Herthaner im Fokus: Herthas beste Saisonleistung in Frankfurt

Herthaner im Fokus: Herthas beste Saisonleistung in Frankfurt

Mit einer überaus überzeugenden Leistung, die wie aus dem Nichts kam, hat Hertha BSC überraschend mit 2:1 bei Eintracht Frankfurt gewonnen. Defensiv sehr kompakt, immer mit einer klaren Spielidee und viel Leidenschaft war die Berliner Mannschaft im Vergleich zu den Vorwochen nicht wiederzuerkennen. Unsere Einzelkritik.

Hertha-Comeback in Frankfurt

Nach dem überzeugenden Sieg der Frankfurter gegen die Bayern und den zuletzt enttäuschenden Hertha-Leistungen hatte wohl kein Blau-Weißer an einen Sieg gegen die Eintracht gedacht. Doch es kam anders. Hertha war nicht immer die bessere, aber in allen Phasen des Spiels die klügere Mannschaft und wirkte überraschend souverän. Das lag auch daran, dass einige Spieler wieder in ihr eigenes spielerisches Vermögen vertrauten.

Nach sehr spannenden 94 Minuten in Frankfurt ist unsere Hertha am Samstag als Sieger vom Platz gegangen. Die Zahlen dieses Spiels sprechen allerdings eine andere Sprache: Frankfurt hatte mehr Ecken, knapp 60 Prozent Ballbesitz, rund 130 Pässe mehr gespielt und auch eine deutlich bessere Passquote. Aber Frankfurts Spiel war recht einfach zu lesen und auf den letzten Metern aufgrund unpräziser Flanken und zahlreicher Fehlpässe schlichtweg zu ungefährlich. Hertha nutzte die Schwächen der Frankfurter intelligent, indem Konter effizient ausgespielt wurden und die Herthaner im Gegensatz zu den vergangenen Wochen wieder an das glaubten, was sie eigentlich stark macht.

Krzysztof Piatek – Come back stronger

Auch wenn es sich komisch liest: Obwohl Krzysztof Piatek im Spiel gegen Frankfurt kein Tor gemacht hat, war er das Sinnbild für den Hertha-Sieg. Denn während die Hessen zahlreiche Flanken vors Tor gaben, ohne dass irgendein Stürmer auch nur in Nähe des hereinfliegenden Balls stand, spielte Hertha gerade diese Standard-Variante im Fußball sehr effizient.

hertha frankfurt
Photo by Alex Grimm/Getty Images

Schon beim 0:1 gab es aus Hertha-Sicht eigentlich keine großen Hoffnungen auf ein Tor. Doch Marco Richter stand einfach besser als die Verteidiger und lenkte den Ball entscheidend ab. Auch die Situation entsprach diesem recht simplen Flanken-Mittelstürmer-Prinzip. Obwohl Piatek keines dieser beiden Tore geschossen hat, war er in Halbzeit eins gewissermaßen der Stimulus für dieses Spiel. Nach dem Führungstreffer vor zwei Wochen gegen Freiburg hatten Herthas Außen – allen voran ein starker Maxi Mittelstädt – wieder das Gefühl, einen Ballabnehmer in der Mitte zu haben. Piatek war mehrfach Anspielstation und hätte vor der Halbzeit eigentlich noch zweimal treffen müssen.

Vor seiner Verletzung wirkte Piatek noch oft wie das fünfte Rad am Wagen in Herthas Angriffsspiel – in den vergangenen beiden Spielen wirkte alles sehr abgestimmt. Piatek war konstanter Unruheherd im Frankfurter Strafraum. Auch ließ er sich immer wieder auf die Außen fallen, um Bälle festzumachen und Angriffe mit einzuleiten. So stellte der 26-Jährige – auch durch gute Pressingmomente – die Frankfurter Defensive immer wieder vor Probleme. Geht das auf dem Niveau weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der polnische Nationalspieler wieder trifft.

Dedryck Boyata – Hertha-Leuchtturm in Frankfurt

In Herthas bisheriger Saison wirkte die Innenverteidigung oft überfordert. Vielleicht lag das auch daran, dass Trainer Pal Dardai die Abwehr in fast allen Spielen verletzungsbedingt neu zusammenstellen musste. Nach dem Frankfurt-Spiel sollte ein Platz in der Verteidigung aber fest vergeben sein.

Denn insbesondere in Frankfurts Hardcore-Druckphasen kurz vor Schluss war es Hertha-Kapitän Dedryck Boyata, der auch durch sein starkes Kopfballspiel viele Angriffe im Keim erstickte. Sieben seiner elf Kopfballduelle gewann der Belgier in diesem Spiel.

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Photo by Alex Grimm/Getty Images

Aber auch in der ersten Halbzeit, als Frankfurt nach dem 0:1 zurückkommen wollte, ließ sich Boyata nicht beirren. Dass die Hessen ihre Stürmer nicht in Aktion bringen konnten, lag auch an Herthas Innenverteidigung. Herthas Spielführer klärte dabei herausragende zehn Situationen, dazu fing er drei Bälle ab und brachte zwei Tacklings durch. Nahezu magnetisch zog er die Bälle an, um sie dann aus der Gefahrenzone zu bugsieren. Darüber hinaus war Boyata ein großer Faktor für Herthas sicheres Aufbauspiel, indem er stets eine Anspielstation war und seine Bälle sicher zum Mann brachte.

Boyata ist jetzt Anfang 30. Man kann nur hoffen, dass er Hertha auf diesem Niveau noch einige Jahre weiterhilft – und endlich verletzungsfrei bleibt.

Peter Pekarik – Kostics Albtraum

Wenn man gegen Eintracht Frankfurt eine Chance haben will, muss man Filip Kostic unter Kontrolle bringen. Hertha hat das geschafft – dank Peter Pekarik.

Wie wichtig Pekariks aggressives Vorgehen auf Frankfurts linker Außenbahn war, zeigte sich in den Schlussminuten. Mehrfach wurde Kostic aus dem zentralen Mittelfeld angespielt, doch seine Flanken kamen zumeist gar nicht bis ins Zentrum, weil sie von Pekarik unterbunden wurden. Der Slowake stand Kostic durchgängig auf den Füßen, brachte ihn mit seiner Zweikampfhärte und dem guten Positionsspiel zur Verzweiflung.

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Stellvertretend war eine Szene, in der sich Pekarik einmal mehr gegen Kostic durchsetzte und dieser entnervt abwinkte. Zehn von 14 Zweikämpfen gewonnen, neun Ballsicherungen, vier klärende Aktionen und drei abgefangene Bälle sprechen eine klare Sprache. Es war höchst imponierend, wie aufopferungsvoll Pekarik seine Aufgabe interpretierte. Ein Paradebeispiel dafür, wie es bei Hertha nur gehen kann, wenn man erfolgreich sein will.

Dardai hat auch aufgrund des chronischen Personalmangels viel ausprobiert auf den Außenverteidigerpositionen in den vergangenen Monaten. Mit Blick auf die vergangenen Jahre gibt es aber eine Personalie, die stets Klarheit und solide Leistungen mit sich brachte – und die heißt Petr Pekarik. Herthas Mister Zuverlässig.

Und dann waren da noch …

Vladimir Darida: Endlich mal wieder eine starke Leistung des Tschechen. Darida entpuppte sich als perfekter Konterspieler. In den Situationen als Frankfurt wieder einmal leichtfertig den Ball verlor, war es in der Regel Darida, der die Angriffe klug einleitete. Insbesondere das Zusammenspiel mit Maxi Mittelstädt, der oft viel Platz hatte auf der linken Seite funktionierte gut. Beide – Darida und Mittelstädt – waren die Gründungsväter des 0:2, ohne das Hertha mit einem Punkt in den Flieger gestiegen wäre. Lauf-, zweikampf- und spielstark – ein Darida in Topform kann Hertha so viel geben.

Jurgen Ekkelenkamp: Herthas Neuzugang wird immer mehr zum Phänomen. Bei seinem Hertha-Debüt reichten dem Niederländer 87 Sekunden für sein erstes Tor. Gegen Frankfurt waren es ganze 93 Sekunden nach seiner Einwechslungen, bis Ekkelenkamp einmal mehr jubeln durfte. Beim 2:0 lief er mustergültig den hinteren Raum des Sechszehners auf und schob sicher ein. Unkend müsste man meinen, der 21-Jährige dürfe nur noch eingewechselt werden und nicht der Startelf stehen.

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Suat Serdar: Wie ist Matheus Cunha zu ersetzen? Diese Frage stellten sich viele Herthaner, als der Brasilianer Hertha in Richtung Madrid verließ. Die Antwort lautet: Suat Serdar. Der Neuzugang aus Schalke ähnelt Cunha in seiner Spielweise sehr. Beide holen sich ihre Bälle tief im Mittelfeld, um dann oftmals auch allein in Richtung gegnerisches Tor zu starten. Der angenehme Unterschied ist nur, dass Serdar mit Ball am Fuß unheimlich zweikampfstark und unheimlich schwer vom Ball zu trennen ist. Cunha verlor den Ball zu oft, ließ sich auch schnell fallen, während Serdar mit seinen Vorstößen nicht selten am Strafraum des Gegners ankommt und dort dann einen klugen Pass spielt oder selbst schießen kann. Gegen Frankfurt war Serdar nicht einmal so auffällig wie zuletzt, mit seiner Zweikampf- und Laufstärke war er dennoch ein wichtiger Faktor.

Text von: Benjamin Rohrer und Marc Schwitzky

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Ernüchternde Auftaktniederlage in Köln

Herthaner im Fokus: Ernüchternde Auftaktniederlage in Köln

Hertha BSC ist mit einer 1:3-Niederlage gegen den 1.FC Köln in die neue Bundesliga-Saison gestartet. Nach etwa 20 Minuten hat das Team von Trainer Pal Dardai quasi das Fußballspielen eingestellt und Eigenschaften gezeigt, die Hertha in der vergangenen Saison zu einem Abstiegskandidaten machten: fehlender Siegeswille, mangelnder Zusammenhalt, schlechtes Zweikampfverhalten sowie ein unkreatives Offensivverhalten.

Baumgart-Elf schlägt Hertha mit hoher Intensität

Nach der vergangenen Saison trennte Hertha und Köln nicht viel: Die Domstädter gingen mit 33 Zählern in die Relegation, Hertha rette sich mit 35 Punkten. Für beide Vereine war also klar, dass etwas passieren muss, um nicht noch eine Zittersaison zu erleben. Knapp drei Monate hatten beide Vereine für diese Umstellungen, bevor sie am heutigen Sonntagabend am 1. Spieltag der neuen Saison aufeinandertreffen sollten.

Köln hat bislang keinen bezahlten Neueinkauf getätigt und einen fast unveränderten Kader – mit Steffen Baumgart allerdings einen neuen Trainer verpflichtet. Hertha hat mal wieder einiges umgestellt, insbesondere im offensiven Bereich Spieler abgegeben und schon zum jetzigen Zeitpunkt mehr als 15 Millionen Euro in Neuverpflichtungen investiert. Kurzum: Während Köln an seinen Kader glaubt und mit Steffen Baumgart insbesondere an der Mentalität des Teams schmieden will, hat Hertha weiter am Personal herumgebastelt.

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Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Nach dem Aufeinandertreffen beider Teams bleibt festzuhalten, dass die Kölner mit ihrer Strategie bislang deutlich besser gefahren sind. Trotz einer laut Pal Dardai nahezu perfekten Vorbereitung ist Hertha leider keinen Schritt weiter als im Mai. Ganz im Gegenteil: Die heutige Leistung erinnert an Tiefpunkte aus der vergangenen Saison. Das liegt auch an teilweise wirklich schlechten Einzelleistungen.

Matheus Cunha – Das Verfallen in alte Muster

Derzeit vergeht fast kein Tag, an dem der Brasilianer nicht mit irgendeinem europäischen Top-Club in Verbindung gebracht wird. Nach dem Gewinn der olympischen Goldmedaille hatte in der Tat kaum noch jemand damit gerechnet, dass Cunha überhaupt nochmal zurückkehrt nach Berlin. Umso überraschender war es, ihn heute in der Startelf zu sehen.

Leider stand Cunha im heutigen Köln-Spiel quasi sinnbildlich für das, was Hertha insgesamt zeigte: Ein engagiertes Auftreten im ersten Spieldrittel, dem ein Einstellen des Spielbetriebs folgte. Cunha begann furios, bekam einige kluge Bälle von Kevin-Prince Boateng durchgesteckt und funktionierte sehr gut im Zusammenspiel mit Stevan Jovetic und Suat Serdar. Das 1:0 hätte der Brasilianer per Kopf fast selbst erzielt, Kölns Keeper Horn konnte den Ball nur mit viel Not ablenken.

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Aber was ist dann passiert? Wie in seinen schlechtesten Spielen in der letzten Saison fiel Cunha nur noch durch Schwalben und halbherzig gefühlte Zweikämpfe auf. TV-Analyst und Ex-Fußballer Erik Meijer äffte Cunha nach dem Spiel in gewohnt provakanter Manier nach: Cunha hatte einen wichtigen Zweikampf gegen Kainz verloren und blieb sekundenlang auf dem Boden sitzen, beschwerte sich händeringend, während Kainz sich auf dem Weg zum Tor machte.

Wenn der Brasilianer in Berlin bleibt, sollte er endlich seine Bedeutung für diese Mannschaft verstehen. Er ist das offensive Gehirn Herthas, spätestens mit dem Gewinn der Goldmedaille ist Cunha auch Vorbild für jüngere Spieler. Meckern, hadern und über den Platz schlendern steckt an – im negativen Sinne.

Petr Pekarik – Große Überforderung

Leider eine extrem schlechte Leistung von Herthas Rechtsverteidiger. Pekarik wurde unzählige Male überlaufen, schätzte lange Bälle falsch ein, verlor wichtige Zweikämpfe an der Außenlinie und ließ somit zu, dass Köln nach Herthas Führung über die linke Angriffsseite mehrere gefährliche Flanken in den Strafraum brachte.

Das 1:1 durch Modeste hätte wegen eines Fouls an Marton Dardai wahrscheinlich nicht gegeben werden dürfen, die Flanke vorher war aber ein gutes Beispiel dafür, dass Pekarik über seine Seite einfach zu viel zuließ. Auch das 2:1 fiel über die Seite des slowakischen Nationalspielers. Nachdem Keeper Schwolow den Ball auf Pekariks Seite abfälschte, konnte Kainz problemlos und unbewacht einköpfen.

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Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Sicherlich hatte Pekarik auch damit zu kämpfen, dass Herthas Mittelfeldraute wenig abgestimmt wirkte und er somit quasi keinerlei Unterstützung auf dem Flügel bekam. Dennoch hatte der 34-Jährige einen rabenschwarzen Tag erwischt. Seine Auswechslung für Deyovaisio Zeefuik wirkte wie eine Erlösung.

Lucas Tousart – Weiterhin kaum Impulse

Mit 25 Millionen Euro ist Lucas Tousart weiterhin der teuerste Neueinkauf in Herthas Transfer-Geschichte. Bis heute hat Tousart es aber nicht geschafft, dem Hertha-Spiel seinen Stempel aufzudrücken.

Herthas neuer Ballverteiler und Gegenangriff-Verhinderer zugleich sollte Tousart werden, das Hertha-Team der Zukunft sollte um den Franzosen herum aufgebaut werden. Tousart wird dieser ihm zugeschriebenen Rolle bislang in keiner Weise gerecht. Ein einziges Mal mischte sich Tousart am heutigen Abend in die Offensive ein, sein Torschuss verpuffte harmlos. Sicherlich führt er viele wichtige Zweikämpfe – auch im eigenen Strafraum – und hilft somit in der Innenverteidigung aus.

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Aber Tousart müsste der Ausgangspunkt für Herthas Umschaltspiel sein, die Außenspieler in Szene setzen, öffnende Bälle spielen und noch viel wichtiger: die Mannschaft auch als Persönlichkeit antreiben. Nach einem Jahr Mannschaftszugehörigkeit darf er diese Eigenschaft gerne bald zeigen.

Und dann waren da noch …

Stevan Jovetic – Einer der wenigen Hoffnungspunkte in Herthas neuem Kader. Man merkt einfach, wie viel Spielerfahrung Stevan Jovetic mitbringt. Dass Jovetic beim 1:0 genau da steht, wo der Abpraller hinkommt, ist kein Zufall. Herthas Neueinkauf sieht Lücken in der gegnerischen Abwehr und weiß diese auch kreativ zu nutzen – entweder durch schöne, öffnende Bälle oder durch tiefe Laufwege. Leider ließ auch Jovetic sich aber anstecken von der sich breit machenden Uninspiriertheit.

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Dodi Lukébakio – Als seine Mannschaftskameraden das Spiel schon verloren gegeben hatten, kam Dodi Lukébakio ins Spiel. Lukébakio brachte noch einmal ein wenig Schwung in Herthas Offensive, traute sich mehr zu, ging auch mal in direkte Duelle. Aber auch bei Lukébakio fehlte die letzte Überzeugung. Freistehend vor dem Tor köpfte der Belgier über die Latte und auch er konnte nicht in die letzte, gefährliche Zone vordringen.

Fazit: Ein Schritt zurück

Man benötigt keine großen, wissenschaftlichen Ansätze, um eine Schlussfolgerung aus diesem Spiel zu ziehen. Hertha war in fast allen Belangen (Zweikampfquote, Passquote, gelaufene Kilometer, etc.) schlechter als Köln – obwohl das Team von Pal Dardai nominell sehr gut besetzt war und sogar 1:0 führte. Dass man eine verdient erzielte Führung so leichtfertig aus der Hand gibt, passiert Hertha nicht das erste Mal und ist eigentlich ein Beweis dafür, dass das Team weiterhin vor allem eines braucht: Willenskraft.

[Titelbild: IMAGO]

Peter Pekarík – eine Insel von Konstanz bei Hertha BSC

Peter Pekarík – eine Insel von Konstanz bei Hertha BSC

Torhüter, instabile Innenverteidiger-Duos oder formschwache Offensivkräfte: Hertha BSC hatte in der laufenden Saison schon viele verschiedene Problemzonen. Die Position des Rechtsverteidigers gehörte bisher nicht dazu. Das hat vor allem mit Peter Pekarík zu tun.

Eigentlich war er ja nur noch als Back-Up und Übergangslösung eingeplant. Einen neuen Einjahresvertrag hatte Peter Pekarík im letzten Sommer noch einmal unterschrieben, nachdem er sich gegen Saisonende plötzlich wieder in Herthas Stammelf gespielt hatte. Und obwohl der Slowake nach dem Bundesliga-Restart durchaus ansprechende Leistungen abgeliefert hatte, sollte Pekarík eigentlich Stück für Stück ins zweite Glied rücken und Neuzugang Deyovaisio Zeefuik seine Rolle hinten rechts in der Berliner Abwehrkette überlassen.

nordphotox/xEngler nph00076/IMAGO

So oder so ähnlich dürften die Pläne von Herthas Verantwortlichen im letzten Sommer gewesen sein, als sie die ‚Baustelle Rechtsverteidiger‘ gedanklich als erledigt abhakten. Ein halbes Jahr später ist Pekarík für Hertha wichtig wie lange nicht mehr: Nachdem er im letzten Jahr von Pál Dárdais erster Amtszeit genau wie unter dessen Nachfolgern Ante Covic, Jürgen Klinsmann und Alexander Nouri kaum eine Rolle gespielt hatte, ist er in der aktuellen Saison Herthas Feldspieler mit den fünftmeisten Spielminuten, nur zwei Mal stand der 34-Jährige nicht in der Startelf.

Die Gründe für diese überraschende Entwicklung sind vielfältig. Ein Teil liegt sicher darin begründet, dass Deyovaisio Zeefuik bisher nicht die erhoffte Verstärkung ist und war. Nachdem es zu Saisonbeginn tatsächlich so aussah, als würde Ex-Trainer Labbadia den jungen Niederländer peu à peu aufbauen, wurde Zeefuik nach seiner Gelb-Roten-Karte gegen RB Leipzig de facto aussortiert. Seine weiteren Kurzauftritte überzeugten ebenso wenig, Zeefuik wirkte nicht griffig und konzentriert genug, beinahe allen seiner Aktionen fehlte die Spannung.

Mister Zuverlässig schlägt zurück

Der wichtigste Faktor ist aber Pekarík selbst, der mit seinen Leistungen verblüfft. Jahrelang als einer der torungefährlichsten Bundesliga-Spieler überhaupt verschrien, hat er in den letzten zwölf Monaten wettbewerbsübergreifend vier Tore erzielt – doppelt so viele wie in den sieben Jahren Hertha zuvor.

Der Expected-Goals-Wert gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der ein Abschluss auch tatsächlich im Tor landet

Wenn man in dieser Saison einen Blick auf die Expected-Goal-Statistiken wirft, wird eines klar: Was die von ihm ausgehende Torgefahr angeht, ist Pekarík mitnichten einer der schwächeren Bundesliga-Rechtsverteidiger. In diesem Ranking liegt er unter anderem auch vor Stefan Lainer und Lars Bender – obwohl deren Mannschaften im Allgemeinen deutlich offensiver als Hertha agieren. Diese Weiterentwicklung hätte ihm wohl kaum einer zugetraut, gerade in seinem mittlerweile hohen Fußballer-Alter von 34 Jahren.

Parallel zu seinem entdeckten Torriecher hat Pekarík aber nicht seine Zuverlässigkeit verloren. Mitnichten agiert der Rechtsverteidiger sorglos oder risikoreich. Seine Passquote von 81,4% ist im Liga-Vergleich einer der besten Werte. Nicht umsonst hat er sich den Spitznamen „Mister Zuverlässig“ verdient. Pekarík ist Herthas Tiefkühlpizza: Immer da, wenn er gebraucht wird, und man weiß, was man bekommt.

Gleichzeitig darf man aber auch keine Wunderdinge von ihm erwarten. Im Spielaufbau der Blau-Weißen nimmt er meistens keine allzu wichtige Rolle ein, das zeigt auch die Anzahl der von ihm gespielten ‚Progressive Passes‘, die unter dem Liga-Schnitt liegt.

Neben dem Spiel mit dem Ball gehört vor allem das Verteidigen zu Pekaríks Aufgabengebiet. Meistens tut er das ganz unaufgeregt, unauffällig und solide. Auffällige Fehler unterlaufen ihm auch aufgrund seiner Erfahrung nur selten, sein Zweikampfverhalten ist ein guter Mix zwischen abwartend und aggressiv.

Bei aller angenehmen Unauffälligkeit, mit der der Slowake Ruhe in Herthas Defensivverbund bringt, muss man aber auch feststellen, dass Pekarík kein exzellenter Verteidiger (mehr) ist. Weder gewinnt er viele Tacklings, noch kann er besonders viele Bälle klären. Zum Vergleich: Maximilian Mittelstädt liegt in beiden Statistiken deutlich vor dem 34-Jährigen – und das, obwohl ‚Peka‘ deutlich mehr Minuten gespielt hat.

Wie geht es weiter?

Im kommenden Sommer läuft Pekaríks Vertrag bei Hertha aus, ob das Arbeitspapier ein weiteres Mal verlängert wird, ist nicht klar. In jedem Fall wird man sich in Berlin nach Verstärkungen umsehen – die auch eine Verjüngung gegenüber Pekarík darstellen sollten, um dem Slogan ‚Die Zukunft gehört Berlin‘ wieder gerechter zu werden.

Gleichzeitig hat man mit Lukas Klünter und Deyovaisio Zeefuik noch zwei andere Rechtsverteidiger mit Steigerungspotenzial im Kader, der Transferfokus dürfte also eher in die Richtung eines gestandeneren Spielers gehen.

(Photo by Clemens Bilan – Pool/Getty Images)

Und wer weiß? Vielleicht gibt es im Zuge dessen auch eine teilweise Abkehr von der Big-City-Transferpolitik der letzten Jahre, mehr in Richtung der erfolgreichen Wechselgeschäfte, die bei Hertha vor dem Windhorst-Einstieg vollzogen wurden.

Ein Blick auf die obigen Grafiken lässt schnell erkennen, dass man sich wohl außerhalb der Bundesliga wird umschauen müssen. Die Spieler der direkten Konkurrenten sind für Hertha entweder nicht zu haben oder schlicht nicht gut genug.

Drei mögliche Kandidaten für die Pekarík-Nachfolge

Im Zuge dessen könnte der Blick wie schon in der Vergangenheit in die Ligen der deutschen Nachbarländer schweifen und so auch Clinton Mata wieder ein Thema bei Hertha BSC werden. Schon letztes Jahr war der 28-Jährige vom FC Brügge mit Hertha in Verbindung gebracht worden. Der Angolaner ist insbesondere defensiv solide, aber auch im Kombinations- und Aufbauspiel bringt Mata einiges mit. Neben der Rechtsverteidigerposition kann er auch als Innenverteidiger spielen. Unklar ist allerdings, ob er Brügge überhaupt verlassen möchte.

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Eine andere Option könnte der Schweizer Silvan Hefti werden. Aktuell ist der 23-jährige Spieler bei den Young Boys, zuvor war er bereits zwei Jahre lang Kapitän des FC St. Gallen. Womöglich könnte Teamkollege Fabian Lustenberger also ein paar gute Worte für Hertha einlegen. Mit bereits über 170 Erstliga-Spielen verfügt er trotz seines Alters schon über einige Erfahrung und könnte nach Kevin Mbabu und Jordan Lotomba schon der dritte Rechtsverteidiger in drei Jahren werden, der von Bern aus in eine Top-Fünf-Liga wechselt.

Hefti verteidigt gegenüber Pekarík etwas aktiver und aggressiver, aber nicht kopflos. Auch in Ballbesitz ist er etwas agiler als der Slowake, sucht Eins-gegen-Eins-Situationen – und kann sehr gute Flanken schlagen. In der Saison 2019/2020 legte er beim FC St. Gallen insgesamt sieben Tore auf und erzielte drei selbst.

Foto: IMAGO

Auch mit Jonas Svensson könnten sich die Hertha-Verantwortlichen beschäftigen. Der 27-jährige Norweger spielt aktuell in Alkmaar, im Sommer läuft aber sein Vertrag aus, der Spieler möchte die Eredivisie verlassen.

Mit seinem hohen Endtempo und generellen Spielweise erinnert er eher an Zeefuik als Pekarík, ist dabei aber deutlich weiter in seiner Entwicklung als der Niederländer: Mit 27 ist er gestandener Profi, deutlich routinierter und auch abgebrühter. Durch seine geringe Körpergröße (1,70 Meter) hat er eine Schwäche in Kopfballduellen, ist aber insbesondere am Ball ein guter Spieler.

[Titelbild: Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images]