Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Nachdem Hertha BSC in den letzten Wochen drei Matchbälle im Kampf um den Klassenerhalt verspielt hatte, steht man nun genau da, wo man niemals hinwollte, am Abgrund. Es fehlt nicht mehr viel. Gegen den Hamburger SV zeigten 76.000 Fans im ausverkauften Olympiastadion, was ihnen der Fußball, die beiden Vereine und die Bundesligazugehörigkeit bedeuten. Doch lediglich die vielen Zuschauer*Innen zeigten sich an diesem Abend erstligatauglich. Auf dem Rasen präsentierten sich zwei klassische Zweitliga-Mannschaften.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Magath experimentiert mit Personal und System

Dass mit Santiago Ascacibar ein wichtiger Baustein der Achse, die sich bei Hertha im Schlussspurt der Saison gebildet hatte, gelbgesperrt fehlen würde und ersetzt werden müsse, war im Vorfeld klar. Doch Anstatt ihn 1:1 zu ersetzen, was in Anbetracht des restlichen Kaders möglich gewesen wäre, baute Felix Magath auch das System um. In einem 4-2-2-2-System, also in der Tayfun-Korkut-Gedächtnis-Formation, stellte er die Mannschaft auf.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Der mit einer Gehirnerschütterung und einem Nasenbeinbruch ausfallende Torhüter Marcel Lotka wurde durch Oliver Christensen ersetzt. Er war damit der dritte Torhüter, den die Berliner in dieser Saison aus Verletzungsgründen einsetzen mussten. Im Vergleich zum Spiel in Dortmund blieb gegen den HSV die verteidigende Viererkette unberührt. Marvin Plattenhardt, Marc Oliver Kempf. Dedryck Boyata und Peter Pekarik sollten wie üblich den Ball vom Tor fernhalten. Im zentralen Mittelfeld ersetzte Niklas Stark nach einigen Erkältungstagen den gesperrten Santi Ascacibar. Daneben Lucas Tousart, der im Vergleich der kreativere Spieler ist. Davor sollten auf den Außen Maximilian Mittelstädt und Suat Serdar agieren. Im Sturm setzte Magath auf eine Doppelspitze um Ishak Belfodil und Jungspund Luca Wollschläger. Davie Selke fiel weiterhin mit muskulären Problemen aus.

Wir schauen in unserer heutigen Analyse auf die schwache Innenverteidigung, den ebenso schwachen Sturm, den dritten Torhüter der Saison, die Kämpfer in dieser schweren Situation, einen Streit von Alphatieren, der letztendlich genickbrechend ist und was noch ein letzten Fünkchen Hoffnung bietet.

Marc Oliver Kempf und Dedryck Boyata: Die gute Form ist weg

Das Innenverteidiger-Duo zeigte gegen den Hamburger SV aus welchem Grund auch immer eine Leistung, die an alte Korkut-Zeiten erinnerte. Beide waren stark überfordert mit den eigentlich ebenso zahnlosen Angriffen der Hanseaten.

Marc Oliver Kempf rutschte häufig in seine gefährlichen Aktionen ab, die ihn in der Vergangenheit schon negativ ausgezeichnet haben. Er hatte die meiste Zeit über deutliche Schwierigkeiten bei seinen Aktionen. Auch wenn er zwei Bälle klären und zwei weitere abfangen konnte, lieferte er kaum entlastende Momente. Dass er 44 Mal am Ball war und 34 seiner 38 Pässe beim richtigen Mann unter kamen, hat leider nichts mit Aktionen zu tun, die ein sehenswertes Angriffsspiel einleiten würden. Vielmehr handelte es sich um ideenloses Hintenrumgespiele mit seinen verteidigenden Kollegen. Immerhin brachte er drei von fünf langen Bällen an den Mann. Nennenswert für Aufsehen konnte er aber auch damit nicht sorgen. Ein neuer Unsicherheitsfaktor, der sich zwischendurch stabilisiert hatte.

Auch der Hertha-Kapitän Dedryck Boyata zeigte wieder altbekannte Schwächen. Auch er ging oft ungestüm zu Werke, ließ Kommunikation vermissen, lief viel dem Gegner hinterher und hatte in der 49. Minute sogar noch Glück bei seinem unnötigen Foul gegen Miro Muheim. Wäre sein Fuß bei der Aktion ein wenig höher oder tiefer gewesen, hätte sogar ein Platzverweis gedroht. So war der Belgier mit der gelben Karte gut bedient. Im Angriffskuddelmuddel des HSV schaffte er es oft noch irgendwie seine Füße dazwischen zu kriegen und schlimmeres zu verhindern. Er klärte fünf Bälle, fing vier weitere ab. Allerdings gewann er lediglich einen von drei Zweikämpfen. Eine schwache Quote, die er aber auch nicht zu verbessern im Stande war, da er kein Interesse an diesen Aktionen hatte. Wie Kollege Kempf hatte er massig Ballaktionen. 50 waren es bei ihm, 36 Pässe spielte er. 28 fanden den Mitspieler, auch hier wieder eher die Nebenmänner in der Verteidigung. Es war eine schwache Leistung eines untergehenden Kapitäns.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ishak Belfodil: Allein auf weiter Flur

Bayerns Trainer Julian Nagelsmann sagte vor einigen Monaten, Ishak Belfodil sei einer der unterschätztesten Stürmer der Bundesliga. Unter ihm hatte der Algerier einst ein prächtiges Jahr in Hoffenheim gespielt. Und auch bei Hertha zeigte er in dieser Saison oft seine Klasse. Immerhin kam er auf fünf Bundesliga-Treffer. Bei Herthas spielerisch nicht vorhandener Offensive ist das tatsächlich eine beachtliche Ausbeute. Ihn zeichnen Technik und Wille aus und beides zeigte er auch in diesem Spiel. Technisch war er der beste Herthaner, kämpfte um die Bälle, wusste sie zu behandeln und zu verwerten. Doch er war dabei allein auf weiter Flur. Das übliche Problem, dass er sich die Bälle aus der Tiefe oder von den Außen holen musste, bestand weiterhin und konnte unter der gesamten Saison nur sehr selten abgestellt werden. Die 44. Minute hätte sein goldener Moment werden können, als er Plattenhardts Flanke mit einem feinen Kopfball ins rechte Eck verwandelte. Leider stand er hauchzart im Abseits. In seinen 80 Minuten war er engagiert und motiviert, letztendlich aber glücklos.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Sehenswert war seine Aktion in der 61. Minute, als er sich ein Herz nahm und die Verteidiger Vuskovic und Schonlau auf der rechten Seite stehen ließ und mit Haken sich in den Strafraum dribbelte. Doch wie viele andere Spieler an dem Abend hatte auch er Probleme mit dem nassen Rasen und rutschte weg, was die Situation zusätzlich erschwerte. Trotzdem zwang er mit einem Schuss aufs rechte Eck Torhüter Heuer Fernandes zu einer Parade. Insgesamt gewann er allerdings auch nur zwei seiner sieben Dribblings. Doch die Mannschaft suchte ihn, 43 Aktionen hatte er. 16 Bälle verteilte er, zwölf kamen an. Seine 75 Prozent Passquote zeigen seine technischen Fähigkeiten und die hohe Konzentration, mit der er zu Werke ging. Doch auch er verlor 19 Mal den Ball und wurde mit zunehmender Spieldauer deutlich müder. Im Endeffekt sollten ihm und Stevan Jovetic im Rückspiel alle Freiheiten gelassen werden, um offensiv etwas zu Stande zu bringen.

Oliver Christensen: Einer für die Hertha-Zukunft

Oliver Christensen hatte gegen den HSV seinen ersten Profi-Einsatz für Hertha BSC. Viele Verletzungen und ein sich festgespielter Marcel Lotka hatten diesen Einsatz bisher verhindert. Und dafür, dass sein erster Einsatz in so einer Drucksituation stattfand, machte er seine Sache gut. Die Hamburger zwangen ihn zwar auch nur selten zu Paraden, doch das, was er auf sein Tor bekam, wurde von ihm verwertet. Dass ein Spieler, der noch nie auf diesem Niveau gespielt hatte, weiche Knie oder Anlaufschwierigkeiten haben würde, war klar. Doch auch die wusste er zu unterbinden.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Die Rot-Hosen liefen den Dänen immer wieder extrem an, er schaffte es die Situationen allesamt zu lösen. Er konnte 14 von 34 Pässen an den Mann bringen. 41 Prozent sind nicht viel, aber eine akzeptable Quote für einen Torhüter, der ständig unter Druck gesetzt wird. Zusätzlich wurde er zu zwei Paraden gezwungen, auch war sein Stellungsspiel einwandfrei. Bei weiteren Spielen bekommt auch Christensen die nötige Routine um dauerhaft auf einem Bundesliga- oder Zweitliganiveau mithalten zu können. Also egal in welche Richtung sich die Personalie Marcel Lotka entwickelt, auf der Torhüter-Position scheint die Hertha aktuell keine allzu großen Baustellen zu haben.

Lucas Tousart und Peter Pekarik: Immerhin mit Kampf und Leidenschaft

Sie sind sicherlich nicht die größten Zauberer am Ball, aber sie sind Kämpfer. Sie stellen sich gegen alles, was ihnen in den Weg kommt, ignorieren den entstehenden Schmerz und teilen auch selbst sehr gerne aus.

Lucas Tousart ackerte und mühte sich ab, ging in enorm viele Zweikämpfe. 13 seiner 20 Duelle gewann er. Er war praktisch überall zu sehen und wirkte, als würde er den Part seines sonstiges Partners Ascacibar einfach mitmachen. Am Ball war er über 50 Mal. 78 Prozent angekommener Pässe – 21 von 27 – sind ebenfalls eine sehenswerte Quote. Er ging zusätzlich in fünf Tacklings und lief über 11,7 km. Drei von drei Dribblings beendete er erfolgreich. Doch das sind zwar alles schöne Zahlen und die Leistung Tousarts darf man auch durchaus loben, doch was nützt es wenn auch er letztendlich keinen Funken Offensivpower ausstrahlt? Trotzdem einer der besten Herthaner auf dem Feld. Beim Treffer konnte er Ludovit Reis nicht mehr an der abrutschenden Flanke hindern. Ihm da aber eine wirkliche Mitschuld zu unterstellen, wäre hart.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Dauerbrenner Peter Pekarik ackerte ebenfalls über die volle Distanz. Mit 65 Aktionen war er einer der aktivsten Herthaner, gewann fünf seiner sieben Zweikämpfe. Und spielte 23 von 31 erfolgreichen Pässe. Viermal versuchte er es mit langen Bällen. Zwei kamen immerhin an. Außerdem fing er vier Bälle ab, doch auch 13 Ballverluste musste der nimmermüde Pekarik hinnehmen. In der 57. Minute konnte er den Pass auf der Außenbahn von Vorlagengeber Mulheim auf den Torschützen Ludovit Reis nicht verhindern. Zusätzlich hatte er großes Glück, dass bereits vor seinem Handspiel in der 32. Minute, welches einen Elfmeter zu Folge gehabt hätte, bereits der Hamburger Maximilian Rohr mit der Hand am Ball war.

Kevin Prince Boateng und Felix Magath: Kriegt euch (für Hertha) ein!

Während die Mannschaft mit jedem Spiel dem Abstieg näher entgegentaumelt, scheint nun wieder einmal ein Nebenschauplatz im Verein eröffnet zu sein. Die Kabinenfehde zwischen Kevin Prince Boateng und Felix Magath könnte durchaus schlimmeres angerichtet haben, als zunächst angenommen.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Und sie passt ins Bild. Felix Magath ist kein wirklicher Teil dieses Hertha-Teams, er wirkt nahezu so, als wäre ihm das Ergebnis seiner Arbeit gar nicht mal so wichtig. Mittlerweile hält er sich an Minihoffnungen und einfachen Glücksmomenten fest. Ihm fehlen sämtliche Argumente, die er in fehlenden Spielern, wie Santiago Ascacibar sucht. Seine Experimente mit jungen Spielern mögen gut gemeint sein, helfen im Abstiegskampf allerdings nicht weiter. Luca Wollschlägers Einsatz war ähnlich fragwürdig wie Julian Eitschbergers im Derby gegen Union Berlin. Seine Wechsel gegen Hamburg verpufften entweder relativ wirkungslos (Stevan Jovetic, Marco Richter, Myziane Maolida) oder sorgten in Form von Linus Gechter zunächst für extreme Unsicherheit in der Defensive. Möglicherweise wäre Vladimir Darida die sichere Wahl gewesen.

Boateng dagegen, der zumindest in der ersten Halbzeit noch motivierte und gestikulierte, saß spätestens ab der zweiten Hälfte gefrustet auf der Bank ohne jene Coaching-Elemente zu verkörpern, die ihn in dieser Saison ausgezeichnet haben. Will man die Hypothek aus dem Hinspiel in Hamburg noch umbiegen, braucht man ein intaktes Team und keine Alphatierschlacht. Aktuell scheinen individuelle Interessen aber größer zu sein.

Santiago Ascacibar und Davie Selke: Das letzte Fünkchen Hoffnung

Wenn die Hoffnungen von Hertha wirklich auf Santiago Ascacibar und Davie Selke liegen, brennt es wirklich. Ascacibar wird im Rückspiel ziemlich sicher seine Position im defensiven Mittelfeld zurückbekommen. Davie Selke wird ebenfalls große Chancen auf ein paar Minuten haben, sofern er fit ist. Beide stehen für Kampf und Leidenschaft. Beide motivieren, betreiben Psychotricks ob mental oder körperlich und beide können genauso individuelle Momente kreieren.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Aber das alles ist ein viel zu großes Fragezeichen. Aktuell bietet wenig Hoffnung, wenn die beiden in der Lage sein sollten, das Spiel der Mannschaft an sich zu reißen oder mit ihren Stärken den HSV vor ernsthafte Probleme zu stellen, gleicht das möglicherweise einem Wunder. Die Hoffnung bleibt trotzdem.

Der Abstieg naht – doch die Hoffnung bleibt bis zur aller letzten Sekunde

Diese Mannschaft kann es nicht. Sie ist weder spielerisch, körperlich noch psychisch dazu in der Lage ein großes Spiel in ihre Richtung zu lenken. Das hat sie in dieser Saison in drei Derbys, in drei Matchball-Spielen und gegen den HSV eindrucksvoll bewiesen. Ein vollkommen schief zusammengestellter Kader konnte von keinem Trainer in dieser Saison so aufgestellt werden, dass er ernsthaft wettbewerbsfähig ist. Unter Pal Dardai noch am ehesten, doch der ist bekanntlich seit einigen Monaten raus. Der Abstieg in die Zweitklassigkeit steht bevor, da braucht man sich nichts vormachen.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Doch am Montag sitzen wir wieder alle zusammen vor den TV-Geräten, lieben und hassen diesen Verein, verzweifeln oder jubeln oder stehen in Hamburg im Block und feuern die Mannschaft an. So lange auch nur der kleinste Funken Hoffnung besteht, müssen die Fans und die Mannschaft dran glauben und gemeinsam für den Klassenerhalt arbeiten.

[Titelbild: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images]

Drei Thesen für Hertha BSC – Hamburger SV

Drei Thesen für Hertha BSC – Hamburger SV

Das Finale der Europa League ist vorbei – an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an Eintracht Frankfurt und seine Fans – die Relegation steht an. Also vom Himmel zur Hölle. Es geht um eines der beiden wichtigsten Spiele der jüngeren Vereinsgeschichten für Hertha BSC und den Hamburger SV. Das Relegations-Hinspiel wird am heutigen Abend im Berliner Olympiastadion ausgetragen und die beiden größten Städte Deutschlands elektrisieren. Für das Spiel haben wir drei Thesen aufgestellt.

Das Olympiastadion wird zum Hexenkessel

Sie wird wieder zuschlagen. Die Macht des Olympiastadions. Das Stadion wird ausverkauft sein, die Fans beider Lager werden für eine enorme Stimmung sorgen und das Stadion zu einem Hexenkessel verwandeln und einen entscheidenden Einfluss auf das Spiel haben. Es handelt sich um zwei extrem leidgeprüfte Fangruppen von Vereinen, mit riesiger Tradition und Strahlkraft. Die Aufgabe der Mannschaften wird es sein, die Stimmung auf das eigene Spiel zu übertragen.

hertha

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Das Team, welches das gelingt, steht dem Sieg deutlich näher. Um sich durch die Stimmung aber nicht lähmen zu lassen, gilt es einen freien und fokussierten Kopf zu bewahren und das Spiel als Geschenk und Chance anzunehmen. Trotz der schlechten Saison könnten einzelne Herthaner zu Legenden aufsteigen und bis in alle Ewigkeiten als große Retter angesehen werden.

Das Endergebnis wird mehr als nur eine Tendenz zeigen

Das Hinspiel der Relegation wird das entscheidende Spiel. Der Sieger wird mit mindestens zwei Toren Vorsprung, eher drei Toren Vorsprung den Platz verlassen. Angetrieben von der Stimmung und sich in einen Rausch spielend wird die in Führung gehende Mannschaft einen Zusammenbruch des Gegners ausnutzen und mit Leidenschaft das Spiel an sich reißen und für ein klares Ergebnis sorgen. Die beiden Mannschaften werden spielerisch und mental perfekt eingestellt sein, doch Nuancen und kleinste Fehler werden entscheidend sein.

Herthas individuelle Klasse wird entscheidend sein

Die Mannschaft, die eben jene Nuancen und Fehler nutzen wird, ist Hertha BSC. Die Teamleistung ließ in dieser Saison über die meiste Zeit zu wünschen übrig, erst in den letzten Wochen wuchs die Mannschaft zu einem Team zusammen und bildete eine Achse. Gegen die Hamburger werden individuelle Momente entscheidend sein. Kevin Prince Boateng wird Steckpässe spielen, Ishak Belfodil, Stevan Jovetic und Suat Serdar werden mit dem Ball und ihrer individuellen Klasse für enorme Torgefahr sorgen. Vladimir Darida, Dedryck Boyata und Peter Pekarik werden mit ihrer Erfahrung für Ruhe und Stabilität in der Defensive sorgen. Hertha wird zeigen, wer seit neun Jahren Bundesligist ist und wer seit vier Jahren Zweiligist.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Matchball vergeben

Herthaner im Fokus: Matchball vergeben

Hertha BSC spielt in Bielefeld 1:1. Und man muss angesichts der schwachen Bielefelder Offensive von „nur“ 1:1 sprechen. Die Berliner haben mit dem Remis in Ostwestfalen ihren ersten Matchball im Kampf um den Klassenerhalt vergeben. Doch die Chancen nächstes Jahr in der Bundesliga zu spielen, stehen weiterhin gut, weshalb nach dem Spiel absolut keine Trübsal geblasen, sondern die kämpferische Ausstrahlung der letzten Wochen weiterhin nach außen gezeigt wurde.

Auf der Bielefelder Alm hielt Felix Magath so gut es ging an seiner Startelf fest, die sich mittlerweile festgespielt hat. Im Tor Marcel Lotka, die Viererkette bestehend aus Marvin Plattenhardt, Dedryck Boyata, Marc Oliver Kempf und Peter Pekarik und die davor spielende Doppelsechs um Lucas Tousart und Santiago Ascacibar. Kevin Prince Boateng durfte wieder die Zügel im offensiven Mittelfeld halten, auf der linken Seite agierte Suat Serdar und auf der rechten Seite kam es zum einzigen Wechsel in der Startelf. Marco Richter ersetzte den gelbgesperrten Vladimir Darida, nachdem er selbst seine Gelbsperre abgesessen hatte. Vorne im Sturm vertraute Magath auf die Stärken von Davie Selke.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf die Garanten im Abstiegskampf, eine Hertha-Legende und Magaths gefährlichen Ritt auf der Rasierklinge.

Marvin Plattenhardt und Lucas Tousart: Die einfachen Tugenden müssen es sein

Marvin Plattenhardt und Lucas Tousart zeigen seit Wochen worauf es im Abstiegskampf ankommt. Nicht auf das schöne Spiel, sondern auf das geringste Spiel. Es geht um Einsatzwillen, um kluge Entscheidungen und im Endeffekt auch ganz nüchtern um Standardsituationen. Zusammen waren sie gegen Bielefeld das Duo, welches für den wichtigen Berliner Führungstreffer zuständig war.

Marvin Plattenhardt durfte wie üblich als Linksverteidiger agieren und dabei fast schon als Schienenspieler fungieren, während der auf dem Papier als linker Mittelfeldspieler eingesetzte Suat Serdar immer wieder in die Mitte zog. Gegen Bielefeld reichte über 71 Minuten eine durchschnittliche Leistung, um für Gefahr zu sorgen. Zunächst hätte es in der 23. Minute zur selben Kombination wie schon gegen Stuttgart kommen können. Die hervorragende Flanke Plattenhardts konnte Selke allerdings nicht verwerten. Seinen Kopfball aus kürzester Distanz hielt Torhüter Stefan Ortega stark per Fußabwehr.

hertha
(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Plattenhardt war an 48 Aktionen beteiligt, bemühte sich, gewann zwei seiner vier Zweikämpfe. Sein Aufblühen in den letzten Wochen liegt natürlich vor allem daran, dass er an seinen Stärken aus früheren Tagen anknüpft. Aktuell scheinen seine Leistungen für den Klassenerhalt am Ende zu reichen, doch muss man anmerken, dass die letzten Spiele vor allem gegen individuell schwächere Gegner absolviert wurden. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich das Spiel Plattenhardts gegen das scheinbar wiedererstarkte Mainz 05 entfaltet. Aber bekanntlich reicht manchmal schon nur eine gelungene Flanke.

Lucas Tousart war nach 55 Minuten der Nutznießer einer eben solchen gelungenen Flanke. Die Ecke von Marvin Plattenhardt konnte er aus wenigen Metern Entfernung einnicken, nachdem er sich im Strafraum von Patrick Wimmers Deckung befreien konnte. Der Franzose, der die komplette Spielzeit über auf dem Feld ackern durfte, lief wieder einmal seine obligatorischen zwölf km.

hertha
(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Er war 57 Mal am Ball, verteilte diesen so gut es ging. 73 Prozent, also 22 seiner 30 Pässe fanden den richtigen Mitspieler. Eine durchaus vernünftige Quote, die ihn als ballverteilenden Akteur bezeichnen lässt. Wie schon gegen Stuttgart war seine Zweikampfquote nicht die beste. Nur 48 Prozent gewann er – es waren aber meist die entscheidenden. Zweimal zog er ein Foul, auch er selbst wurde zweimal unfair vom Ball getrennt. Er kämpfte und arbeitete, ging gegen seine Gegenspieler dreimal ins Tackling und zeigte seine Motivation, im Abstiegskampf zu helfen. Da scheint jemand in Berlin und im Team angekommen zu sein.

Peter Pekarik: Dauerbrenner und Mr. Hertha BSC

Peter Pekarik spielt mittlerweile seit 10 Jahren in Berlin. Der Slowake gilt als Hertha-Legende. Inklusive des einen Jahres, welches er damals noch in der 2. Bundesliga für die „Alte Dame“ absolvierte, war der Auftritt gegen Arminia Bielefeld sein 200. Liga-Einsatz für Hertha BSC. Wettbewerbsübergreifend kommt er sogar auf 217 Spiele für die Blau-Weißen. Auch am Samstag lief er über 90 Minuten die rechte Seite hoch und runter. Es war bereits sein 25. Einsatz in dieser Saison.

In der Rückrunde hatte er nur am 19. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg auf Grund einer Corona-Infektion gefehlt. Seitdem Felix Magath an der Seitenlinie das sagen hat, spielte der Rechtsverteidiger alle Spiele durch. Erstaunlich für einen 35 jährigen. Es ist natürlich auch ein riesen Großer Mangel im Kader der Hertha, dass man uneingeschränkt auf die Leistungen Pekariks angewiesen ist, doch der zeigt eben jene auch mit seiner üblichen Verlässlichkeit.

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Zwar hat er mit dem Alter deutlich an Schnelligkeit eingebüßt, ist weniger wendig, tut sich oftmals im direkten Duell schwer, doch auch auf der Alm lief er stolze 11,5 km. Er gewann vier seiner neun Zweikämpfe, brachte 67 Prozent, also 22 von 33 Pässen an den Mann und behielt nach 24 Minuten die Übersicht, als er Davie Selke in Szene setzte, dessen Flachschuss auf das rechte Toreck aber von Ortega gehalten wurde.

Das Gegentor in der ersten Minute der Nachspielzeit muss aber auch er sich ankreiden lassen. Seine Zweikampfhaltung war in dieser Situation viel zu passiv. Die Folge war, dass ihm Joakim Nilsson entlief, der die Flanke von Robin Hack sehenswert einköpfte. Generell stand dieses Duell unter keinem guten Stern für Pekarik. Nach 58 Minuten hatte er Glück, dass Schiedsrichter Deniz Aytekin den Kontakt Pekariks an Nilssons Ferse nach VAR-Eingriff nicht als Foul wertete. Es wäre allerdings auch eine sehr harte, aber eben nicht falsche Entscheidung gewesen.

Fredrik André Bjørkan und Maximilian Mittelstädt: Zu kompliziert

Fredrik André Bjørkan und Maximilian Mittelstädt haben gegen Arminia Bielefeld praktisch mit ihren eigenen Aktionen gezeigt, weshalb es aktuell richtig ist, dass Felix Magath auf Marvin Plattenhardt setzt.

Bjørkan kam nach 71 Minuten für eben jenen Plattenhardt. Sein Auftritt war solide, mehr aber auch nicht. Die Bielefelder machten es ihm eigentlich nicht schwer, doch einfaches zustellen, ließ den Norweger schnell ins Schwitzen kommen. Immerhin gewann er zwei seiner vier Zweikämpfe und konnte elf von dreizehn Pässen an den Mann bringen. Doch der Großteil der Pässe waren eher sichere Bälle über wenige Meter.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In der Defensive fing er immerhin noch drei Bälle ab. Gerade in der Offensive gelang ihm allerdings einfach zu wenig. Er brachte zu wenig Tempo ins Spiel, agierte zu kompliziert, traute sich im eins gegen eins zu wenig und schien zu viel nachzudenken. Immer wieder konnte er sich auf der linken Seite durchsetzen, brach dann allerdings seine Aktion ab oder brauchte zu lange den Anspielpartner zu finden. Sein Auftritt verpuffte letztendlich wirkungslos.

Maximilian Mittelstädt kam erst nach 85 Minuten für Suat Serdar ins Spiel. Felix Magath sieht Mittelstädt weniger auf der linken Seite in der Verteidigung, sondern mehr eine Position weiter vorne. Doch leider zeigte Mittelstädt in den wenigen Einsatzminuten, warum er die meiste Zeit seiner Karriere eher hinten eingesetzt wird.

hertha
(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Die offensive Routine fehlte ihm bei der riesigen Möglichkeit in der 88. Minute zusammen mit Luca Wollschläger. Auch sein Eckball kurz vor Schluss war ein schwacher Versuch nochmal in der Offensive etwas auszurichten. Mittelstädt ist in dieser Saison klar zum Führungsspieler herangewachsen und hat persönlich und spielerisch einen großen Schub gemacht, doch im Abstiegskampf geht es letztendlich um andere spielerische Aspekte, die ihm aktuell einen Stammplatz und Einsatzminuten kosten.  

Luca Wollschläger vs. Ishak Belfodil: Magaths gefährlicher Tanz auf der Rasierklinge

Felix Magath ist dafür bekannt bei seinen Stationen immer wieder jungen Spielern Chancen zu geben. Gegen Leverkusen durfte Marten Winkler Einsatzminuten sammeln, im Derby gegen Union Berlin feierte Julian Eitschberger sein Profidebüt in der Verteidigung, Anton Kade kam unter dem neuen Trainergespann auch schon dreimal zum Einsatz. Gegen Bielefeld kam ein weiterer Jungspund zu seinem Profidebüt. Der 19-jährige Stürmer Luca Wollschläger, der gegen den VfB Stuttgart in der letzten Woche bereits auf der Bank saß, bekam auf der Alm seine ersten zwölf Bundesligaminuten

Und er zeigte sich engagiert, lief viel, machte Bälle fest und ließ ohne Zweifel sein enormes Potential aufhorchen. Als Wollschläger in der 78. Minute für Davie Selke eingewechselt wurde und zuvor mit Niklas Stark, Fredrik André Bjørkan und Linus Gechter drei defensive Spieler bereits aufs Feld kamen, war die Devise relativ klar. Die knappe 1:0-Führung sollte über die Zeit gebracht werden. Um auf die letzten Minuten noch ein wenig Schwung in den Sturm zu bringen, setzte Magath auf das Talent Wollschlägers.

In der 88. Minute hätte Wollschläger dieses Vertrauen direkt mit einem Tor zurückzahlen und seinem Trainer mit dieser risikoreichen Entscheidung Recht geben können. Die riesige Möglichkeit zum 2:0 vergaben er und Maximilian Mittelstädt relativ kläglich. Vermutlich wäre ein Schuss aufs Tor direkt durch Wollschläger die richtige Entscheidung gewesen. So kam es wie es kommen musste. Wenige Minuten später erkämpfte sich Bielefeld den späten Ausgleich.

Die Kritik soll dabei keinesfalls an Luca Wollschläger und Maximilian Mittelstädt gehen. Eher an Felix Magath. Warum wird in einem solchen Spiel auf einen 19-jährigen Debütanten gesetzt und nicht auf einen erfahrenen Stürmer wie Ishak Belfodil, der über das gesamte Spiel nur auf der Bank saß? Wenn Belfodil nicht in Magaths System passt oder er ihm möglicherweise charakterliche Defizite unterstellt, warum ist er dann im Kader? Wie gesagt, wenn Wollschläger trifft, ist Magath der gefeierte Jugendförderer, so hat er sich leider verzockt. Der Treffer wäre wahrscheinlich der wichtigste der Saison gewesen.

Konzentration und Party gegen Mainz

Die Hertha hat den Matchball vergeben, allerdings wäre man auch bei einem Sieg auf Grund des Remis des VfB Stuttgarts gegen den VfL Wolfsburg nicht gänzlich gerettet gewesen. Die Situation im Abstiegskampf hat sich für die Berliner keinesfalls verschlechtert, sie ist genau gleich geblieben. Gegen den FSV Mainz 05 kann die Mannschaft aus eigener Kraft den Klassenerhalt feiern. Der VfB Stuttgart muss am folgenden Tag beim FC Bayern München antreten. Sollten die Bayern nach ihrem Meistertitel und der Niederlage in Mainz das Spiel ernst nehmen, dürfte dem Klassenerhalt am nächsten Wochenende nichts mehr im Wege stehen.

hertha
(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Doch schöner, als auf der Couch in der Liga zu bleiben, wäre eine bundesligataugliche Leistung im 18:30-Uhr-Spiel am Samstag. Das Spiel gegen die Mainzer wird enorme Konzentration und höchste Disziplin erfordern. Im entscheidenden Spiel der Saison brauch es keine personellen oder taktischen Experimente, die Leitlinie der letzten Wochen sollte nicht verlassen werden. Ein gut gefülltes und lautes Olympiastadion wird wie gegen den VfB Stuttgart entscheidend beim Klassenerhalt mithelfen. Es ist alles angerichtet. Ein Sieg gegen Mainz und einer großen Party und der endgültigen Versöhnung mit den Fans steht nichts mehr im Wege.

[Titelbild: Christof Koepsel/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Korkut provozierte seinen Rauswurf

Herthaner im Fokus: Korkut provozierte seinen Rauswurf

Tayfun Korkut ist nicht mehr. Die Rausschmiss hat sich bereits länger angedeutet, der finale Todesstoß war jedoch der apathische Auftritt Herthas bei Borussia Mönchengladbach. 0:2 verlieren die Berliner und man wird das Gefühl nicht los, dass es mit Ansage passiert ist. Wir blicken auf das Spiel, einzelne Akteure und den am Sonntag entlassenen Trainer.

Korkut wählte mit der Mauertaktik sein eigenes Ende

Ein Krisenduell, was in den Gazetten zuvor bereits als Schicksalsspiel für die jeweiligen Trainer betitelt wurde – und die Qualität des Spiels zeigte, das nicht gelogen wurde und es sich genau darum handelte. Borussia Mönchengladbach empfing unsere Hertha. Zwei der größten Schießbuden der Liga, die in den letzten Wochen viele Niederlagen und noch mehr Gegentore kassierten.

Während der eine Trainer, Adi Hütter, Corona-bedingt kaum in sein Schicksal eingreifen und nicht an der Seitenlinie stehen konnte, begann der andere, Tayfun Korkut, das Spiel mit einer stark umgebauten Mannschaft und rief mit dem 5-3-2 eigentlich nur eine einzige Devise aus: Eine stabile Defensive, alles andere sollte erstmal anscheinend egal sein. Im Tor stand wie zuletzt wieder das Talent Marcel Lotka, was überraschend war, da sich der Stammtorhüter Alexander Schwolow nach seiner Corona-Infektion wieder ins Mannschaftstraining begeben konnte.

korkut
(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Die Fünferkette bot ebenfalls die ein oder andere Überraschung. Kapitän Dedryck Boyata wurde für seine grausame Leistung gegen Frankfurt lediglich mit einem Platz auf der Bank bedacht, Marc Oliver Kempf, Niklas Stark und Linus Gechter bildeten die Innenverteidigung. Peter Pekarik war als rechter Schienenspieler eingeplant, auf der linken Seite Marvin Plattenhardt. Auch hier kann man nur munkeln, weshalb er den Vorzug vor dem wohl besten Herthaner der letzten Monate, Maximilian Mittelstädt, bekam. Das Mittelfeld, bestehend aus Vladimir Darida, Santi Ascacibar und Lucas Tousart sollte einzig und allein zu defensiven Stabilität dienen, großartige Beiträge in der Offensive konnten sie auch nicht bieten. In der Spitze stellte Tayfun Korkut mit Davie Selke und Ishak Belfodil zwei Stürmer, die regelrecht vom Rest der Mannschaft isoliert waren, auf.

Auf dem Papier steht letztendlich nach der 0:2-Niederlage in Mönchengladbach die 7. Niederlage im 9. Spiel der Rückrunde. Wir schauen heute auf den verpufften Systemwechsel, fragen uns nach welchem Prinzip die Spieler für den Kader ausgewählt werden und wer dringend endlich spielen muss und das auch auf der richtigen Position, um endlich dem Team entscheidend im Abstiegskampf helfen zu können.

Marvin Plattenhardt und Peter Pekarik: Völlig verloren auf ihren Posten

Es ist keine Neuigkeit, dass Peter Pekariks und Marvin Plattenhardts Qualitäten in der Offensive stark begrenzt sind. Auch ein Tayfun Korkut sollte das wissen. Wenn es ihm bewusst war, dann stellt sich die Frage, weshalb die beiden als Schienenspieler im 5-3-2- respektive 3-5-2-System fungieren sollten. Möglicherweise war deren beider einzige Aufgabe lediglich in der Defensive auszuhelfen. Aber auch dabei sahen sie gegen das Tempo von Marcus Thuram und Allassane Plea ziemlich alt aus.

Bisher waren Maximilian Mittelstädt und Fredrik-André Bjørkan zumindest in dieser Funktion die bessere Wahl. Bjørkan stand das zweite Spiel in Folge nicht einmal im Kader. Mittelstädt, der sich in jedem Spiel aufreibt, der aktivste und beste Herthaner der letzten Woche und Monate war und mittlerweile ein Führungsspieler des Teams ist, musste 90 Minuten auf der Bank sitzen. Weshalb ist bisher ungeklärt.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Und dabei hat Marvin Plattenhardt sogar relativ okay gespielt. Zumindest wenn man ihn mit dem Durchschnitt des Teams vergleicht. 83 Prozent seiner Pässe sind angekommen, nur vier verfehlten sein Ziel. Zwei seiner drei Zweikämpfe gewann er und seine Eckstöße hatten eine bessere Qualität als zuletzt. Nur leider war es das im Endeffekt schon. 16 Ballverluste sind einfach zu viel gegen eine Offensive, wie die Gladbacher haben. Er biss sich an seinen Flankenversuchen die Zähne aus, sobald er auch nur etwas bedrängt wurde. Sein fehlendes Tempo machte es ihn kaum möglich für Ertrag zu sorgen.

Peter Pekarik kann einen leidtun. Mittlerweile wirkt es so, als würde er entweder an seinen Gegenspielern zerschellen oder beim kleinsten Tempounterschied kaum noch Chancen haben eine bundesligataugliche Performance zu zeigen. Er hatte 37 Aktionen, zwölf seiner 17 Pässe kamen an, aber auch er hatte elf Ballverluste und seine gefährlichste Aktion und damit einziger zu erwähnender offensiver Beitrag stammt aus der 56. Minute, als seine Flanke verunglückte und Sommer kurz eingreifen musste. Nach einer Stunde wurde er für den Jungspund Anton Kade ausgewechselt. Weshalb dieser der erste Auswechselspieler war, ist eine weitere Frage, die sich beim Blick auf die Reservebank ebenfalls stellt.

Marc Oliver Kempf: Irgendwo zwischen Übermut und Übermotivation

Es war im Winter ein eigentlich sinnvoller Transfer. Ein gestandener Verteidiger mit Bundesliga-Erfahrung. Doch mittlerweile muss man konstatieren, dass er eher für Unglück als Stabilität sorgt. Wenn er gerade nicht gesperrt, verletzt oder erkrankt fehlt, dann ist er leider viel zu häufig an Gegentreffern, Elfmetern oder völlig verkorksten Situationen beteiligt. Auch wenn sein Mut hilfreich sein kann, ist er aktuell eher Risiko, als Mehrwert für das Team.

Seine beste Aktion leistete Kempf tatsächlich in der Offensive, nachdem er in der 54. Minuten nach einer Ecke von Marvin Plattenhardt zum Kopfball kam und damit Keeper Yann Sommer zu einer Parade zwang. Es war die beste Phase der Herthaner und die einzigen wenigen Minuten, in denen ein Tor möglich gewesen wäre. Stattdessen kassierte Hertha nur wenige Minuten später das zweite Gegentor.

korkut
(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

In der Verteidigung hatte Kempf wieder einige Probleme. 15 Ballverluste, 13 Fehlpässe und nur drei von sieben siegreiche Zweikämpfe sind Zahlen, die in einer Dreier-Innenverteidigung eigentlich nicht zu rechtfertigen sind. Wie kann es sein, dass man sich sobald Kempf am Ball ist, Sorgen machen muss, um das was in wenigen Sekunden geschehen könnte? Wieder leistete er sich haarsträubende Fehler im Aufbauspiel und lud die Gegner praktisch zu Angriffen ein.

Sein schwaches Einsteigen gegen Marcus Thuram im Strafraum in der 23. Minute war für ihn und Hertha einfach bezeichnend. Auch wenn der Franzose die Einladung zum Foul dankend annahm, passt es perfekt ins Bild, was die Berliner Verteidigung zeichnet. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit hatte er bei der nächsten Aktion gegen Thuram sogar Glück, dass der Schiri weiterspielen ließ.

Ishak Belfodil und Davie Selke: Bemüht, aber kaum eingebunden

Es tat weh, den beiden zuzuschauen. Einsatz und Leidenschaft war ihnen nicht abzusprechen, keine Frage, aber die Chancen, die sie sich mit endlos viel Mühe erarbeiteten mussten, waren erst einmal rar gesät und qualitativ einfach nicht brauchbar. Und das liegt nicht einmal an ihrer Qualität, sondern daran, dass aufgrund der Ultra-Defensive kaum ein Angriff überhaupt erst aufgebaut werden konnte. Davie Selke tat sich wie immer schwer, sobald er länger mit dem Ball umgehen musste. 

Möglicherweise wäre die Selke-Belfodil-Aktion in der 45. Minute eine durchaus sehenswerte geworden, wenn nicht – und das gehört zum Pech im Abstiegskampf wohl leider dazu – Schiri Badstübner den Ball abgekriegt hätte. Gerade zu Beginn der zweiten Halbzeit mühte sich Selke in Kombination mit Suat Serdar, doch in der 47. Minute wurde sein Versuch schnell geblockt. Ansonsten spulte er für einen Stürmer mit über neun Kilometern in 75 Minuten Spielzeit eine durchaus respektable Strecke ab. 38 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er. Zu wenig gegen eine Mönchengladbacher Verteidigung, die sicherlich nicht in Bestform ist.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Ishak Belfodil, der spielerisch bekanntlich mehr drauf hat, als Davie Selke, versuchte sich wie so oft den Ball aus der Tiefe und aus Positionen zu holen, die eigentlich alles andere als sein Territorium darstellen. Sein Distanzschuss aus der 75. Minute war allerdings das einzige ernstzunehmende Ausrufezeichen des Algeriers und es glich fast schon einem Verzweiflungsschuss. Auch er kam kaum durch die Verteidigung, war nicht so stark wie sonst im Eins gegen Eins und war viel zu viel damit beschäftigt Bälle zu bekommen, als zu spielen und zu tragen. Am Ende hatte er 35 Aktionen, spielte 23 Pässe, von denen 16 bei seinen Mitspielern ankamen. Aber bei diesem System sind die Stürmer im Endeffekt einfach die bemitleidenswertesten.

Jurgen Ekkelenkamp, Suat Serdar und Marco Richter: Bitte lasst sie spielen!

Das Spiel des Trios bietet Hoffnung, alle drei gaben Schüsse ab, sorgten zumindest für etwas Gefahr. Kaum war Jurgen Ekkelenkamp am Ball, traf er die Latte, wie bei seinem abgefälschten Schuss in der 77. Minute.

Suat Serdar, der zur Halbzeit für den schwachen Santi Ascacibar kam, zügelte merklich das Offensivspiel an. Im Endeffekt mit keinem Ertrag, aber er deutete häufig an, warum er eigentlich so wichtig für die Mannschaft ist.

Marco Richter, der eines der größten Korkut-Opfer ist, bemühte sich, war im Endeffekt aber glücklos im Abschluss.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Alle drei Spieler zeigen wie wichtig und eigentlich unverzichtbar sie für das Spiel der Hertha sind. Der Kader bietet dieses Jahr nicht viel, weshalb die Qualitäten dringend vollends ausgeschöpft werden müssen, um irgendwie Spiele zu gewinnen und die Klasse zu halten.

Tayfun Korkuts Tage sind gezählt und das Spiel war eine Provokation

Mittlerweile ist das Aus von Korkut beschlossene Sache – wenig verwunderlich.

Die Art und Weise, wie Korkut das Team für dieses Spiel eingestellt hatte, glich einer Provokation. Das Spiel des Gegners mit einer stabilen Defensive zu zerstören, konnte selbst Pal Dardai besser und unter ihm gab es zumindest etwas Ertrag. Es glich einem absoluten Nicht-Angriffspakt. Suat Serdar und Marco Richter schienen zum Ende hin noch einmal eine Abreibung vom Trainer bekommen zu haben. Ein neuer Trainer sollte das Team und die Spieler auf ihre Stärken einschwören. Etwas, was noch vor ein paar Monaten auch Korkut mit der Mannschaft vorhatte. Gelungen ist es ihm in gar keiner Form.

Egal wer es wird, es bleiben acht extrem schwierige Endspiele, um die Liga zu halten. Und Fredi Bobic muss sich und seine Entscheidungsfindung sehr stark hinterfragen.  

[Titelbild: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images]

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Das erste von drei Berliner Derbys in dieser Saison ist gespielt. In einer fragwürdiger Weise ausverkauftem Alten Försterei erlebte Hertha (mal wieder) ein uninspiriertes Duell gegen den Rivalen aus Köpenick. Wir wollen dennoch den Blick auf einige Herthaner und die wirklich wenigen Lichtblicke dieses Spiels werfen.

Peter Pekarik: Noch einer der besten

Dass hier der Name von Pekarik auftaucht ist symptomatisch für Hertha. Dass der Slowake auch mit 35 Jahren Stammspieler ist und dabei mit die besten Leistungen zeigt, lässt tief in die Kaderzusammenstellung der letzten Jahre blicken. Auch gegen Union war der dienstälteste Herthaner einer der auffälligsten Spieler der Blau-Weißen, hielt die rechte Seite dicht, wagte gelegentliche Vorstöße bis tief in die gegnerische Hälfte und flankte drei Mal.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Mit 29 von 33 angekommenen Pässen (88%) strahlte er zudem etwas Sicherheit aus. Krönung seiner Leistung war das aufgrund von Piateks Abseitsstellungen ein paar Spielsituationen vorher aberkannte Tor, welches den Spielverlauf potential hätte stark verändern können. Acht Ballverluste und nur 50% gewonnene Zweikämpfe (2 von 4) zeigen allerdings auch, dass Pekarik kein rundum gelungenes Spiel ablieferte.

Im Vergleich zu seinen Kollegen stach er dennoch in seinem Gesamteindruck positiv hervor. In der 70. Minute musste er aufgrund einer Systemumstellung den Platz für Jastrzembski machen.

Suat Serdar: Ohne ihn geht nichts

Und täglich grüßt das Serdar-Tier. Wie so oft war Suat Serdar der mit Abstand auffälligste Herthaner und wenn überhaupt etwas in der Offensive passierte, hatte Serdar seine Füße im Spiel.

Er gab zwei von acht Torschüssen ab, spielte zwei Schlüsselpässe und kurbelte das Spiel aus der Mitte heraus an. Er war es auch, der Pekarik in der 37. Minute in Szene setzte und dieser die bis dahin beste Chance im Spiel hatte (was ebenfalls noch einmal die gute Leistung von Pekarik hervorhebt). Mit nur vier von 15 gewonnen Duellen (27%) und einer Passquote von 59% (13 von 22) zeigte aber auch Serdar nicht sein bestes Spiel im Hertha-Dress.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Es bleibt dennoch festzuhalten, dass ohne ihn das im Koma liegende Offensivspiel der „Alten Dame“ ohne Zweifel endgültig tot wäre und der ehemalige Nationalspieler eines der ganz wenigen belebenden Elemente und absoluter Schlüsselspieler in dieser Saison ist. Er tut einem beinahe schon leid.

Santiago Ascacibar: So geht Derby

Es gibt kaum einen Spieler in Herthas Kader, der für ein Derby so sehr wie gemacht zu sein scheint, wie Santi Ascacibar. Und das zeigte sich einmal mehr in seinen überragenden Statistiken.

Mit 86 Pässen spielt er die zweitmeisten (nur Dardai hatte vier mehr), von denen 57 angekommen sind (84%). Auch von seinen langen Pässen landeten vier bei seinen Mitspielern Zudem hat der Argentinier trotz seine geringen Körpergröße fünf von sieben Kopfduellen gewonnen, im Gegenzug jedoch nur vier von neun Bodenduellen. Ein geklärter Ball, fünf abgefangene Bälle und ein Tackle unterstreichen seine ansonsten solide Defensivleistung allerdings, die bei nur ein Foul zudem äußerst fair stattfand.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Wenn der 24-Jährige weiterhin solche Leistungen abruft, wird es für Lucas Tousart zunehmend schwerer, seinen Stammplatz auf der Sechs zurückzuerobern, solange Dardai nicht wie heute mit einer Doppelsechs spielt.

Im Gegenzug zu vielen seiner Teamkollegen wirkte „Santi“ wie einer der wenigen, der erkannt hat welch eminent wichtiges Spiel heute stattfand und agierte bissig und kämpferisch, konnte sich alleine aber auch nicht mehr gegen die Niederlage stemmen.

Und dann waren da noch …

Marton Dardai: Nachdem Dardai schon am letzten Spieltag durch ein Foul in der Nachspielzeit den Leverkusener Ausgleich (mit-)verursachte, läutete er die gestrige Niederlage durch einen haarsträubenden Fehler in der 9. Minute ein. Der 19-Jährige ist vergleichsweise neu in der Bundesliga, „Wachstumsschmerzen“ sind daher zu erwarten und gehören ein Stück weit dazu. Hinzukommt, dass Dardai zuletzt immer wieder körperlich bedingt ausfiel – in der Länderspielpause musste er mit Erkältung von der U21 abreisen – und dadurch wenig Rhythmus hat.

hertha union
(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Maxi Mittelstädt: Zeigt auf der offensiven linken Außenbahn weiterhin seine gute Form, schlug drei Flanken und hatte eine Passquote von 74%. Wenn in der 1. Halbzeit offensiv etwas passierte, so war es meist über Mittelstädt. Warum er in der 60. Minute weichen musste, erschließt sich von Außen nicht. Vermutlich, weil auch seine offensiven Ideen zu nichts führten.

Alexander Schwolow: Obwohl Schwolow auch in dieser Saison noch nicht 100% in Berlin angekommen zu sein scheint, lieferte er heute ein solides Spiel ab. Für die zwei Gegentore trug er keine Verantwortung. Gegen Kruse hielt er zwei Mal sehr stark und durch ein gut antizipiertes Herauslaufen in der 70. Minute konnte er ein 1 gegen 1 in einer Unioner Kontersituation präventiv verhindern.

[Titelbild: Martin Rose/Getty Images]