1. FC Köln – Hertha BSC: Ein Auftakt mit Fragezeichen

von Aug 14, 2021

Europameisterschaft, Messi, neuer Bundestrainer. Alles schön und gut, aber ab jetzt kann sich endlich wieder dem einzig wichtigen Thema gewidmet werden: Hertha BSC. Nach einer durchaus erfolgreichen Vorbereitung und dem gänzlich ungefährdeten Kantersieg in der ersten Runde des DFB-Pokals geht es nun mit vielen neuen Gesichtern auch in der Bundesliga los. Zum Auftakt bekommt es die Alte Dame mit dem 1. FC Köln zu tun, bei dem sich im Sommer ebenfalls einiges getan hat.

Vor dem anstehenden Spiel haben wir mit Köln-Fan Eike, unter anderem bekannt aus dem gutsport Podcast, gesprochen und detaillierte Einblicke zum Geschehen rund um den “effzeh“ bekommen.

Alles neu macht der Sommer?

Hinter den Kölnern liegt eine Saison zum Vergessen, die mit dem glücklichen Ausgang der Relegation gegen Kiel dann aber doch noch ein Happy End hatte. Nur für einen kam diese Wende zu spät. Horst Heldt, seit November 2019 Geschäftsführer Sport beim “effzeh“, musste die Konsequenzen der Misere der vergangenen Monate tragen: „Im Endeffekt ist die Freistellung nur konsequent. Heldt hatte letzte Saison mehr als 20 Millionen zur Verfügung und hat nichts Vernünftiges damit angefangen. Wir haben quasi die ganze Saison ohne richtigen Mittelstürmer gespielt (zum Schluss musste der GOAT Jonas Hector dort ran).

Transfers wie Emmanuel Dennis, Max Meyer, Dimitrios Limnios oder Tolu Arokodare waren durchgängig teure Flops, die der Mannschaft aus verschiedensten Gründen nicht weiterhelfen konnten. (Wir haben gerade Limnios abgegeben, müssen aber immer noch die Hälfte seines Gehaltes zahlen. Solche Transfers). Auch die Vertragsverlängerung mit Gisdol im letzten Sommer, nach einem super glücklichen Klassenerhalt war total unnötig.“, schätzt Eike die Freistellung ein.

Steffen Baumgart kam im Sommer als neuer Trainer vom SC Paderborn (Foto: imago images via Getty images)

Während die langfristige Nachfolge für den Posten noch nicht geklärt ist – aktuell übernehmen Jörg Jakobs sowie Kölns langjähriger Torhüter Thomas Kessler den Job interimsweise – ist die andere Schlüsselposition schon seit Ende der letzten Saison besetzt. Mit Steffen Baumgart kommt ein Trainer, der für eine klare Spielidee in Form von aggressivem Pressingfußball steht und mit dieser Formel immerhin den SC Paderborn 2018 in die Bundesliga geführt hat. Angesichts des Kölner Kaders ist sich Eike unsicher, ob dieser für den Fußball von Baumgart gemacht ist, sagt aber auch: „Gegen Paderborn mit Baumgart sahen wir immer schlecht aus und ich habe daher große Hoffnungen, dass sich das auf unsere Gegner jetzt überträgt. Baumgart kommt sehr geradeaus rüber und scheint einen sehr ehrlichen Umgang mit den Spielern zu haben. Ich denke, er kann den einen oder anderen auch nochmal weiterbringen.“

Ein Kader voller Fragezeichen

Die Zusammenstellung des angesprochenen Kaders für die kommende Saison birgt dabei durchaus Risiken. So könnten Pessimisten anführen, dass die Mannschaft, die in der zurückliegenden Spielzeit fast abgestiegen wäre, nun in Form von Bornauw und Jakobs zwei der wichtigsten Spieler verloren hat und bisher keinen gleichwertigen Ersatz finden konnte. Das liegt auch daran, dass den Kölnern finanziell die Hände gebunden sind und das Transferfenster unter dem Motto steht, möglichst hohe Überschüsse zu erzielen.

So steht aktuell ein Kader, der vor allem für Ungewissheit steht. Im Tor sieht Eike den “effzeh“ in Person von Timo Horn gut aufgestellt: „Ich war, bin und bleibe ein großer Fan von Timo Horn. Er ist das, was man sich als “effzeh“ Fan wünscht. Ein richtig guter Torwart aus Köln, der nur für seinen “effzeh“ spielen will. Er hätte sicher oft schon gehen können und es woanders leichter gehabt. Leider hat er sich aber in den letzten Jahren kaum weiterentwickelt, sondern ist eher stagniert. Das kreide ich aber vor allem eurem neuen Torwarttrainer Andy Menger an. Mit Uwe Gospodarek haben wir einen neuen Torwarttrainer, der Timo nochmal pushen wird und dies auch schon öffentlich kundgetan hat.“

Auch beim Mittelfeld, das mit Duda, Jonas Hector, Ellyes Skhiri – der zwar immer wieder mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht wird, aber aktuell noch im Trikot der Kölner aufläuft – und Neuzugang Mark Uth das Prunkstück der Mannschaft ist, ist Eike positiv gestimmt.

Insbesondere der Abgang von Bornauw könnte Köln in dieser Saison weh tun. (Foto: Moritz Müller, imago images via Getty images)

Weniger zuversichtlich gestaltet sich indes der Blick auf die Abwehrreihe: „Aktuell die absolute Problemzone. Bornauw als absoluter Leistungsträger fällt weg und ob Hübers ihn ersetzen kann, muss man sehen. Czichos und Mere haben leider in der letzten Saison nie durchgehend überzeugt. Auf rechts spiel wohl erstmal Ehizibue, der auch schon oft Schwächen in der Rückwärtsbewegung offenbart hat und links spielt Benno Schmitz, der eigentlich Rechtsverteidiger ist. Katterbach ist außer Form und Jannis Horn noch länger verletzt. Komplettiert wird die Abwehr durch Kingsley Schindler, der weder bei uns noch in Hannover überzeugt hat. Wenn man irgendwo aktiv werden muss, dann am ehesten in der Abwehr.“, resümiert Eike.

Auch im Sturm ist die Zusammenstellung nicht ganz ohne Risiko. Anthony Modeste ist seit seiner Rückkehr aus China meilenweit davon entfernt, die Kölner nochmal nach Europa zu schießen, wie er es 2017 getan hat. Und Sebastian Andersson, den man zur vergangenen Saison aus Köpenick verpflichtete, konnte im letzten Jahr verletzungsbedingt lediglich 50 Prozent der Spiele absolvieren. So fasst Eike zusammen: „Wenn alles gut geht, haben wir einen schlagkräftigen Sturm. Im worst case haben wir aber wieder zwei verletzte gute alte Stürmer und zwei unerfahrene junge Stürmer (Thielmann und Lemperle).“

Der Faktor Fans

Wie bei vielen Vereinen sorgt natürlich auch bei den Kölnern die Pandemie für ein großes Loch im Konto und ist damit unter anderem verantwortlich für die so komplizierte Kaderplanung in diesem Jahr. Umso wichtiger ist es, dass zum Saisonauftakt gegen Hertha 16.500 Tickets in den Verkauf gehen. Bei der Frage, an wen diese Tickets gehen, verfolgt der 1. FC Köln eine klare Linie. So sollen ab dem zweiten Heimspieltag nur noch in Ausnahmefällen Getestete ins Stadion zugelassen werden. Bereits gegen Hertha sind es nur 1.000 Tickets, die an Getestete – darunter überwiegend Kinder und Jugendliche – verkauft werden. Der Rest des Kontingents ist Geimpften oder Genesenen vorbehalten.

Eike hat hierzu eine klare Meinung, der sich der Autor uneingeschränkt anschließt: „Ich bin wirklich stolz auf meinen Verein, dass wir hier (wie bei vielen anderen gesellschaftlichen Themen) mal wieder Vorreiter sind. Ich würde mir wünschen, dass die ganze Bundesliga und andere Großveranstalter nachziehen. Wir müssen es als Gesellschaft schaffen, diejenigen vor COVID zu schützen, die sich nicht selbst schützen können, weil sie zu klein sind oder sich nicht impfen lassen können. Nur, wenn wir eine hohe Impfrate in der Gesellschaft haben, schaffen wir es, die Pandemie einzugrenzen. Die überfüllten Kinder-Krankenhäuser in vielen Bundesstaaten der USA zeigen, was passiert, wenn Menschen sich nicht impfen. Wer sich bisher nicht impfen lassen hat, das aber könnte, den muss man motivieren und ich kann mir nichts motivierenderes vorstellen als wieder beim „effzeh“ ins Stadion zu gehen.“

Für Eike ist der erste Spieltag in diesem Kontext zudem besonders motivierend, da er eine spezielle Verbindung zu Hertha hat: „Als ehemaliger Wahl-Berliner ist mir die Hertha aus unerfindlichen Gründen auch irgendwie ans Herz gewachsen. Berlin ist auf jeden Fall blau und nicht rot! Und mit der Axel-Kruse-Jugend habt ihr auch einen der coolsten Fanclubs die ich außerhalb vom „effzeh“ kenne. Ich verfolge sehr aufmerksam was die AKJ macht. Und dass die AKJ mit den Roten Böcken befreundet ist und uns per Flutschfinger die Relegation gewonnen hat, sagt eigentlich alles. Ha Ho He, Hertha und „effzeh“.“

Titelbild: imago images via Getty images

ÜBER DEN AUTOR

Alexander Jung

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