozent dieser, was für einen Innenverteidiger eine starke Quote ist. 22 seiner 31 Pässe fanden den Mitspieler. Doch trotz seiner 71 Prozent Passquote musste er auch zwölf Ballverluste hinnehmen, die sich gegen die Mainzer glücklicherweise nicht rächten.

Er scheint einer der wenigen zu sein, die mit freiem Kopf spielen. Die Frage ist, ob das im nächsten Spiel gegen eine wesentlich stärkere Dortmunder Offensive reicht?

Davie Selke, Ishak Belfodil, Luca Wollschläger: Zu viel Arbeit für das bisschen Ertrag

Herthas Offensivbemühungen gegen die 05er waren über Strecken sicherlich vorhanden, aber alles andere als wirklich torgefährlich. Wie schon über die gesamte Saison muss der Zufall beim Kreieren von Chancen ordentlich mithelfen. Und möglicherweise würden die Torchancen von eiskalten Stürmern auch ausgenutzt.

Doch die 5. Spielminute sprach Bände. Nachdem Davie Selke in aussichtsreicher Position vor dem Strafraum den Ball von Kevin-Prince Boateng bekam, hätte er sich durchaus noch ein paar Meter vorspielen können. Doch sein vollkommen überhasteter und letztendlich auch qualitativ schwach geschossener Ball rauschte deutlich am Tor vorbei. Es hätte die Eröffnung eines großartigen Fußballspiels werden können. Natürlich, das was Selke gut kann, kann man ihm nicht absprechen. Er reibt sich auf, ackert, nervt Gegenspieler und Schiedsrichter. Ihm gelang es zumindest Ansatzweise für Torgefahr zu sorgen, doch genau das ist die Aufgabe eines Stürmers und es sollte nicht zu Staunen führen. Doch leider tut es das in diesem Jahr bei Hertha BSC.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Er gewann 41 Prozent seiner Zweikämpfe, zog sechs Fouls, verlor zusätzlich elf Mal den Ball. Auch ein Davie Selke hatte schon für bessere Zahlen gesorgt. Immerhin konnte er sein Torekonto auf vier erhöhen. Den Elfmeter zum Ausgleich in der letzten Sekunde der ersten Halbzeit verwandelte er eiskalt. Doch auch dieses Tor konnten die Berliner nicht für eine Initialzündung oder einen Weckruf für die 2. Halbzeit nutzen. Selke ist sicherlich nicht schuld an dieser Saison, er hängt sich rein wo es nur geht, aber er ist eben auch ein Symptom dieser schwachen Mannschaft. Es ist im Endeffekt bezeichnend für Selke, dass sein Tor in der 89. Minute wegen eines unnötigen Stoßes gegen Aaron aberkannt wurde. Eine extrem harte, aber wahrscheinlich richtige Entscheidung.

Ishak Belfodil und Luca Wollschläger durften ab der 67. Minute bzw 88. Minute ebenfalls noch mitwirken. Während dem Algerier rein gar nichts Zählbares gelingen sollte, konnte der Jungspund in der 89. Minute mit einem Pfostenschuss aufhorchen lassen. Nachdem er sich in Bielefeld nicht traute zu schießen, tat er es gegen die Mainzer. Es war die richtige Entscheidung, Robin Zentner im Tor hätte keine Chance gehabt, doch bekanntlich ist das Glück des Tüchtigen. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Versuch.

Die Hoffnung war wieder da und ist es immer noch – Zurecht?

Hertha BSC galt für viele Fans nach der Entlassung von Tayfun Korkut als sicherer Absteiger. Zu schwach, zu tief im Schlamassel, zu wenig Team. Die Hoffnung auf eine Rettung war sehr gering. Und spätestens nach dem schrecklichen Debakel im Derby wollte man sich von allen Hoffnungen auf den Klassenverbleib verabschieden. Doch Felix Magath und Mark Fotheringham haben dem Team Leben eingehaucht. Sie haben die Mannschaft auf ihre geringsten Stärken reduziert, die mit einfachem Fußball Punkt um Punkt sammeln sollte.

Seit dem Derby konnten sieben von neun möglichen Punkten gegen direkte Abstiegskonkurrenten gesammelt werden. Hertha gelang es die Schlüsselspiele fast einwandfrei zu bestreiten. Den Fans wurde lange nicht mehr so große Hoffnung gemacht. In Bielefeld wurde in den letzten Minuten der Sieg aus den Händen gegeben, gegen Mainz schaffte man über die volle Spielzeit nicht einmal in die Nähe des Siegtreffers zu kommen. Auch auf die Schützenhilfe des eigentlich übermächtigen FC Bayern Münchens kann man sich dieser Tage nicht mehr verlassen. Die starke Punkteausbeute aus den letzten Spielen täuscht im Endeffekt nur darüber hinweg, was für eine schwache Saison die Berliner spielen, was die Tabellensituation aber hervorragend zeigt.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Das Spiel gegen Mainz war eigentlich perfekt dafür angerichtet, mit einem einzigen Punkt die Klasse zu halten. Ein fast ausverkauftes Olympiastadion. Dass es auch durch Freikarten dazu kam, geschenkt. Es hätte ein großer Abend werden können, an dem auch Leute, die eben wegen Freikarten ins Stadion gekommen waren, zu echten Fans hätten werden und zukünftig regelmäßig die Mannschaft unterstützen können. So schaffte es die Hertha den Druck nicht stand zu halten und lag nach einer schwachen, nicht bundesligatauglichen Leistung auf dem Rasen.

Auch wenn nach der Niederlage gegen den 1. FSV Mainz 05 Ernüchterung herrscht, hat Hertha BSC alles in der eigenen Hand. Gegen Borussia Dortmund am letzten Spieltag würde ein Punkt für die definitive Rettung reichen. Der VfB Stuttgart muss gegen den 1. FC Köln gewinnen um noch die Chance zu wahren, vom Relegationsplatz zu springen. Felix Magath hatte unter der Woche und auch nach dem Spiel gegen Mainz gesagt, dass er seit Wochen mit einem Relegations-Duell gegen den HSV plane und sich diesbezüglich jetzt sogar darauf vorbereiten würde. Sollte es zu dieser Konstellation kommen, müsste man sich als Herthaner wohl dankbar zeigen, dass man die Chance hat, über zwei weitere Spiele den Abstieg zu verhindern.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Das erste von drei Berliner Derbys in dieser Saison ist gespielt. In einer fragwürdiger Weise ausverkauftem Alten Försterei erlebte Hertha (mal wieder) ein uninspiriertes Duell gegen den Rivalen aus Köpenick. Wir wollen dennoch den Blick auf einige Herthaner und die wirklich wenigen Lichtblicke dieses Spiels werfen.

Peter Pekarik: Noch einer der besten

Dass hier der Name von Pekarik auftaucht ist symptomatisch für Hertha. Dass der Slowake auch mit 35 Jahren Stammspieler ist und dabei mit die besten Leistungen zeigt, lässt tief in die Kaderzusammenstellung der letzten Jahre blicken. Auch gegen Union war der dienstälteste Herthaner einer der auffälligsten Spieler der Blau-Weißen, hielt die rechte Seite dicht, wagte gelegentliche Vorstöße bis tief in die gegnerische Hälfte und flankte drei Mal.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Mit 29 von 33 angekommenen Pässen (88%) strahlte er zudem etwas Sicherheit aus. Krönung seiner Leistung war das aufgrund von Piateks Abseitsstellungen ein paar Spielsituationen vorher aberkannte Tor, welches den Spielverlauf potential hätte stark verändern können. Acht Ballverluste und nur 50% gewonnene Zweikämpfe (2 von 4) zeigen allerdings auch, dass Pekarik kein rundum gelungenes Spiel ablieferte.

Im Vergleich zu seinen Kollegen stach er dennoch in seinem Gesamteindruck positiv hervor. In der 70. Minute musste er aufgrund einer Systemumstellung den Platz für Jastrzembski machen.

Suat Serdar: Ohne ihn geht nichts

Und täglich grüßt das Serdar-Tier. Wie so oft war Suat Serdar der mit Abstand auffälligste Herthaner und wenn überhaupt etwas in der Offensive passierte, hatte Serdar seine Füße im Spiel.

Er gab zwei von acht Torschüssen ab, spielte zwei Schlüsselpässe und kurbelte das Spiel aus der Mitte heraus an. Er war es auch, der Pekarik in der 37. Minute in Szene setzte und dieser die bis dahin beste Chance im Spiel hatte (was ebenfalls noch einmal die gute Leistung von Pekarik hervorhebt). Mit nur vier von 15 gewonnen Duellen (27%) und einer Passquote von 59% (13 von 22) zeigte aber auch Serdar nicht sein bestes Spiel im Hertha-Dress.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Es bleibt dennoch festzuhalten, dass ohne ihn das im Koma liegende Offensivspiel der „Alten Dame“ ohne Zweifel endgültig tot wäre und der ehemalige Nationalspieler eines der ganz wenigen belebenden Elemente und absoluter Schlüsselspieler in dieser Saison ist. Er tut einem beinahe schon leid.

Santiago Ascacibar: So geht Derby

Es gibt kaum einen Spieler in Herthas Kader, der für ein Derby so sehr wie gemacht zu sein scheint, wie Santi Ascacibar. Und das zeigte sich einmal mehr in seinen überragenden Statistiken.

Mit 86 Pässen spielt er die zweitmeisten (nur Dardai hatte vier mehr), von denen 57 angekommen sind (84%). Auch von seinen langen Pässen landeten vier bei seinen Mitspielern Zudem hat der Argentinier trotz seine geringen Körpergröße fünf von sieben Kopfduellen gewonnen, im Gegenzug jedoch nur vier von neun Bodenduellen. Ein geklärter Ball, fünf abgefangene Bälle und ein Tackle unterstreichen seine ansonsten solide Defensivleistung allerdings, die bei nur ein Foul zudem äußerst fair stattfand.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Wenn der 24-Jährige weiterhin solche Leistungen abruft, wird es für Lucas Tousart zunehmend schwerer, seinen Stammplatz auf der Sechs zurückzuerobern, solange Dardai nicht wie heute mit einer Doppelsechs spielt.

Im Gegenzug zu vielen seiner Teamkollegen wirkte „Santi“ wie einer der wenigen, der erkannt hat welch eminent wichtiges Spiel heute stattfand und agierte bissig und kämpferisch, konnte sich alleine aber auch nicht mehr gegen die Niederlage stemmen.

Und dann waren da noch …

Marton Dardai: Nachdem Dardai schon am letzten Spieltag durch ein Foul in der Nachspielzeit den Leverkusener Ausgleich (mit-)verursachte, läutete er die gestrige Niederlage durch einen haarsträubenden Fehler in der 9. Minute ein. Der 19-Jährige ist vergleichsweise neu in der Bundesliga, „Wachstumsschmerzen“ sind daher zu erwarten und gehören ein Stück weit dazu. Hinzukommt, dass Dardai zuletzt immer wieder körperlich bedingt ausfiel – in der Länderspielpause musste er mit Erkältung von der U21 abreisen – und dadurch wenig Rhythmus hat.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Maxi Mittelstädt: Zeigt auf der offensiven linken Außenbahn weiterhin seine gute Form, schlug drei Flanken und hatte eine Passquote von 74%. Wenn in der 1. Halbzeit offensiv etwas passierte, so war es meist über Mittelstädt. Warum er in der 60. Minute weichen musste, erschließt sich von Außen nicht. Vermutlich, weil auch seine offensiven Ideen zu nichts führten.

Alexander Schwolow: Obwohl Schwolow auch in dieser Saison noch nicht 100% in Berlin angekommen zu sein scheint, lieferte er heute ein solides Spiel ab. Für die zwei Gegentore trug er keine Verantwortung. Gegen Kruse hielt er zwei Mal sehr stark und durch ein gut antizipiertes Herauslaufen in der 70. Minute konnte er ein 1 gegen 1 in einer Unioner Kontersituation präventiv verhindern.

[Titelbild: Martin Rose/Getty Images]

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Innenverteidigung

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Innenverteidigung

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Begonnen hatten wir mit der Torhüter-Position. Nun widmen wir uns der blau-weißen Innenverteidigung. Auf dieser Position hat es in der abgelaufenen Saison zahlreiche Änderungen und vielleicht sogar schon einen Generationswechsel gegeben.

Jordan Torunarigha – (wieder) viel Verletzungspech

Wie für den gesamten Verein Hertha BSC lief die Saison 2020/2021 auch für Jordan Torunarigha insgesamt enttäuschend. Als klarer Stammspieler war „Air Jordan“ in die Spielzeit gestartet, schien alles vorbereitet für den Schritt zum Hertha-Leistungsträger.

Als Nebenmann von Dedryck Boyata hatte Torunarigha gegen Ende der Vorsaison nicht nur defensiv stabile und fehlerlose Leistungen abgeliefert, sondern insbesondere mit seinem Spielaufbau für Aufsehen gesorgt. Neben vielen guten Verlagerungen und Laserpässen hatte Torunarigha mit seinen Dribblings bis tief in die gegnerische Hälfte häufig dafür gesorgt, dass Herthas manchmal arg statisches und einfallsloses Aufbauspiel an Dynamik gewann.

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Foto: IMAGO

Zu Saisonbeginn schien Karim Rekik zunächst Torunarighas einziger Konkurrent im Kampf um den Platz in der linken Innenverteidigung zu sein. Mit einer enttäuschenden Leistung beim Erstrundenaus im DFB-Pokal untermauerte dieser allerdings eher den Status von Herthas Nummer 25. Nachdem er im DFB-Pokal noch seine lächerliche Sperre hatte absitzen müssen, konnte Torunarigha somit erst am ersten Bundesliga-Spieltag in Bremen in die neue Saison starten. Bei Herthas 4:1-Auswärtssieg fiel er nicht groß auf – für einen Innenverteidiger eher Kompliment als Kritik.

Bereits das zweite Spiel gegen Eintracht Frankfurt war für Torunarigha im Rückblick der „Kipp-Punkt“ der Saison. Im Spiel gegen Frankfurt verletzte sich der 23-Jährige am Syndesmoseband. Besonders schmerzte der Ausfall, weil sich Torunarigha gegen die Eintracht extrem stark präsentierte. Hertha verlor das Spiel zwar, mit seinem Aufbauspiel war der Innenverteidiger aber einmalmehr eine der Lichtblicke bei Hertha. An diesem Abend schaltete er sich auch immer wieder in der höchsten Angriffszone ein, das einzige Tor für Hertha fiel nach einer seiner Hereingaben. Mit dieser Sicherheit und spielerischen Klasse sollte man Torunarigha bis zum Saisonende nicht mehr erleben.

Leichte Formverbesserung Torunarighas unter Dardai

Kurz vor seiner Rückkehr nach dem Syndesmoseband-Anriss gab es für Torunarigha dann schon den nächsten Rückschlag in Form einer Corona-Infektion. Nicht nur sein Comeback verzögerte sich nochmals, auch seine Auftritte litten zunächst unter dieser verlängerten Pause. Zwar kehrte er im Dezember in die Hertha-Startelf zurück, allerdings war ihm sowohl die Stabilität als auch sein Spielwitz abhandengekommen – der Verteidiger wirkte blass und unsicher. In Torunarighas Abwesenheit war mit Omar Alderete ein neuer Konkurrent zu Herthas Kader gestoßen und hatte Karim Rekik ersetzt. Nach mehreren wackligen Auftritten entschloss sich der damalige Trainer Bruno Labbadia deshalb, Torunarigha wieder durch Alderete zu ersetzen.

Nach der Rückkehr von Pál Dárdai, unter dem Torunarigha einst seinen Durchbruch bei den Profis gefeiert hatte, rotierte er dann zunächst zurück in die Startelf. Zum Rückrundenbeginn lieferte er gegen Frankfurt und Bayern zumindest solide Spiele ab. Aber es kam, wie es kommen musste – Torunarigha verletzte sich erneut, dieses Mal an der Hüfte. Erst im Saisonendspurt kehrte er wieder zurück, da sich aber inzwischen mit Márton Dárdai die Überraschung der Saison auf seiner etatmäßigen Position festgespielt hatte, blieb Herthas Nummer 25 fortan nicht mehr als die Rolle als Rotationsspieler und Joker. Nur gegen Freiburg konnte Torunarigha sein volles Potenzial auf ungewohnter Position als Linksverteidiger nochmal aufblitzen lassen.

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Dass die Saison für Torunarigha absolut mies lief, illustrieren auch seine Statistiken. Seine Zweikampfquote fiel von 53 auf 34 Prozent, bei den Kopfballduellen liegen 54 Prozent deutlich unter den 74 der Vorsaison. Spielte Torunarigha 2019/2020 noch 4.3 lange Bälle pro Spiel (mit einer Erfolgsquote von 60 Prozent), waren es 2020/2021 nur noch 2.2 – und nicht mal jeder zweite Versuch kam an. Klar ist: Mit Torunarigha brach Hertha bereits am zweiten Spieltag eine wichtige Stütze aus der Defensiv-Achse weg. Mit Sicherheit war dies weder der erste, noch der einzige Grund für Herthas enttäuschende Saison. Trotzdem fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass 2020/2021 mit einem durchgehend fitten Torunarigha in Top-Form wohl anders gelaufen wäre.

Omar Alderete – eine durchwachsene Debütsaison für Hertha

Erst am spätesten Deadline-Day der jüngeren Bundesliga-Geschichte, dem 15. Oktober, stieß Omar Alderete zu Herthas Mannschaft. Der Paraguayer kam für ungefähr sechs Millionen Euro aus Basel – und wurde direkt gebraucht. Durch die Verletzung von Jordan Torunarigha und den Abgang von Karim Rekik wurde Alderete nach nur kurzer Eingewöhnungszeit schon eine knappe Woche später ins kalte Wasser geschmissen.

In den folgenden Wochen konnte man bei Alderete ein Phänomen beobachten, dass bei vielen Last-Minute-Neuzugängen auftritt: Der Neuzugang startete mit überzeugenden Auftritten im Hertha-Trikot, obwohl er Abläufe und Mannschaft zu diesem Zeitpunkt kaum kannte. Auch in seinen ersten Spielen machte der Paraguayer zwar bei weitem nicht alles richtig, trotzdem lieferte er zunächst solide ab. Beim 2:5 gegen Borussia Dortmund machte er wie auch Herthas andere Abwehrspieler ein schwaches Spiel. Tendenziell hatte man zu diesem Zeitpunkt der Saison das Gefühl, dass Alderete nach gutem Start bald in das für Neuzugänge nicht ganz unübliche Leistungsloch fallen würde.

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Exakt zu Torunarighas Rückkehr Anfang Dezember fiel Alderete dann allerdings erstmal aus – und rückte erst in den letzten Spielen unter der Regie von Bruno Labbadia wieder in die Startelf, der ihn nach seiner Genesung wieder Jordan Torunarigha vorzog. „Jordany“ war zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit in schwacher Form. Trotzdem zeigte Alderetes Comeback, welch hohes Standing er bei Labbadia genoss.

Alderete: Zwischen Genie und Wahnsinn

Unter Pál Dárdai hatte Alderete allerdings schnell einen schweren Stand. Gegen den VfB Stuttgart durfte er zwar von Beginn an spielen, wurde im Nachgang des Spiels allerdings öffentlich von seinem Trainer angezählt. Der Grund: Alderete hatte das Spiel entgegen von Dárdais Wunsch immer wieder durch die Mitte eröffnet und sich damit nicht an die taktischen Vorgaben gehalten. Dárdai Senior beförderte als Konsequenz Dárdai Junior in die Startelf, an ihm kam Alderete bis Saisonende nicht mehr vorbei. Einzig in den finalen englischen Wochen im Abstiegskampf kam der 24-Jährige wieder zum Einsatz. Mit seinen Leistungen gegen Freiburg, Schalke und Köln stellte er unter Beweis, dass er für Hertha allemal ein guter Back-Up ist.

Seinen Ruf, dass er besonders zweikampf- und kopfballstark sei, konnte Alderete in seiner Debütsaison in Blau-Weiß noch nicht rechtfertigen. Mit 51 Prozent Zweikampfquote liegt er unter Herthas Innenverteidigern auf Platz 3. Ebenfalls 51 Prozent gewonnene Luftduelle sind gleichbedeutend mit Platz drei – vor seinen Konkurrenten Torunarigha und Dárdai. In diesem Bereich hätte der 24-Jährige mit Sicherheit besser abgeschnitten, wenn nicht auch Unkonzentriertheit und Schlampigkeit Teil seines Spiels wären. Sein Passspiel und Spielaufbau sind sehr risikofreudig. Vielen Hertha-Fans sind wohl noch einige Szenen aus der vergangenen Spielzeit in Erinnerung, in denen seine flachen Pässe durchs Zentrum fast eine Katastrophe ausgelöst hätten. Mit 80 Prozent hat Alderete passenderweise auch die schwächste Passquote unter Herthas Innenverteidigern.

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In der finalen Bewertung von Alderetes zugegebenermaßen nicht optimal gelaufener ersten Hertha-Saison darf man allerdings auch nicht vergessen, wie die äußeren Begleitumstände für den Paraguayer aussahen: Erst eine Saison hatte er zuvor in Europa gespielt, in der im Vergleich eher schwächeren Schweizer Super League. Erst am letzten Tag der Transferperiode stieß er zu einem Team, in dem zu diesem Zeitpunkt keine Hierarchie vorhanden war. Dazu die Corona-Pandemie – für Alderete war die erste Saison in Deutschland mit Sicherheit keine einfache. Sollte der Paraguayer also auch über den Sommer bei Hertha bleiben, kann man sich durchaus Hoffnung machen, dass er in der Zukunft noch bessere Leistungen als 2020/2021 zeigt.

Márton Dárdai – die Hertha-Neuentdeckung

Auf Instagram wurde er zu Herthas Spieler der Saison gewählt, kurz vor Saisonende verlängerte er seinen Vertrag. Die Rede ist, na klar, von Márton Dárdai. Seit Saisonbeginn befand sich der mittlere der Dárdai-Söhne im Dunstkreis des Hertha-Kaders, kam in der Hinrunde unter Bruno Labbadia zu zwei Kurzeinsätzen.

Die Leistungsexplosion, mit der deutsche U19-Nationalspieler im letzten Saisondrittel entscheidenden Anteil an einer erstarkten Hertha-Defensive hatte, kam für die meisten Fans eher überraschend. Nachdem Pál Dárdai ihn quasi aus dem Nichts gegen RB Leipzig in die Startelf beordert hatte, verpasste Dárdai Junior nur noch drei Spiele, zwei davon verletzungsbedingt. Von seiner ersten Startelfminute an machte Dárdai den Eindruck, keinerlei Anpassungsprobleme ans Profi-Level zu haben. Defensiv machte er stets einen souveränen und abgeklärten Eindruck, der größte Zugewinn für Hertha waren trotzdem seine Qualitäten im Spielaufbau. Auch wenn er eine andere Stilistik mitbringt als ein Jordan Torunarigha in Topform, half er Hertha mit seinen präzisen langen Bällen und Verlagerungen sehr weiter.

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Dabei strahlte er zudem eine Ruhe aus, die für sein Alter zumindest ungewöhnlich scheint. Nie hatte man den Eindruck, da stünde ein Spieler mit weniger als einem Dutzend Bundesliga-Partien auf dem Platz. Dárdai vollbrachte keine Wunderdinge und sorgte auch nicht mit Dribblings tief in die gegnerische Hälfte für Furore. Aber er war mit gerade mal 19 Jahren eine feste Konstante in einem Team, das mitten im Abstiegskampf steckte. Noch dazu mit der Schwierigkeit, als Trainersohn besonders kritisch beäugt zu werden – Dárdais Leistungen kann man kaum hoch genug einschätzen.

Dardai muss sein Niveau langfristig bestätigen und an Schwächen arbeiten

Als der 19-Jährige gegen RB Leipzig zum ersten Mal die Hertha-Standards trat, dürfte der eine oder andere Fan doof aus der Wäsche geschaut haben. Ein Ecken tretender Innenverteidiger? Wo gibts denn sowas? Bei Hertha, und hoffentlich noch lange. Denn in den finalen Spielen hatte man immer mehr den Eindruck, dass Dárdais Standards für Gefahr sorgten. So bereitete er zum Beispiel das wichtige Tor von Lucas Tousart in Mainz vor.

Eine der kleinen Schwächen, die Dárdai hat, ist allerdings sein Kopfballspiel. Mit nur knapp 29 Prozent gewonnener Duelle liegt er in dieser Kategorie deutlich hinter Herthas anderen Innenverteidigern zurück. Ein weiteres Argument dafür, dass er auch in Zukunft die Freistöße und Ecken schießen darf? In anderen Rubriken wie Pass- oder Zweikampf-Quote (82 bzw. 51 Prozent) liegt Dárdai im Vergleich mit seinen Konkurrenten im Mittelfeld. Bei den langen Bällen ragt er dafür heraus: Mit fünf erfolgreichen langen Pässen pro Spiel liegt er deutlich vor den anderen Innenverteidigern bei Hertha. Der Wert ist mehr als das Doppelte vor dem Jordan Torunarighas. Auch seine Quote kann sich mit 58 Prozent hier sehen lassen.

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Trotz einer tollen Durchbruchs-Saison tut man als Hertha-Fan aber gut daran, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben. In der Vorbereitung wird es für Dárdai zunächst einmal darum gehen, seinen Stammplatz gegen die starke Konkurrenz zu behaupten – das wird schwer genug. Bei seinem noch extrem jungen Alter ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass Dárdai irgendwann in der kommenden Saison ein kleineres oder größeres Leistungsloch haben wird. Mit Pál Dárdai steht aber der perfekte Förderer bereit, der die Eigengewächse in Herthas Kader nicht fallen lassen wird – sein Sohn Márton gehört aktuell zu den vielversprechendsten.

Niklas Stark – Saisonstart auf ungewohnter Position

“Es wäre legitim, Niklas Stark als Gesicht der vergangenen Saison heranzuziehen: Mit ordentlich Potenzial unter der Haube hoffnungsvoll in die Spielzeit gestartet, brutal aufs Gesicht gefallen, Verletzungsprobleme, mehr Enttäuschungen als alles andere, letztendlich aber ein versöhnliches Ende, das Hoffnung für die kommende Saison macht”, lautete die Einleitung in der Vorjahres-Kaderanalyse zu Niklas Stark. Man hätte diese Worte für die abgelaufene Saison wohl nahezu kopieren können und es wäre kaum jemanden aufgefallen.

Denn erneut hatten sich Hertha und Stark für diese Spielzeit viel vorgenommen. Hertha wollte die europäischen Plätze angreifen, Stark den nächsten Schritt in seiner Karriere machen und sich weiter in der deutschen Nationalmannschaft etablieren – schließlich würde eine Europameisterschaft im Sommer 2021 anstehen. Doch wie schon 2019/20 kam alles anders bzw. schlechter. In der Vorsaison hatte sich Stark in ein Formloch Marke Mariannengraben gespielt. Der Vizekapitän wurde zu solch einem Unsicherheitsfaktor, dass er den Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung gegen Torunarigha und Boyata verlor. Herthas damaliger Trainer Bruno Labbadia entschied sich daraufhin, Stark im Saisonendspurt stattdessen im defensiven Mittelfeld auflaufen zu lassen. Auf dieser Position sollte der zweifache Nationalspieler dann auch in die abgelaufene Spielzeit gehen.

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In seinem Amt als Vizekapitän bestätigt, wurde Stark von Labbadia beinahe die gesamte erste Halbserie auf der “Sechs” eingesetzt. Elf der 13 ersten Bundesliga-Partien bestritt der gelernte Innenverteidiger vor und nicht in der Abwehr. Labbadia schätzte die defensive Stabilität, die Stark mit sich brachte. Zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison war Herthas größtes Manko die fehlende Balance im Spiel. Spielten die Blau-Weißen offensiv, ging dies sehr zu Lasten der Defensivkompaktheit. Hier leistete Stark Abhilfe. Er nahm die klassische (und mittlerweile eher veraltete) Rolle des Abräumers ein. Stark sollte sich vor allem um Defensivaufgaben kümmern, Konter abfangen, Luftduelle gewinnen und zur Not mit in die Abwehr rücken. Im Ballbesitz hielt sich Stark dafür sehr zurück (Mittellinie ist Lava), der Ball wurde meist sehr schnell und uninspiriert weitergeleitet.

Stark findet unter Dardai zu alter Stärke

Es war alles andere als spektakulär, Stark bei seiner Arbeit im defensiven Mittelfeld zuzuschauen. Der 26-Jährige arbeitete eben mehr als er spielte. Gegen den Ball konnten ihm kaum Vorwürfe gemacht werden, er stabilisierte das so wackelige Gebilde sichtlich. Das Spiel mit dem Ball aber ging Stark vollkommen ab, sodass wenig Kreativität aus dem Mittelfeldzentrum heraus zu erwarten war. Endlos viele lange Bälle chippte Stark in der ersten Saisonphase zum Gegner. Stark auf der Sechs spielen zu lassen, hatte allerdings den positiven Nebeneffekt, dass er nach seiner grausigen Vorsaison vorsichtig wieder an das Spiel gewöhnt wurde. Als Mittelfeldspieler konnte er all die Defensivaufgaben eines Innenverteidigers mimen, ohne aber das Risiko des “letzten Mannes”. Stark wuchs auf der Sechs wieder in seine angestammte Rolle des Innenverteidigers hinein.

Davon profitierte Pal Dardai nach dem Trainerwechsel. Stark hatte schon in den letzten Spielen Labbadias wieder als Teil der Abwehrreihe fungiert – Dardai machte keine Anstalten, daran etwas zu ändern. Der Ungar kennt Stark exzellent und vertraute ihm bedenkenlos, als er ihn zum festen Bestandteil der neuen Achse machte. Dardai setzte ab dessen viertem Spiel gegen RB Leipzig auf eine Dreierkette mit überraschender Besetzung: Stark, Dardai und Lukas Klünter. Die drei Defensivspieler ergänzten sich hervorragend. Dardai war vor allem für die Spieleröffnung zuständig, der so schnelle Klünter für die Laufduelle, sodass sich Stark voll und ganz auf seine Kerngebiete konzentrieren konnte. Als eine Art Schlachtturm war Stark vor allem für direkte Zweikämpfe, Luftduelle und Blocks verantwortlich. Er sollte immer einen Fuß oder Kopf in den Offensivaktionen des Gegners haben, stets nahe am Gegenmann sein.

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In diese Rolle wuchs Stark mit jedem Spiel besser hinein. Es war bemerkenswerte Entwicklung bei ihm zu beobachten. Vor nicht allzu langer Zeit schlotterten Hertha-Fans noch die Knie, wenn es darum ging, dass Stark im entscheidenden Moment da sein musste. Zu viele individuelle Fehler waren ihm über mehr als ein Jahr unterlaufen. Nun aber konnte man sich sicher sein, dass Stark die Situation unter Kontrolle bekommen wird. Der 26-Jährige war im letzten Saisondrittel endlich wieder der Rückhalt, den man so lange vermisst hatte. Darüber hinaus war auch eine menschliche Weiterentwicklung zu erkennen. Früher oftmals im Chaos mit untergegangen, agierte Stark unter Dardai tatsächlich als klarer Führungsspieler. Er wurde seinem Amt als Kapitän vollends gerecht, indem er auf dem Feld dirigierte, Mitspieler wachrüttelte, motivierte und empathische Interviews gab. Er wurde eine echte Persönlichkeit auf dem Platz. Stark schien sich nun endlich wieder voll und ganz mit Hertha zu identifizieren.

Diese enorme Leistungssteigerung und das Hineinwachsen in die Führungsrolle lassen darauf hoffen, dass Stark nun einen wichtigen Entwicklungsschritt seiner Karriere vollbracht hat – etwas, von dem er selbst und Hertha profitieren. Es scheint gut möglich, dass Stark in der kommenden Saison nicht nur Vize- sondern alleiniger Kapitän wird und damit ein nicht wegzudenkender Teil der neuen Hertha-Achse.

Dedryck Boyata – Kein geeigneter Hertha-Kapitän?

“Auch wenn zwei der vier Profi-Innenverteidiger bei Hertha eine Saison zum Vergessen hinter sich haben, ist hier keine Baustelle aufzumachen”, schrieben wir noch im vergangenen Sommer. Mit Torunarigha und Boyata schien sich nach Bundesliga-Restart ein solch starkes Innenverteidiger-Duo gefunden zu haben, dass auch in der kommenden Saison kein Weg an ihnen vorbeiführen sollte. Wie bereits bei Torunarigha angerissen, hatte das Verletzungspech einen anderen Plan und machte auch Boyata keinen Halt.

Dabei begann die Saison für den Belgier so vielversprechend. Erst vor einem Jahr wurde Boyata von Glasgow nach Berlin gewechselt, doch aufgrund seiner konstant starken Leistungen aus der Vorsaison wurde der 30-Jährige zum neuen Hertha-Kapitän gewählt. Damals erschien der Abwehrmann als logische Wahl. Schließlich ging er mit Leistung voran, zudem spricht er gleich mehrere Sprachen. Mit all seiner (internationalen) Erfahrung sollte er neu zusammengewürfelte Mannschaft anführen.

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Dass die Entscheidung, Boyata zum Kapitän zu ernennen, allerdings nicht mit vollster Überzeugung getroffen wurde, legt allein der Zeitpunkt schon offen. Am ersten Spieltag gegen Werder Bremen war es noch der letztjährige Vize-Kapitän Stark, der die Binde trug. Trainer und Mannschaft hatten sich bis dahin immer noch nicht auf einen Spielführer einigen können. Die Saison sollte in der Retrospektive zeigen, weshalb Boyata damals als die wohl einzige, im nachhinein aber falsche Option für dieses Amt gewesen ist.

Boyata konnte seine starke Debütsaison nicht bestätigen

Diese Einschätzung ist zum einen in Boyatas Leistungskurve begründet. Eines der großen Argumente für das Kapitänsamt wird gewesen sein, dass man in dem belgischen Nationalspieler einen herausragenden Rückhalt hat. “Mit einer überragenden Konstanz und allen nötigen Werkzeugen eines Innenverteidigers hat Boyata sich seinen Stammplatz in der Innenverteidigung redlich verdient”, hieß es in unserer letztjährigen Analyse. “In einer mehr als turbulenten Saison mit teils vogelwilden Auftritten und sich immer wieder verändernden Aufstellungen war auf den 29-Jährigen stets Verlass.” Diese Bewertung lässt sich jedoch nicht auf die abgelaufene Spielzeit übertragen.

Boyata kam nämlich, wie die gesamte Mannschaft, nicht gut in die Saison. Zwar wurde das Auftaktspiel gewonnen, doch danach folgten zunächst fünf Spiele ohne einen weiteren Sieg. Dies lag auch an den schwachen Defensivleistungen der Berliner. Elf (!) Gegentore kassierte Hertha in den genannten Partien. Die Abwehr schwamm gewaltig, sie war vielmehr ein ständiger Gefahrenherd als sicherer Rückhalt. Boyata gelang es keineswegs, seiner Abwehrreihe zu stabilisieren, der Neu-Kapitän ging eher mit im Chaos unter. So verursachte er beispielsweise gegen Eintracht Frankfurt (1:3) einen Elfmeter, der zur SGE-Führung führte. In dieser Saisonphase ließ Boyata all die Eigenschaften vermissen, die ihn in der Vorsaison so stark gemacht hatten.

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Das belegen allein die Zahlen schon eindrucksvoll, denn Boyata hat sich in sämtlichen Defensivdisziplinen – im Vergleich zur Vorsaison – verschlechtert. Von durchschnittlich 2,2 abgefangenen Bällen ging es runter auf 1,4 pro Spiel. Tackles brachte er nur noch 0,7 statt 0,9 pro Partie durch. Die Klärungen sanken sogar von 5,6 auf 3,5. Sicherlich muss auch bei Boyata das Verletzungspech berücksichtigt werden. Der Verteidiger fehlte Hertha vom 14. bis zum 28. Spieltag der vergangenen Saison. Ein Ermüdungsbruch setzte ihn für knapp drei Monate außer Gefecht. Wer weiß, wie lange Boyata schon vor dieser Diagnose mit körperlichen Problemen, die seine Leistung beeinträchtigt haben könnten, zu kämpfen hatte. Doch wie Boyata mit dieser Verletzung umgegangen ist, ist das zweite gewichtige Argument dafür, dass er seiner Kapitänsrolle nicht gerecht geworden ist.

Verlässt Boyata Hertha nach nur zwei Jahren?

Anstatt alles daran zu setzen, die Verletzung vernünftig auszukurieren und dem in Abstiegsnot befindenden Team schnellstmöglich wieder zu helfen, entschied sich Boyata dafür, voreilig zur Nationalmannschaft zu reisen. Dort kam der Routinier auch zum Einsatz, um sich dadurch aber einen Muskelfaserriss zuzuziehen. Der Körper war noch nicht bereit. Ein Umstand, der Trainer Dardai maßlos verärgerte. Man hätte Boyata bei Hertha wohl deutlich dringender gebraucht als bei Belgien. So verpasste der Abwehrspieler drei weitere Trainingswochen und zwei zusätzliche Spiele.

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Man kann Boyata allerdings zugute halten, dass er nach seiner Rückkehr noch einmal wichtig für Hertha wurde. In dem engen Spielrhythmus nach der Quarantäne griff Dardai auch auf den etatmäßigen Kapitän zurück, der Anfangs zwar noch ziemlich wackelte, mit jedem Spiel aber sicherer wurde. Mit seinem Tor gegen Schalke trug Boyata sogar sehr aktiv zum Klassenerhalt bei. Unvergessen ist der Moment, als Boyata nach Abpfiff völlig ausgelaugt zusammensank – er hatte alles gegeben und war seiner Führungsrolle wirklich gerecht geworden.

Doch wie geht es nun mit Boyata bei Hertha weiter? Medienberichten zufolge könnte er Berlin verlassen, der Verein soll bei einem passenden Angebot gesprächsbereit sein – sein Vertrag läuft 2022 aus. Der Zweikampf mit Stark scheint verloren, auch wenn die Karten in der Sommervorbereitung stets neu gemischt werden und Dinge wie Verletzungen immer passieren können. Dennoch scheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich Boyata bei der EM für neue Aufgaben empfiehlt und Hertha den Generationswechsel in der Innenverteidigung weiter vorantreibt. Wie so oft muss man abwarten. Die vergangene Saison lässt einen zumindest mit gemischten Gefühlen zurück.

Lukas Klünter – Comeback auf überraschender Position

Jemanden, den man bei der Kaderanalyse zuvor nicht für die Innenverteidigung vorgesehen hatte, ist Lukas Klünter. Einst wurde der Ex-Kölner für die Rechtsverteidiger-Position verpflichtet, doch dort scheint der 25-Jährige immer weniger Licht zu sehen. Deyovaisio Zeefuik ist offensiv vielseitiger, Peter Pekarik taktisch disziplinierter. Die Aussichten, in der Saison auf Einsatzminuten zu kamen, sahen also düster aus.

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Dies bestätigte sich unter Bruno Labbadia auch zunächst. Bis zum 19. Spieltag – als Dardai übernahm – stand Klünter nicht eine einzige Minute auf dem Feld. “Klünti” stand sogar nur fünfmal überhaupt im Kader. Bis dahin spielte der so schnelle Abwehrspieler keinerlei sportliche Rolle für Hertha. Mit dem Trainerwechsel veränderte sich jedoch alles. Gleich im ersten Spiel unter Dardai stand Klünter in der Startelf – erstmals seit März 2020, also fast einem Jahr. Im Spiel gegen die Eintracht wurde er allerdings noch als Rechtsverteidiger eingesetzt. Sobald Dardai aber auf Dreierkette umgestellt hatte, fand sich Klünter in der Innenverteidigung wieder.

Die Aufgabenverteilung war klar: Klünter sollte Schienenspieler Zeefuik Rückendeckung für dessen Offensivläufe geben. Mit seiner herausragenden Schnelligkeit war er exzellent darin, gegnerische Konter im Laufduell abzufangen. So schenkte Klünter Herthas Defensive eine neue Stabilität, da diese deutlich seltener überspielt werden konnte. Dabei agierte Klünter wenig spektakulär, teilweise fiel in einem Spiel kaum auf (was nichts schlechtes ist). Dardai wusste, dass Klünter weniger im direkten Zweikampf und vielmehr in Laufduellen seine Stärke hat, weshalb er vor allem Stark ersteres übernehmen ließ. Klünter sollte vor allem auf sein Positionsspiel achten und Lücken in der Abwehr zulaufen. Diesen “einfachen” Auftrag erledigte er überaus diszipliniert.

Wo liegt die Zukunft von Klünter?

Nun stellt sich auch bei Klünter die Frage nach der Aussicht für die kommende Spielzeit. Auf der Rechtsverteidiger-Position wird er erneut kaum eine Perspektive haben. Zeefuik hat sich zwar noch nicht vollends etabliert, wird aber vorgezogen werden. Dazu wird Pekarik seinen Vertrag wohl noch einmal um ein Jahr verlängern. Darüber hinaus ist nicht klar, ob sich Hertha auf dieser Position nicht noch einmal verstärken will.

So bliebe eigentlich nur ein Platz in der Innenverteidigung. Doch auch dort wird es Klünter nicht leicht haben. Dardai, Torunarigha und Stark werden ihm vorgezogen werden, womöglich bleibt Boyata auch oder jemand neues kommt noch hinzu. Allerdings ist die Bewertung Klünters eine andere. Der 25-Jährige wird womöglich gar nicht an den Anspruch haben, absoluter Stammspieler zu sein – auch solche Profis braucht man im Kader.

Wenn die vergangene Saison eins gezeigt hat, dann: Jeder im Kader wird gebraucht und auf Klünter ist im Zweifelsfall Verlass. Das wird Dardai sehr an ihm schätzen, sodass Klünter wohl wieder öfter auf der Bank sitzen, aber auch auf seine Minuten kommen wird. Eigenschaften wie Teamgeist, Einsatzwille und Professionalität werden von ihm vorgelebt und genau das braucht eine Mannschaft.

Text von: Marc Schwitzky & Simon

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