Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Köln

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Köln

Hertha BSC hat es geschafft, trotz Quarantäne und Verletzungsproblemen. Auch in der kommenden Saison wird man in der ersten Bundesliga spielen. Am Ende hat ein spielerisch unschönes 0:0 gegen den 1. FC Köln gereicht. In einer zerfahrenen Partie kommt Hertha nur einmal zum Abschluss, lässt aber auch wenig zu. Wir blicken auf das Spiel und einige Einzelleistungen zurück.

Als Team zum Klassenerhalt

Hertha ging es am Samstagnachmittag von Anfang an nur darum, nicht gegen Köln zu verlieren. So bemühte man sich vor allem darum, kein Gegentor zu kassieren. Bei dem hohen Spielrhythmus und den vielen Ausfällen im Team war aber auch kein fußballerischer Leckerbissen zu erwarten. Die Berliner zeigten kaum Ambitionen, offensiv am Spiel teilzunehmen und fokussierten sich stark darauf, im 4-2-3-1 mit Mittelfeldpressing als Team zu verteidigen. Dieser Plan ging auf. Köln kam kaum zu gefährlichen Abschlüssen und am Ende reichte das 0:0 durch die Ergebnisse in den anderen Spielen, um den Abstieg zu verhindern. Pal Dardai und sein Team haben ihre Aufgabe erfüllt. Man hat den Zusammenhalt im Team gestärkt, eine Mannschaft geformt und diese zum Klassenerhalt geführt. Wie so oft in den letzten Wochen basierte auch der Erfolg in Köln nicht auf Einzelleistungen, sondern auf einer geschlossenen Mannschaftsleistung. So fällt es gar nicht so leicht, die Leistungen einzelner Spieler genauer zu betrachten. Über einige Spieler lohnt es sich aber dennoch, ein paar Worte zu verlieren.

Marton Dardai – Auch auf der Sechs gut

Im vorletzten Spiel der Saison startete Marton Dardai, die Entdeckung dieser Saison, erstmals nicht auf seiner angestammten Position in der Innenverteidigung, sondern eine Reihe weiter vorne auf der Sechs. Von Adaptionsschwierigkeiten oder einer nennenswerten Eingewöhnungszeit kann man aber nach dem Spiel nicht wirklich reden. Nicht unbedingt überraschend, denn bereits in der Jugend wurde er immer wieder im Mittelfeld eingesetzt.

Seine gute Leistung gegen Köln stützt sich dabei vor allem auf seine Zweikampfstärke. Noch mehr als in der Innenverteidigung, wurde er in direkte Duelle verwickelt und ging zumeist als Sieger hervor. Insgesamt führte er in der Luft und auf dem Boden 13 Zweikämpfe, neun davon gewann er. Meistens schaffte er es auf sehr clevere Weise und gar nicht unbedingt durch physische Präsenz, dem Gegner den Ball vom Fuß zu spielen. Nur bei einer Szene kann man ihm einen kleinen Vorwurf machen. In der 17. Minute kam Köln zu einem nicht ungefährlichen Abschluss, auch weil Dardai nicht rausrückte, um näher am Gegenspieler zu stehen. Glücklicherweise parierte Alexander Schwolow jedoch gut zur Seite.

In den wenigen Szenen im Spielaufbau kippte Dardai hin und wieder zwischen die Innenverteidiger ab und ließ so das Kölner Pressing ins Leere laufen. In einem Spiel, in dem Hertha insgesamt nur wenige ruhige Ballbesitzphasen hatte, konnte Dardai nicht allzu viel von seinem guten Passspiel zeigen. Zwei spannende längere Pässe konnte er aber dennoch einstreuen. Auch nach Ballgewinn fand er stets seinen Mitspieler und machte kaum Fehler. Dies schlägt sich auch in seiner Passquote von 89 % nieder. So kann Marton Dardai, der unter der Woche einen langfristigen Vertrag bis 2025 unterschrieb, auch in Zukunft eine sinnvolle Back-up-Option für die Sechs sein.

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Omar Alderete – Ungenau, aber nicht unwichtig

Die eben erwähnte Passstärke von Dardai hat Omar Alderete auf jeden Fall nicht. Das konnte man auch im Heimspiel gegen Köln wieder feststellen (75 % Passquote). Gleich zwei gefährliche Fehlpässe, die direkt in den Fuß des Gegenspielers kamen, in den ersten 20 Minuten des Spiels dürften sicherlich den ein oder anderen Herthafan erzürnt haben. Es war zu großen Teilen den Kölnern, die mit dem plötzlichen Ballgewinn nicht viel anzufangen wussten, zu verdanken, dass diese Situationen nicht wirklich gefährlich wurden.

Fairerweise muss aber auch erwähnt werden, dass Alderete über weite Teile des Spiels der Einzige aus der Viererkette war, der sich überhaupt um ein vertikales Spiel bemühte. Wenn man es mal geschafft hat, die Hochgeschwindigkeitsspieler in der Offensive in das Spiel mit einzubeziehen, war Alderete nicht selten beteiligt. Insgesamt fehlt ihm aber weiterhin die Konstanz in seiner Spieleröffnung. Zu viele Bälle landen ziellos beim Gegner.

Gegen den Ball war Alderete eher unauffällig. Das ist bei Innenverteidigern aber nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. So hat auch Alderete einen wichtigen Anteil daran, dass Köln es nicht schaffte, ein Tor zu erzielen. Er gewann alle seine Zweikämpfe am Boden, die er gewohnt robust führte und klärte insgesamt sechs Bälle. Um sich für die kommende Saison als Stammspieler zu empfehlen, reichte diese Leistung aber sicherlich nicht aus.

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Mathew Leckie – Offensiv nicht existent

Für Mathew Leckie könnte es bereits das letzte Spiel im Trikot von Hertha BSC gewesen sein. Sein Vertrag läuft in wenigen Wochen aus und am 34. Spieltag könnte er mit der Rückkehr von Dodi Lukebakio wieder auf die Bank rotieren. Für eine gute Eigenwerbung wird die Leistung gegen Köln aber zu wenig gewesen sein. Über die rechte Außenbahn sollte er das Umschaltspiel mit seinem Tempo bereichern. Letztendlich war er aber an keiner der wenigen Offensivaktionen wirklich beteiligt. Wenig nachvollziehbar war auch, dass er in der ersten Hälfte immer wieder das Zentrum besetzte, anstatt dem Spiel über den Flügel mehr Breite zu geben. So war er nicht ganz unschuldig daran, dass Hertha insgesamt nur zu einem Abschluss kam.

Bei der Arbeit gegen den Ball kann man ihm keine Vorwürfe machen. Diszipliniert verteidigte er zusammen mit Lukas Klünter auf der rechten Seite und sorgte dafür, dass die Kölner über diese Seite nur zwei Flanken schlagen konnten, von denen keine ankam. Das und fehlende Alternativen werden auch die Gründe dafür gewesen sein, dass Leckie bis zum Abpfiff durchspielte.

So neigt sich seine Zeit bei Hertha dem Ende und es bleiben seit seinem Wechsel 2017 nur wenige positive Erinnerungen. Auch das Spiel bei wechselhaftem Wetter am Samstagnachmittag gegen Köln konnte daran nicht viel ändern.

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Und dann waren da noch…

Jonas Michelbrink:

Auch in seinem zweiten Bundesligaspiel machte der technisch starke Zehner aus der eigenen Akademie wieder auf sich aufmerksam. Mehrfach stellte er seine gute Ballführung und Wendigkeit unter Beweis. Man konnte ihm ansehen, wie gerne er den Ball am Fuß hat. Teilweise verhielt er sich aber noch etwas zu lässig und defensiv nicht immer allzu diszipliniert. Das gefiel Trainer Dardai nicht so sehr und rief daher von der Bank: „Jonas, das ist die A-Mannschaft. Da musst du zurücklaufen!“. Michelbrink ist aber definitiv ein Spieler, der das Spiel von Hertha mit seiner Kreativität bereichern kann. Man darf gespannt sein, welche Rolle er in der kommenden Saison spielen wird.

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Javairo Dilrosun:

Der junge Niederländer half auch gegen Köln wieder im zentral offensiven Mittelfeld auf der Zehn aus. Insgesamt blieb er aber recht unauffällig und hatte kaum wichtige Aktionen. Nur zwanzig Ballaktionen und elf Pässe verbuchte Dilrosun. Zu oft befand er sich im Deckungsschatten der Kölner und nicht immer stimmte die Abstimmung mit Sturmspitze Jessic Ngankam. Sobald Vladimir Darida und Matheus Cunha wieder spielen können/dürfen, wird Dilrosun also wieder auf die Außen rücken.

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Nach der Punkteteilung ist vor dem Pflichtsieg

Nach der Punkteteilung ist vor dem Pflichtsieg

Die zurückliegende Woche hat mal wieder eindrucksvoll bewiesen, wie sprunghaft die Einschätzungen von Fußballfans doch sind. Am anschaulichsten zeigte sich dies am Beispiel von Hertha-Leihgabe Nemanja Radonjic. Führten seine permanenten Ballverluste und Fehlpässe nach seiner Einwechslung in Mainz noch zur Gefährdung des Zustands so manchen Couchtisches, war er gegen Freiburg mit einem Tor und einer Vorlage plötzlich der Aktivposten in Herthas Offensivspiel. Um den Dreiklang perfekt zu machen, folgte dann gegen Bielefeld wieder eine Leistung, die bestenfalls als bemüht bezeichnet werden kann. Warum nun ausgerechnet Radonjic als Symbol für das Wechselbad der Gefühle herhält? Weil sich Herthas Leistung exakt analog zur Leistung des Serben verhielt. Wer glaubte, dass Hertha nach dem 3:0 gegen Freiburg erstmals in dieser Saison nach einem Sieg einen weiteren Dreier einfahren könnte, sah sich zum wiederholten Male eines Besseren belehrt.

Dardais Dauerrotation führte zu fünf Punkten aus drei Spielen (imago images via Getty images)

Dardais Rückrotation

Herthas Aufstellung richtig zu tippen, ist dieser Tage in etwa so erfolgsversprechend wie die Suche nach dem Bernsteinzimmer. Nach der Totalrotation gegen Freiburg, tauschte Dardai am Sonntag erneut munter durch. Lediglich Schwolow, Ascacibar und Piatek blieben aus der Anfangself gegen die Breisgauer erhalten. In der Formation setzte Dardai wieder auf das seit seiner Rückkehr favorisierte
3-5-2. Im Gegensatz zur Mainz-Partie, als noch Cunha neben Cordoba auflief, versuchte Dardai es diesmal mit Piatek neben dem Kolumbianer. Ein Experiment, das bislang nicht allzu oft Früchte trug und auch am Sonntag nicht von Erfolg geprägt sein sollte. Die Arminen, die das 0:5 gegen Borussia Mönchengladbach offensichtlich abschütteln konnten, verstanden es sehr gut, das Zentrum, auf das es Hertha abgesehen hatte, dicht zu machen. Auch die inversen Außenverteidiger (Mittelstädt und Zeefuik tauschten in der Anfangsphase die ihnen normalerweise zugeteilten Seiten) schafften es nicht, für Durchdringen zu sorgen.

So war es eine Einzelleistung von Cordoba, der sich in der 34. Minute clever gegen Pieper durchsetzte und den Pfosten traf, die für die einzige gefährliche Torszene der Hausherren im ersten Durchgang sorgte.

Der Tribut der ungewohnten Belastung

Auch gegen Bielefeld betrieb Dilrosun wieder kräftig Eigenwerbung (Matthias Koch, imago images via Getty images)

Eine Verbesserung des zähen Spiels fand auch in der zweiten Halbzeit zunächst nur graduell statt. Hertha gelang es zwar besser, das Spiel in die Hälfte des Gegners zu verlagern, allein an der Anzahl der eigenen Tormöglichkeiten änderte dies herzlich wenig. Erst mit der Hereinnahme von Dilrosun, durch den es endlich gelang, auch das zuvor lahme Flügelspiel zu beleben, kam etwas Schwung in die Schlussphase. Immer wieder vermochte es der Niederländer, Spieler im Eins gegen Eins zu binden und mit zwei Schüssen aus der zweiten Reihe für Torgefahr zu sorgen. Wie wichtig es ist, dass der Niederländer endlich fit ist, wurde dann im Laufe der Woche deutlich. Denn Herthas Personaldecke wird gerade gefühlt von Tag zu Tag dünner.

Dass Maximilian Mittelstädt wegen seiner Gehirnerschütterung , ebenso wie Matheus Cunha, der sich eine Verletzung im Sprunggelenk zuzog, nicht zur Verfügung stehen wird, stand schon kurz nach Abpfiff fest. Am Dienstag kam dann auch noch die Hiobsbotschaft hinzu, dass Jhon Cordoba mit einer Verletzung am Bandapparat in den verbleibenden drei Spielen nicht mit von der Partie sein wird. Auch hinter Sami Khedira, den nach wie vor Wadenprobleme plagen, steht ein großes Fragezeichen. Pressesprecher Max Jung ging am Dienstag nicht davon aus, dass dieser mit nach Gelsenkrichen reist.

Erfreuliche Nachrichten gibt es indes in der Personalie Lukebakio. Der Belgier kann nach seiner Corona-Infektion wieder mitwirken.

Schalkes Abschiedstour mit Hindernissen

Fragt man Herthas kommenden Gegner, muten die Berliner Sorgen wie Luxusprobleme an. Seit drei Wochen ist das schon längst Unabwendbare offiziell: Der FC Schalke 04 steigt aus der Bundesliga ab. Wer nun aber die Hoffnung oder Befürchtung (je nach Standpunkt) hatte, dass die Gelsenkirchener nun, da es ohnehin um nichts mehr geht, etwas befreiter aufspielen könnten, sieht sich getäuscht. Selbst in dieser für Schalke-Anhänger völlig bedeutungslosen Endphase der Saison schafft der S04 es noch, seine Fans zu enttäuschen. Nach einer 2:0-Halbzeitführung in Sinsheim, ließ sich das Team von Dimitrios Grammozis noch mit 2:4 die Butter vom Brot nehmen. Als hätte es in dieser Katastrophen-Saison nicht schon genug Nackenschläge gegeben, hört das Elend selbst nach dem Abstieg nicht auf.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, musste zudem das Teamtraining der Schalker am Montag ausgesetzt werden, nachdem ein Mitspieler positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Am Dienstag kam dann infolge der angeordneten PCR-Testung ein weiterer positiver Fall hinzu. In der Endabrechung macht das: Ein Gegner, der mit allen Fasern des Körpers am Boden liegt und zudem noch eine unterbrochene Vorbereitung auf das Spiel am Mittwoch hatte. Während man für das Unentschieden gegen Bielefeld noch Gründe finden kann, wieso es sich aus Hertha-Sicht damit leben lässt, gibt es an dieser Stelle kein Vertun: Ein Sieg ist Pflicht.

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Fredi Bobic: Der neue starke Mann an der Spree

Fredi Bobic: Der neue starke Mann an der Spree

Rund zwei Wochen ist es nun her, dass eine Meldung offiziell verkündet wurde, die auf der einen Seite erwartbar und auf der anderen Seite gleichzeitig doch komplett überraschend kam. Fredi Bobic wird ab der kommenden Saison Geschäftsführer Sport bei Hertha BSC. Dass diese Nachricht die Fußballwelt nicht in ihren Grundfesten erschüttert hat, liegt daran, dass sie, seitdem Bobic Anfang März bekanntgab, Eintracht Frankfurt, wo er noch bis zum 31. Mai als Vorstand Sport angestellt ist, verlassen zu wollen, allerseits längst prognostiziert wurde. Zu eng waren die Verbindungen zu dem Verein, bei dem er seit 2005 Mitglied ist, zu spannend die Herausforderung und zu verlockend die Möglichkeit, endlich wieder bei der in Berlin wohnhaften Familie zu sein. Der Überraschungsfaktor rührt daher, dass der einstige deutsche Nationalspieler auf den ersten Blick mindestens einen Schritt zurück geht. Von einem Champions League-Aspiranten hin zu einem Verein, dessen Ligazugehörigkeit Stand jetzt noch nicht einmal geklärt ist. Doch die Tinte ist trocken, unabhängig von Ober-oder Unterhaus, wie Bobic selbst bestätigte.

Und somit ist es höchste Zeit, einen Blick auf den baldigen Nachfolger von Michael Preetz zu werfen und zu beleuchten, worauf sich Hertha-Fans einerseits freuen dürfen, wo aber gegebenenfalls auch Reibungspotenziale bestehen.

Um Bobics bisherige Karriere als Sportfunktionär unter die Lupe zu nehmen, haben wir im Vorfeld mit Experten von Bobics zwei Manager-Stationen in Deutschland – Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart – gesprochen. Für den VfB hat uns Martin, unter anderem bekannt durch den Podcast BrustringTalk Rede und Antwort gestanden. Auf Frankfurter Seite haben wir mit Marvin vom HR und Fußball 2000 gesprochen.

Kapitel 1: Die ersten Schritte in der Ferne

Dass Fredi Bobic heute zu einem der angesagtesten Fußballmanager des Landes zählt, war zu Beginn seiner Funktionärskarriere nicht unbedingt zu erwarten. Seine Reise begann im März 2009 im bulgarischen Burgas. Dort sollte er als Geschäftsführer in den Bereichen Sport und Marketing den von seinem ehemaligen Sturmpartner Krassimir Balakov – Stichwort magisches Dreieck – trainierten Klub unter der Mithilfe eines investitionsfreudigen Präsidenten zu höheren Sphären führen und dem Verein vor allem Strukturen geben. Der sportliche Erfolg bewegte sich im Rahmen. Nachdem man die Saison 08/09 auf Platz sechs beendete, stand im Folgejahr – dem ersten unter Bobics kompletter Verantwortung – Rang fünf zu Buche.

Fredi Bobic während seines ersten Managerjobs in Bulgarien. (Imago images via Getty Images)

Doch insbesondere neben dem Platz gelang es Bobic, den Verein zu verändern. So wurden die Strukturen in der Kommunikations- und Merchandising-Abteilung auf professionelle Beine gestellt. Zudem initiierte er den Bau eines neuen Trainingszentrums inklusive Campus und trug die Vision des schwerreichen Eigentümers Mitko Sabev mit, aus dem Stadion – überspitzt gesagt – eine Einkaufshalle mit Fußballplatz zu machen.

So äußerte sich Bobic im Juni 2010 bei Spox zu dem Projekt: „Ein unheimlich faszinierendes Projekt, weil sie solche gigantischen Ausmaße hat. Unser jetziges Stadion mit Business-Bereich und anderen in Bulgarien ungewöhnlichen Annehmlichkeiten ist zwar bereits das modernste des Landes, aber die neue Arena soll in dem geplanten Mega-Komplex mit einer Sporthalle, Einkaufs-Mall und Bürogebäuden das absolute Highlight sein.“ Mit Fußballromantik hat diese Idee von Stadionerlebnis freilich wenig zu tun. Ein Aspekt, der sich auch durch spätere Äußerungen und Entscheidungen von Bobic durchziehen soll. Aber dazu später mehr.

Kapitel 2: Der Wurf ins kalte Wasser

Obwohl er laut eigener Aussage geplant hatte, den Verein erst zu verlassen, bis man ihn wie geplant zur Saison 2013/14 hin in der nationalen Spitze etabliert hatte, nahm er im Sommer 2010, weniger als eineinhalb Jahre nach Vertragsantritt in Bulgarien, das Angebot aus Stuttgart an. Hier, wo Bobic seine erfolgreichste Zeit als Spieler feierte, trat er das Erbe von Horst Heldt als Spotdirektor an. Der geringen Berufserfahrung zum Trotz setzten die Schwaben vor allem auf dessen Identifikation und die hohe Beliebtheit beim eigenen Anhang, wie Martin ausführt: „Mit Horst Heldt hatte den VfB der “Meistermanager” verlassen, daher sollte die Position natürlich entsprechend klangvoll besetzt werden, mit Sicherheit auch ein bisschen, um die Fans zu besänftigen. […] Dazu genoss Bobic zu dem Zeitpunkt fast Legendenstatus bei den VfB Fans, als Bestandteil des magischen Dreiecks und Pokalsieger zusammen mit Balakov und Elber unvergessen. […] Wir alle kennen Fußballfans, das ist dann ein Bonus und Vertrauensvorschuss, welchen dann auch Bobic eben erhielt – trotz seiner nur im geringen Maße vorhandenen Erfahrung.“

Aus seiner Zeit beim VfB bleiben vor allem unglückliche Trainerentscheidungen in Erinnerung. (Imago images via Getty Images)

Ebenjener Vertrauensvorschuss wurde dann allerdings schnell auf eine harte Probe gestellt. Bereits am siebten Spieltag der Saison 2010/11 sah Fredi Bobic sich gezwungen, mit der Freistellung von Christian Gross seinen ersten Trainerwechsel vorzunehmen. Es folgte eine schier endlose Fehde an zweifelhaften Personalentscheidungen. In seinen etwas mehr als vier Jahren bei den Schwaben sah Bobic sechs Trainer kommen und gehen.

Kaum eine Entscheidung zeugte dabei von einem übergeordneten Plan, wie man Fußball spielen wolle oder welche Qualitäten ein Trainer mitbringen müsse. Es war eine Zeit, in der sich gefühlt jeder übliche Verdächtige vom Bundesliga-Trainerkarussel mal beim VfB ausprobieren durfte. „Eigentlich kann man sagen, dass es bei der Trainerauswahl nur einen Treffer gab – Bruno Labbadia. Aber auch hier muss man Fredi ein bisschen in Schutz nehmen, das Geld war knapp und Lösungen aus dem Verein, wie Keller oder Schneider natürlich bestimmt in den Gremien beim VfB ganz gerne gesehen.“, fasst Martin zusammen.

An diesem Punkt und auch bei weiteren Fehleinschätzungen während seiner Zeit in Stuttgart kann man bereits ablesen, wie wichtig ein funktionierendes Umfeld für Fredi Bobics Wirken ist. Beim VfB fand er dieses, anders als heute, nicht vor. So standen die Schwaben finanziell auf sehr wackeligen Beinen, wie Martin erklärt: “Heldt hatte viele gut ausgestattete Verträge hinterlassen und es musste gespart werden. So gab es einen Transfersommer mit einer Leihe von Tim Hoogland und der Verpflichtung von Tunay Torun. Als Einordnung, mit wie viel Geld Bobic arbeiten konnte.“

Bobic beim VfB: Zu viele Fehler

Gerade aufgrund dieser finanziellen Engpässe wäre es wichtig gewesen, die so hochtalentierten Spieler der VfB-Jugend verstärkt zu fördern. Doch auch hier bewies Bobic kein glückliches Händchen: „Das Scouting war nicht sonderlich gut ausgeprägt beim VfB und so war viel auf die Einschätzung von Fredi angewiesen – dazu gehörte auch die Leihe von Leno zu Leverkusen, den er besser als Sven Ullreich einschätze oder die Leihe von Joshua Kimmich zu Leipzig. Unverzeihlich bis heute. Die nicht ganz erfolglose VfB-Jugend wurde auch umgebaut. Leider so, dass wir die sehr erfolgreichen und langjährigen Verantwortlichen nach Leipzig verloren. Dazu gab es generell wenig Wertschätzung für die Eigengewächse und der VfB benötigte viele Jahre, hier die Schäden von Bobic wieder zu korrigieren.“ Auch an dieser Stelle fehlte es also wieder an einem Sparringpartner und weiterer sportlicher Kompetenz neben Fredi Bobic. Welche langfristigen Schäden dann entstehen können, wenn die gesamte sportliche Verantwortung in die Hände eines Einzelnen gelegt wird, wissen Hertha-Fans nur zu gut.

Doch kann man Fredi Bobic auch hier nicht von aller Schuld freisprechen. So war er zu Beginn seiner Managerkarriere nicht gerade der geborene Teamplayer. „Sein Temperament, welches viele noch vom Fußballfeld kennen, war wohl auch vereinsintern vorhanden, Widerworte, so sagt man, habe er ungern ertragen. Vor allem gegenüber von Leuten, die nicht selbst auf seinem Level Fußball spielten. Wenn jemand nach seiner Einschätzung also keine Ahnung hatte, dann war ein konstruktiver Austausch nicht wirklich möglich. Dazu kam eine fehlende Streitkultur oder allein Widerworte gab
es selten, da viele Stellen durch alte Weggefährten von Bobic besetzt waren. Auch hier, Jochen Schneider war kein guter sportlicher Partner auf Augenhöhe und ließ Bobic walten“, sagt Martin.

Nach vier Jahren und zahlreichen Fehlern musste Bobic in Stuttgart seinen Hut nehmen. (Imago images via Getty Images)

So kam die Trennung im September 2019 letzten Endes wenig überraschend. Zu zahlreich waren seine Fehler, denn auch im Bereich der Spielerverpflichtungen ließ er fernab des Transfers von Vedad Ibisevic sämtliches Geschick vermissen („Abdellaoue, Haggui und Rausch in einer Saison von Hannover 96 zu verpflichten, fasst seine Transfertätigkeit beim VfB eigentlich ganz gut zusammen“).

Während man ihm bei seiner Station in Bulgarien immerhin noch zugutehalten konnte, strukturell einiges vorangebracht zu haben, entfällt dieser Punkt in Bezug auf Stuttgart komplett. Im Gegenteil hat er, wie Martin erzählte, gerade im Bereich der Jugendarbeit durch seine Veränderungen gar nachhaltig Schaden angerichtet. Der eine rote Faden, der sich dabei durch Bobics vier Jahre im Ländle zieht, ist die fehlende Zusammenarbeit im Team. Zum einen selbstverschuldet, da Bobic anfangs oft zu beratungsresistent agierte. Zum anderen aber auch, weil die Strukturen ihm keinen meinungsstarken und durchsetzungsfähigen Akteur an die Seite stellten. Das sollte sich bei seiner nächsten Station ändern.

Kapitel 3: Der sukzessive Aufstieg

Etwas mehr als eineinhalb Jahre dauerte es, bis Fredi Bobic nach seiner Entlassung in Stuttgart wieder auf der Bildfläche auftauchte. Als Nachfolger des schier ewigen Heribert Bruchhagen unterschrieb Bobic zum 1. Juni 2016 einen Vertrag als Vorstand Sport bei Eintracht Frankfurt, nachdem diese einige Wochen zuvor erst haarscharf in der Relegation dem Gang in die zweite Liga entgangen waren. Eintracht-Experte Marvin fasst die verhaltene Begeisterung auf die Bekanntgabe folgendermaßen zusammen: „Die Reaktionen damals waren bestenfalls „gemischt“, aber im Grunde waren die meisten Fans gegen Bobic. Von ihnen wurde die Arbeit von Bobic in Stuttgart negativ bewertet. Zudem hatte Bobic zuvor keinerlei Berührungspunkte mit der Eintracht, was in dieser Kombination vielen nicht zusagte.“ Anders als beim VfB flogen ihm in der Mainmetropole also von Tag eins an keine Herzen entgegen, ganz im Gegenteil. Auch, als es insbesondere in der Hinrunde von Bobics erster Saison sehr gut lief (die Eintracht stand nach 17 Spieltagen auf Rang Sechs), blieb die Skepsis bestehen, inwieweit man diese Erfolge Bobic zuschreiben konnte.

Unter seiner Ägide entwickelte sich Frankfurt vom Abstiegskandidaten zum Champions League-Anwärter. (Imago images via Getty Images)

Doch mit zunehmender Zeit wurde deutlich, dass Bobic aus den vergangenen Fehlern die richtigen Schlüsse gezogen hat. Ebenso wie in Stuttgart musste er auch in Frankfurt zunächst mit geringem Budget hantieren. Doch dieses Mal gelang es ihm, die begrenzten Mittel klug einzusetzen. So verstärkte er den Kader vor allem durch Leihen und scheute dabei auch nicht, Verhandlungen mit den ganz Großen der Branche aufzunehmen.

So kamen von Real Madrid Jesús Vallejo, der eine überragende Saison spielte und Omar Mascarell, den man für die bescheidene Summe von einer Million Euro sogar fest verpflichten konnte. Ebenso wurde Marius Wolf von Hannover 96 ausgeliehen, später fest verpflichtet und sollte in den zwei Jahren am Main in einer Verfassung aufspielen, von der man als Hertha-Fan einige Jahre später nur träumen konnte. Und ganz nebenbei war dann auch noch ein gewisser Ante Rebic unter der Riege derer, die man zunächst auf Leihbasis holte. Dessen Rolle bei der Eintracht in den Folgejahren dürfte bekannt sein.

Bobics erfolgreicher Kampf gegen Widerstände

Auch in den darauffolgenden Saisons ließ Bobics Händchen für kluge Entscheidungen nicht nach. In den nunmehr fünf Jahren am Main lotste er unter anderem Spieler wie Kevin-Prince Boateng, Sebastien Haller, Luka Jovic, Kevin Trapp, Filip Kostic und André Silva zur SGE. Immer wieder profitierte er hierbei von seinem starken Netzwerk. So sagt Marvin: „Bobic verfügt über herausragende Kontakte, hat ein großes Telefonbuch.“ Dazu zählt neben den guten Verbindungen zu Top-Klubs wie Real Madrid oder AC Mailand, mit denen er mehrere Deals abschloss auch ein gutes Auge für den kroatischen und serbischen Markt, wo Bobic einige Geschäfte, unter anderem die Verpflichtung von Luka Jovic, über die Agentur LIAN Sports Group abschloss, wie Marvin erläutert. Dass Bobic aufgrund der Wurzeln seiner Eltern serbokroatisch spricht, dürfte hierbei auch nicht von Nachteil gewesen sein.

Durch solche Verpflichtungen gelang es Bobic, die Eintracht auf ein neues Niveau zu heben. War man zu Beginn seiner Amtszeit noch auf Leihgeschäfte und Transfers im niedrigen einstelligen Bereich angewiesen, schaffte es Bobic aufgrund hoher Summen durch Weiterverkäufe (allein für Luka Jovic kassierte man rund 70 Millionen Euro), den Verein auf finanziell sehr gesunde Beine zu stellen und somit auch auf dem Transfermarkt in ganz anderen Sphären fischen zu können. Dabei bewies er immer wieder, dass er sich auch von wideren Umständen nicht aus der Ruhe bringen lässt. Nach dem Pokalsieg 2018 sahen viele Expert:innen die SGE als einen der heißesten Anwärter auf den Abstieg in der Folgesaison.

Bobics bislang größter Erfolg: Der DFB-Pokalsieg 2018 in Berlin. (Imago images via Getty Images)

Nicht nur Trainer Niko Kovac verließ den Verein. Auch entscheidende Leistungsträger wie Boateng, Wolf und Mascarell kehrten Frankfurt den Rücken. Doch Bobic behielt die Ruhe, holte mit Adi Hütter genau den richtigen Trainer und schaffte es unter anderem, Kevin Trapp, Martin Hinteregger, Filip Kostic und Ante Rebic (war zuvor ausgeliehen) unter Vertrag zu nehmen. Was folgte, war eine Spielzeit, in der die SGE bis zum Schluss um die Champions League-Plätze mitspielte und sagenhaft bis ins Halbfinale der Europa League einzog.

Dabei begann die Saison alles andere als verheißungsvoll. Nach einer 0:5-Klatsche im Super-Cup gegen Bayern folgte das Pokalaus in der ersten Runde beim SSV Ulm. Der im Kontrast zu Niko Kovac ohnehin nicht allzu nahbare Adi Hütter drohte schnell, schon bevor die Saison richtig begonnen hatte, zu scheitern. Doch in dieser Phase zeigte sich eine weitere Qualität Bobics. „Er bleibt auch in schwierigeren Situationen ruhig“, wie Marvin erklärt. Anders als in Stuttgart, wo er gleich in der ersten schwierigen Phase Christian Gross „überstürzt“ entlassen hat, wie es Martin sagt, ließ er sich hier nicht zu vorschnellen Handlungen treiben. Der Erfolg gab ihm Recht.

Der Professionalisierer

Die aufgezeigten Leistungen machen deutlich, wieso man in Frankfurt, trotz des anfänglichen Fremdelns, alles andere als glücklich über den Abgang Bobics ist. Grund, deswegen in Panik zu verfallen, gibt es allerdings keineswegs. Dafür hat Bobic selbst gesorgt. Denn neben den Erfolgen der Mannschaft hat sich Bobic von Beginn an auch neben dem Platz vieles vorgenommen, das er vorantreiben wollte. Anders als beim VfB ist ihm dies in Frankfurt auf ganzer Linie gelungen: „Der Sprung unter seiner Regentschaft ist immens gewesen, auch weil er den Support des restlichen Vorstands hatte und die Aufgaben mit Hellmann, Frankenbach und auch Steubing gut verteilte. Immense Professionalisierung erfuhr die Eintracht insbesondere im Scouting, aber auch im mannschaftsnahen Staff, sei es Athletiktrainer, Videoanalysten etc. Man kann völlig berechtigt behaupten, dass er die Eintracht auf Jahre hin auf wesentlich stabilere Beine gestellt hat – und sie zudem gut durch die enorm schwierige Corona-Phase manövrierte“, fasst Marvin zusammen.

Im Verbund mit u.a. Bruno Hübner hat Bobic Eintracht Frankfurt in diversen Bereichen weiterentwickelt. (Getty Images)

Neben der Lernfähigkeit von Bobic selbst hat das auch ganz stark mit dem Umfeld zu tun, das er in Frankfurt vorfand. Mit Bruno Hübner hatte er jemanden an seiner Seite, der seit inzwischen zehn Jahren als Sportdirektor im Verein ist. Auch die weiteren Mitglieder des Vorstands sind um klare Worte und zielführende, konstruktive Diskussionen nicht verlegen. Gleichzeitig scheute sich Bobic aber auch in dieser Konstellation nicht, unbequeme Entscheidungen zu treffen.

So installierte er den bei den Fans äußerst unbeliebten Andreas Möller als Chef des Nachwuchsleistungszentrums. Unabhängig von dieser einen Personalie gelang es ihm in dem Bereich ebenso, die Eintracht im Wesentlichen voranzubringen. Die letzten fünf Jahre zeigen also: Selbst unter schwierigen Umständen, die er in Frankfurt nach dem Fast-Abstieg 2016 zunächst hatte, ist Bobic mit dem richtigen Umfeld zweifelsohne in der Lage, einen Verein nicht nur eine Stufe und nicht nur in einem Bereich nach oben zu hieven.

Kapitel 4: Frankfurt reloaded?

Stellt sich nun also die Frage, worauf man sich als Hertha-Fan freuen kann. Was den rein sportlichen Bereich, sprich die Kaderplanung angeht, steht außer Frage, dass Fredi Bobic zu den wohl am besten vernetzten Managern der Bundesliga gehört. Die klangvollen Namen wie Jovic, Silva und Haller beweisen das eindrucksvoll. Allein dafür dürfte sich die Verpflichtung schon bezahlt machen. Zudem braucht es nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Bobic auch fernab des Platzes keinen Stein auf dem anderen lassen wird. Das Projekt Goldelse, mit dem Geschäftsführer Carsten Schmidt die neue Strategie vorstellen und Verbesserungspotenziale identifizieren will, dürfte Bobic genau in die Karten spielen. Was dies im Einzelnen für die Personalien im sportlichen Bereich (Arne Friedrich und Pal Dardai u.a.) bedeutet, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Nur so viel: Wenn sich Bobic entscheidet, mit Dardai und Friedrich weiterzuarbeiten, dann mit Sicherheit nicht, weil er dies für die populäre Entscheidung hält, sondern weil er davon überzeugt ist. Dass er auch unpopuläre Maßnahmen ergreift, wenn er davon überzeugt ist, hat der gerade geschilderte Fall Möller bewiesen.

Ob man dieses Bild in Zukunft öfter sieht, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. (Imago images via Getty Images)

Bislang ist lediglich bekannt, dass Bobic aus Frankfurt wohl seinen Chefanalysten Sebastian Zelichowski mitnehmen will. Mit ihm hatte er auch vor der gemeinsamen Zeit in Frankfurt schon beim VfB zusammengearbeitet. Bei den Hessen stellte dieser den kompletten Bereich des Scoutings und der Spielvorbereitung inklusive Gegner-Analyse auf digitale Beine und hat damit einen entscheidenden Anteil daran, dass die Eintracht hier inzwischen als Vorreiter gilt. Ben Manga, den Chef der Scouting-Abteilung Frankfurts, der ebenfalls auch schon in Stuttgart mit Bobic gearbeitet hat, wird es nicht nach Berlin ziehen. Dieser wird anstelle des ausscheidenden Bruno Hübner neuer Sportdirektor bei den Adlerträgern.

Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Verein in der sportlichen Führungsriege neben Fredi Bobic aufstellen will. Ob Arne Friedrich bei Hertha der starke Mann sein kann, der Bobic notfalls auch mal Contra gibt – genau so jemand hat ihm in Stuttgart gefehlt – wird auch von Friedrichs Vorstellungen in Bezug auf seine Zukunft abhängen. Als Bindeglied, um die Interessen der Fans mit denen des Vereins zu verbinden, könnte er definitiv von Nutzen sein. Denn bei all dem gerechtfertigten Lob für Bobic darf eines nicht unter den Teppich gekehrt werden: Als Freund der 50+1-Regel ist Bobic nicht bekannt. Auch seine Zeit in Bulgarien, in der er unter einem milliardenschweren Oligarchen gearbeitet hat, deuten darauf hin, dass er tendenziell eher dem Windhorst-Weg als der „alten Schule“ à la Dardai zugewandt ist. Wie sich das im tatsächlichen Geschäft auswirkt, wird die Zeit zeigen.

Was Stand jetzt festgehalten werden kann, ist, dass die Voraussetzungen unter der Prämisse, dass Hertha die Klasse hält, um ein Vielfaches besser sind als bei Frankfurt im Jahr 2016. Der Kader bietet trotz der nicht wegzudiskutierenden Unausgewogenheit einige Potenziale, finanziell ist Hertha bekanntermaßen potent und Bobic kann dank des langen Vorlaufs bereits jetzt im Hintergrund die ersten Planungen vorantreiben. Wie schnell sich der Erfolg einstellt, wird einmal mehr von Bobics Lernfähigkeit abhängen. Denn trotz seiner beinah endlosen Liste an erfolgreichen Transfers gibt Marvin zu bedenken: „Die Frage ist nun: Wie gut kann er mit einem vollen Geldbeutel umgehen? Nach den Verkäufen von Haller und Jovic war es da bei der Eintracht schwierig, es folgten einige Fehltransfers.“ Doch angesichts dessen, dass Bobic, vergleicht man seine Amtszeiten beim VfB und der Eintracht, keinen Fehler zweimal zu begehen scheint, muss man als Hertha-Fan auch in diesem Gesichtspunkt keine schlaflosen Nächte haben. In der aktuellen Konstellation könnte Bobic für Hertha tatsächlich das lang ersehnte ganz große Los werden.

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Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach: Der Abschluss einer turbulenten Woche

Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach: Der Abschluss einer turbulenten Woche

An ereignisreichen Wochen mangelt es Hertha in den seltensten Fällen. Die zurückliegenden fünf Tage waren dann allerdings doch ein wenig zu viel des Guten. Aber eins nach dem anderen: Zunächst war da die Punkteteilung am Sonntagabend, mit der Hertha, rein nüchtern betrachtet, gegen den Tabellensiebten der Fußball-Bundesliga gut leben kann. Bekanntermaßen ist ein Punkt jedoch in der aktuellen Situation eigentlich nicht genug, zumal es sich eben nicht um irgendeinen Bundesligisten handelte, sondern den Stadtrivalen Union Berlin. Hier scheint es mittlerweile zur unschönen Tradition zu werden, dass Hertha in Duellen an der Alten Försterei, auch ohne Zuschauer, nicht ganz auf der Höhe ist, um es mal euphemistisch auszudrücken. Von der Kombinationssicherheit, die man noch in der Vorwoche gegen Leverkusen bestaunen durfte, war nicht das Geringste zu sehen, sodass das 1:1 am Ende der Alten Dame sogar noch schmeichelte.

Viel Zeit, sich über diesen uninspirierten Auftritt aufzuregen, blieb allerdings nicht, denn bereits am Montag wurde ein Interview von Herthas Torwarttrainer Zsolt Petry veröffentlicht, das in der Hanns-Braun-Straße für kollektives Kopfschütteln gesorgt haben dürfte. In diesem offenbarte der 54-jährige, neben diversen weiteren Verfehlungen, seine homophoben und migrationsfeindlichen Ansichten und ließ Hertha damit keine andere Wahl, als die Zusammenarbeit zu beenden.

Hertha ist politisch – und das ist auch gut so

Ex-Torwarttrainer Zsolt Petry mit dessen Schützling Rune Jarstein (Imago images via Getty Images, nordphoto GmbH, Engler)

So schwer Hertha es seinen Fans auch immer mal wieder macht, diese toxische Beziehung weiterhin aufrecht zu erhalten, so stolz darf man angesichts dessen, wie Carsten Schmidt, Arne Friedrich und Co. in dieser Causa agiert haben, auf den Klub sein. Nach interner Beratung und unter Einbeziehung aller beteiligten Personen – insbesondere der von Petry trainierten Torhüter – gab Hertha nur einen Tag nach Bekanntwerden von Petrys Aussagen, mit Verweis auf die Werte des Vereins, die Trennung vom Ungarn bekannt. Hertha hat damit eindrucksvoll gezeigt, dass rassistisches Gedankengut in keinster Weise zu tolerieren ist. Liest man sich die teils entlarvenden Kommentarspalten bei Facebook und Co. durch, weiß man, wie wichtig es war, dass Hertha hier ein Zeichen gesetzt und wiederholt klar gemacht hat, dass man nicht gleichzeitig Rassist und Anhänger von Hertha BSC sein kann.

Zeit für sportlich positive Schlagzeilen

Gladbachs jüngste Mini-Erfolgsserie steht auf wackeligen Beinen. (Imago images via Getty Images, Guido Kirchner)

Nachdem die Blau-Weißen in dieser Woche also vor allem neben dem Platz Haltung gezeigt haben, wird es nun Zeit, auch auf dem Rasen für gute Nachrichten zu sorgen. Denn trotz vier Zählern aus den letzten beiden Spielen ist man weiterhin mittendrin im Abstiegskampf. Mit Borussia Mönchengladbach wartet nun ein Gegner, der auf dem Papier wieder im Aufwind zu sein scheint. Nachdem infolge der Verkündung des Abgangs von Cheftrainer Marco Rose vier Ligaspiele hintereinander verloren wurden, gab es zuletzt wieder zwei Siege. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass der erste Dreier dabei gegen Schalke heraussprang, die in der diesjährigen Verfassung aus jeglicher, sportlichen Analyse herausgerechnet werden müssen. Auch der Sieg gegen Freiburg am Samstagabend war alles andere als überzeugend. So hätte Freiburg zum Pausenpfiff gut und gern mit 4:0 führen können. In der zweiten Halbzeit steigerte sich das Team von Marco Rose zwar deutlich, doch die Souveränität der Vorsaison ist Gladbach längst abhandengekommen. In den seltensten Fällen gelingt es den „Fohlen“, eine Partie über 90 Minuten zu dominieren und einen Sieg ungefährdet über die Zeit zu bringen.

Dachte man vor der Saison noch, dass mit den Zukäufen von Lazaro und Wolf, die offensiv ohnehin schon stark besetzte Mannschaft nun noch stärker werden würde, ist das Gegenteil der Fall. Sowohl Plea als auch Thuram, Gladbachs Torgaranten im Vorjahr, rennen ihrer Form aktuell weit hinterher. Hinzu kommt, dass die Defensive längst nicht mehr so stabil steht. Bereits jetzt, nach 27 absolvierten Partien, hat der VfL mit 41 Gegentreffern ein Tor mehr kassiert als in der gesamten zurückliegenden Saison. Es darf sich aus blau-weißer Sicht also durchaus etwas ausgemalt werden.

Hoffnung auf Dardai und Khedira

Auch der Blick auf die Personalsituation gibt dabei Grund für vorsichtigen Optimismus. Marton Dardai, der beim Derby wegen einer Innenbanddehnung im Knie nicht bereitstand, könnte am Samstag wieder Kandidat für die Startelf sein. Insbesondere dessen starke Spieleröffnung habe Hertha gegen Union gefehlt, wie Trainer Dardai in der Pressekonferenz vom Donnerstag hervorhob. Auch bei Sami Khedira, der gegen Union in der Schlussphase eingewechselt wurde, sollte es laut Dardai für mindestens 45 Minuten reichen. Ein großer Wehrmutstropfen ist indes die Lage rund um Kapitän Dedryck Boyata. Nachdem der Belgier nach dreimonatiger Verletzungspause eine Halbzeit für Belgien absolvierte, zog er sich vor der Partie gegen Union einen Muskelfaserriss zu. Ob es in dieser Saison noch für Einsätze reicht, darf zumindest mal mit einem Fragezeichen versehen werden. Hinzu kommt, dass auch Vladimir Darida nach seiner Rot-Sperre gegen den BVB und Tousart wegen der fünften gelben Karte nicht zur Verfügung stehen werden. Dasselbe gilt für Eduard Löwen, der noch mit muskulären Problemen zu kämpfen hat. Umso wichtiger wäre daher die Einsatzfähigkeit von Dardai und Khedira, um diese turbulente Woche mit einem Erfolgserlebnis zu beschließen.

Quelle Titelbild: Imago images, via Getty Images, Matthias Koch

1. FC Union Berlin – Hertha BSC: Das Derby zum richtigen Zeitpunkt?

1. FC Union Berlin – Hertha BSC: Das Derby zum richtigen Zeitpunkt?

Zurück zum Wesentlichen: Nachdem auch mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie der Fußball seine Sonderstellung immer weiter ausreizt und heiter seine Akteure rund um den Erdball schickt, sind nun alle wieder zurück bei ihren Vereinen. Aus rein nüchterner, sportlicher Sicht kam die Auszeit für Hertha jedoch tatsächlich gelegen. Sami Khedira konnte das Training wieder aufnehmen und wird am Sonntag, ebenso wie Kapitän Dedryck Boyata, im Kader stehen. Dass seine Antreiberqualitäten vonnöten sein werden, steht wohl außer Frage. Denn zum Abschluss des 27. Spieltags ist es zum nunmehr vierten Mal in der ersten Liga so weit: Das Derby steht auf dem Programm!

Im Vorfeld des Spiels gegen Union Berlin haben wir mit Hans-Martin, bekannt durch den Blog und Podcast textilvergehen, gesprochen und von ihm Einblicke in das Unioner Seelenleben während dieser so verrückten Saison bekommen.

Verkehrte Welt in Berlin

(Imago Images via Getty Images)

Dass Hertha und Union vor einem Aufeinandertreffen am 27. Spieltag 14 Punkte trennen, ist auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. In der Saison 2010/2011, als sich die beiden Rivalen am 21. Spieltag in der zweiten Liga gegenüberstanden, waren es gar 20 Punkte. Allerdings waren es zu diesem Zeitpunkt erwartungsgemäß die Blau-Weißen, die von der Tabellenspitze grüßten, während Union sich im Abstiegskampf befand.

Heute haben sich die Vorzeichen gedreht. Nicht nur die Ligazugehörigkeit beider Teams hat sich geändert, sondern – zumindest, was die aktuelle Spielzeit betrifft – auch die Rangordnung. Hertha bangt dieser Tage um den Verbleib im Oberhaus. Parallel dazu hat Union das Saisonziel des Klassenerhalts faktisch schon erreicht und kann die verbleibenden acht Partien quasi als Bonus angehen.

Ein Satz, den im Vorfeld der Saison so wohl niemand erwartet hätte, wie auch Hans-Martin sagt: „Die Saison übertrifft wirklich alles, was ich zu hoffen gewagt hätte. Gerade nach dem Verlust von Sebastian Andersson hatte ich einen deutlich schwierigeren Verlauf erwartet. Aber Urs Fischer ist es einerseits gelungen, erneut viele neue Spieler einzubinden, und andererseits sozusagen unter Volllast die Spielweise der Mannschaft umzustellen und deutlich weiterzuentwickeln.“

Schwächephase vor dem Derby?

Unions Offensive zeigte sich zuletzt nicht mehr so treffsicher wie in der Hinrunde (Imago Images via Getty Images)

Die „umgestellte Spielweise“ ist dabei sogar fast noch beeindruckender als Unions Tabellenplatz. Während das Mittel der Wahl im letzten Jahr noch in Standards oder langen Bällen auf Andersson bestand, weiß Union nun auch aus dem Spiel heraus Chancen zu kreieren und hat sich in der Hinrunde hinter dem FC Bayern und Borussia Dortmund zum torgefährlichsten Team der Liga gemausert. Zur ganzen Wahrheit zählt aber auch, dass der Höhenflug in den zurückliegenden Spielen nicht mehr fortgesetzt werden konnte. Zu den beachtlichen 28 Zählern aus der ersten Saisonhälfte kamen bis heute nur noch zehn hinzu (zum Vergleich: Hertha holte im selben Zeitraum sieben Punkte). Auch die Torausbeute ist bei weitem nicht mehr so furchteinflößend wie noch in der Hinrunde. Acht Treffer erzielten die Eisernen seit dem 18. Spieltag und damit genauso viele wie Hertha.
Defensiv steht Union derweil weiterhin stabil, hat mit 32 kassierten Toren eine der sichersten Abwehrreihen der Liga. Der Schuh drückt aktuell also vor des Gegners Gehäuse.

Angesprochen darauf sagt Hans-Martin: „Zum einen spielt sicher die Verletzung von Max Kruse eine gewichtige Rolle. Auch wenn ich finde, dass die Mannschaft das insgesamt erstaunlich gut abgefangen hat, so ist er doch in seiner individuellen Klasse und sehr speziellen Spielweise nicht vollständig zu ersetzen. Hinzu kam eine deutlich geringere Effizienz. In der Hinrunde wurden aus 23 xG (expected goals, Anm. d. Red.) noch 32 Tore erzielt, in der bisherigen Rückrunde 8 aus 14. Kruses Fehlen ist da sicher ein Faktor, aber auch individuelle Schwankungen.“

Tatsächlich mangelt es Union neben Max Kruse an einem weiteren Akteur, der als Abschlussspieler fungieren kann. Nach der Verletzung von Awoniyi, mit fünf Treffern immerhin der zweiterfolgreichste Spieler bei den Köpenickern, versuchte es Urs Fischer zuletzt meist mit Joel Pohjanpalo als zweitem Angreifer. Getroffen hat der Finne in dieser Zeit kein einziges Mal. Dabei waren die Chancen, insbesondere am zurückliegenden Spieltag gegen Frankfurt, als man bei der 2:5-Niederlage satte 25 Torschüsse zustande brachte, zuhauf da. Doch auch hier war es wieder Max Kruse, der für die einzigen beiden Treffer sorgte. Dass es Union aber nicht gerecht würde, allein Kruse für die starke Saison verantwortlich zu machen, zeigte sich nach dessen Verletzung beim letzten Derby, in deren Folge er mehrere Wochen ausfiel und Union auch ohne sein Zutun unter anderem den BVB und Leverkusen schlug sowie Bayern und Wolfsburg einen Punkt abluchste. Dass Unions fußballerische Weiterentwicklung auch ohne den ehemaligen Nationalspieler Bestand hat, konnte man während dieser Phase sehen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es aktuell an einigen Stellen hakt, während der Trend bei Hertha (endlich) wieder in die andere Richtung zu zeigen scheint.

Mehr als ein kurzes Luftholen im Abstiegskampf?

Der Sieg gegen Leverkusen, noch dazu in dieser nicht für möglich gehaltenen Art und Weise, hat im blau-weißen Teil der Hauptstadt für ganz tiefes Durchatmen gesorgt. Damit hat Hertha nun aus den vergangenen drei Partien sechs Punkte geholt und mit dem Dreier gegen die Werkself auch endlich mal ein Spiel gegen ein Top-Team gewonnen. Dass es in der Mannschaft zu stimmen scheint, konnte auch schon in den Spielen davor konstatiert werden. Allein helfen in dieser so schwierigen Phase nun mal nur Punkte. Während Union also weitestgehend befreit in die Partie gehen kann, liegt der Druck ganz klar aufseiten von Hertha. Für gewöhnlich ist das nicht gerade die Stärke der Alten Dame.

Doch gegen Augsburg und Leverkusen hat das Team gezeigt, dass man ihm mit dieser Einschätzung vielleicht unrecht tut. Mit der Rückkehr von Sami Khedira und Dedryck Boyata sind in jedem Fall zwei enorm wichtige Spieler, nicht nur für den Platz, sondern auch für die Kabine, wieder fit. Gleichwohl es insbesondere bei Kapitän Boyata am Sonntag noch nicht für die Startelf reichen dürfte, sind das allemal gute Nachrichten, die Hertha im Abstiegskampf dringend gebrauchen kann.

Quelle Titelbild: Imago Images via Getty Images