Die große Chance einen Albtraum zu beenden

Die große Chance einen Albtraum zu beenden

Die Stimme weg, Tränen in den Augen und vollkommen am Ende mit den eigenen Kräften. Am Montagabend um 22:25 Uhr traf das wohl auf den größten Teil aller Hertha-Fans zu. Das Team der Berliner hatte soeben mit einem Riesenspiel in der Relegation in Hamburg den Klassenerhalt gesichert. Ein Kraftakt einer Mannschaft, deren Charaktere zum Teil die Spiele ihrer Karriere absolvierten.

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(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Es war das passiert, was sich ein jeder im blau-weißen Trikot gewünscht hatte – Hertha produzierte Szenen für die Ewigkeit. Eine Initialzündung für die nächste Saison ist möglich. Die Fans und der Verein haben die einmalige Chance, aus einem schier endlos laufenden Albtraum zu erwachen. Eine Einordnung, was dieser Klassenerhalt bedeutet.

Drei Jahre Albtraum – die Chance zu erwachen

Ich vermute, dass viele Menschen einen Albtraum haben, der sich in irgendeiner Form gerne in schlechten Nächten in den Schlaf schleicht und einen das Leben erschwert. Bei mir zum Beispiel gibt es das sich gerne wiederholende Szenario, dass mir Menschen, die mir lieb sind, sagen, dass sämtliche Prüfungen aus Schul – und Unizeiten nachträglich als ungültig erklärt wurden und mir dementsprechend auch die Abschlüsse wieder entzogen wurden. Was mir diese Träume sagen sollen, weiß ich nicht, darum geht es jetzt glücklicherweise aber auch nicht. Als Hertha-Fan erwacht man gerade zum dritten Mal aus einem Albtraum, der sich seit drei Jahren in feiner Regelmäßigkeit wiederholt. Die Sommerpause ist wieder einmal des Herthaners bester Freund.

In den letzten drei Jahren ist so viel rund um Hertha BSC passiert, dass ein Buch nötig wäre, um all das aufzuzählen und einzuordnen. Wieder einmal gelingt der Klassenerhalt und wieder einmal in einer hochdramatischen Art und Weise. Während man 2020 unter Bruno Labbadia fast schon unspektakulär über dem Strich blieb und sich letztendlich im Tabellenmittelfeld stehend in die Sommerpause verabschiedete, war das Szenario 2021 von der Spannung und Dramatik her kaum zu toppen. Die Corona-bedingte Pause, sechs Spiele in wenigen Wochen und am Ende ein feierndes Team um Pal Dardai. Doch was dieses Jahr passieren sollte, ist definitiv unvergleichbar und hätte knapper kaum sein können. Wieder einmal kann die Hertha im buchstäblich letzten Moment dem Tod von der Klinge springen.

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(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Doch was in den jeweiligen Momenten Freude und Erleichterung bringt und eine Form von Glückseligkeit, die sich nicht einmal der aktuelle DFB-Pokalsieger erkaufen kann, freisetzt, folgt erst auf eine dramatische und nervenaufreibende Leidenszeit. Da sind wir wieder beim Albtraum. Die Zeit, in der man nachts wach wird bzw in der das Team in der Sommerpause ist, scheint die genießbarste Zeit auf Erden zu sein. Sobald man die Augen schließt und die Mannschaft in die Saison startet, geht der Schrecken von vorne los. Doch das Potential und die Chance sind da, dass man dieses Mal keine Angst vor einem Albtraum haben braucht.

Hertha BSC braucht Ruhe und Führung   

Um das möglich zu machen, braucht Hertha BSC vor allem Ruhe. Sämtliche Nebenkriegsschauplätze müssen geklärt werden. Aktuell wird der Verein in seinen Grundfesten erschüttert und treibt relativ führungslos daher. Nach dem Spiel gegen den HSV wurde bekanntgegeben, dass Finanzvorstand Ingo Schiller seine Koffer packen würde. Damit zieht der zweite große Chef nach Carsten Schmidt zum Ende dieser Saison die Reißleine. Die Tage von Präsident Werner Gegenbauer sind gezählt, sein Rücktritt scheint ebenfalls beschlossene Sache. Auch das Präsidium steht auf der Kippe. Zusätzlich wird ein neuer Trainer gesucht und viele Vertragssituationen von Personalien im sportlichen Bereich, wie Marcel Lotka, Kevin-Prince Boateng und vielen weiteren Akteuren sind bisher ungeklärt. Weiterhin ist der starke Mann Sportvorstand Fredi Bobic, dem ein Gegenspieler oder zumindest eine ernsthafte Kontrollinstanz im Verein fehlt.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Vereinslegenden wie Pal Dardai, Zecke, Michael Hartmann und zuletzt Arne Friedrich wurden unwürdig aus dem Verein entlassen bzw. getrieben. Auch das Verhältnis zur Ultraszene ist nach den vielen Auseinandersetzungen in dieser Saison nicht komplett geklärt. Ebenso muss eingehend besprochen werden, wie man sich zukünftig gegenüber dem Investor Lars Windhorst und seiner Tennor-Holding verhalten möchte. Die Mitgliederversammlung am Sonntag wird richtungsweisend sein, was die Führung des Vereins betrifft. Ein riesen großer Scherbenhaufen muss aufgefegt werden. Und eigentlich nicht nur den dieser Saison. Sondern den der letzten drei Jahre. Denn Transfer-Altlasten wie Dodi Lukebakio, Eduard Löwen oder Deyovaisio Zeefuik gilt es ebenso zu klären.

Man muss sich in gewisser Weise eingestehen, dass die legendären Tagebücher von Jürgen Klinsmann Einblicke gewehrt haben, die anscheinend wirklich zutreffend waren. Mittlerweile wurde zu großen Teilen in die damals geforderte Richtung gehandelt. Weiterhin befindet sich der Verein in einem Umbruch. Ebenso der Kader. Am Ende werden nur wenige Spieler den dritten Umbruch im Verein überlebt haben. Auf die handelnden Personen und insbesondere Fredi Bobic kommt ein Berg an Arbeit zu. Doch nun ist Sommerpause und sie haben die Zeit, all die Baustellen anzugehen. Was das alles für Hertha BSC bedeutet, wird in den nächsten Tagen und Wochen eingeordnet werden.

Ein Genuss legendärer Erlebnisse – Und die Jahre der Mahnung

In der Retrospektive wird man in einigen Wochen, Monaten und Jahren auf die Zeit schauen und wieder einmal unvergessliche Szenen und Erlebnisse ausgraben und besprechen. Es werden schlechte dabei sein, das ist klar. Drei Derbys zu verlieren, nagt am Selbstverständnis eines Jeden, der es mit der Hertha hält. Die schwarze Zeit mit Tayfun Korkut als Trainer. Die Geschichten um Pal Dardai und Arne Friedrich wirken bis heute unfair und machen betroffen. Doch beide sind dank ihrer Vergangenheit mit Hertha positiv verbunden. Dardai war vor wenigen Wochen im Amateurstadion zu Besuch um seinen Sohn Bence im U17-Halbfinale gegen den VfB Stuttgart spielen zu sehen. Arne Friedrich kommentierte den Klassenerhalt auf Twitter mit blau-weißen Herzen.

Der Saisonendspurt hat sich in die Köpfe eingebrannt. Ob es der Befreiungsschlag gegen Hoffenheim war, der frenetische Jubel im Olympiastadion nach dem 2:0 gegen den VfB Stuttgart, die drei verpassten Matchbälle oder junge Spieler, wie Marcel Lotka, Oliver Christensen oder Linus Gechter, die sich für die Hertha begeistern konnten und einen riesigen Beitrag zum Klassenerhalt leisteten. Die Leistungsexplosion längst aufgegebener Leistungsträger, wie Kevin-Prince Boateng und Marvin Plattenhardt, die das Rückspiel gegen den HSV auf phänomenale Art und Weise an sich rissen und ein Tor für die Ewigkeit schossen.

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(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Der Abschied vom langjährigen Herthaner Niklas Stark, der nicht wie verdient gewesen im Olympiastadion stattfand, sondern in abgespeckter, aber nicht minder emotionaler Art und Weise vor den mitgereisten Fans in Hamburg. Die Geschichten wurde geschrieben und nun gilt es sie in irgendeiner Form einzuordnen und zu verstehen.

Es darf selbstverständlich kein „Weiter so“ geben. Das wird es auch nicht, das zeigen die vielen personellen Konsequenzen in den letzten Stunden. Die letzten drei Jahre müssen ein Mahnmal sein. Nicht nur für Hertha, sondern für den gesamten deutschen Fußball. Erfolg lässt sich nicht einfach so kaufen. Mit keinem Geld der Welt. Es gehören gut arbeitende Menschen dazu, die auch mit den vielen Millionen etwas sinnvolles anstellen und daran ist der Verein seit dem Einstieg von Lars Windhorst krachend gescheitert. Beinahe so deutlich, dass der Abstieg kaum noch abzuwenden gewesen wäre. Nach 34 Spieltagen hätte sich kein Mensch beschweren können, wenn es dazu gekommen wäre. Es gilt mit Bedacht und klaren und freien Köpfen zu handeln. Keiner fordert Wunderdinge. Schon gar nicht, dass nächste Saison das Ziel Europa ausgerufen wird. Wenn man sich in den sozialen Medien so umschaut, reicht eigentlich schon eine entspannte, ja fast schon langweilige Mittelfeld-Saison. Und daran sollte man sich orientieren. Es geht nicht um den Wunsch und das Image eines windigen Investors, der von dem Geschäft rein gar keine Ahnung hat. Es geht um die vielen, zehntausenden Fans, die mit dem Verein durch jedes noch so übel lodernde Feuer gehen und ihm die Treue bis in alle Ewigkeiten schwören. Ein Verein und die Fans müssen gemeinsam wachsen, die Ansprüche ebenso. Und das braucht Zeit. Die Sinnkrise und Selbstfindungsphase des Vereins ist noch lange nicht vorbei, doch mit dem Klassenerhalt konnte ein großer Schritt in die richtige Richtung gegangen werden, um diese Phase irgendwann zu beenden.

Aufwachen und die Chancen nutzen

Die Chancen für einen Neuanfang sind da, nie waren sie größer und sie dürfen dieses Mal nicht vergeben werden. Die Reaktionen der Spieler nach dem Spiel zeigen, was solche Abstiegsschlachten psychisch mit Menschen machen. Ein weiteres Jahr in diesen Tabellengefilden wäre schwerer denn je. Fredi Bobic und co. müssen nun einen schlagkräftigen Kader zusammenbauen um Hertha nächste Saison ein ruhiges Jahr zu schenken und einen gesicherten Weg in die Zukunft zu ebnen.

Nur dann gelingt es endgültig aus einem jahrelangen Albtraum zu erwachen.

[Titelbild: RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images]

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den dritten Matchball und muss in die Relegation

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den dritten Matchball und muss in die Relegation

Hertha BSC muss zehn Jahre nach dem legendären Abstiegsdrama in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf wieder nachsitzen. Und das gegen den Hamburger SV. Mehr Drama, mehr Spannung und mehr Traditionen gehen eigentlich kaum. Gegen Borussia Dortmund musste die Mannschaft von Felix Magath eine 1:2-Niederlage hinnehmen und vergab damit den dritten und letzten Matchball im Kampf um den direkten Klassenerhalt. Während die Stuttgarter im Fernduell gegen den 1. FC Köln wiederum mit 2:1 siegten, sich für eine starke Aufholjagd in den letzten Spielen belohnten und den Klassenerhalt perfekt machten, half eine einmal mehr engagierte, letztendlich aber einfach zu schwache Vorstellung im Signal-Iduna-Park nicht mehr, um die rettenden Punkte bzw. den einen einzigen Punkt zu sammeln.

Vier Änderungen in der Hertha-Startelf

In Dortmund stellte Felix Magath die Mannschaft im üblichen 4-2-3-1-System auf. Allerdings änderte er sein Team auf vier Positionen, möglicherweise allein wegen der Belastungssteuerung, warten doch nun noch zwei weitere Partien am Donnerstag und den folgenden Montag, die möglicherweise beispielsweise für Kevin-Prince Boateng noch einmal kräftezehrende Spiele werden könnten. Eben jener Boateng saß, nachdem er in den letzten Wochen stets in der Startelf zu finden war, lange Zeit in Dortmund nur auf der Bank. Er wurde von Jurgen Ekkelenkamp ersetzt, der zuletzt kaum zum Einsatz kam.

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(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Außerdem kam es zu drei weiteren Änderungen in der Startelf. Auf der Linksverteidiger-Position kam der wiedergenesene Marvin Plattenhardt zum Einsatz. Der von der TSG Hoffenheim umworbene Marton Dardai, der ihn gegen Mainz noch positionsfremd vertreten hatte, war gegen den BVB auf Grund muskulärer Probleme nicht einmal im Kader. Der Rest der Verteidigung bestand aus der mittlerweile sich als Stammabwehr etablierten Truppe um Marcel Lotka im Tor, Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung und Peter Pekarik als Rechtsverteidiger. Lucas Tousart und Santi Ascacibar wieder davor als Doppelsechs.

In der Offensive verzichtete Magath neben Boateng auch auf Vladimir Darida, der durch Maximilian Mittelstädt ersetzt wurde. Marco Richter saß nach seinem erkältungsbedingten Fehlen zunächst auf der Bank. Mittelstädt sollte sich um die linke Seite kümmern, während Suat Serdar wieder auf die rechte Seite ging. Für den Sturm wurde Davie Selke nicht mehr rechtzeitig fit. Ishak Belfodil vertrat ihn.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf Führungsfiguren, das Potential, welches auf der Bank schlummerte, eine unnötige gelbe Karte und was mit einer stabilen Abwehr in der Relegation möglich ist.

Ishak Belfodil: Er hätte mehr Vertrauen verdient gehabt

Dass gegen den BVB kein Offensivfeuer abgefackelt werden würde, war im Vorfeld natürlich jedem klar. Auch, dass es nicht zu dem atemberaubenden Schlagabtausch kommen würde, den die Mannschaften im Hinspiel geboten haben. Ishak Belfodil gelang es trotzdem eine gewisse Präsenz zu zeigen und stets Gefahr auszustrahlen. Dass er wie so oft in dieser Saison den Ball aber eher defensiv bekam oder zu weit auf den Außen, ist leider sein Schicksal, was der allgemeinen schwachen Offensive der Hertha geschuldet ist.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Gegen den BVB hatte der Algerier seinen goldenen Moment in der 18. Minute. Die Einladung des ausgestreckten Fußes von Dan-Axel Zagadou nahm er dankend an. Nach der Sichtung der Videobilder wurde zurecht auf Elfmeter entschieden. Ishak Belfodil verwandelte sicher per Flachschuss in die linke Ecke. Insgesamt hatte er wieder 33 Aktionen, verteilte viele Bälle. 18 seiner 24 Pässe kamen bei seinen Mitspielern unter. Für einen Offensivspieler sind 75 Prozent eine starke Quote. Sein Zweikampfverhalten ließ mit 25 Prozent siegreicher Aktionen allerdings stark zu wünschen übrig. Immerhin lief er über 10,21 km und war – gegenteilig dazu was man von ihm erwarten würde – extrem kommunikativ, motivierte seine Mitspieler, forderte Konzentration und wirkte zum Teil wie ein Spieler, der einen gewissen Stil eines Führungsspielers verkörperte.

Auch wenn ein fitter Davie Selke in den letzten Wochen für viel Gefahr sorgen konnte, hat Belfodil einmal mehr gezeigt, dass er ein Spieler ist, der in diesem Kader viel öfter einen Startelf-Einsatz verdient gehabt hätte. Am Ende hilft es nicht sich an vergebenen Chancen gegen Bielefeld und Mainz festzubeißen, aber wer weiß, was ein Ishak Belfodil, dem man mehr Vertrauen geschenkt hätte, hätte ausrichten können.

Maximilian Mittelstädt: Viel Einsatz, wenig Ertrag

Es tat gut, einen fitten und motivierten Maximilian Mittelstädt mal wieder von Anfang an spielen zu sehen. Er wurde zwar nach 65 Minuten für Fredrik-André Björkan ausgewechselt, doch er bemühte sich über die gesamte Zeit der Partie seinen Stempel aufzudrücken. Dortmunds Emre Can machte ihm als direkter Gegenspieler allerdings auch das Leben schwer. Immer wieder kam es zu Zweikämpfen, aber immerhin ging – Vorsicht Floskel – Mittelstädt immer dahin, wo es wehtut.

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(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Insgesamt hatte der Ex-Juniorenspieler 35 Aktionen, konnte zwölf seiner 18 Pässe positiv gestalten und gewann zusätzlich 67 Prozent seiner Zweikämpfe. Maximilian Mittelstädt wurde in seiner Karriere meistens als Linksverteidiger eingesetzt, immer wieder waren die Kritikpunkte, dass er defensiv zu viele Defizite habe, die verhindern würden, ihn als einen guten Verteidiger zu bezeichnen. Als Schienenspieler war und ist Mittelstädt immer eine Alternative, doch an beiden Enden fehlt leider eine Menge. Denn auch offensiv hat er Defizite, beispielsweise eine zu geringe Durchsetzungskraft und zu wenig Torgefahr.

Doch im Zusammenspiel mit der restlichen Offensive kann er durchaus noch zu einer interessanten und wichtigen Konstante werden. Und sei es nur als Einwechselspieler, wie gegen Stuttgart, wenn er als einer der wenigen fitten Spieler auf dem Platz noch mit einer Torvorlage glänzen kann.

Santiago Ascacibar: Dämliche gelbe Karte

Santiago Ascacibar war in dieser Saison extrem wichtig für die Hertha, ein Lautsprecher auf dem Feld, immer mit großem Einsatz und jemand, der für Kampf und Leidenschaft stand. Dass er ein Hitzkopf ist und auch gerne mal etwas härter auspackt, weiß man. Oftmals spielt er an der Grenze der Legalität und doch war es auch sein Verdienst, dass Dortmund fast die gesamte erste Halbzeit keine Chancen kreieren konnte.

Auch als Ballverteiler schafft es der Argentinier sich in seinen 88 Minuten Spielzeit in Szene zu setzen. 65 Prozent seiner 18 Pässe fanden die Mitspieler, leider gewann er nur zwei seiner sieben Zweikämpfe, zog zwei Fouls und war unglücklicher Part des Handspiels von Marvin Plattenhardt, welches zum Elfmeter für Borussia Dortmund in der 68. Minute führte, als der Ball von seinem angelegten Arm an den ausgestreckten Arm seines Mitspielers prallte. Ansonsten zog Ascacibar zwei Fouls, grätschte, tackelte und klärte zweimal den Ball in der Defensive.

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Unrühmlicher Höhepunkt war seine unnötige gelbe Karte vor dem Elfmeter der Dortmunder, als er Schiedsrichter Tobias Stieler zum wiederholten Male zu sehr auf die Pelle rückte, um die VAR-Bilder sehen zu können. Eine dämliche Aktion, die der Schiedsrichter mit der gelben Karte bestrafte. Die fünfte gelbe Karte der Saison, weshalb Ascacibar äußerst unnötig im Hinspiel gegen den HSV fehlen wird.  

Kevin Prince Boateng und Stevan Jovetic: Die individuelle Klasse wird für Hertha wichtig sein

Kevin-Prince Boateng und Stevan Jovetic sind Spieler, die eine Mannschaft auf ein anderes Niveau heben können und dem Spiel eine gehörige Portion Struktur und Torgefahr einimpfen können. Doch dafür müssen sie auch fit sein und ihre Leistung länger als nur über ein paar Minuten abrufen können. Beide kamen erst nach 88 Minuten ins Spiel.

Boateng wurde, nachdem er in den letzten Wochen Lenker und Denker im Mittelfeld war, aber gegen Mainz auch leistungstechnisch abtauchte, mit der Bank bedacht. Einerseits wirkte er nach den vielen Einsätzen in letzter Zeit müde und überspielt, andererseits könnte Magath bereits die Relegation im Hinterkopf gehabt haben und wollte ihn dafür ein wenig schonen. Selbst wenn er nur clevere Fouls zieht, denn mehr konnte Boateng gegen Dortmund letztendlich auch nicht ausrichten, hat er einen gewissen Einfluss auf die Mannschaft. Die Hoffnung ist groß, dass er gegen den HSV, einen Gegner, der etwa auf Augenhöhe mit Hertha BSC ist, wieder die kreativen und denkenden Zügel in der Hand hat.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Im Gegensatz zu Boateng erspielte sich Stevan Jovetic sogar noch eine Torchance. Sein Torschuss aus halblinker Position ans Außennetz in der zweiten Minute der Nachspielzeit sorgte zwar für ein Aufhorchen, konnte im Endeffekt aber nichts mehr am Spielende ändern. Stevan Jovetic ist mit sechs Treffern Herthas bester Torschütze in dieser Bundesliga-Saison. Es wären mehr möglich gewesen, doch der Montenegriner hatte viel zu viel mit seinem Körper zu tun. Wenn er gegen den HSV fit sein sollte und mehr als eine halbe Stunde Spielzeit bekommen würde, kann er zu einer enormen Waffe werden. Doch auch die psychische Komponente könnte bei ihm spannend werden. Leider hat man im Laufe der Saison zu oft sehen müssen, wie schnell er in Frustration abrutscht, wenn seine Offensivaktionen nicht fruchten.

Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf: Kommunikativ und guter Abwehrverbund

Die Innenverteidigung hat sich mittlerweile gefunden. Die wohl allergrößte Baustelle unter vielen Baustellen dieser Saison konnte also spät zumindest provisorisch geschlossen werden. Beide agierten wieder über 90 Minuten in Dortmund und waren bei Leibe nicht für die Niederlage verantwortlich.

Dedryck Boyata klärte zehn Bälle aus dem Strafraum und machte es den Dortmundern wahnsinnig schwer Chancen zu kreieren. Es war spannend zu sehen, wie der BVB sich praktisch in Handball-Manier um den Strafraum herumspielen müsste, aber keine Lücke fand, weil die Abwehr um Boyata hervorragend im Verbund mauerte. Der Belgier spielte eines seiner besseren Spiele für die Hertha. Er gewann all seine Zweikämpfe, brachte 16 seiner 19 Bälle bei seinen Mitspielern unter, auch wenn das natürlich viele Sicherheitsbälle waren, da das Offensivspiel der Hertha zugegebenermaßen jetzt nicht gerade glühte.

Zwei Tacklings, einen weiteren Schuss geblockt und vor allem Erling Haaland das Leben in seinem letzten Spiel für Borussia Dortmund das Leben schwer gemacht. Kein schlechter Auftritt vom Kapitän, der auch kommunikativ dazugelernt zu haben scheint. Zumindest war er kommunikativer und motivierender als in den meisten seiner Spiele. Gut so, denn ein Kapitän, der dieses Amtes würdig ist, wird gegen den HSV in der Relegation dringend gebraucht.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Marc Oliver Kempf war wie immer wach und agil, verzichtete aber – wie schon gegen Mainz – auf wilde Harakiri-Aktionen. Er spielte zwar gewohnt körperbetont, doch auch er wagte es nicht, dem disziplinierten Abwehrverbund mit einer unnötigen Aktion Schaden zuzufügen. Er spielte für seine Verhältnisse gar besonnen. In seinem Spiel kam er in acht Zweikämpfe. Immerhin gewann er fünf davon. Er konnte zusätzlich einen Schuss blocken und klärte drei Aktionen. Zusätzlich fing er zwei Bälle von den Dortmundern ab.

Auch im Aufbauspiel schaltete sicher der Innenverteidiger ein und brachte mit 75 Prozent gelungener Pässe eine gute Quote zustande. Insgesamt war er an 26 Aktionen beteiligt. Klarer Wehrmutstropfen war allerdings sein praktisch nicht vorhandenes Zweikampfverhalten in der 84. Minute, als er dem flinken und einschießenden Youssoufa Moukoko zu viel Platz ließ. Trotz allem ein sehr disziplinierter Auftritt von Kempf, an dem es gegen den HSV anzuknüpfen gilt.   

Marcel Lotka und Davie Selke: Verletzungen zur Unzeit

Davie Selke verletzte sich unter der Woche im Training. Zunächst hieß es, dass seine muskulären Probleme auskuriert seien und man mit ihm in Dortmund planen würde, kurz vor dem Spiel war allerdings klar, dass der Ex-Bremer nicht zur Verfügung stehen würde. Was das für die Relegation bedeutet, ist noch nicht klar. Möglicherweise wollte Magath auch hier auf Nummer sicher gehen und ihn für die wichtigen Spiele schonen. Ein fitter Davie Selke wäre in solchen emotionsgeladenen Spielen immens wichtig. Auch wenn Ishak Belfodil spielerisch der bessere Spieler ist, beweist Selke eine Arbeitsmoral, die ihres Gleichen sucht. Und bekanntlich besitzt auch er eine Gabe, nämlich das Spielen mit der Psyche der Gegner. Hoffen wir, dass er bis Donnerstag fit wird.

Marcel Lotka krachte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit ziemlich fies im Flug mit dem Gesicht mit dem Pfosten zusammen. Nach einer Behandlungspause ging es weiter für den Torhüter. Nach dem Spiel wurde berichtet, dass sich der junge Keeper einen Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Eine Hiobsbotschaft zur Unzeit. Die erste Frage ist natürlich, warum er überhaupt weiterspielen durfte. Der Umgang mit Kopfverletzungen im Fußball ist bekanntlich extrem bedenklich, auch hier wäre Fingerspitzengefühl dringend notwendig gewesen. Auf der Bank machte sich bereits Ersatztorwart Oliver Christensen bereit.

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Nun stellt sich auch die Frage, ob Lotka am Donnerstag einsatzbereit ist. Wie schwer sind die Verletzungen, wie hoch ist das Risiko einen Torhüter mit gebrochener Nase und einer Maske im Gesicht spielen zu lassen? Er ist ein extrem wichtiger Mann für die Hertha. Motiviert, baut auf und kommandiert und hat eine Ausstrahlung, die man in der aktuellen Situation dringend benötigt. Es passt leider in das gesamte Bild der Hertha-Saison, dass solch eine Verletzung ausgerechnet jetzt die Pläne durchkreuzt.

Nachsitzen gegen den HSV – Noch hat Hertha es in der eigenen Hand

Nach 34 Spieltagen muss man klar konstatieren, dass die Hertha sich über das Jahr hinweg nicht als bundesligataugliche Mannschaft präsentiert hat. Nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Über die Gründe wird gesprochen und geschrieben werden. Auch wenn die Mannschaft mehrere Matchbälle hatte und extrem viele Momente durchlebt hatte, die für eine direkte Rettung gereicht hätten, steht die Mannschaft im Endeffekt verdient auf dem 16. Rang. Die zweitschlechteste Verteidigung, der drittschlechteste Sturm, ein Torverhältnis von 37:71, 19 Niederlagen und regelmäßige Offenbarungseide, sprechen eine deutliche Sprache und lassen keinen anderen Schluss zu.

Dass es am Ende noch zu so einem Abstiegsshowdown und Fernduell gegen den VfB Stuttgart – der wohlgemerkt ebenso wenig verdient die Klasse gehalten hat – kommen würde, ist einzig und allein der einzigen richtigen Entscheidung Fredi Bobics in dieser Saison zu verdanken. Die Einstellung von Felix Magath und Mark Fotheringham war der letzte Strohhalm und er hat einigermaßen gewirkt. Die Relegation gegen den Hamburger SV wird dramatisch werden, sie wird sich einbrennen in die Köpfe aller Beteiligten und aller Fans. Jeder hat noch die Bilder von 2012 vor Augen. Egal wie die Relegation ausgehen wird, es wird sich vieles verändern rund um Hertha BSC. Man hat es in der eigenen Hand den Mega-Crash zu verhindern. Der 1. FC Köln hat in dieser Saison gezeigt, wie man ein Relegationsdrama in positive Energie umwandeln kann und sich ein Jahr später für einen Europa-Cup qualifiziert.

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(Photo credit should read PATRIK STOLLARZ/AFP/GettyImages)

Gegen den HSV könnte es in alle Richtungen gehen, da Felix Magath bereits seit Wochen über dieses Ereignis spricht, kann man immerhin davon ausgehen, dass die Mannschaft auf den Gegner vorbereitet sein wird. Zusätzlich schwört sich das Team im Trainingslager ein. Es ist angerichtet, etwas Wichtiges zu schaffen. Es sind die wohl wichtigsten Spiele der letzten zehn Jahre. Seit dem Aufstieg 2013 war die Hertha nicht mehr so einer großen Druck-Situation ausgesetzt. Es ist höchstens noch vergleichbar mit der Situation vor einem Jahr. Damals konnten Pal Dardai, Admir Hamzagic und Zecke die Mannschaft praktisch auf ein Turnier einstellen. Es ist ihnen gelungen. Hoffen wir nun, dass es das Team noch einmal annimmt. Doch egal was geschieht, nach drei Jahren freiem Fall darf es bei Hertha kein „Weiter so“ geben. Es muss schonungslos analysiert und gehandelt werden.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Herthaner des Monats (April 2022): Marcel Lotka

Herthaner des Monats (April 2022): Marcel Lotka

Jahr für Jahr schreibt der Abstiegskampf in der Bundesliga besondere Geschichten. Sei es durch spektakuläre Ergebnisse, wie bei Werder Bremen vor zwei Jahren, die durch einen 6:1-Erfolg gegen den 1. FC Köln die Relegation erreichten, oder Mainz 05, die im vergangenen Jahr mit dem Trainerwechsel auf Bo Svensson eine furiose Aufholjagd starteten. Und auch bei Hertha BSC, aktuell auf dem besten Weg das Minimalziel Ligaverbleib zu erreichen, wurden in dieser Saison Geschichten geschrieben. So wie die des nominell fünften Torwarts, der plötzlich mittendrin war und durch Leistung überzeugte. Marcel Lotka ist Hertha-BASE-Herthaner des Monats im April 2022.

Dass am Ende eines Monats gleich mehrere Kandidaten berechtigt zur Auswahl zum Spieler des Monats stehen, ist in einem insgesamt eher von Negativschlagzeilen geprägten Hertha-Jahr schon beinahe erwähnenswert. Nachdem es im März für die Alte Dame überhaupt den ersten Pflichtspielsieg des Kalenderjahrs gab, legte Hertha im April den Saisonhöchstwert von sieben Punkten aus drei aufeinanderfolgenden Spielen nach.

Zunächst Ernüchterung

Dabei begann der April ernüchternd. Zum Auftakt gab es eine knappe 1:2-Niederlage bei Bayer Leverkusen. Schon da war Lotka bester Herthaner, dabei war er gar nicht für die Partie vorgesehen. Alexander Schwolow verletzte sich allerdings nach einer Viertelstunde und Lotka, der ursprünglich als fünfter Torwart in die Saison ging und schon im Februar gegen Freiburg sein starkes Bundesliga-Debüt gab, wurde eingewechselt. 

Die Woche nach der Niederlage bei Bayer 04 wurde richtig bitter. Zuhause setzte es die 1:4-Klatsche gegen den 1. FC Union. Während auf dem Feld ein kollektiver Einbruch einsetzte, verhinderte immerhin Torwart Lotka noch Schlimmeres. Bereits in den ersten 20 Minuten zeigte er drei Glanzparaden.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Dass er dann noch der erste war, der sich bei „Sky“ am Mikrofon äußerte, bewies nur: Nicht nur sportlich ist Lotka eine Bereicherung. Seine Ansage war damals klar: Wir werden die Klasse halten. Starke Worte für jemanden, der den Verein (Stand jetzt) im Sommer verlassen wird. Den Vertrag bei Borussia Dortmund II unterzeichnete Lotka zu einem Zeitpunkt, an dem er bei Hertha quasi perspektivlos war. 

Die Null steht mit Lotka

Lotka ließ den Worten Taten folgen, hielt in der Folgewoche beim Sieg in Augsburg die Null. Es war der Auftakt in die wichtigste Saisonphase, denn auch in der Woche darauf, beim Heimsieg gegen den VfB Stuttgart, hielt er die Null fest. 

Bezwungen wurde der 20-Jährige, der sich 2020 Hertha anschloss, erst wieder in der Nachspielzeit gegen Arminia Bielefeld. Doch immerhin reichte es zu einem Punkt und einer Serie, die Hertha im Abstiegskampf einen klaren Vorsprung einbrachte.

“Wie ein Torwart mit langjähriger Erfahrung”

Dass Lotka einen wesentlichen Anteil an dieser Serie hatte, sehen auch die Anhänger auf Twitter so. „Mit 20 Jahren bringt er wirklich viel mit. Genau das, was eigentlich gefordert wurde. Ruhe, Stabilität, Strafraumdominanz etc.“, findet etwa @dll_jackal. „Was für Paraden er rausgehauen hat. Und diese Selbstsicherheit, dieses Anspornen der Mannschaft“, hebt @tommi1892 hervor. 

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

„Sein Kampfgeist und seine Mentalität sind einfach der Hammer“, meint @KenZ_val. „Er wirkt wie ein Torhüter mit langjähriger Erfahrung“, schreibt @DerImmoHai über den Keeper, der bis vor ein paar Wochen auf gerade einmal elf Regionalliga-Spiele im Herrenbereich kam. 

Wie es für den polnischen U 21-Torwart im Sommer weitergeht, wird sich zeigen. Dortmund II spielt in der 3. Liga, Lotka hat sich jedoch unlängst für höhere Aufgaben empfohlen. Und zuletzt sickerte durch, dass eine Klausel im Vertrag einen Verbleib zumindest in Aussicht stellt.

Auch Tousart sticht hervor

Neben Lotka stach auch einer heraus, der seine wohl beste Phase im Trikot der Hertha hat: Lucas Tousart. „Aus meiner Sicht momentan unser wichtigster Spieler. Sowohl im Spielaufbau als auch in der Defensive nicht wegzudenken“, meint @LangeOlaf66 über den Franzosen. Wurde ihm lange nachgesagt, seine hohe Ablöse von 25 Millionen Euro nicht rechtfertigen zu können, scheint er seine Rolle nun gefunden zu haben. Meint auch @Freddy__42: „Hat seinen guten Monat mit einem Tor gekrönt. Hat endlich mal sein Potential aufblitzen lassen. Zweikampfstark, laufstark, spielintelligent.“

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Zu nennen sind außerdem Kevin-Prince Boateng und Davie Selke. Während ersterer seit dem Augsburg-Spiel wichtiger Teil der Startelf ist und „endlich auch auf dem Platz glänzt“, wie @Pal_Palpatine findet, mag es bei Selke vielleicht nicht zum Herthaner des Monats reichen, doch wenn am Saisonende das wichtigste Tor des Jahres gekürt wird, dürfte sein Führungstreffer gegen den VfB Stuttgart ganz vorne mit dabei sein.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Kampf und Leidenschaft gegen den VfB

Herthaner im Fokus: Kampf und Leidenschaft gegen den VfB

Die Hertha hat ihren Sieg in Augsburg am Sonntagabend im Berliner Olympiastadion gegen den VfB Stuttgart nicht nur bestätigt, sondern sich in eine absolut komfortable Situation im Abstiegskampf manövriert. Gegen die Schwaben zeigten die Berliner Mal wieder sämtliche Tugenden, aus denen es in der aktuellen Situation zu schöpfen gilt. Über die komplette Spielzeit nahm die Mannschaft den Kampf um die drei Punkte mit Leidenschaft, mit Kratzen, Beißen und Disziplin an.

Bei Hertha findet sich eine Achse

Im Vergleich zur Vorwoche musste Felix Magath das Team kaum verändern. Lediglich Marco Richter, der in Augsburg seine 5. Gelbe Karte gesehen hatte und damit für das Spiel gegen die Stuttgarter gesperrt war, wurde auf der rechten Außenbahn von Vladimir Darida ersetzt. Ansonsten blieb im 4-2-3-1-System dasselbe Team wie in Augsburg auf dem Platz. Im Tor Marcel Lotka. Flankenspezialist Marvin Plattenhardt auf der Linksverteidigerposition, Dauerbrenner Peter Pekarik auf der rechten Seite, Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung.

Davor die Doppelsechs, bestehend aus Lucas Tousart und Santiago Ascacibar. Der Form-erstarkte Kevin Prince Boateng war wieder auf der „Zehn“ zu finden und durfte im Team schalten und walten. Suat Serdar und Vladimir Darida als positionsfremde Akteure konnten trotz ihrer Tempo-Defizite auf den offensiven Außenpositionen für viel Wirbel sorgen. Im Sturm durfte wieder Davie Selke ackern.

Wir schauen heute auf einen Torhüter mit viel Zukunft, arbeitende Stürmer, welche Spieler durchgehend zwischen Genie und Wahnsinn agieren, einen sich aufopfernden Rekordtransfer, clevere Schachzüge des Trainerteams und die Stimmung in der Mannschaft und im Olympiastadion.

Marcel Lotkas Leistungen und Charakter sind ein Schlüssel zum Hertha-Klassenerhalt

Als in der 65. Minute der Stadionsprecher von Hertha BSC lautstark Lotkas Vornamen brüllte und über 50.000 Kehlen mit seinem Nachnamen antworteten, war das nicht nur ein Dank für die in diesem Moment von ihm geklärte Stuttgarter Chance. Zugegeben, der Schuss von Tiago Tomas aus 18 Metern war zwar wuchtig, aber so zentral geschossen, dass es eine Leichtigkeit für Lotka war, den Ball festzuhalten. Ähnlich wie schon zuvor in der 13. Minute gegen Endo, Chris Führich in der 38. Minute oder in der 58. gegen den Versuch Erik Thommys.

Doch der Ausruf seines Namens ist ein Dankeschön an einen Mann, der einem nahezu toten Team Leben eingehaucht hat. Der 20 Jahre alte Torhüter, der gegen den VfB seinen siebten Bundesligaeinsatz feierte und zum zweiten Mal in Folge ohne Gegentor blieb, zeigt eine Präsenz, die für einen so jungen Spieler ungewöhnlich, in der aktuellen Situation aber maßgeblich ist, um im Abstiegskampf bestehen zu können. Die Stuttgarter zwangen ihn zu fünf Paraden, zusätzlich fing er Flanken ab, darunter zwei Ecken. Von Spiel zu Spiel wird seine Strafraumbeherrschung besser. Er war 47 Mal am Ball, verteilte ihn, brachte 13 seiner 29 Pässe bei den Mitspielern unter und pushte sein Team, so gut es ging.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Sein Abgang nach Dortmund am Saisonende wird von Spiel zu Spiel bitterer. Es wäre wünschenswert, wenn man nach der Saison mit klarem Kopf die Situation neu denkt und bewertet und Optionen abwägt, die einen Verbleib in Berlin möglich machen. Er ist schließlich nicht nur ein Sprachrohr der Mannschaft und mittlerweile gerngesehener Gast an Mikrophonen nach den Spielen, sondern hat allemal Potential, zu einer Identifikationsfigur in Berlin heranzuwachsen. Seine Ausstrahlung und das Talent im Tor versprechen durchaus eine sehenswerte Zukunft.

Davie Selke und Ishak Belfodil: Die Stärken zur richtigen Zeit eingesetzt

Davie Selke und Ishak Belfodil sind zwei sehr spezielle Menschen. Der eine kauziger denn je, aber augenscheinlich mit einem feinen Charakter ausgestattet, der andere ein technisch hervorragender Fußballer, dessen Blick aber praktisch durchgehend schlimmstes befürchten lässt. Aber der Reihe nach.

Davie Selke war im Spiel gegen die Schwaben 79 Minuten dabei, ehe er sich mit Muskelbeschwerden auswechseln ließ. Seine Arbeitsmoral war wie immer tadellos. Seine Chancenverwertung ließ zunächst zu wünschen übrig. Doch die erste Torchance der Hertha, bei der Davie Selke in der 3. Spielminute direkt vor dem Tor den Ball verpasste, wurde nur wenig später egalisiert. Und das durch eine einfache Kombination, die reichte, um die Stuttgarter Verteidigung auszuhebeln. Auf der linken Seite wurde Marvin Plattenhardt in Szene gesetzt, der mit einer Effet-reichen Flanke dem perfekt im Zentrum einlaufenden Selke den Abschluss vorbereitete. Die wuchtige Direktabnahme sieben Meter vor dem Tor sorgte schon nach vier Minuten für die Führung der Berliner. Wenige Spieler genießen nach einem so langen VAR-Eingriff den Torjubel praktisch ein zweites Mal wie der Stürmer.

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Im Verlauf der Partie konnte sich Selke zwar keine weiteren Chancen mehr erarbeiten, doch wie üblich büffelte er in der Offensive, beschäftigte die Verteidiger, spielte diese müde und setzte alles daran dem Team zu helfen. Er ließ sich sogar auf die Außen fallen, keiner seiner drei Flanken kam an, immerhin konnte er den Ball so aber von den Stuttgartern fernhalten. Er gewann sieben seiner 14 Zweikämpfe. Die Hälfte seiner 24 Pässe kam bei seinen Mitspielern an, was für einen Offensivspieler vollkommen okay ist.

Ishak Belfodil wurde nach 63 Minuten für Kevin Prince Boateng eingewechselt und zeigte wieder einmal seine technischen Fähigkeiten am Ball. Die Frage, wie er auf die Degradierung vor dem Augsburg-Spiel reagieren würde, beantwortete er in den letzten Minuten des Spiels hervorragend auf seine Art und Weise. Immerhin kam der Algerier in der knappen halben Stunde, die er agierte auf zwölf Ballaktionen, verteilte dabei die Bälle. Sieben seiner acht Pässe fanden den richtigen Adressaten. In der 69. Minute hätte er bereits erfolgreich sein können, doch den Flachschuss von Peter Pekarik konnte er nicht mehr entscheidend abfälschen.

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In der 3. Minute der Nachspielzeit zeigte er all seine Klasse. Die Mischung aus Schuss und Pass von Maximilian Mittelstädt, der von der linken Seite aus in den Strafraum zog, fing Belfodil an der Grundlinie ab. Die Ruhe, die er gegen Hiroki Ito und Florian Müller behielt, war aller Ehren wert, von seinen technischen Fähigkeiten, die er in dieser Situation zeigte, ganz zu schweigen, ehe er eiskalt einschob. Diese Ruhe und das Selbstvertrauen Belfodils waren zumindest bei dieser Aktion irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Da, wo ein gewisser…

…Marc Oliver Kempf das gesamte Spiel ist.

Der Verteidiger zeigte gegen seinen Ex-Verein wieder einmal seine ihn auszeichnenden robusten und körperlichen Aktionen. Seine Grätschen und sein Körpereinsatz sind oft so nahe an einem Foul dran, dass man als Fan der Hertha zittern muss, nicht gleich einen Elfmeter gegen sich zu sehen. Oft hatte er Glück bei seinen Grätschen, wobei es auch eine Stärke ist, die er in seinem Repertoire hat.

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Seine stärkste Aktion hatte er in der 52. Minute, als er bei Stuttgarts größter Torchance mitten im Geschehen war. Mavropanos Schuss, den der Stuttgarter Verteidiger nach einem langen Sololauf halblinks im Strafraum aus etwas spitzerem Winkel abgab, konnte Kempf mit einer risikoreichen Grätsche gegen die Latte lenken. Zugegeben: eben jene Chance hatte Kempf selbst eingeleitet. Das Zusammenspiel in der Innenverteidigung mit Dedryck Boyata scheint von Spiel zu Spiel besser zu werden. Doch ehrlicher Weise muss man sagen, dass die Stuttgarter offensiv zu wenig zu Stande brachten.

Ansonsten konnte Kempf sechs Bälle klären, gewann 86 Prozent seiner Zweikämpfe, brachte 19 seiner 30 Pässe bei den Mitspielern unter und versuchte sich immer wieder mit langen Bällen, wovon immerhin fünf von elf Versuchen ankamen. Aktuell scheint Marc Oliver Kempf sich in der Innenverteidigung festgespielt zu haben.

Das Spiegelbild der Hertha: Der beißende und kratzende Lucas Tousart

Der Rekordtransfer der Berliner tat sich in seiner Zeit bei Hertha vor allem eines: Schwer. Doch was er in den letzten Wochen abreißt, ist aller Ehren wert und es macht Spaß ihn dabei zuzusehen. Er kämpfte aufopferungsvoll um jeden Ball, war von Mittelfeld bis Eckfahne überall zu sehen. Grätschte, kämpfte, warf sich in Tacklings und blühte zu einem wahren Kampfschwein auf. 60 Ballaktionen hatte er, verteilte die Bälle so gut es ging. 24 seiner 34 Pässe kamen an, immerhin 71 Prozent.

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53 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er, das mag zunächst nicht allzu stark klingen, doch in diesem Fall war es auch entscheidend, wann welche Zweikampfsiege wichtig waren. Er zog drei clevere Fouls, wurde selbst zweimal gefoult und fing bei den Stuttgarter Angriffen sieben Mal den Ball ab. Zusätzlich lief er 12,15 km und entwickelt sich nach und nach zu einem kleinen Laufwunder. In den letzten Wochen war er immer unter den Spielern, die die meisten Meter für Hertha abspulten. Einzig der ebenfalls nimmermüde Santiago Ascacibar lief mehr. Allgemein lief die Mannschaft über 120 km, was immerhin acht mehr waren, als die Spieler des VfB Stuttgarts.

Das Trainerteam: Sinnvolle Taktik, schlaue Wechsel und starkes Auftreten

Weiterhin traut sich das Trainerteam um Cheftrainer Felix Magath unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Der Mut wird belohnt. Man vertraut Kevin Prince Boateng und seinem empfindlichen Körper, Selke darf im Sturm agieren wie er will. Und auf der linken Seite bricht man die Qualitäten auf die Stärken von Marvin Plattenhardt runter. Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Im Spiel zeigt man einfache Spielzüge und vor allem Kampf und Leidenschaft.

Einerseits ist es schade, Maximilian Mittelstädts nicht durchgehend sehen zu können oder Ishak Belfodil im Sturmzentrum länger agieren zu lassen. Aber im Abstiegskampf gilt es die einfachsten Stärken eiskalt zu nutzen. Jeder Spieler muss sich dem unterordnen. Nachdem Plattenhardt zur Pause verletzt ausgewechselt werden musste, kam Fredrik André Björkan. Auch hier setzte Magath auf den einfacher gebauten Spieler im Vergleich zu Mittelstädt, der immerhin in den Schlussminuten mit einer Vorlage glänzen konnte.

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Die Wechsel nach etwa einer Stunde, als Ishak Belfodil und Maximilian Mittelstädt für Kevin-Prince Boateng und Suat Serdar ins Spiel kamen, konnten cleverer kaum durchgeführt werden. Hertha drohte das Spiel vollkommen aus der Hand zu geben, wurde von den Stuttgartern nach und nach immer weiter eingeschnürt und musste Schuss um Schuss hinnehmen. Die Wechsel zerstörten den Angriffsdrang des VfBs und ordneten das Spiel neu.

Wieder wechselten sich Mark Fotheringham und Felix Magath ab, warfen taktische Anweisungen ein, motivierten und diskutierten. Fotheringham kassierte von Schiedsrichter Felix Brych sogar die gelbe Karte. Vedad Ibisevic tat dem agilen Trainerteam keinen Abbruch. Die Außendarstellung stimmt.

Die Stimmung im Team und Stadion war großartig: Und Hoffentlich bald wieder miteinander vereint

Das Team ist auch wirklich endlich ein richtiges Team, die Stimmung scheint hervorragend zu sein, das merkt man vor, während und nach dem Spiel und insbesondere nach dem entscheidenden 2:0 durch Belfodil, als sich Feld – und Ersatzspieler zur Jubeltraube zusammenfanden. Selbst Marcel Lotka nahm den weiten Weg vom eigenen Tor auf sich. Die Spieler sind durchgehend fokussiert, jeder hat seine Rolle akzeptiert, Kevin Prince Boateng ist endlich der absolute Leitwolf. Die Bilder nach dem Spiel, wo er die Mannschaft zusammensammelte, sprechen Bände. Die Spieler sind im Abstiegskampf endlich auf ihrem Höhepunkt angelangt und schaffen es sich zu den stärksten Leistungen zu pushen.

Zusätzlich herrschte am Sonntagabend eine wahnsinnig tolle Stimmung im Olympiastadion. Über 54.000 Fans waren zugegen. Die brachiale Stimmung war eines so großen Abstiegskrachers absolut würdig. Berlin und Hertha haben mal wieder gezeigt, wie viel Potential eine starke Zusammenarbeit hat. Die Anwesenheit von Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger hatte natürlich vor allem Symbolcharakter, zeigte aber auch dass Hertha und die Fans Themen in der Politik sind und das Stadionthema ernst genommen wird.

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Der Verzicht der Mannschaft, in die Kurve zu gehen, ist verständlich. Die Bilder, die nach dem Derby entstanden waren, sind noch zu präsent. Ein Zusammenrücken in den nächsten Wochen täte dem Team im Abstiegskampf mehr als gut. Dazu müssen die Fans bedingungslos hinter der Mannschaft stehen. Gegen Arminia Bielefeld, dem nächsten Endspiel, kann Hertha BSC sich im Optimalfall aller Abstiegssorgen entledigen. Auf geht’s!

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Herthaner im Fokus: Es wird immer dunkler

Herthaner im Fokus: Es wird immer dunkler

Zu aller erst: Wir befinden uns in Zeiten, in denen es schwer ist, sich auf die schönen Dinge im Leben zu konzentrieren. Es fühlt sich nicht richtig an, Fußball zu schauen und die Spiele zu analysieren, während ein paar hundert Kilometer entfernt ein Krieg in Europa wütet, der Menschenleben kostet. Ich denke ich kann für die gesamte Redaktion sagen, dass wir uns mit der Ukraine und den dort lebenden Menschen solidarisch zeigen. Und auch wenn es schwerfällt, wollen wir alle versuchen unser Leben normal zu gestalten und uns wie euch die Freude machen, weiter Texte zu schreiben.

Das Spiel gegen den SC Freiburg stand ganz im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Vor dem Spiel gab es, wie in jedem Bundesligastadion, eine Minute, in der an den Schrecken und den Menschen in Osteuropa gedacht wurde.

Hertha: Vieles neu und dann doch das Alte

Sportlich scheint die Talfahrt für die Hertha kein Ende zu nehmen. Auch im Breisgau konnte sich die Mannschaft nicht aus der schweren Krise befreien und verlor letztendlich verdient mit 0:3. Wie schon gegen Leipzig schickte Trainer Tayfun Korkut seine Mannschaft im 4-3-3 aufs Feld. Aufgrund der roten Karte für Marc Oliver Kempf gegen Leipzig war er wieder einmal gezwungen die Innenverteidigung umzustellen. Und um es vorweg zu nehmen, möglicherweise muss er nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Linus Gechter auch im nächsten Spiel auf eine neue Innenverteidigung bauen. Kapitän Dedryck Boyata startete neben dem Youngster. Außerdem begann Suat Serdar an Stelle von Santiago Ascacibar, der sich 90 Minuten lang mit der Bank zufriedenstellen musste.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Während Hertha wieder einmal nur schleppend in die Gänge kam, viel Energie für normalerweise einfachste Schritte aufbringen musste und auch vom Trainer und den Jokern keinerlei nennenswerten Aufschwung erlangen konnte, musst man sich auch mit kritischen Schiedsrichterentscheidungen auseinandersetzen. Das Spiel war zwölf Minuten alt, als Linus Gechter anscheinend Rolland Sallai zu Fall brachte, entscheidend aufklären konnte man die Situation nicht. Die Entscheidung des Schiris war Elfmeter. Lange war das Spiel offen, doch selbst eine durchschnittliche Freiburger Mannschaft war am Ende der relativ deutliche Sieger, gegen eine einfach qualitativ schwache Berliner Mannschaft.

Aber sei es drum. Wir schauen heute auf ein trotz drei Gegentoren gelungenes Debüt, auf eine überraschend gute Leistung, wer anscheinend zu viel mit Starallüren beschäftigt ist und wie sich die Winter-Neuzugänge im Team einfügen konnten. Und ab wann darf man eigentlich die Trainerfrage stellen?

Marcel Lotka: Die gesuchte Nummer eins für Hertha?

Der 5. Torhüter in der Hierarchie im Verein ist 20 Jahre alt und spielt sonst in der 2. Mannschaft von Hertha BSC. Wie in der gesamten Mannschaft ist die Torhüter-Situation extrem prekär. Doch möglicherweise war diese Notsituation ein zukünftiges Glück für Hertha. Nachdem Alexander Schwolow sich mit Corona abgemeldet hatte und Rune Jarstein sowieso seit Monaten nicht einsatzfähig ist und seit letzter Woche auch Oliver Christensen mit muskulären Problemen ausfällt, sollte nun eigentlich die Zeit von Eigengewächs Nils-Jonathan Körber schlagen. Doch es scheint so, als würde er weiter auf sein Bundesliga-Debüt warten müssen, denn auch für dieses Spiel wurde er nicht rechtzeitig fit und musste wieder einmal nur auf der Bank sitzen.

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(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Also stand recht überraschend mit Marcel Lotka ein noch jüngerer Mann zwischen den Pfosten und wurde praktisch ins kalte Wasser geworfen. Und er machte es gut. Sogar sehr gut. Auch wenn er drei Tore kassierte, an denen er herzlich wenig ausrichten konnte, wurde er zu zwei Weltklasse-Paraden gezwungen. Den Freistoß von Vincenzo Grifo in der 6. Minute lenkte er mit den Fingerspitzen über die Latte, in der 34. Minute parierte er spektakulär nach einem wuchtigen Abschluss von Maximilian Eggestein. Zusätzlich kam er auf 77 Prozent Passquote, konnte viele Bälle verteilen und hatte eine starke Ausstrahlung. Er pushte seine Mitspieler, kommandierte, motivierte, war emotional. In der 49. Minute unterlief ihm ein Fehlpass, bei einem Ausflug aus dem Strafraum raus, der glücklicherweise unbestraft blieb. Es war sein größter Fehler im Spiel.

Möglicherweise haben wir Herthaner hier einen Torhüterwechsel auf längere Zeit mit ansehen können. Verdient hätte es sich Lotka allemal, wo doch Schwolow seit Wochen im Formtief steckt.

Lucas Tousart: Einer der wenigen Ausreißer nach oben

Der Franzose hatte gegen die Freiburger tatsächlich einen guten Tag. Ein Ausreißer, den man nur selten von ihm bekommt. Zu oft wurde er positionsfremd eingesetzt oder konnte dem Team nicht die gewünschte Stabilität geben. Und auch wenn er ein gutes Spiel zeigte, befinden wir uns immernoch auf einem recht mäßigen Niveau.

Aber er bemühte sich. Mit zwei Torschüssen und einer Torschussvorlage konnte er sich zum Teil ins Offensivspiel einbinden, verteilte dazu 44 Bälle, von denen immerhin 84 Prozent den Mitspieler fanden. Mit acht langen Bällen versuchte er von hinten Druck aufzubauen, sieben davon kamen an. Und auch hinten konnte er ein ums andere Mal aushelfen, klärte vier Situationen und fing dreimal den Ball von seinen Gegenspielern ab.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Seine Passsicherheit verhalf dem Team lange zu Stabilität und Sicherheit, doch auch er konnte in den Schlussminuten nur noch wenig Gegenwehr leisten, als die Mannschaft aufmachte und das 0:2 und 0:3 kassierte. Kann Tousart an diese Leistung anknüpfen und sie konstant aufs Feld bringen, wäre er die gewünschte Zentrale des Teams.

Stevan Jovetic: Zu wenig Jovetic, zu viel Cunha

Es ist frustrierend. Stevan Jovetic ist der wohl beste Spieler des Teams und immer für einen genialen Moment gut, noch dazu Herthas bester Torschütze der Saison mit sechs Bundesligatreffern. Gegen Freiburg erarbeitete er sich vier Torschüsse, bereitete drei Torschüsse zusätzlich vor. Insbesondere sein traumhafter Pass auf Peter Pekarik in der 38. Minute zeigte wieder einmal seine Genialität, Übersicht und Technik am Ball. Der Rechtverteidiger scheiterte am herausstürmenden Keeper Mark Flekken. Ein Tor hätte der Mannschaft zu dem Zeitpunkt sicherlich gutgetan.

Doch Jovetics Genialität hat auch ihre Kehrseiten. Der Montenegriner wirkt seit Wochen schwer frustriert, lamentiert, diskutiert, wirkt zu oft demotiviert und nicht wie ein Teil des Teams. In der 24. Minute sah er schon von Schiri Jablonski die gelbe Karte, wollte die Entscheidung nicht wahrhaben, diskutierte und stand oft nahe einer weiteren Karte, die einen Platzverweis bedeutet hätte.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

In der 80. Minute verlor er in der eigenen Hälfte nach einem schwachen Zweikampfverhalten den Ball, ermöglichte den Freiburgern so eine riesige Torchance. Er selbst setzte nicht nach, sondern blieb bis Ende der Aktion einfach frustriert auf dem Rasen sitzen.

Seine Verhalten hat viel von dem, was in der letzten Saison über weite Strecken das Dilemma mit Matheus Cunha war, der ebenfalls der Star der Mannschaft war. Mental schien der dem Abstiegskampf nicht gewachsen, die Mannschaft war nur leider zu abhängig von seinem spielerischen Talent. Ähnlich wie aktuell mit Jovetic.

Fredrik-André Björkan und Donjun Lee: Noch kein Bundesliganiveau

Die beiden Winter-Neuzugänge sind sicherlich interessante Spieler und haben Talent. Doch sie sind, so muss man nach einigen Wochen feststellen, keine direkte Hilfe. Sie haben das Potential mit viel Training und Integration zur nächsten Saison eine wichtige Rolle im Team einzunehmen, doch aktuell fehlen die Spieler, die sie ersetzen sollen, extrem.

Björkan spielte über die gesamte Spielzeit als Linksverteidiger. Stammkraft Maxi Mittelstädt stand nach überstandener Corona-Infektion wieder im Kader, war aber wohl noch nicht bereit für einen Einsatz. Björkan versuchte seinen kompakten Körper so gut es ging einzusetzen, gewann zwei Tacklings, klärte zwei Aktionen der Freiburger und hatte mit 88 Prozent Passquote ein durchaus hohen Anteil am Aufbauspiel. Allerdings gewann er nur sechs seiner zehn Zweikämpfe, hatte sieben Ballverluste und musste drei Fouls ziehen. Er schien häufig überfordert und zeigte sowohl beim 0:2 als auch beim 0:3 ein schwaches Zweikampfverhalten.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Dong-Jun Lee wurde in der 70. Spielminute für Vladimir Darida eingewechselt. Beim Stand von 0:1 war es seine Aufgabe von den Außen für Gefahr zu sorgen. Doch seine Schnelligkeit ist zwar oftmals hoffnungsvoll und nett anzusehen, sonderlich viel Einfluss hatte er am Spiel nicht. Immerhin hatte der Südkoreaner neun Ballkontakte und lange versucht mit seinen Mitspielern das Ruder rumzureißen, doch viel ausrichten konnte er nicht. Seine beste Chance hatte er im Abseits stehend, als er aus wenigen Metern aus spitzen Winkel am Tor vorbeischoss. Er scheint noch nicht in der Bundesliga angekommen zu sein und wird sicherlich noch eine ganze Weile dafür brauchen. Aktuell scheint er nicht die erhoffte Hilfe im Abstiegskampf zu sein.

Tayfun Korkut und Fredi Bobic: Bitte in der Realität ankommen!

Man sucht nach Argumenten für die aktuelle Situation, wo man nur kann. Und man hat sie auch. Corona, Verletzungen, der Umbruch im Umbruch, sechs Trainer seit 2019. Aber zwei Punkte und 19 Gegentore aus den bisher sieben Rückrundenspielen, mit 54 Gegentoren die zweitschwächste Verteidigung der gesamten Saison und tief im Abstiegskampf steckend ist schwer besorgniserregend.

Zusätzlich kommt eine bedenkliche Entwicklung, die Trainer Tayfun Korkut und Hertha-Sportvorstand Fredi Bobic gerade nehmen. Die Versuche, die brutalen Niederlagen, wie gegen Leipzig und in Freiburg, schönzureden geht nicht nur an der Realität vorbei, als Fan fühlt man sich auch zunehmend veralbert. Wer weiß wie intern über die aktuellen Leistungen gesprochen wird, aber die Außendarstellung lässt vermuten, dass der Ernst der aktuellen Lage nicht erkannt wird.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Korkut hat kaum noch Argumente auf seiner Seite und scheint taktisch so extrem limitiert zu sein, dass er nicht einmal in der Lage ist, seine Antritts-Aussage – die Taktik nach Stärken der Spieler auszurichten – zu bestätigen. Der Trainerwechsel von Dardai zu Korkut ist im großen Stil gescheitert. Fredi Bobic muss sich die Frage gefallen lassen, die er seit Wochen gestellt bekommt. Weshalb Tayfun Korkut? Was ist der Plan? Denn der wird bei Hertha aktuell händeringend gesucht.

[Titelbild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images]