Herthaner im Fokus: Eine Frage der Qualität

Herthaner im Fokus: Eine Frage der Qualität

Am 28. Spieltag mussten die Herthaner mal wieder mit null Punkten nach Hause fahren. Auch wenn gegenüber vielen Spielen und Niederlagen unter Ex-Trainer Tayfun Korkut eine klare Verbesserung im Rheinland zu sehen war, bleibt nach der 1:2-Niederlage bei Bayer Leverkusen zunächst die Ernüchterung.

Wieder im 4-1-4-1, aber dieses Mal ohne Spielglück

Felix Magath, der nach seinem Corona-bedingten Fehlen gegen Hoffenheim, in Leverkusen endlich an der Seitenlinie stand, stellte die Mannschaft wie zuletzt unter Co-Trainer Mark Fotheringham in einem 4-1-4-1 auf. Personell ersetze Vladimir Darida auf der linken Seite Marco Richter. Außerdem musste sich kurz vor Spielbeginn der noch gegen Hoffenheim als Matchwinner und mit drei Vorlagen zu überzeugen wissende Marvin Plattenhardt angeschlagen abmelden. Maximilian Mittelstädt ersetze ihn.

Wieder stellte Niklas Stark als alleiniger Sechser das Bindeglied zwischen Mittelfeld und Verteidigung dar. Marc Oliver Kempf, Dedryck Boyata und Peter Pekarik komplettierten diese. Santi Ascacibar und Lucas Tousart stellten das zentrale Mittelfeld. Mit Suat Serdar, war wie Vladimir Darida auf der linken, auch auf der rechten Seite ein ungelernter Spieler auf dem Flügel. Vorne im Sturm sollte Ishak Belfodil für Gefahr sorgen.

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(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Die Mannschaft spielte die meiste Zeit über eine engagierte Partie, zeigte, dass man sich im Abstiegskampf nicht aufgeben wird, war in jeder Hinsicht motiviert, aber schlussendlich mangelt es einfach an Qualität. Und leider Gottes gab es auch in diesem Spiel wieder jenen Auflösungsmoment, der sich schon durch die gesamte Saison zieht. Positiv dabei: Man schaffte es die Situation nach einigen Minuten wieder unter Kontrolle zu kriegen. Zusätzlich muss man durchaus erwähnen, dass es sich beim Gegner Bayer 04 Leverkusen um einen Kandidaten für die Champions-League-Qualifikation handelt, bei dem keinesfalls Wunderdinge erwartet wurden.

Wir schauen heute auf eine wackelige Verteidigung, das Verletzungspech, was Hertha weiterhin verfolgt, die fehlende Durchschlagskraft im Sturm und was es interessantes am Trainergespann zu beobachten gab.

Marc Oliver Kempf und Dedryck Boyata: Viel Harakiri, selten Ruhe und Stabilität

Die beiden Innenverteidiger spielten über 90 Minuten und konnten leider wieder einmal nur wenig für die nötige Stabilität sorgen. Marc Oliver Kempf, der an beiden Gegentoren entscheidend beteiligt war, hatte aller Hand zu tun. Zwar gelangen ihm auch mit fünf Klärungsaktionen die ein oder andere glückliche Aktion. Doch nur drei von sieben gewonnener Zweikämpfe sprechen eine klare Sprache. Neunmal verlor er im Aufbauspiel den Ball und konnte kaum einen Beitrag für das Aufbauspiel leisten. 42 Mal war er am Ball, 19 seiner 27 Pässe fanden den Mitspieler, meistens waren jene Sicherheitsbälle über wenige Meter. Lange Bälle führten in vier von sechs Versuchen lediglich zu Ballverlusten.

Bei den Leverkusener Gegentoren war sein Zweikampfverhalten in der 35. Minute gegen Lucas Alario mangelhaft, sein stümperhaftes Verhalten fünf Minuten später sorgte für den zweiten Gegentreffer durch Karim Bellarabi. Es war wieder einmal ein Spiel voller plumper Aktionen und viel Überforderung von Marc Oliver Kempf. Mit ihm ist die Verteidigung dieser Tage leider ein einziges Risiko.

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(Photo by UWE KRAFT/AFP via Getty Images)

Ein Risiko, welches der Kapitän Dedryck Boyata nur bedingt auszugleichen wusste. Auch er hatte mit dem Angriffsspiel der Leverkusener einiges zu tun, konnte vier Bälle klären, aber traute sich kaum entscheidend in Zweikämpfe zu gehen. Immerhin gewann er seine beiden, die er zu absolvieren hatte. Doch seine Grätsche und sein passives Mitlaufen beim 0:2 war praktisch eine Kopie so vieler Gegentore in dieser Saison. Viel zu oft zeigte sich Dedryck Boyata lediglich als passiver und unglücklicher Teil bei gegnerischen Angriffen in diesem Spieljahr.

Immerhin kamen 19 seiner 22 Pässe bei seinen Mitspielern an. Keiner seiner langen Bälle sollte in der Offensive beim Empfänger ankommen, somit hatte er genauso wenig wie Kempf seinen Vorderleuten helfen können. Insgesamt wirkte er etwas stabiler und solider als sein Abwehrpartner. Doch von einem Kapitän muss mehr kommen als das „Mitschwimmen“, welches Boyata lediglich anbietet. Bisher fehlen Motivation und das Anreißen eines Spiels vollkommen. Dinge, die ein Kapitän in solchen Situationen verkörpern muss.

Vladimir Darida und Lucas Tousart: Torgefährlich und mit Verantwortung, aber zu wenig Durchsetzungskraft

Das zentrale Mittelfeld der Hertha war mal wieder voll von Laufwundern. Vladimir Darida, der seit vielen Jahren diese Rolle verkörpert, war dieses Mal sogar nur auf dem dritten Platz im Team der Hertha. Während der Tscheche auf sehenswerte 12,83 km Laufleistung kamen, konnten ihn seine in diesem Spiel wesentlich zentraleren agierenden Mitspieler Santi Ascacibar und Lucas Tousart ausnahmsweise überflügeln. Während der Argentinier auf 12,99 km kam, schaffte der Franzose sogar 13,07 km. Absolut starke und sehenswerte Leistungen, die das Engagement betonen und auch zeigen, dass in Sachen Fitness in Berlin kaum Probleme bestehen.

Lucas Tousart bemühte sich, wie schon seit Wochen, aber auch ihm fehlte es ab einem gewissen Punkt komplett an Durchsetzungskraft. 36 Aktionen hatte er am Ball, viel anfangen konnte er damit nur leider selten. Nur 55 Prozent, also elf seiner 20 Pässe kamen an. Nur einen seiner fünf Zweikämpfe gewann er. Seine Durchsetzungskraft gegen die Leverkusener ließ stark zu wünschen übrig. Zusätzlich leistete er sich zwölf Ballverluste. Sein einziges Ausrufezeichen setzte er in der Nachspielzeit in der ersten Halbzeit, als er Leverkusens Torhüter Hradecky mit einem wuchtigen Fernschuss prüfte. Seine Einstellung stimmt, der Ertrag fehlte allerdings komplett. Ohne kreatives Element im Mittelfeld wird Tousart zu Aufgaben gezwungen, die ihm nachweislich nicht liegen.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Vladimir Darida musste positionsfremd auf der linken Seite agieren. Bezeichnend war, dass der Mittelfeldroutinier der torgefährlichste Spieler der Hertha war. Schon nach zwei Minuten leitete er mit einem beherzten Angriff die erste Torchance durch Maximilian Mittelstädt ein. In der 42. Minute machten die beiden Akteure es besser. Mittelstädt gelang im zweiten Versuch eine wunderbare Flanke auf den Tschechen, der im Strafraum aus halbrechter Position wuchtig per Volley abschloss und den Anschlusstreffer besorgte. In der 90. Minute hätte er für den Ausgleich sorgen können, ja vielleicht sogar müssen. Doch nach einer Flanke war er letztendlich nicht der Lage die nötige Wucht in seinen Schuss zu bringen, um Hradecky ein weiteres Mal zu bezwingen.

Insgesamt brachte es Darida auf vier Torschüsse und war an 34 Ballaktionen beteiligt. Doch auch er tat sich oft schwer, verlor zwölf Bälle und brachte nur elf seiner achtzehn Pässe an den Mann. Letztendlich ist er zusammen mit Stevan Jovetic Herthas Topscorer. Zwei Tore und fünf Torvorlagen nach 28 Spieltagen zeigt, wie dramatisch es um die Offensive der Hertha steht.

Ishak Belfodil und Davie Selke: Zu wenig Offensivpower

Weder Ishak Belfodil, noch Davie Selke könnten auch nur einen Hauch Torgefahr ausstrahlen. Belfodil, der 75 Minuten agierte, zeigte ein schwaches und vollkommen unauffälliges Spiel. Um überhaupt an den Ball zu kommen, musste er sich wieder einmal oft tief fallen lassen. Immerhin verteilte er Bälle, 13 seiner 22 Pässe fanden den Mitspieler, aber auch damit gelang es ihm nicht irgendetwas zu kreieren. 13 Ballverluste zeigen zusätzlich, dass er gegen die Leverkusener Abwehr kaum Licht sah.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Auch Davie Selke konnte in den letzten 15 Minuten praktisch nichts beitragen. Letztendlich war auch er nur noch vier Mal am Ball, gewann keinen Zweikampf und kreierte nicht eine einzige Chance.

Im Endeffekt waren sie Opfer des gesamten harmlosen Teams. Doch es ist tragisch zu sehen, wie schwach und verloren der Hertha-Sturm ist, wenn die Bindeglieder nicht existieren und die Qualität nichts Weiteres hergibt.

Alexander Schwolow und Niklas Stark: Verletzungen zu Unzeit

Es ist nicht die Saison des Alexander Schwolows. Um ehrlich zu sein steht seine gesamte Zeit bei Hertha BSC bisher unter keinem guten Stern. Nachdem ihm gegen die TSG vor zwei Wochen endlich mal wieder ein Spiel zu Null gelang, sollte er auch gegen Bayer Leverkusen zu null spielen. Allerdings auch nur für 16 Minuten. Wenn er außer Form war, leistete er sich in feiner Regelmäßigkeit brutale individuelle Fehler, hat er die Chance in Form zu kommen, passiert ihm irgendetwas Tragisches und unvorhergesehenes. Ob es eine Corona-Infektion, ein Trainer-Degradierung oder nun ein Muskelfaserriss im Oberschenkel ist, es hilft keinem weiter. Nicht der Hertha, die sich im Abstiegskampf eigentlich dringend auf einen erfahrenen Keeper verlassen wollen würde, noch Alexander Schwolow selbst, der damit auch weiterhin in Berlin auf keinen grünen Zweig kommt. In diesem Sinne, gute Besserung.

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Nach sieben Jahren bei Hertha BSC wird Niklas Stark weiterziehen. Der zwischenzeitliche Nationalspieler und der Verein konnten sich auf keine Vertragsverlängerung einigen. Das wurde unter der Woche bekanntgegeben. Stark zählte über einige Jahre in Berlin zunächst als Talent, welches wuchs und mittlerweile als klarer Führungsspieler gilt. Nur leider verkörpert er wie Boyata nur selten die Anforderungen eines jenen Spielers. Seine eigenen Leistungen lassen immer wieder zu wünschen übrig, doch nichtsdestotrotz gilt er als wichtiger Baustein der Defensive.

Niklas Stark konnte sich trotz seines Potentials in seinen sieben Jahren kaum in die Herzen der Fans spielen. Auch wenn er neben Marvin Plattenhardt der einzige Herthaner war, der in den letzten Jahren sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft feiern durfte und bei einer weiteren Verlängerung gute Chancen auf einen Legendenstatus in Berlin gehabt hätte, wird ihn so richtig niemand vermissen. Was auch recht kalten und distanzierten Interviews geschuldet ist.

Doch gerade in den letzten Wochen seiner Berliner Zeit und im Abstiegskampf wäre ein gestandener und fitter Niklas Stark immens wichtig, um die defensive Stabilität zu erhalten und einen Lautsprecher auf dem Platz zu haben. Seine beiden Einsätze gegen Hoffenheim und Leverkusen auf der Sechs lassen aufhorchen. Bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung in der 69. Minute, konnte er immerhin elf seiner 13 Pässe an den Mann bringen, aber auch ihm gelang wie vielen seiner Mitspieler zu wenig. Vier Ballverluste, nur ein gewonnener Zweikampf, bedeuten, dass auch Starks Spiel an seiner unterdurchschnittlichen Durchsetzungskraft litt.

Mark Fotheringham, Felix Magath und Vedad Ibisevic: Ein flexibles Trainergespann

Das Trainergespann, welches gegen Leverkusen erstmals komplett war, wechselte sich in feiner Regelmäßigkeit mit taktischen Anweisungen und Motivationsansagen ab. Unter der Woche wurde das bereits kommuniziert. Ähnliches konnte man zuletzt bei Pal Dardai und Zecke beobachten. Trainer wie Bruno Labbadia oder Tayfun Korkut waren eher die Alleinunterhalter.

Während gegen Hoffenheim Mark Fotheringham als Cheftrainer agierte, war Offensivtrainer Vedad Ibisevic sein direkter Ansprechpartner auf der Reservebank. Der ehemalige Hertha-Kapitän und Goalgetter scheint aber gerade in die Rolle eines weiteren vollwertigen Co-Trainers zu rutschen. Regelmäßig instruierte er gegen Leverkusen Spieler vor ihrer Einwechslung und besprach mit ihnen ihre Aufgabe auf dem Platz. Er herzte, er lächelte, er kumpelte, er strahlte Wärme aus. Selbiges kam von Fotheringham, der regelmäßig eine breite Brust forderte und die Spieler versuchte zu motivieren.

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Felix Magath verkörpert weiterhin eine große Aura, scheint einen absolut kühlen Kopf zu bewahren und wirkt auf Grund seiner immensen Erfahrung kaum beeindruckt von dem Geschehen auf dem Rasen. Zusätzlich brachte er sich mit taktischen Anweisungen ein. Spieler wie Marcel Lotka betonten nach dem Spiel seine Ausstrahlung und dass die Arbeit mit ihm etwas Besonderes sei.

Die Spiele werden weniger, die Qualität nicht mehr

Die Wochen der Wahrheit haben begonnen. Hertha BSC steht knietief im Abstiegskampf und es zählen nur noch Punkte, Punkte, Punkte und es helfen nur noch Siege. Noch kann man sich aus eigener Kraft retten. Spiele gegen direkte Konkurrenten wie Augsburg, Stuttgart und Bielefeld müssen dafür ohne Kompromisse gewonnen werden. Ein Sieg im Derby am nächsten Spieltag würde einen immensen Motivationsschub ermöglichen. Dafür müssen die Köpfe frei sein.  Die geistige Frische scheint die Mannschaft nach dem Trainerwechsel zu haben.

Fraglich ist die spielerische Qualität. Die Verletzungen von Lautsprechern wie Schwolow und Stark kommen zur Unzeit, Offensivkräfte wie Stevan Jovetic und Marco Richter haben ebenfalls mit ihrem Körper bzw. der eigenen Form zu kämpfen. Genauso wie Suat Serdar. Spieler von denen das Spiel der gesamten Mannschaft abhängig ist. Am Ende wird viel über den Kampf kommen. Am besten beginnt das Kämpfen und Punkten direkt gegen Union Berlin.

[Titelbild: UWE KRAFT/AFP via Getty Images]

Hertha-Kader im Check: Wer muss gehen, wer darf bleiben?

Hertha-Kader im Check: Wer muss gehen, wer darf bleiben?

Es sind einmal mehr wilde Zeiten in Berlin. Der Verein kommt kaum zur Ruhe und Fredi Bobic baut fleißig am Kader. Doch um entscheidend das Team umzubauen, müssen alte Strukturen aufgerissen und auch Mut bewiesen werden. An der Personalie des derzeit verletzten Kapitäns Dedryck Boyata wird schnell klar, dass bei Hertha BSC kein Spieler unersetzlich ist und jeder sich in der schwierigen Zeit beweisen muss. Fredi Bobic stellte deshalb zuletzt den gesamten Kader auf den Prüfstand. Sämtliche Vertragsgespräche liegen aktuell auf Eis und dabei gibt es eine ganze Menge an Spielern, deren Verträge 2022 bzw. 2023 auslaufen.

Wir haben uns mit den Kandidaten beschäftigt und wägen ab, bei wem eine Vertragsverlängerung sinnvoll wäre, wer in einer anderen Position im Verein passen würde und bei wem ein Transfer das sinnvollste wäre.

Niklas Stark – bis 2022

Niklas Stark ist einer der größten Namen im Team der Hertha. Der 1,90 Meter große Innenverteidiger ist seit 2015 dabei und absolvierte seitdem wettbewerbsübergreifend 189 Pflichtspiele für die Alte Dame. 168 davon in der Bundesliga. Er ist Führungsspieler und hinter Dedryck Boyata Vizekapitän. Der ehemalige Nürnberger ist stets Interviewpartner der Medien und Sprachrohr der Mannschaft. Unter dem ehemaligen Nationaltrainer Joachim Löw durfte er für die deutsche Nationalmannschaft debütieren.

Doch so schön das alles klingen mag, so sehr steht er auch in der Kritik. Seine Leistungen in dieser Saison sind durchwachsen. Sie schwanken zu sehr und auch die in den letzten Monaten sehr zähen Verhandlungen zeigen, dass weder die Verantwortlichen im Verein noch er selbst um jeden Preis eine Verlängerung anstreben. Auch weil der Anspruch von Niklas Stark mittlerweile einer ist, dem Hertha BSC nicht mehr gerecht werden kann. Um möglicherweise wieder Chancen zu bekommen, in der Nationalmannschaft spielen zu können, braucht er einen Verein, der regelmäßig um das europäische Geschäft spielt.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Der Verein könnte bei einem Abgang weiter am Umbau der Hierarchie in der Mannschaft arbeiten und jüngeren Spielern, wie Marton Dardai und Linus Gechter, mehr Chancen einräumen. Sollte sich Niklas Stark in der Rückrunde nicht entscheidend entwickeln oder die Harmonie aus frühen Jugendnationalmannschaften mit Neuzugang Marc-Oliver Kempf verflogen sein, wäre eine Trennung im Sommer für alle Seiten ein sinnvoller Schritt.

Lukas Klünter – bis 2022

Im Sommer 2018 kam Lukas Klünter vom 1. FC Köln, wo er auf der rechten Abwehrseite, als einer der schnellsten Spieler der Liga, für Aufsehen sorgte. Zwei Millionen Euro zahlte Michael Preetz damals, um dem Team mehr Tempo zu verschaffen und den nach Leverkusen verkauften Mitchell Weiser zu ersetzen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Dreieinhalb Jahre später liest sich die Bilanz recht ernüchternd. In 49 Einsätzen in der Bundesliga bereitete er zwei Tore vor. Immer wieder bremsten ihn schwere Verletzungen aus, wie 2018 zu Beginn seines Engagements ein Muskelbündelriss oder zu Beginn der aktuellen Saison, als er sich am 4. Spieltag in Bochum an der Schulter verletzte und erst zur Rückrunde zurückkam. Seine Leistungen sind in nur seltenen Fällen eine Rechtfertigung für die Startelf.

Lukas Klünter wird dieses Jahr 26 Jahre alt und steht somit auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wenn er das Bedürfnis hat regelmäßige Einsätze zu bekommen, sollte er sich nach einem neuen Verein umschauen. Auch um aus seiner Komfortzone zu kommen.

Kevin-Prince Boateng – bis 2022

Als gebürtiger Berliner und aus der Jugend stammender Herthaner genießt Boateng eine Sonderstellung im Verein, womit er auch gerne kokettiert. Im Sommer 2021 kam er ablösefrei nachdem sich Fredi Bobic bei ihm gemeldet hatte. Neben witzigen Social Media Content, wie Frotzeleien mit Athletik-Trainer Kuchno oder dem damaligen Union-Spieler Kruse, war er für Stimmung und Motivation zuständig. Er freundete sich mit Neuzugängen an, versuchte Davie Selke aus seinem sportlichen Tief zu helfen, motivierte beispielsweise Marco Richter vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach, der prompt sehenswert das Siegtor erzielte. Zusätzlich spielt er bei jedem Spiel den Co-Trainer, gibt taktische Anweisungen und unterstützt auch dabei seine Mitspieler.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Wenn er selbst das Spielfeld betritt, sieht man oft einen enormen Qualitätsanstieg. Er ist nicht mehr der größte Läufer, doch jede Aktion, die er am Ball hat, ist durchdacht und würde der Mannschaft riesig helfen, wären nur weitere Spieler auf seinem fußballerischen und taktischen Niveau im Team. Doch Boatengs Körper ist bei weitem nicht mehr der, den er noch vor ein paar Jahren hatte und ihn zum FC Barcelona oder Eintracht Frankfurt brachte. Von 20 möglichen Bundesligaspielen kommt er in dieser Saison auf zwölf Einsätze. Der längste Auftritt datierte vom 5. Spieltag gegen die Spvgg Fürth, als er eine Stunde durchhielt. Meistens ging es nicht über Kurzeinsätze hinaus.

Sollten sowohl Verein als auch Spieler mit der aktuellen Situation zufrieden sein, wäre eine Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr eine Option. Kevin-Prince Boateng stellt keinen Startelf-Anspruch, wäre für die Team-Chemie aber weiterhin ein Baustein. Aber egal, ob als Bundesligaspieler oder nicht, der Verein sollte sich bemühen, ihn in irgendeiner Form zu binden. Vielleicht wäre auch ein Platz im Trainerteam, wie ihn Vedad Ibisevic schon hat, möglich.

Peter Pekarik – bis 2022

Der Slowake wird im Oktober 36 Jahre alt und ist in seinem 10. Jahr für Hertha BSC. In der Zeit bestritt der Rechtsverteidiger 205 Pflichtspiele für die Berliner. 169 Spiele waren es in der Bundesliga. Nach so einer langen Zeit im Verein gilt Pekarik mittlerweile als Vereinslegende.

Nachdem er über viele Jahre seine Arbeit grundsolide verrichtete, sich nie beschwerte, wenn er für eine Weile auf der Bank Platz nehmen musste und in den letzten Jahren sogar mit Toren für Aufmerksamkeit sorgte, wirkt er zunehmend überfordert mit Gegnern, die auch nur etwas Tempo in ihrem Spiel haben. Doch es ist eher Herthas schwacher Transferausbeute in der Verteidigung zuzuschreiben, dass Pekarik bis heute immer wieder eine Alternative ist.

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(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Laut Fredi Bobic gilt er auch nicht als Lautsprecher im Team. Trotzdem könnte er mit seiner Erfahrung jüngeren Mitspielern weiterhelfen. Hertha braucht dringend einen starken Rechtsverteidiger für die Startelf. Peter Pekarik sollte höchstens nur noch Ersatz sein. Im Optimalfall hört der Routinier im Sommer mit seiner aktiven Karriere auf und bleibt dem Verein in einer anderen Funktion erhalten.


Das Transferfenster ist zu. Wir besprechen im Podcast die letzten Aktivitäten von Hertha BSC auf dem Spielermarkt und werfen nochmal einen Blick auf das Team, welches den Abstieg verhindern soll. Wie sieht unsere Aufstellung aus? Was hätten wir uns noch gewünscht?


Linus Gechter – bis 2022

Der Teenager ist eine der großen Entdeckungen der Hertha in dieser Saison und ein Hoffnungsträger in den stürmischen Zeiten. Seine ersten Auftritte versprechen eine große Zukunft. Dafür braucht er Spiele, Spiele, Spiele. Diese würde er bei Bestätigung seiner Leistungen definitiv bekommen, vor allem wenn Hertha mit einer Dreierkette auflaufen sollte.

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(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Aktuell besitzt er noch einen Jugendvertrag, der per Option um zwei Jahre verlängert werden kann. Das Ziehen der Option gilt als sicher. Allerdings sollten die Verantwortlichen zeitnahe in Vertragsverhandlungen einsteigen, um dem Talent einen geeigneten, langfristigen Vertrag zu geben, nachdem man selbiges beim letzten Talent, Luca Netz, verschlafen hatte.

Nils-Jonathan Körber – bis 2022

In den letzten Jahren konnten sich keine Eigengewächse der Hertha auf der Torhüter-Position durchsetzen. Und danach sieht es auch weiterhin aus. Körber droht der Weg, den auch schon Dennis Smarsch und Marius Gersbeck gegangen sind. Als eigentlich große Talente auf der Torhüterposition, ohne Chance am Stammpersonal vorbeizukommen.

Körber, der in den Jahren bei Osnabrück seine Qualität zeigen konnte, kam für Hertha noch nicht einmal zum Zug. In der Hierarchie der Torhüter befindet er sich aktuell auf Platz vier hinter Alexander Schwolow, Oliver Christensen und Rune Jarstein.

Im Sommer könnte es auf der Position Bewegung geben. Schwolow steht in der Kritik und könnte den Platz als Nummer eins verlieren. Christensen gilt als starker Herausforderer. Fraglich ist, ob Jarstein nach seinen Corona-Nachwirkungen jemals wieder Bundesliga spielen kann. Wenn der Verein Körber einen gerechten Zweikampf mit Christensen ermöglichen würde, wäre eine Verlängerung denkbar.

Allerdings stehen zu viele Konjunktive rund um das Thema Torhüter bei Hertha. Eine Luftveränderung um endlich regelmäßig spielen zu können, wäre für Nils-Jonathan Körber das sinnvollste.

Ishak Belfodil – bis 2022

Der Algerier gehört zu den unterschätztesten Stürmern der Bundesliga. Das ist zumindest die Meinung von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, unter dem Ishak Belfodil in Hoffenheim seine stärkste Saison in der Bundesliga gespielt hatte.

Zunächst wurde er als Paniktransfer abgestempelt und galt als Sinnbild für den unruhigen Transfersommer in Berlin. Fredi Bobic stattete ihn mit einem Einjahresvertrag aus. Belfodil wusste sich für das Vertrauen mit Leistung zu bedanken. Mittlerweile gilt er als einer der besten Spieler der Hertha. Die Zahlen fehlen zwar noch, aber wegzudenken aus dem Berliner Spiel ist er aktuell nicht.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Insbesondere im Zusammenspiel mit seinen Mitspielern, wie Stevan Jovetic oder Suat Serdar belebt er die Offensive der Herthaner. Eine Verlängerung um mindestens ein weiteres Jahr wäre sowohl für ihn, als auch für die Mannschaft eine schöne Sache und würde allen Beteiligten guttun.

Maximilian Mittelstädt – bis 2023

Maximilian Mittelstädt galt 2015 als großes Talent auf der linken Seite der Hertha. Pal Dardai setzte ihn damals sowohl in der Defensive als auch in der Offensive ein.

Doch die erhofften Leistungsexplosionen blieben aus und aus dem ehemaligen U-Nationalmannschaftsspieler entwickelte sich ein durchschnittlicher Bundesligaspieler. auf der linken Seite wechselte er sich praktisch ohne nennenswerten Konkurrenzkampf mit Marvin Plattenhardt ständig ab. Wettbewerbsübergreifend kommt er auf 128 Spiele für Hertha.

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(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Wäre Mittelstädt nicht aus der Jugend der Hertha und dadurch einen Welpenschutz genießen, wäre er wahrscheinlich schon früher auf dem Abstellgleis gewesen. Er strahlt weder nennenswerte Torgefahr aus, noch durchgehende Sicherheit in der Verteidigung.

Aber die Leistungen der letzten Wochen lassen aufhorchen und hoffen. Er scheint sich in den Monaten der Krise aus der Komfortzone begeben zu haben und zeigt mit seinem aktiveren Spielstil mehr Einsatz und Führungsstärke. Kann er diese Form in der Rückrunde bestätigen, sollte Fredi Bobic mit ihm Gespräche über eine Vertragsverlängerung führen.

Marvin Plattenhardt – bis 2023

2014 kam der Linksverteidiger vom 1. FC Nürnberg und arbeitete sich mit starken Leistungen von der 2. Mannschaft der Hertha bis in die deutsche Nationalmannschaft. 2017 gewann er mit einem aufstrebenden Team den Confederations-Cup, 2018 war er im Kader der deutschen Mannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland. Beim ersten Gruppenspiel gegen Mexiko kam er sogar zum Einsatz.

Mittlerweile hat er 199 Pflichtspiele für Hertha BSC absolviert. Doch wie bei Maximilian Mittelstädt stagnierten seine Leistungen zum Teil über Jahre. Seit der Weltmeisterschaft 2018 ist er praktisch durchgehend im Formtief. Die Zeiten in den er einer der gefürchtetsten Freistoßschützen der Liga war und Vereine aus England zweistellige Millionenbeträge boten, sind lange vorbei.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Er ist kein Führungsspieler und bietet der Mannschaft aktuell nichts, um sie voranzubringen. Trotz der schwachen Jahre von Hertha betonte der 30-Jährige öfter wie glücklich er in Berlin ist und dass er sich ein Karriereende bei Hertha durchaus vorstellen könnte. So sympathisch solche Aussagen sein mögen, so sehr zeugen sie auch von einer viel zu großen Komfortzone, in der sich Plattenhardt seit Jahren befindet. Für beide Seiten wäre es das Beste, sich im Sommer zu trennen.

Vladimir Darida – bis 2023

Seit seinem Wechsel vom SC Freiburg 2015 hat der Tscheche Höhen und Tiefen bei Hertha durchgemacht. Über 174 Mal lief er wettbewerbsübergreifend für Hertha BSC auf. Mal war er unumstrittener Stammspieler, mal litt er unter langfristigen Verletzungen, aktuell unter einem Formtief. Als Pferdelunge und Laufwunder hat Darida in den vergangenen Jahren einen bleibenden Eindruck hinterlassen und sogar den Bundesliga-Rekord mit den meisten Kilometern Laufleistung pro Spiel gebrochen.

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Doch trotz seines Alters und seiner langjährigen Teamzugehörigkeit ist Vladimir Darida kein Lautsprecher oder Führungsspieler, was auch Fredi Bobic schon kritisch angesprochen hatte. Bei den technischen Schwierigkeiten und der geringen Funktion für den Spielaufbau ist Darida keine Hilfe für die Startelf. Sollte sich Darida aber mit der Rolle des Ersatzspielers zufrieden geben und sich beispielsweise als eine Art Mentor um jüngere Spieler kümmern, spricht nichts dagegen, ihn bis 2023 zu behalten.

Sollte der 31-Jährige aber den Anspruch haben regelmäßig zu spielen, wäre ein Wechsel ratsam. Das Standing in der Bundesliga und im Ausland hätte er allemal. Aber auch er würde charakterlich für eine Position innerhalb des Vereins nach seiner aktiven Spielerkarriere in Frage kommen.

Stevan Jovetic – bis 2023

Sein Wechsel im letzten Sommer hat sich bezahlt gemacht. Mit fünf Toren ist er zusammen mit Marco Richter der torgefährlichste Spieler im Team. Ein großes Problem ist aktuell die daraus resultierende Abhängigkeit vom 32-jährigen Stürmer. Denn bisher konnte er in lediglich 11 der 20 Bundesligapartien mitwirken. Der Montenegriner ist extrem verletzungsanfällig.

(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Doch ähnlich wie bei Ishak Belfodil und Kevin-Prince Boateng hebt sich seine Leistung vom Durchschnitt der Mannschaft ab. Ist er fit und in Form, ist er eine absolute Waffe und kann einem Spiel seinen Stempel aufdrücken. Bei ihm steht man aktuell nicht unter Zeitdruck. Man sollte abwarten, wie sich seine Leistungen und der Körper in den nächsten eineinhalb Jahren entwickeln. Am Ende der nächsten Saison würde Jovetic auf die 34 Jahre zugehen.

Schön wären sowohl ein schönes Ende des Kapitels, als auch eine Verlängerung, sollte es sich für alle Beteiligten dann noch lohnen.

Davie Selke – bis 2023

Der mittlerweile 27-jährige Mittelstürmer lässt seit Jahren Bundesliganiveau vermissen. Auch die Leihe an seine alte Wirkungsstätte nach Bremen endete alles andere als erfolgreich.

In der aktuellen Saison kommt er auf wettbewerbsübergreifend 17 Einsätze, viele davon nur über wenige Minuten. Auch wenn man ihm Motivation und Einsatz nicht absprechen kann, fehlt ihm Qualität in Technik und Torabschluss. Erst zwei Saisontore sind ihm gelungen, eins davon im Pokal gegen den unterklassigen SV Meppen.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Es ist bekannt, dass Fredi Bobic den ehemaligen U-Nationalmannschaftsspieler verkaufen möchte. Sollte nicht ein unerwarteter Qualitätsanstieg geschehen, wird das im Sommer 2022 auch geschehen.

Jonas Michelbrink – bis 2023

Mit seinen 20 Jahren gilt Jonas Michelbrink noch als Talent und genießt Welpenschutz. Bisher kam er unter Pal Dardai am Ende der Saison 2020/2021 zu zwei Kurzeinsätzen. Ansonsten spielt der Nachwuchsspieler regelmäßig für die 2. Mannschaft.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Eine Verlängerung wäre denkbar, wenn man ihn für ein bis zwei Jahre verleihen würde, um ihm Spielpraxis zu ermöglichen. In einem Team, das kein stabiles Gerüst verfügt, dürfte er aktuell keine Chance auf Einsatzzeiten haben.

Rune Jarstein – bis 2023

Der Norweger kam in der Saison 2013/2014 zunächst als Ersatztorwart für Thomas Kraft. 2015 verdrängte er diesen und blieb über fünf Jahre Herthas unumstrittener Stammkeeper. Seine Leistungen zählten zwischenzeitlich zu den besseren der Liga.

2020 wurde er als Nummer eins von Alexander Schwolow abgelöst, den er in der Rückrunde unter den zurückgekehrten Pal Dardai wiederum verdrängte. Mit 179 Spielen für Hertha gehört er ins Regal der Torwartgrößen Christian Fiedler und Gabor Kiraly, die ebenfalls über viele Jahre das Tor in Berlin hüteten.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Doch seine schwere Corona-Infektionen und die folgenden Nachwirkungen setzten ihm schwer zu und machen seit Monaten ein Comeback unmöglich. Mittlerweile befindet er sich im Aufbautraining, doch es darf bezweifelt werden, dass er jemals zu alter Form zurückkehrt.

Als mittlerweile 37-Jähriger befindet er sich im Spätherbst der Karriere. Als dritter Torhüter könnte er seinen Mitspielern den Rücken freihalten. Eine mögliche Anstellung nach seiner Karriere wurde schon häufiger besprochen. Sollten alle Beteiligten sich eine Zusammenarbeit vorstellen, wäre er 2023 ein Kandidat für den Posten des Torwarttrainers.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Mit Pärchen gegen Bielefeld gewonnen

Herthaner im Fokus: Mit Pärchen gegen Bielefeld gewonnen

Endlich war es mal wieder soweit. Im zweiten Spiel unter Tayfun Korkut gelang Hertha BSC der erste Sieg nach zuvor fünf Spielen in Folge ohne drei Punkte. Das Spiel zeigte weitere Fortschritte und Dinge, die seit dem Trainerwechsel besser funktionieren. Allerdings offenbarten sich auch die größten Schwachstellen der Hertha. Wir schauen heute auf interessante Pärchenbildungen, die verschiedenen Joker und wessen Plätze in der Startelf bedenklich wackeln.

Stevan Jovetic und Ishak Belfodil: Zwei, die sich gefunden haben

Es ist mittlerweile eine regelmäßige Wiederholung der letzten Wochen, dass diese beiden Spieler hier immer wieder aufgelistet werden. Sie lassen uns aber schlichtweg keine andere Wahl. Seit Wochen brillieren die beiden Stürmer miteinander und werden immer erfolgreicher.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Stevan Jovetics Passquote von 74 Prozent und seine Zweikämpfe, von denen er 67 Prozent für sich entscheiden konnten, sind für einen Stürmer eine starke Quote. Wieder einmal hatte er mit 54 Ballaktionen einen großen Anteil am Kreativspiel. Er bereitete zwei Chancen für seine Mitspieler vor und kam selber drei Mal zum Abschluss. Sein Freistoß in der 28. Minute war wie schon gegen den VfB Stuttgart brandgefährlich.

Das Sahnehäubchen der Partie war sein Volleytor, welches er in der 53. Minute nach Ishak Belfodils Ablage mit Wucht erzielen konnte. Kurios war, dass Hertha BSC nach Jovetics zurecht aberkannten Abseitstor in der 42. Minute nun in vier Spielen in Folge fünf Tore erzielt hat, die wegen Abseitsstellungen nicht gegeben wurden.

Ishak Belfodil, der mittlerweile komplett im Team der Hertha angekommen zu sein scheint, setzte weiterhin seine spielerischen Mittel ein, verteilte – 71 Prozent seiner gespielten Pässe fanden seine Mitspieler – und empfing Bälle und bereitete mustergültig auf Jovetic vor. Vier Mal suchte er selbst den Abschluss. Wermutstropfen ist sein fehlender persönlicher Torerfolg, der ihm bisher vergönnt war.

Belfodil könnte eben jenes erzwingen, indem er sich die nötige Spritzigkeit und Kaltschnäuzigkeit aneignet, die ihm oftmals noch in Aktionen fehlt. Seine Bemühungen sind ohne Zweifel vorhanden, doch wirkt es oft so, als wäre er einen Schritt zu langsam oder zu sehr mit dem Kopf beschäftigt.

Suat Serdar und Santiago Ascacibar: Das sich ergänzende Duo

Suat Serdar war wie erhofft nach seinem durch eine Erkältung begründeten Fehlen gegen Stuttgart wieder dabei und brachte genau das ins Hertha-Spiel, was gegen die Schwaben noch in Teilen gefehlt hatte: Kreativität und Torgefahr.

Er selber kam zu zwei Abschlüssen, die nur mit Bielefelder Glück nicht im Netz landeten. Insbesondere sein Zusammenspiel mit Jovetic in der 14. Minute hätte einen erfolgreichen Abschluss verdient gehabt. Nilsson klärte dabei auf der Linie hinter dem bereits geschlagenen Ortega.

Serdar war extrem aktiv, hatte in seinen 69 Minuten, die er auf dem Platz stand, ehe er für Jurgen Ekkelenkamp ausgewechselt wurde, 62 Ballkontakte und brachte 79 Prozent seiner Pässe an den Mann und half viel bei der Kreierung von Torchancen. Mit 68 Prozent gewonnener Zweikämpfe hat er eine sehenswerte Quote, die seine Robustheit zeigt und seinen Wert für das Spiel der Hertha unterstreicht.

(Photo by Thomas Eisenhuth/Getty Images)

Während Suat Serdar der Offensive seinen Stempel aufdrückte,  machte Santi Ascacibar selbiges in der Defensive. Dabei hielt er vor allem Serdar den Rücken frei, räumte unermüdlich Bälle und Gegner ab und verteidigte und verteilte Bälle mit purer Leidenschaft. Mit 74 Ballkontakten war er einer der Herthaner, die am häufigsten den Ball hatten. Er gewann in dem Spiel, welches er über die volle Distanz bestreiten konnte,  69 Prozent seiner Zweikämpfe.

Zusammen bilden diese beiden ein sich top ergänzendes Duo im zentralen Mittelfeld. Die Frage wer der dritte zentrale Mittelfeldspieler zukünftig sein soll, konnte Vladimir Darida bisher nicht mit Nachdruck beantworten.

Dedryck Boyata und Niklas Stark: Das Abwehrbollerk, das einfach wegverteidigt

Wie erwartet kam Niklas Stark nach Jordan Torunarighas Leistungabfall in Stuttgart zurück in die Startelf. Die Frage wie er auf die Gerüchte um einen Wechsel, die unter der Woche wieder lauter wurden, spielerisch reagieren würde, beantwortete er recht klar mit einer sehr soliden Leistung.

Zusammen mit Kapitän Dedryck Boyata hielt er die Verteidigung zusammen. Beide gestikulierten und kommunizierten durchgehend mit ihren Mitspielern und wurden ihrer Rolle als Leader gerecht. Stark hatte im Vergleich zum Spiel in Augsburg keinen Querschläger drin.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Während beide mit vielen Aktionen am Ball für einen sehr strukturierten Spielaufbau sorgten, konnten sie sich auch immer wieder im Offensivspiel der Hertha einbringen. Beide hatten eine Passquote von weit über 80 Prozent, im Fall von Stark sogar 95 Prozent. Keiner der beiden musste auch nur ein einziges Foul ziehen, sie gewannen jeweils fast alle ihrer Zweikämpfe. Zusammen klärten sie ganze 15 Bälle aus der Gefahrenzone.

Niklas Stark hatte nach zehn Minuten die erste nennenswerte Kopfballmöglichkeit. Im Laufe der Partie gelang es Dedryck Boyata sogar drei Mal zum Abschluss zu kommen. Der gesamten Mannschaft war anzumerken, dass die beiden Kapitäne der Mannschaft Ruhe ermöglichen und sie ihnen vertrauen konnten.

Krzystof Piatek und Davie Selke: Joker unter Zugzwang

Beide Stürmer, die in der Hierarchie der Stürmer ganz klar hinter Belfodil und Jovetic stehen, bekamen in den letzten Wochen vor allem Kurzeinsätze. Beiden war der Einsatz nicht abzusprechen, doch es fehlte meistens an Glück und Qualität.

Piatek, der erst ein Saisontor verbuchen konnte, sucht seit Wochen nach seiner Form. Nach 78 Minuten bekam er die Chance, sich zu präsentieren. Mit 14 Ballkontakten war er in seinen Minuten, die er bekam, sehr aktiv. Viel Ertrag gelang ihm nicht. In der 83. Minute scheiterte er an einer Fußabwehr von Ortega freistehend vor dem Tor. Er gewann keinen Zweikampf. Um mehr Einsatzzeiten zu bekommen und endlich wieder alte Form zu erlangen, muss er zukünftig gerade in Kurzeinsätzen solche Chancen nutzen, um den nötigen Konkurrenzkampf im Team zu provozieren.

Davie Selke, der in dieser Bundesligasaison vom Pech verfolgt zu sein schien, konnte eben jenen Kurzeinsatz nutzen. Sein Einsatz sollte noch später als Piateks starten. Er kam erst in der 88. Minute, allerdings nutzte er diese mit seiner bekannten Motivation. Er gewann zwei Zweikämpfe, hatte zwei Torchancen, von denen er seine zweite mit dem Schlusspfiff eiskalt nutzte.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Das Tor erarbeitete er sich in den Schlusssekunden des Spiels selbst, als er ein schlampiges Defensivspiel der Bielefelder eiskalt ausnutzte und mit Wucht und Wut im Bauch in das lange rechte Ecke traf. Wie viel Frust und Arbeit in diesem Moment abfielen, war am emotionalen Jubel im Anschluss zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass es sich nicht nur um ein Zufallsprodukt handelte.

Vladimir Darida und Deyovaisio Zeefuik: Aktuell keine Hilfe und überfordert

Der tschechische Mittelfeldspieler kassierte schon früh in der 15. Spielminute eine gelbe Karte, welche er für ein unnötiges taktisches Foul erhielt. Dieser Rucksack ließ ihn in seinen defensiven Aktionen nur wenig Spielraum. Er wirkte nicht gewohnt sicher und konnte mit 57 Prozent gewonnener Zweikämpfe nur knapp über die Hälfte gewinnen, was im zentralen Mittelfeld ungünstig ist.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Immerhin konnte er in der 36. Minute mit einem wuchtigen Schuss aus der Distanz den oft unsicher wirkenden Ortega auf die Probe stellen. Den flatternden Ball konnte der Torhüter nur mit viel Mühe zur Ecke lenken. Insgesamt fiel Daridas Leistung im Vergleich zu seinen Kollegen Ascacibar und Serdar deutlich ab, was leider einen Trend im Vergleich zu den letzten Spielen zeigt. Um seinen Platz in der Startelf weiterhin inne zu haben, muss sich der Routinier dringend wieder steigern.

Die Leistung von Deyovaisio Zeefuik sollte ebenfalls zu Denken geben. Nicht nur Tayfun Korkut, sondern Zeefuik selbst. Der Niederländer schien mit dem Spiel in der Defensive komplett überfordert zu sein. Bereits nach vier Minuten unterliefen ihm zwei Schnitzer hintereinander.

Das sollte sich durch das gesamte Spiel ziehen. Unnötige Ecken, Fehlpässe, ungünstige Pässe, die die Mitspieler unter Druck setzten, nur 57 Prozent gewonnene Zweikämpfe und Fouls in gefährlichen Situationen, wie in der 31. Minute, als er Alessandro Schöpf recht plump kurz vor dem Strafraum zu Fall brachte, unterstreichen seine mangelhafte Leistung. In der 65. Minute verpasste er durch schlechtes Stellungsspiel den Ball und hatte Glück, dass Krüger beim folgenden Schuss nur das Außennetz traf.

bielefeld
(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Zu Gute halten kann man Zeefuik, dass er vier Bälle klären konnte und im Offensivspiel starke Ansätze und Einsatz zeigte. Vor allem sein Nachsetzen in der 14. Minute und das Einleiten der Großchance von Suat Serdar war ein Lichtblick im Offensivspiel. Viel mehr als das sollte ihm aber auch nicht mehr gelingen. Sobald Peter Pekarik wieder bereit für einen Einsatz ist, wird Zeefuik aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Bank sitzen müssen.

Fazit: Die Stärken des Kaders nutzen hilft

Dem Team gelang ein immens wichtiger Sieg, um sich vom Konkurrenten aus Ostwestfalen absetzen zu können. 20 Schüsse, neun davon auf das Tor der Arminia, sind ein deutliches Zeichen. Man bemüht sich um viel mehr Offensivpower, die zweifelsohne im Kader vorhanden ist, sofern alle fit sind. Dem zentralen Mittelfeld gelingt es ebenfalls immer mehr zu einer Einheit zu verschmelzen und in der Verteidigung bietet es sich an mit souveräner Erfahrung zu arbeiten.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Das Polster auf Platz 17 beträgt nun acht Punkte und lässt die Verantwortlichen zumindest temporär ein paar Nächte ruhig schlafen, bis es Dienstag gegen den FSV Mainz 05 um die nächsten Zähler geht.

Auch wenn es im Endeffekt “nur” Arminia Bielefeld war, kann man positiv festhalten, dass es Hertha gelingt gegen die direkte Konkurrenz in dieser Saison zu punkten. Gegen Bielefeld setzte die Mannschaft an den guten Ansätzen aus Stuttgart an. Nun gilt es diese immer weiter zu fordern und zu fördern, um ruhige Weihnachten zu haben.

[Titelbild: Matthias Kern/Getty Images]

Herthaner des Monats – November 2021: Niklas Stark

Herthaner des Monats – November 2021: Niklas Stark

Er hat im November keine Minute verpasst, Führungsqualität bewiesen und zuletzt sogar Interesse im Mutterland des Fußballs geweckt: Niklas Stark ist Hertha-BASE-Herthaner des Monats.

Und damit starten wir in ein neues Format! Von nun an wollen wir den Herthaner des Monats küren. Hierzu werden wir nicht nur einen Text mit Argumenten liefern, sondern auch in eben jenen eure Meinungen (via Twitter) einfließen lassen!

Ein undankbarer Monat

Zugegeben, wirklich viel lief im November nicht im Sinne der „Alten Dame“. Drei Bundesliga-Spiele fanden aufgrund der Länderspielpause statt, weit reisen musste man dabei nicht. Zuhause empfing man Bayer Leverkusen und den FC Augsburg, beim einzigen Auswärtsspiel ging es nach Köpenick zum 1. FC Union.

Die Ausbeute von zwei Zählern ist nicht nur angesichts der Spielverläufe zu wenig, sie beförderte die Spreeathener mitten zurück in den Abstiegskampf und veranlasste die Vereinsführung zu einem Trainerwechsel.

Gegen Leverkusen hätte nur ein Standard in der letzten Minute besser verteidigt werden müssen und es wären drei Punkte geworden. Gegen den 1. FC Union wurde mehr verspielt als nur Punkte. Gegen den FC Augsburg folgte das Déjà-vu: Wieder wurde der Heimsieg in den Schlusssekunden hergegeben, als man infolge einer Rudelbildung unkonzentriert blieb.

Stark sprang für Boyata ein – und überzeugte

Obendrein musste Hertha auf einen Stammspieler verzichten: Als Dedrick Boyata noch im Oktober im Ligaspiel gegen die TSG Hoffenheim mit rot wegen groben Spiels vom Platz flog und eine Sperre von drei Spielen kassierte, war klar, er würde im November kein Spiel für Hertha bestreiten. Gleich zwei Lücken riss er damit, die des Abwehrchefs und die des Kapitäns. In beide Rollen schlüpfte Niklas Stark.

Gleich gegen Leverkusen zeigte Stark anstelle Boyatas, was den 26-Jährigen so wichtig machen kann. Mit zwölf Ballsicherungen und sechs klärenden Aktionen hatte er maßgeblichen Anteil daran, dass man bis in die Nachspielzeit gegen einen Europa-League-Teilnehmer die null hielt. Zudem kamen 58 seiner 69 Pässe und 20 seiner 25 langen Bälle beim Mitspieler an.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

An der Seite von Marton Dardai sammelte Stark hier kräftig Argumente, so dass Pal Dardai im Stadtderby auf das selbe Innenverteidiger-Duo setzte. „Es sind neue Spieler dazugekommen, man muss sich aufeinander einstellen, die Abstände müssen passen. Das braucht einfach ein bisschen Zeit“, erklärte Stark die ansprechende Leistung, „jetzt haben wir uns gefunden. Das fühlt sich auch besser an auf dem Platz.“

Reicht es bei Stark zum Anführer?

Im Stadtderby war dann von der neu entdeckten Sicherheit erstmal wenig zu sehen. Starks Zahlen sprachen insgesamt wieder für ihn (52/64 angekommene Pässe, 78% gewonnene Zeikämpfe) und ein kapitaler Fehler unterlief ihm nicht, sondern Nebenmann Dardai.

Doch für einige Fans war Stark in einem solch wichtigen Spiel nicht der gewünschte Leader. „Als Abwehrchef/Kapitän sollte er den anderen Spielern eigentlich Sicherheit geben. Genau das fehlt ihm“, findet etwa @flonaldo_berlin auf Twitter.

Ähnlich sieht das @NiklasP41: „Ich mag ihn eigentlich sehr gern […]. Allerdings finde ich, dass er gerade in schweren Spielen, die gegen uns laufen, nicht als die Führungsposition auftritt, die man sich von ihm versprochen hat.“ – „Mit der Rolle des Abwehrchefs ist er mMn regelmäßig überfordert“, findet @matthias_bach, doch fügt hinzu: „Trotzdem vielleicht der beste einer unterdurchschnittlichen Abwehr.“


Warum musste Pal Dardai gehen? Ist Tayfun Korkut die richtige Wahl? Wie ist die Arbeit von Fredi Bobic bislang zu bewerten? Jetzt unsere Analyse zum Trainerwechsel im Hertha BASE Podcast hören!


Fan-Meinung zu Stark bleibt ambivalent

Gegen den FC Augsburg galt Ähnliches, wie gegen Bayer Leverkusen. Die Viererkette schaffte es lange, Augsburg vom Tor fern zu halten. Die Gäste kamen zwar auf 18 Torschüsse, doch acht davon allein von außerhalb des Strafraums. Stark kam hier über den Kampf ins Spiel, zeigte, dass er nach dem Derby bereit für eine Reaktion war. Pass- und Zweikampfquote lagen wieder jeweils bei über 80 Prozent, dazu trug er beinahe eine Torvorlage für Torunarigha bei, doch der Comebacker erzielte den Treffer aus einer Abseitsposition. „He nearly cost us a goal“, spielte @hahoAnna auf einen Aussetzer hin, als Stark einen Querschläger im eigenen Strafraum fabrizierte.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Die Meinungen der Fans zu Stark bleiben ambivalent. „Er kämpft sich immer mehr in die Leader-Rolle rein und das gefällt mir richtig gut“, findet @Holzfuss1892. „Insgesamt ist Stark meiner Meinung nach seit Dardais Übernahme der konstanteste Innenverteidiger den wir zur Verfügung haben […], aktuell bin ich froh ihn zu haben“, meint @Max_imalLost. „Geht meiner Meinung nach als Leader mehr voran. Sportlich momentan sicherlich mit am stabilsten“, so @Die_Spassbremse. Die anderen Stimmen gibt es da aber auch: „Kann von mir aus im Winter verkauft werden“, findet @princeofbel_in. „Er hat gar keinen Ehrgeiz. Er kommt einem vor, als sei es ihm egal“, so @0_tsf.

Festzuhalten bleibt, dass Stark in einem unruhigen Monat leistungstechnisch keinen Ausreißer nach ganz unten hatte, der Leader-Rolle aber auch nicht immer gerecht wurde.

Unsichere Zukunft bei Hertha

Interesse geweckt hat Stark, der zur Saison 2015/16 von seinem Jugendverein 1. FC Nürnberg in die Hauptstadt wechselte, beim englischen Verein West Ham United. Stark, der sich zwar in Berlin wohlfühle, kann sich Medienberichten zufolge einen Wechsel nach London durchaus vorstellen. Hier wird vor allem gutes Management seitens Fredi Bobic gefragt sein, denn Starks Vertrag endet im Sommer.

Möchte man noch Geld für ihn bekommen, muss er im Winter schon verkauft werden, Gespräche über eine mögliche Vertragsverlängerung wurden zuletzt vertagt. Es werden auf jeden Fall spannende Wochen für Niklas Stark, denn mit Boyata steht nun wieder der eigentliche Kapitän zur Verfügung und Torunarigha meldete mit einer guten Leistung gegen Augsburg Ambitionen auf mehr Spielzeit an. Mit Linus Gechter steht zudem ein spannendes Eigengewächs in den Startlöchern.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Unnötiges Unentschieden zu Hause gegen Leverkusen

Herthaner im Fokus: Unnötiges Unentschieden zu Hause gegen Leverkusen

Hertha BSC lieferte Bayer Leverkusen über 90 Minuten auf einem abgenutzten Rasen einen guten Kampf und war über weite Phasen auch die bessere Mannschaft. Man ging in Führung, verpasste es dann aber nachzulegen. So erzielte Leverkusen in der 90. Spielminute per Standardsituation noch den bitteren Ausgleich.

Wir blicken auf die individuellen Leistungen einiger Herthaner bei der ersten Punkteteilung der Saison.

Stefan Jovetic – Stürmerproblem gelöst?

Davie Selke war bisher zwar sehr engagiert, aber sonst eher erfolglos. Ähnliches gilt für Krzysztof Piatek, der in einigen Spielen kaum zu sehen war, und Ishak Belfodil. Bleibt noch Stefan Jovetic, der sich nun gegen Leverkusen beweisen durfte und sich als Spielertyp von seinen Konkurrenten unterscheidet.

Die Ausgangssituation für die Stürmer bei Hertha im aktuellen Spielsystem ist nicht gerade einfach. Häufig besteht aufgrund der defensiven Positionierung eine große Entfernung zum gegnerischen Tor, es wird viel Wert auf die Arbeit gegen den Ball gelegt und insgesamt bekommen die Stürmer nur wenige Ballkontakte in Strafraumnähe (ligaweit die wenigsten).

Stefan Jovetic konnte trotz dieser schwierigen Ausgangslage mit einer guten Leistung überzeugen. Gleich die erste Torannäherung in der siebten Minute initiierte er mit einem Weitschuss. In der sonst recht chancenarmen ersten Hälfte konnte er sich aber auch ohne direkte Torgefahr auszustrahlen, immer wieder am Spiel beteiligen. Häufig ließ er sich etwas fallen und bot eine weitere Anspielstation im Spielaufbau, nahm am Kombinationsspiel teil oder ermöglichte mit seiner guten Technik Steil-Klatsch-Kombinationen. Elemente, mit denen seine Konkurrenten im Sturm nicht unbedingt punkten können.

hertha leverkusen
(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Den größten Eindruck konnte er aber mit seinem Tor hinterlassen. In der 42. Minuten verarbeitete er einen Ball an der Strafraumgrenze gut, schloss dann herausragend aus der Drehung ab und erzielte ein Traumtor. Der Ball schlug im Toreck ein und Pal Dardais Matchplan schien vorerst aufzugehen. Die Fans im Olympiastadion jubelten und man schoss, wie so häufig in dieser Saison, ein Tor nach einer tollen Einzelleistung.

Einziger Kritikpunkt ist die Entscheidungsfindung in einigen Umschaltmomenten. Teilweise entschied sich Jovetic gegen den Pass zum Mitspieler und versuchte sich lieber an einem Weitschuss. Auch die Laufwege ohne Ball waren noch ausbaufähig. Darüber hinaus hätte er in der 55. Minute mit mehr Ruhe am Ball auch das 2:0 nachlegen können.

Insgesamt lieferte Jovetic aber eine gute Leistung ab und erzielte mit nur insgesamt drei Ballberührungen im gegnerischen Strafraum über das ganze Spiel seinen zweiten Saisontreffer in der Bundesliga und hat nun mit rund 0,6 Toren pro 90 Minuten den besten Torschnitt unter den Stürmern bei Hertha.

Die linke Seite – Früher Konkurrenz, heute gute Teamarbeit

Über Jahre lauteten die Optionen für die Linksverteidigerposition Marvin Plattenhardt oder Maximilian Mittelstädt. Abwechselnd hatte mal der eine, dann der andere die Nase vorn. Keiner konnte sich aber dauerhaft durchsetzen. Nun spielen in dieser Saison regelmäßig beide gemeinsam auf der linken Seite. Mittelstädt auf der offensiveren Position auf der Außenbahn, Plattenhardt dahinter.

Beiden Spielern scheint sowohl ihre Rolle als auch das System entgegenzukommen. So zeigte bei beiden die Leistungskurve zuletzt wieder nach oben. Auch gegen Leverkusen lieferte das Duo eine gute Leistung ab. Vor dem Spiel konnte man sich die Frage stellen, wie man das Tempo der Leverkusener Flügelspieler Moussa Diaby und Jeremie Frimpong in den Griff bekommen möchte. Rückblickend war Diaby nahezu unsichtbar, was auch an der guten Defensivleistung von Plattenhardt und Mittelstädt lag. Beide verteidigten diszipliniert und doppelten stets die Leverkusener Spieler. So konnte Diaby kein einziges seiner Dribblings erfolgreich gestalten, während Mittelstädt und Plattenhardt jeweils die Mehrheit ihrer Zweikämpfe für sich entscheiden konnten.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Besonders Mittelstädt lieferte eine gute Leistung und gewann insgesamt die meisten Zweikämpfe auf dem Feld (18). In der Luft verlor er kein einziges seiner sieben Duelle. Mit genau so einem gewonnenen Luftzweikampf bereitete er auch das Tor von Jovetic vor. Zusätzlich legte er noch zwei weitere Schüsse auf und beteiligte sich intensiv am Mittelfeldpressing. Die gute Arbeit gegen den Ball wird auch der Grund gewesen sein, warum Mittelstädt an Stelle seines Konkurrenten Myziane Maolida aufgestellt wurde. Mit Ball muss Mittelstädt besonders im letzten Drittel noch entschlossener und abgeklärter werden. Auch muss er den Zug zum Tor erhöhen, selbst wenn er bei seinen letzten fünf Einsätzen nun bereits schon drei Vorlagen beisteuern konnte.

Insgesamt hat sich Herthas linke Seite in dieser Konstellation, passend zur aktuellen Entwicklung, sehr stabilisiert, ohne spielerisch zu glänzen – sehr passend zum Dardai-Stil.

Niklas Stark – Abwehrchef auf Abruf

Gegen Hoffenheim wurde der Kapitän Dedryck Boyata für ein unglückliches Foul mit Rot bestraft und für drei Spiele gesperrt. So musste sich die Abwehr der Hertha für das Spiel gegen Leverkusen erneut neu formieren. Stark blieb, nahm jedoch die Rolle des zuletzt stabilen Boyata ein. Seine gute Leistung gegen Leverkusen war einer der Gründe für den Fortbestand der defensiven Stabilität.

Im Spiel gegen den Ball lieferte Niklas Stark über 90 Minuten eine fehlerfreie Leistung ab und konnte teilweise sogar mit einigen wirklich starken Szenen überzeugen. In der 68. Minute vereitelte er zum Beispiel mit einer starken Grätsche eine Chance, bei der der Leverkusener sonst frei vor Schwolow zum Abschluss gekommen wäre. Das gute Stellungsspiel und höchste Konzentration im Abwehrverhalten (zwölf Ballsicherungen und sechs klärenden Aktionen von Niklas Stark) waren die Grundlage für eine gute Defensivleistung. So kam Leverkusen über das gesamte Spiel nur zu acht Abschlüssen.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Ebenfalls beeindruckend war die Leistung von Stark im Spiel gegen den Ball. Dazu ein paar Zahlen aus dem Statistikbereich: 58/69 Pässe angekommen, 20/25 lange Bälle angekommen, nur ein Fehlpass in der zweiten Halbzeit, vier progressive Pässe, zwei schusserzeugende Aktionen und ein angekommener „throughball“ – ein Pass, der alle Gegenspieler überspielt, sodass der angespielte Mitspieler allein vor dem Torwart steht.

Das sind Zahlen, die sonst nur Marton Dardai, der mit Niklas Stark ein gegen Leverkusen ein spielstarkes Innenverteidigerduo bildete, bei Hertha erreicht. Spielerisch eine wirklich gute Leistung, die man von Niklas Stark nicht unbedingt immer so gewohnt ist. Besonders der angesprochene Pass zu Beginn der zweiten Hälfte, als Stark aus dem Stand einen punktgenauen Pass hinter die Leverkusener Kette spielte, stach heraus. Hätte Stefan Jovetic etwas weniger überhastet abgeschlossen, wäre dies eine Großchance auf das 2:0 gewesen.

Insgesamt sorgte Niklas Stark zusammen mit Marton Dardai dafür, dass man deutlich weniger Probleme mit dem Gegnerdruck im Spielaufbau hatte und selbst besser spielerisch in die gegnerische Hälfte kam. Möchte man die spielerische Entwicklung weitertreiben, könnte das auch künftig das favorisierte Duo in der Innenverteidigung sein.

Fazit

Trotz des bitteren und äußerst unnötigen Ausgleiches von Leverkusen in der 90. Minute kann man durchaus positiv auf das Spiel blicken. Nach der eher schwächeren Leistung gegen Hoffenheim konnte man sich die Frage stellen, ob die kurze Phase der Stabilität schon wieder vorbei ist. Nach diesem Spiel muss man dies definitiv verneinen. Defensiv stimmen die Automatismen und auch die Einstellung passt. Gegen den Ball kommt man über das Kollektiv, mit Ball ist man weiterhin von Einzelspielern abhängig. Verbessert man sich weiter im Umschaltspiel und findet mehr Lösungen für den eigenen Ballbesitz, kann das Ziel einer „Saison der Stabilität“ erfüllt werden.

[Titelbild: Boris Streubel/Getty Images]